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Wladimir I. Lenin 19200209 Rede auf der Parteilosen-Konferenz im Moskauer Stadtbezirk Blaguscha-Lefortowo

Wladimir I. Lenin: Rede auf der Parteilosen-Konferenz im Moskauer Stadtbezirk

Blaguscha-Lefortowo

9. Februar 1920, Zeitungsbericht

[„Prawda" Nr. 32 13. Februar 1920. Nach Sämtliche Werke, Band 25, Wien-Berlin 1930, S. 27-30]

In seiner Rede behandelte Lenin zwei brennende Fragen der Gegenwart: die internationale Lage und die Arbeitsfront.

Unsere Rote Armee – sagte Lenin – hat durch ihre Siege die Lage Sowjetrusslands gefestigt und uns den ersten Sieg über die Imperialisten der Entente gebracht. Wodurch erklärt sich dieser Sieg? Dass das nicht allein durch die Siege an der Front erreicht worden ist, sondern dadurch, dass wir die Soldaten der mit uns kriegführenden Länder für uns gewonnen haben, ist klar. Die Alliierten haben durch die Truppenlandungen selbst ihre Armee zersetzt. Sie waren alsbald gezwungen, sie zurückzunehmen. Die Soldaten lehnten es ab, gegen uns zu kämpfen. Das bloße Wort „Sowjetmacht“, d. h. Macht der Werktätigen, erfüllt die Herzen der Proletarier der ganzen Welt mit Freude,

Durch Agitation und Propaganda haben wir der Entente ihre eigenen Truppen weggenommen. Wir haben die Imperialisten nicht nur mit Hilfe unserer Soldaten besiegt, sondern auch dadurch, dass wir uns auf die Sympathie ihrer eigenen Soldaten für uns stützten. Ferner haben wir nicht mit Worten, sondern durch Taten unsere Politik des Friedens gegenüber den mit uns benachbarten Kleinstaaten bewiesen. England hat durch den Mund Churchills uns mit einem Feldzug von 14 Staaten gedroht, aber dieser Feldzug misslang, als wir trotz unserer Siege unaufhörlich unsere Friedensvorschläge wiederholten. Wir haben Estland Frieden angeboten, ohne mit irgendwelchen Grenzen zu rechnen. Unsere Absicht war lediglich: das Blut der Arbeiter und Bauern nicht wegen irgendwelcher Grenzen zu vergießen.

Die Aufhebung der Blockade ist ausschließlich durch jene Sympathie zu erklären, die die Sowjetmacht den Arbeitern der uns feindlich gesinnten Länder einflößt. In Italien kam es so weit, dass der Kongress der Sozialistischen Parteien einstimmig eine Resolution annahm, in der die Aufhebung der Blockade gegen Sowjetrussland und die Aufnahme der Handelsbeziehungen gefordert wurde. Die kapitalistischen Regierungen der kleinen Staaten lieben zwar die Bolschewiki nicht, haben sich jedoch davon überzeugt, dass die Bolschewiki gutnachbarliche Beziehungen mit ihnen wünschen, während der General Denikin oder irgendein anderer General am Tage nach dem Siege sofort alle Papierchen über die Unabhängigkeit der kleinen Nationen zerrissen hätte. Ohne eine einzige Kanone, ohne ein einziges Maschinengewehr, ohne einen einzigen Gewehrschuss haben wir Frieden geschlossen und den Grund gelegt für Friedensschlüsse mit allen Ländern, die gegen uns Krieg führen. Wir haben durch Taten bewiesen, dass alle Regierungen vor der Friedenspolitik der Sowjetmacht die Waffen strecken müssen.

Wir haben uns bereits ein Fenster nach Europa geöffnet, das wir im weitesten Maße ausnutzen wollen. Man versucht, Polen gegen uns zu hetzen, aber diese Versuche werden misslingen, und nicht fern ist die Zeit, wo wir mit allen Ländern Frieden schließen werden, obwohl sie behaupten, dass sie uns nicht anerkennen. Wie Feuer fürchten sie die Verbreitung der bolschewistischen Pest bei sich zu Haus; aber obwohl sie sich mit einer chinesischen Mauer umgeben haben, ist dennoch in jedem dieser Länder diese bolschewistische Pest bereits da. Der Ansteckungsherd liegt im Innern dieser Länder. Diese Krankheit haben die französischen und englischen Soldaten mitgeschleppt, die in Sowjetrussland waren und dessen Luft geatmet haben. Wir haben also zwei Siege errungen. Wir haben an allen Fronten die weißgardistischen Banden geschlagen, erobern den Frieden im internationalen Maßstab und erobern ihn nicht durch Kanonen, sondern durch die Sympathien, die wir nicht nur bei den Arbeitern, sondern sogar bei den bürgerlichen Regierungen der kleinen Völker zu wecken verstanden haben.

Dann streifte Lenin ganz kurz die Arbeitsfront.

Genossen – sagte er – wir gehen dem Frühjahr entgegen, nachdem wir einen unerhört schweren Winter mit Kälte, Hunger, Typhus und Zerrüttung des Eisenbahnwesens durchgemacht haben. Wir müssen auch an dieser Front siegen. Wenn wir es während des Krieges fertigbrachten, alles zu opfern, die besten Kräfte hinzugeben, und die fortgeschrittensten Arbeiter, die Kommunisten und Kursanten allen voran, durch ihren Opfertod die Stimmung der gesamten Armee hoben, so sagen wir auch jetzt: wir müssen an dieser Front der wirtschaftlichen Zerrüttung aushalten. Ebenso wie damals müssen wir sagen: die Kommunisten und die fortgeschrittenen Arbeiter, die Gewissenhaftesten, die Ehrlichsten, die Besten, die Festesten allen voran! Um jeden Eisenbahnzug, um jede Lokomotive muss man kämpfen. Dazu fordere ich die Parteilosen-Konferenz auf.

Genossen, bevor ich mein Referat schließe, möchte ich noch einige Worte über die Maßnahmen sagen, die auf der letzten Tagung des Allrussischen Zentral-Exekutivkomitees ergriffen worden sind. Die Tagung hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die man in den nächsten Tagen in den Zeitungen veröffentlichen wird. Man muss diese Veröffentlichungen lesen und in allen Arbeiterversammlungen, Arbeiterklubs, Fabriken, Betrieben und Truppenteilen der Roten Armee diskutieren. Einer der wichtigsten Beschlüsse des Allrussischen Zentral-Exekutivkomitees, dem man meiner Ansicht nach ernsteste Aufmerksamkeit schenken muss, ist der über den Kampf gegen den Bürokratismus in unseren Institutionen. Eine der Maßnahmen gegen den Bürokratismus ist der Beschluss des Allrussischen Zentral-Exekutivkomitees über die Umwandlung unseres Apparats der Staatskontrolle in einen Kontrollapparat der Arbeiter- und Bauern bzw. der Arbeiterinspektion. Ohne die alten Beamten davonzujagen, genau so wie wir auch die Fachleute aus der Armee nicht davongejagt, sondern ihnen Arbeiterkommissare an die Seite gestellt haben, müssen wir diesen bürgerlichen Fachleuten Gruppen von Arbeitern an die Seite stellen, die selbst versuchen müssen, einen Einblick in die Dinge zu bekommen und sich zu schulen, um diese Arbeit selbst zu übernehmen. Es ist notwendig, dass die Arbeiter in alle staatlichen Einrichtungen eindringen, damit sie den ganzen Staatsapparat kontrollieren. Und das ist die Aufgabe der parteilosen Arbeiter, die ihre Vertreter auf den Parteilosenkonferenzen der Arbeiter und Bauern wählen müssen. Man muss den Kommunisten helfen, die unter der unerträglichen Last ermatten. In diesen Apparat müssen wir möglichst viel Arbeiter und Bauern hineinnehmen. Wir werden ans Werk gehen, wir werden es vollenden und werden auf diese Weise den Bürokratismus aus unseren Institutionen hinaustreiben. Die breiten parteilosen Arbeitermassen müssen alle Staatsangelegenheiten prüfen und es lernen, selber zu regieren.

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