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Wladimir I. Lenin 19150619 Brief an D. Wijnkoop

Wladimir I. Lenin: Brief an D. Wijnkoop

[Geschrieben zwischen dem 19. Juni und 13. Juli 1915. Geschickt nach Zwolle. Zum ersten Mal veröffentlicht am 21. Januar 1949 in der „Prawda" Nr. 21. Nach der deutschsprachigen Handschrift. Nach Briefe Band 4, S. 79 f.]

Werter Genosse!

Drehscheibe-Kautsky und Co. wollen jetzt mit linken Phrasen und mit rein verbaler Abkehr von der „Politik des 4. August" die beginnende revolutionäre Gärung „dämpfen". Wir sind jetzt für den Frieden – werden diese Herrschaften mitsamt Renaudel und Co. sagen und die revolutionären Massen damit abspeisen wollen.

Man spricht von einer Konferenz der Linken – und es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Dreckseelen vom Typus Bernstein-Kautsky eine solche Konferenz benutzen werden, um wieder mit „dem passiven Radikalismus" die Massen zu betrügen.

Es ist sehr möglich, dass die klugen Regierungspolitiker beider kriegführenden Gruppen jetzt nichts dagegen haben, dass man mit einem idiotischen „Friedensprogramm" die beginnende revolutionäre Gärung dämpft.

Ich weiß nicht, ob deutsche Linken stark genug schon jetzt sind, um das Manöver der passiven (und heuchlerischen) „Radikalen" durchzukreuzen. Aber Sie und wir – wir sind selbständige Parteien. Wir müssen etwas tun: Revolutionsprogramm formulieren, die idiotische und heuchlerische Friedensparole entlarven und denunzieren und widerlegen, den Arbeitern reinen Wein einschenken, um die Wahrheit zu sagen (ohne niederträchtige Diplomatenkunst der Autoritäten der zweiten Internationale). Und die Wahrheit ist: entweder die beginnende revolutionäre Gärung unterstützen und fördern (dazu gehört die Parole der Revolution, des Bürgerkrieges, illegale Organisation etc.) oder dämpfen zu wollen (dazu gehört die Parole des Friedens, die „Verurteilung" der „Annexionen", vielleicht auch Abrüstung etc. etc.).

Die Geschichte wird zeigen, dass wir recht haben, d. h. die Revolutionäre im Großen und Ganzen, nicht unbedingt A oder B.

Ich möchte wissen, ob Sie (Ihre Partei) imstande sind, einen Vertreter (der einer der drei Hauptsprachen mächtig ist) zu schicken? Und ob es möglich ist, dass unsere beiden Parteien offiziell (schriftlich oder mündlich, besser: und mündlich) eine gemeinsame Erklärung (bzw. eine Resolution) vorschlagen?

Wenn nur Geldschwierigkeiten, sagt uns genau, wie viel nötig ist: es wäre vielleicht möglich zu helfen.

Mit besten Grüßen

Ihr N. Lenin

Meine Adresse: Wl. Uljanow

Hotel Marienthal in Sörenberg (Kt. Luzern). Schweiz.

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