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L. Kamenew 19170421 Unsere Meinungsverschiedenheiten

L. Kamenew: Unsere Meinungsverschiedenheiten

[„Prawda" Nr. 27 vom 21. (8.) April 1917. Nach Lenin, Sämtliche Werke, Band 20.2, S. 260 f.]

In der gestrigen Nummer der „Prawda" veröffentlichte Genosse Lenin seine „Thesen". Sie stellen die persönliche Meinung des Genossen Lenin dar, und mit ihrer Veröffentlichung hat Genosse Lenin die Pflicht jedes verantwortlichen Politikers erfüllt: er hat seine Auffassung über die sich vollziehenden Ereignisse der revolutionären Demokratie Russlands zur Erörterung unterbreitet. Genosse Lenin tat es zwar in sehr gedrängter Form, aber mit äußerster Konsequenz: mit der Kennzeichnung des Weltkrieges beginnend, ist er schließlich zur Notwendigkeit der Gründung einer neuen, kommunistischen Partei gelangt. In seinem Referat musste er darum ganz natürlich nicht nur die Politik der Führer des Rates der Arbeiter- und Soldatendeputierten kritisieren, sondern auch die Politik der „Prawda", wie sie sich zur Zeit des Rätekongresses1 gestaltet hat und in den Reden der bolschewistischen Delegierten auf diesem Kongress zum Ausdruck gekommen ist. Diese Politik der „Prawda" war genau formuliert worden in den auf dem gleichen Kongress vorgeschlagenen Resolutionen über die Provisorische Regierung und über den Krieg, die vom Büro des ZK ausgearbeitet und von den bolschewistischen Kongressdelegierten angenommen worden sind.

Bis zu etwaigen neuen Beschlüssen des ZK und der allrussischen Parteikonferenz bleiben diese Resolutionen unsere Plattform, die wir verteidigen werden sowohl gegen den zersetzenden Einfluss des „revolutionären Oboronzentums" als auch gegen die Kritik des Genossen Lenin.

Was das allgemeine Schema des Genossen Lenin anbelangt, so halten wir es für unannehmbar, insoweit es davon ausgeht, dass die bürgerlich-demokratische Revolution abgeschlossen sei, und insoweit es auf die sofortige Umwandlung dieser Revolution in eine sozialistische berechnet ist. Die Taktik, die sich aus einer solchen Beurteilung ergibt, ist ganz verschieden von der Taktik, die die Vertreter der „Prawda" auf dem Allrussischen Kongress verteidigt haben sowohl gegen die offiziellen Führer des Sowjets als auch gegen die Menschewiki, die den Sowjet nach rechts schleppen wollten.

Wir hoffen, in der breiten Diskussion unserem Standpunkt Geltung zu verschaffen, als dem für die revolutionäre Sozialdemokratie einzig möglichen, wenn sie die Partei der revolutionären proletarischen Massen, die sie sein muss. bleiben und nicht zu einer Gruppe kommunistischer Propagandisten werden will.

1 Es handelt sich hier nicht um den eigentlichen Rätekongress, der erst im Juni stattfand, sondern um die Allrussische Rätekonferenz, die im April 1917 in Petrograd tagte. Siehe Anm. 68 des ersten Halbbandes. Die Red.

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