Allrussische Aprilkonferenz der SDAPR: Resolutionen

Allrussische Aprilkonferenz der SDAPR: Resolutionen

7.-12. Mai (24.-29. April) 1917

[Aus dem Buche: „Die Petrograder Stadtkonferenz und die Allrussische Konferenz der SDAPR im April 1917", 1925 (russisch). Nach Lenin, Sämtliche Werke, Band 20.2, Wien-Berlin 1928, S. 281-301]

1

Über den Krieg

I.

Der gegenwärtige Krieg ist auf Seiten beider Gruppen der kriegführenden Mächte ein imperialistischer Krieg, d. h. ein Krieg, den die Kapitalisten führen um die Aufteilung der Vorteile, die die Weltherrschaft bietet, um die Märkte für das Finanzkapital (Bankkapital), um die Unterwerfung schwacher Völkerschaften usw. Jeder Tag des Krieges bereichert die Finanz- und Industriebourgeoisie und ruiniert und erschöpft die Kräfte des Proletariats und der Bauernschaft aller kriegführenden, aber auch der neutralen Länder. Für Russland aber bringt die Verlängerung des Krieges überdies die größte Gefahr für die Errungenschaften der Revolution, für ihre weitere Entwicklung mit sich.

Der Übergang der Staatsmacht in Russland auf die Provisorische Regierung, die Regierung der Gutsbesitzer und Kapitalisten, hat diesen Charakter und die Bedeutung des Krieges seitens Russlands nicht geändert und konnte daran auch nichts ändern.

Diese Tatsache kam anschaulich zum Ausdruck in dem Umstand, dass die neue Regierung nicht nur die Geheimverträge, die der Exzar Nikolaus II. mit den kapitalistischen Regierungen Englands, Frankreichs usw. abgeschlossen hat, nicht veröffentlichte, sondern diese Geheimverträge, die den russischen Kapitalisten die Ausplünderung Chinas, Persiens, der Türkei, Österreichs usw. versprechen, ohne Befragung des Volkes auch formell bestätigte. Durch die Verheimlichung dieser Verträge wird das russische Volk über den wahren Charakter des Krieges getäuscht.

Die proletarische Partei kann deshalb weder den jetzigen Krieg noch die jetzige Regierung noch ihre Anleihen unterstützen, ohne mit dem Internationalismus, d. h. mit der brüderlichen Solidarität der Arbeiter aller Länder gegen das Joch des Kapitals vollständig zu brechen.

Keinerlei Vertrauen verdienen die Versprechungen der jetzigen Regierung, auf Annexionen zu verzichten, d. h. auf die Eroberung fremder Länder oder auf das gewaltsame Festhalten irgendwelcher Völkerschaften innerhalb der Grenzen Russlands. Denn erstens können die Kapitalisten, die durch Tausende von Fäden des Bankkapitals miteinander verknüpft sind, nicht auf Annexionen in diesem Kriege verzichten, ohne auf die Profite aus den Milliarden zu verzichten, die in den Anleihen, in den Konzessionen, in den Kriegsindustriebetrieben usw. investiert sind; zweitens hat die neue Regierung, nachdem sie, um das Volk zu betrügen, auf Annexionen verzichtete, durch den Mund Miljukows am 9. April 1917 in Moskau erklärt, dass sie auf Annexionen nicht verzichtet, und durch die Note vom 18. April sowie deren Erläuterung vom 22. April hat sie den Eroberungscharakter ihrer Politik bestätigt.

Indem die Konferenz das Volk vor den leeren Versprechungen der Kapitalisten warnt, erklärt sie, dass man streng unterscheiden muss zwischen einem Verzicht auf Annexionen in Worten und einem Verzicht auf Annexionen in der Tat, d. h. durch sofortige Veröffentlichung aller geheimen Raubverträge und sofortige Einräumung des Rechtes an alle Völkerschaften, durch freie Abstimmung über die Frage zu entscheiden, ob sie unabhängige Staaten sein oder sich irgendeinem Staate anschließen wollen.

II.

Das sogenannte „revolutionäre Oboronzentum", das jetzt in Russland fast alle volkstümlerischen Parteien (Volkssozialisten, Trudowiki, Sozialrevolutionäre) und die opportunistische sozialdemokratische Partei der Menschewiki vom O. K. (Tschcheïdse, Zeretelli u. a.) sowie die Mehrheit der parteilosen Revolutionäre erfasst hat, stellt seiner Klassenbedeutung nach einerseits die Interessen und den Standpunkt der wohlhabenden Bauern und eines Teiles der Kleinbesitzer dar, die ebenso wie die Kapitalisten aus der Vergewaltigung schwacher Völker Gewinne ziehen. Anderseits ist das „revolutionäre Oboronzentum" das Resultat der kapitalistischen Beschwindelung eines Teils der städtischen und ländlichen Proletarier, die ihrer Klassenlage nach an den Profiten der Kapitalisten und am imperialistischen Krieg nicht interessiert sind.

Die Konferenz erklärt Zugeständnisse irgendwelcher Art an das „revolutionäre Oboronzentum" für absolut unzulässig und in Wirklichkeit gleichbedeutend mit einem völligen Bruch mit dem Internationalismus und Sozialismus. Was die Oboronzenstimmungen der breiten Volksmassen anbelangt, so wird unsere Partei gegen diese Stimmungen ankämpfen durch unermüdliche Klarlegung der Wahrheit, dass das blind vertrauensselige Verhalten zur Regierung der Kapitalisten in diesem Augenblick eines der Haupthindernisse zur raschen Beendigung des Krieges ist.

III.

Was die wichtigste Frage anbelangt, wie man diesen Krieg der Kapitalisten möglichst rasch beendigen kann, und zwar nicht durch einen Gewaltfrieden, sondern durch einen wahrhaft demokratischen Frieden, so erkennt die Konferenz an und beschließt:

Es ist unmöglich, diesen Krieg zu beenden durch die Weigerung der Soldaten nur einer Seite, den Krieg fortzusetzen, durch die einfache Einstellung der Kriegsoperationen durch eine der kriegführenden Parteien.

Die Konferenz protestiert erneut mit allem Nachdruck gegen die niederträchtige Verleumdung, die die Kapitalisten gegen unsere Partei verbreiten, als seien wir für einen Separatfrieden mit Deutschland. Wir halten die deutschen Kapitalisten für ebensolche Räuber wie die russischen, englischen, französischen und anderen Kapitalisten, und den Kaiser Wilhelm für einen ebensolchen gekrönten Räuber wie Nikolaus II. und die Monarchen Englands, Italiens, Rumäniens und alle andern.

Unsere Partei wird geduldig, aber beharrlich dem Volke die Wahrheit klarmachen, dass Kriege von Regierungen geführt werden, dass Kriege stets verknüpft sind mit der Politik bestimmter Klassen, dass man diesen Krieg mit einem demokratischen Frieden beenden kann nur durch den Übergang der gesamten Staatsgewalt wenigstens in einigen kriegführenden Ländern in die Hände der Klasse der Proletarier und Halbproletarier, die wirklich fähig ist, der Unterjochung durch das Kapital ein Ende zu machen.

Die revolutionäre Klasse würde nach der Eroberung der Staatsgewalt in Russland eine Reihe von Maßnahmen treffen, die die ökonomische Herrschaft der Kapitalisten untergraben, Maßnahmen, die zu einer vollkommenen politischen Unschädlichmachung der Kapitalisten führen würden; die revolutionäre Klasse würde allen Völkern sofort und offen einen demokratischen Frieden vorschlagen auf der Grundlage des völligen Verzichts auf irgendwelche Annexionen und Kontributionen. Diese Maßnahmen und dieses offene Friedensangebot würden das völlige Vertrauen der Arbeiter der kriegführenden Länder zueinander herstellen und würden unvermeidlich zu Aufständen des Proletariats gegen jene imperialistischen Regierungen führen, die sich dem vorgeschlagenen Frieden widersetzen sollten.

Solange die revolutionäre Klasse in Russland nicht die ganze Staatsmacht in ihre Hände genommen hat, wird unsere Partei jene proletarischen Parteien und Gruppen im Auslande in jeder Weise unterstützen, die wirklich schon während des Krieges einen revolutionären Kampf gegen ihre imperialistische Regierung und gegen ihre Bourgeoisie führen. Insbesondere aber wird die Partei die begonnene Massenverbrüderung der Soldaten aller kriegführenden Länder an der Front unterstützen, indem sie danach strebt, diese elementare Äußerung der Solidarität der Unterdrückten umzuwandeln in eine bewusste und möglichst organisierte Bewegung, die auf den Übergang der gesamten Staatsgewalt in allen kriegführenden Ländern in die Hände des revolutionären Proletariats gerichtet ist.

2

Über die Stellung zur provisorischen Regierung

Die Allrussische Konferenz der SDAPR stellt fest:

1. die Provisorische Regierung ist ihrem Klassencharakter nach ein Organ der Herrschaft der Großgrundbesitzer und der Bourgeoisie;

2. sie und die von ihr vertretenen Klassen sind ökonomisch und politisch mit dem russischen und dem englisch-französischen Imperialismus untrennbar verbunden;

3. sie führt selbst das von ihr verkündete Programm nur unvollständig durch, und auch das nur unter dem Druck des revolutionären Proletariats und teilweise des Kleinbürgertums;

4. die sich organisierenden Kräfte der bürgerlichen und feudalen Konterrevolution, die sich in die Farben der Provisorischen Regierung hüllen, sind unter offenkundiger Mitwirkung der letzteren bereits zum Angriff auf die revolutionäre Demokratie übergegangen: so schiebt die Provisorische Regierung den Termin der Wahlen zur Konstituante hinaus, verhindert die allgemeine Bewaffnung des Volkes, widersetzt sich dem Übergang des gesamten Bodens in die Hände des Volkes, indem sie ihm eine den Interessen der Grundherren entsprechende Methode der Lösung der Agrarfrage aufzwingt, sabotiert die Einführung des Achtstundentages, leistet der konterrevolutionären Agitation der Gutschkow und Co. in der Armee Vorschub, organisiert das höhere Offizierskorps gegen die Soldaten usw.;

5. die Provisorische Regierung, die die Profite der Kapitalisten und Grundbesitzer schützt, ist unfähig, eine Reihe revolutionärer Maßnahmen auf wirtschaftlichem Gebiet (Lebensmittelversorgung usw.) zu treffen, die in Anbetracht der unmittelbar drohenden Wirtschaftskatastrophe unbedingt und unaufschiebbar notwendig sind;

6. gleichzeitig stützt sich diese Regierung im gegenwärtigen Moment auf das Vertrauen und auf ein direktes Abkommen mit dem Petrograder Rat der Arbeiter- und Soldatendeputierten, der immer noch für die Mehrheit der Arbeiter und der Soldaten, d. h. der Bauernschaft, die führende Organisation ist;

7. jeder Schritt der Provisorischen Regierung sowohl in der Außen- wie in der Innenpolitik wird den Proletariern und Halbproletariern in Stadt und Land die Augen öffnen und die verschiedenen Schichten des Kleinbürgertums veranlassen, sich für die eine oder die andere politische Stellung zu entscheiden.

Von obigen Feststellungen ausgehend, beschließt die Konferenz:

1. Notwendig ist eine langwierige Arbeit zur Klärung des proletarischen Klassenbewusstseins und zur Zusammenfassung der Proletarier in Stadt und Land gegen die Schwankungen der Kleinbourgeoisie, denn nur eine solche Arbeit sichert den erfolgreichen Übergang der gesamten Staatsgewalt in die Hände der Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten oder anderer Organe, die den Willen des Volkes unmittelbar zum Ausdruck bringen (Organe der örtlichen Selbstverwaltung, Konstituierende Versammlung usw.).

2. Für eine solche Tätigkeit ist es notwendig, eine allseitige Arbeit innerhalb der Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten zu entfalten, ihre Zahl zu erhöhen, ihre Kraft zu stärken, die proletarischen internationalistischen Gruppen unserer Partei innerhalb der Räte fest zusammenzufassen.

3. Zwecks sofortiger Festigung und Erweiterung der revolutionären Errungenschaften ist es notwendig, in der Provinz, gestützt auf eine feste Mehrheit der Ortsbevölkerung, alle eigenmächtigen Handlungen, die gerichtet sind auf die Verwirklichung der Freiheiten, auf die Absetzung der konterrevolutionären Behörden, auf die Durchführung von Maßnahmen wirtschaftlicher Natur – Kontrolle der Produktion und Verteilung usw. – allseitig zu fördern, zu organisieren und zu verstärken.

4. Die politische Krise vom 19.–21. April, hervorgerufen durch die Note der Provisorischen Regierung, hat gezeigt, dass die Regierungspartei der Kadetten, die tatsächlich die konterrevolutionären Elemente in der Armee wie auf der Straße organisiert, den Versuch macht, die Arbeiter niederschießen zu lassen. Infolge der unsicheren Lage, die sich aus der Doppelherrschaft ergibt, ist die Wiederholung solcher Versuche unvermeidlich, und die Partei des Proletariats ist verpflichtet, dem Volke mit aller Energie zu sagen, dass die Organisation und die Bewaffnung des Proletariats, das innigste Bündnis mit der revolutionären Armee und der Bruch mit der Politik des Vertrauens zur Provisorischen Regierung notwendig sind, um die ernstlich drohende Gefahr von Massenerschießungen des Proletariats, wie in den Junitagen des Jahres 1848 in Paris, zu verhüten.

3

Zur Agrarfrage

Das Bestehen des adligen Grundbesitzes in Russland ist die materielle Stütze für die Macht der feudalen Grundbesitzer und eine Gewähr für die Möglichkeit einer Wiederherstellung der Monarchie. Dieser Grundbesitz verurteilt unvermeidlich die übergroße Mehrheit der Bevölkerung Russlands, das Bauerntum, zu Elend und Knechtschaft, und das ganze Land zur Rückständigkeit auf allen Gebieten des Lebens.

Der bäuerliche Grundbesitz in Russland, sowohl das zugeteilte Land* (das der Gemeinden und der Einzelhöfe) als auch der Privatbesitz (gepachteter und gekaufter Boden), ist von unten bis oben, kreuz und quer eingesponnen in alten, halb feudalen Beziehungen und Verhältnissen: die Teilung der Bauern in Kategorien, eine Erbschaft aus der Zeit der Leibeigenschaft, die Gemengelage der Grundstücke usw. usf. Die Notwendigkeit, all diese veralteten und schädlichen Schranken niederzureißen, die Notwendigkeit, den Grund und Boden zu „befreien", alle Verhältnisse des Grundbesitzes und des Ackerbaues neu zu gestalten, entsprechend den neuen Bedingungen der russischen und der internationalen Wirtschaft, bildet die materielle Grundlage des Strebens der Bauernschaft nach Nationalisierung aller Ländereien im Staate.

Welches die kleinbürgerlichen Utopien auch sein mögen, in die alle volkstümlerischen Parteien und Gruppen den Kampf der Bauernmassen gegen den feudalen adligen Grundbesitz und überhaupt gegen alle feudalen Fesseln des Bodenbesitzes und der Bodennutzung in Russland kleiden, – dieser Kampf selbst bringt durchaus das bürgerlich-demokratische, unbedingt fortschrittliche und wirtschaftlich notwendige Streben nach entschiedener Sprengung all dieser Fesseln zum Ausdruck.

Die Nationalisierung des Grund und Bodens, die eine bürgerliche Maßnahme ist, bedeutet die größtmögliche Freiheit des Klassenkampfes, die in der kapitalistischen Gesellschaft denkbar ist, und die Befreiung der Bodennutzung von allen nichtbürgerlichen Anhängseln. Außerdem würde die Nationalisierung des Bodens, als Abschaffung des Privateigentums am Grund und Boden, in der Praxis einen so mächtigen Schlag gegen das Privateigentum an allen Produktionsmitteln überhaupt bedeuten, dass die Partei des Proletariats einer solchen Umgestaltung jede Unterstützung angedeihen lassen muss.

Anderseits hat die wohlhabende Bauernschaft Russlands bereits seit langem die Elemente einer Bauernbourgeoisie erzeugt, und die Stolypinsche Agrarreform hat diese Elemente zweifellos gestärkt, vermehrt und gefestigt. Ebenso haben sich auf dem entgegengesetzten Pol des Dorfes die landwirtschaftlichen Lohnarbeiter, die Proletarier und die ihnen nahestehende Masse der halbproletarischen Bauernschaft gestärkt und vermehrt.

Je entschiedener und konsequenter mit dem adligen Grundbesitz aufgeräumt wird, um so entschiedener und konsequenter wird die bürgerlich-demokratische Agrarumgestaltung in Russland überhaupt sein, mit um so größerer Kraft und Geschwindigkeit wird sich der Klassenkampf des Landproletariats gegen die wohlhabende Bauernschaft (Bauernbourgeoisie) entfalten.

Je nachdem, ob es dem Stadtproletariat gelingt, das Landproletariat mit sich zu reißen und ihm die Masse der ländlichen Halbproletarier anzugliedern, oder ob diese Masse der Bauernbourgeoisie folgen wird, die zu einem Bündnis mit Gutschkow und Miljukow, mit den Kapitalisten und Grundbesitzern und mit der Konterrevolution überhaupt neigt, wird sich das Schicksal und der Ausgang der russischen Revolution entscheiden, sofern nicht die beginnende proletarische Revolution in Europa einen unmittelbaren, machtvollen Einfluss auf unser Land ausüben wird.

Von dieser Lage und diesem Verhältnis der Klassenkräfte ausgehend beschließt die Konferenz:

1. Die Partei des Proletariats kämpft mit allen Kräften für die sofortige und vollständige Beschlagnahme aller gutsherrlichen (sowie der Apanagen-, Kirchen-, Kron- usw. usw.) Ländereien in Russland.

2. Die Partei tritt entschieden ein für den sofortigen Übergang aller Ländereien in die Hände der Bauernschaft, die in Bauerndeputiertenräten oder in anderen, wirklich demokratisch gewählten und von den Grundbesitzern und Beamten völlig unabhängigen Organen der örtlichen Selbstverwaltung organisiert sind.

3. Die Partei des Proletariats fordert die Nationalisierung aller Ländereien im Staate; die Nationalisierung, die die Übergabe des Eigentumsrechtes auf den gesamten Boden an den Staat bedeutet, legt das Verfügungsrecht über den Grund und Boden in die Hände der örtlichen demokratischen Körperschaften.

4. Die Partei muss entschieden kämpfen sowohl gegen die provisorische Regierung, die durch den Mund Schingarjows und durch ihre kollektiven Aktionen den Bauern eine „freiwillige Vereinbarung mit den Grundbesitzern", d. h. in Wirklichkeit einen gutsherrlichen Charakter der Reform, aufzwingt und den Bauern wegen „eigenmächtigen Vorgehens" mit Strafen droht, d. h. mit Gewaltanwendung von Seiten der Minderheit der Bevölkerung (der Grundbesitzer und Kapitalisten) gegen die Mehrheit, als auch gegen die kleinbürgerliche Unentschlossenheit der Mehrheit der Narodniki und Menschewiki, die den Bauern den Rat erteilen, mit der Besitzergreifung des ganzen Grund und Bodens bis zur Einberufung der Konstituante zu warten.

5. Die Partei gibt den Bauern den Rat, in organisierter Weise, ohne auch nur die geringste Beschädigung des Inventars zuzulassen, vom Land Besitz zu ergreifen und für die Steigerung der Produktion Sorge zu tragen.

6. Alle Agrarreformen überhaupt können nur bei vollständiger Demokratisierung des gesamten Staates erfolgreich und von Dauer sein, d. h. einerseits bei Aufhebung der Polizei, des stehenden Heeres und des faktisch privilegierten Beamtentums, und anderseits bei weitestgehender, von aller Bevormundung und Beaufsichtigung von oben freier örtlicher Selbstverwaltung.

7. Es ist notwendig, sofort und überall die besondere und selbständige Organisierung des landwirtschaftlichen Proletariats in die Wege zu leiten, sowohl in der Form von Deputiertenräten der landwirtschaftlichen Arbeiter (sowie besonderen Deputiertenräten der halbproletarischen Bauernschaft) als auch in der Form proletarischer Gruppen oder Fraktionen in den allgemeinen Bauerndeputiertenräten, in allen Organen der örtlichen und der städtischen Verwaltung usw. usf.

8. Die Partei muss die Initiative derjenigen Bauernkomitees unterstützen, die in einer Reihe von Gegenden Russlands das gutsherrliche lebende und tote Inventar der in diesen Komitees organisierten Bauernschaft zur öffentlich geregelten Nutzung bei der Bearbeitung allen Bodens übergeben.

9. Die Partei des Proletariats muss den Proletariern und Halbproletariern des flachen Landes empfehlen, sich dafür einzusetzen, dass aus jedem Herrengut eine genügend große Musterwirtschaft geschaffen werde, die für Rechnung der Allgemeinheit von den Deputiertenräten der Landarbeiter unter der Leitung von Agronomen und mit Anwendung der besten technischen Mittel betrieben werden soll.

4

Zum Vorschlag Borgbjergs

Aus Anlass der Ankunft des dänischen „Sozialisten" Borgbjerg und seines Vorschlages, an einer Sozialistenkonferenz teilzunehmen, um den Friedensvorschlag zu unterstützen, den die deutschen Sozialisten Scheidemannscher und Plechanowscher Richtung auf der Grundlage des Verzichtes Deutschlands auf einen großen Teil seiner Annexionen machen, erklärt die Konferenz:

Borgbjerg tritt im Namen der drei skandinavischen Parteien auf, d. h. der schwedischen, der dänischen und der norwegischen. Die Vollmacht erteilte ihm jene schwedische Partei, an deren Spitze Branting steht, d. h. ein Sozialist, der auf die Seite „seiner" Bourgeoisie übergegangen ist, der das revolutionäre Bündnis der Arbeiter aller Länder verraten hat. Diese schwedische Partei kann von uns nicht als eine sozialistische angesehen werden. Als sozialistische Partei betrachten wir in Schweden nur die Partei der Jungen, an deren Spitze Höglund, Lindhagen, Ström, Karlson u. a. stehen.

Ebenso wenig sehen wir die dänische Partei, von der Borgbjerg eine Vollmacht hat, als eine sozialistische an, denn an ihrer Spitze steht Stauning, der Mitglied eines bürgerlichen Ministeriums ist. Der Eintritt Staunings in das bürgerliche Ministerium hat den Protest der Gruppe Trier und ihren Austritt aus der Partei hervorgerufen, wobei diese Gruppe erklärte, dass die dänische sozialistische Partei eine bürgerliche Partei geworden ist.

Borgbjerg handelt, wie er selbst zugibt, im Einverständnis mit Scheidemann und anderen deutschen Sozialisten, die auf die Seite der deutschen Regierung und der deutschen Bourgeoisie übergegangen sind.

Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass Borgbjerg im Grunde genommen, direkt oder indirekt, ein Agent der deutschen imperialistischen Regierung ist.

In Anbetracht dessen hält die Konferenz die Teilnahme unserer Partei an einer Konferenz, an der Borgbjerg und Scheidemann teilnehmen, für grundsätzlich unzulässig, denn unsere Aufgabe ist die Einigung nicht der direkten oder indirekten Agenten der verschiedenen imperialistischen Regierungen, sondern der Arbeiter aller Länder, die schon während des Krieges einen revolutionären Kampf gegen ihre imperialistischen Regierungen führen.

Nur eine Beratung mit solchen Parteien und Gruppen und eine Annäherung an sie kann tatsächlich den Friedensschluss beschleunigen.

Wir warnen die Arbeiter davor, zu einer Konferenz Vertrauen zu haben, die Borgbjerg organisiert, denn in Wirklichkeit wird diese Konferenz angeblicher Sozialisten eine Komödie sein zur Verschleierung des hinter ihrem Rücken sich abspielenden Kuhhandels der Diplomaten, die Annexionen gegen Annexionen austauschen, z. B. den russischen Kapitalisten Armenien „geben", England die von ihm geraubten deutschen Kolonien „geben" und dafür den deutschen Kapitalisten vielleicht einen Teil des lothringischen Erzbeckens „abtreten", das ungeheure Schätze an ausgezeichneten Eisenerzen enthält usw.

Sozialisten können weder direkt noch indirekt, ohne die proletarische Sache zu verraten, an dem schmutzigen und eigennützigen Kuhhandel zwischen den Kapitalisten der verschiedenen Länder über die Aufteilung der von ihnen zusammengeraubten Beute teilnehmen.

Gleichzeitig stellt die Konferenz fest, dass die deutschen Kapitalisten selbst durch den Mund Borgbjergs nicht auf alle ihre Annexionen verzichten, von der sofortigen Zurückziehung der Truppen aus den von ihnen gewaltsam besetzten Gebieten schon gar nicht zu reden. Denn die dänischen Gebiete Deutschlands, seine polnischen Gebiete, die französischen Teile des Elsass sind genau so eine Annexion der deutschen Kapitalisten, wie Kurland, Finnland, Polen, die Ukraine usw. Annexionen der russischen Zaren und der russischen Kapitalisten sind.

Dokumente und Materialien

6

Was aber die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Polens anbetrifft, so ist sie ein Betrug sowohl der deutschen und der österreichischen Kapitalisten als auch der russischen Provisorischen Regierung, die von einem angeblich „freien" militärischen Bündnis Polens mit Russland spricht. Denn zur tatsächlichen Feststellung des Volkswillens in allen annektierten Gebieten ist die Zurückziehung der Truppen und die freie Befragung der Bevölkerung notwendig. Nur die Anwendung dieser Maßnahme auf ganz Polen (d. h. nicht nur auf den Teil, den sich die Russen angeeignet haben, sondern auch auf den von den Deutschen und den Österreichern angeeigneten), auf ganz Armenien usw. wäre ein Schritt zur Umwandlung der Regierungsversprechungen in die Tat.

Die Konferenz stellt ferner die Tatsache fest, dass die englischen und die französischen Sozialisten, die auf die Seite ihrer kapitalistischen Regierungen übergegangen sind, es abgelehnt haben, an der von Borgbjerg einberufenen Konferenz teilzunehmen. Diese Tatsache zeigt klar, dass die englisch-französische imperialistische Bourgeoisie, deren Agenten diese angeblichen Sozialisten sind, diesen imperialistischen Krieg fortsetzen, in die Länge ziehen wollen, dass sie nicht gewillt sind, selbst die Zugeständnisse, die die deutsche imperialistische Bourgeoisie – unter dem Einfluss der wachsenden Erschöpfung, der Hungersnot, der Zerrüttung, und vor allem der nahenden proletarischen Revolution in Deutschland – durch Borgbjerg zu versprechen gezwungen ist, auch nur zu erörtern.

Die Konferenz beschließt, alle diese Tatsachen der breitesten Öffentlichkeit bekanntzugeben und im besonderen die russischen Soldaten an der Front möglichst eingehend davon in Kenntnis zu setzen: mögen die russischen Soldaten wissen, dass die englisch-französischen und mit ihnen die russischen Kapitalisten den Krieg in die Länge ziehen und selbst eine solche Konferenz über die Friedensbedingungen nicht zulassen wollen.

Mögen die russischen Soldaten wissen, dass unter der Losung „Krieg bis zum Sieg" sich jetzt verbergen die Bestrebungen Englands, seine Herrschaft in Bagdad und in den deutschen Kolonien Afrikas zu festigen, die Bestrebungen der russischen Kapitalisten, Armenien, Persien usw. zu rauben und zu drosseln, die Bestrebungen, Deutschland völlig zu zertrümmern.

Mögen die russischen Soldaten an der Front in jedem Truppenteil, in jedem Regiment, in jeder Kompanie darüber abstimmen, ob sie mit einer solchen Verlängerung des Krieges durch die Kapitalisten einverstanden sind oder ob sie wollen, dass zur rascheren Beendigung des Krieges die gesamte Gewalt im Staate vollständig und ausschließlich in die Hände der Arbeiter- und Soldatendeputiertenräte übergehe.

Die Partei des russischen Proletariats wird nur mit solchen Arbeiterparteien anderer Länder Konferenzen abhalten und brüderliche Bündnisse schließen, die in ihrem Lande einen revolutionären Kampf für den Übergang der gesamten Staatsgewalt in die Hände des Proletariats führen.

5

Über die Koalitionsregierung

Alle Länder, die in den Krieg hineingezogen sind, auch Russland, gehen – infolge der hereinbrechenden vollständigen Zerrüttung der Wirtschaft und infolge der äußersten Erschöpfung und Empörung der Soldaten – mit außerordentlicher Geschwindigkeit einer unerhörten Katastrophe entgegen.

Die kapitalistischen Regierungen, die diesen Krieg begonnen haben oder ihn fortsetzen und für ihn verantwortlich sind, zeigen sich daher besonders beunruhigt; die russische Regierung, die außerdem noch für die Bourgeoisie unerfüllbare Versprechungen gemacht hat und gebunden ist durch eine Vereinbarung mit den kleinbürgerlichen demokratischen Parteien der Narodniki und Menschewiki, eine Vereinbarung, die sie täglich verletzt, zeigt nicht nur Besorgnis, sie richtet auch öffentlich in einem Manifest vom 26. April an die Parteien der Narodniki und Menschewiki die direkte Aufforderung, ihr behilflich zu sein, eine Koalitionsregierung zu bilden.

In dieser für die Kapitalistenregierung kritischen Lage erscheint die Hinzuziehung der Führer des Sowjets, d. h. der Führer der Narodnikiparteien (Tschernow, Pjeschechonow usw.) und der Menschewiki (Tschcheïdse, Zeretelli usw.), durch ihren Eintritt in die Regierung zu einer noch tatkräftigeren Unterstützung des imperialistischen Krieges als ein Ausweg, wenn auch nur für ganz kurze Zeit.

Die breiten Volksmassen, besonders die Soldaten, fangen an, sich durch die Provisorische Regierung getäuscht zu fühlen, sie glauben nicht mehr an die Richtigkeit der Verständigungspolitik, der Politik des Vertrauens zu der Provisorischen Regierung. Aber sie hegen noch die Illusion, als ob durch den Eintritt der Führer der kleinbürgerlichen Demokratie in die Regierung die Sache verbessert werden könnte – eine Illusion, die die Partei des Proletariats mit aller Energie zu zerstören verpflichtet ist.

Die Führer des Petrograder Sowjets, die den Standpunkt des Narodnikitums und des Menschewismus vertreten, sind, nachdem sie mit der Provisorischen Regierung eine Vereinbarung getroffen, den imperialistischen Krieg hingenommen, der Anleihe zugestimmt und sich durch ihre ganze Politik in die Lage von Ministern ohne Portefeuille gebracht hatten, nunmehr gezwungen, größere formale Verantwortung für die Kapitalistenregierung zu übernehmen.

Infolge aller dieser Umstände ist die Frage der Koalitionsregierung zu einer Frage des Tages geworden.

Die Partei des Proletariats erklärt: jeder, der in die Regierung, die einen imperialistischen Krieg führt, eintritt, wird, unabhängig von seinen guten Absichten, zum Mitbeteiligten an der imperialistischen Politik der Kapitalisten.

Aus allen diesen Gründen ist die Partei des Proletariats auf das Entschiedenste gegen die Entsendung von Vertretern der Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten in die Koalitionsregierung.

Die Partei warnt das Volk vor den Versuchen, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf die Frage des Personenwechsels im Ministerium oder der Ersetzung einer Gruppe bürgerlicher Politiker durch eine andere zu konzentrieren. Dem grundsatzlosen Kampf der parlamentarischen Cliquen setzt die revolutionäre Sozialdemokratie entgegen den Klassenkampf und insbesondere die grundlegende Änderung der gesamten Politik der Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten und den Übergang der gesamten Macht in ihre Hände.

6

Zur nationalen Frage

Die Politik der nationalen Unterdrückung, ein Erbstück des Absolutismus und der Monarchie, wird von den Grundbesitzern, den Kapitalisten und dem Kleinbürgertum unterstützt, um ihre Klassenprivilegien zu schützen und die Arbeiter der verschiedenen Völker zu entzweien. Der moderne Imperialismus, der das Bestreben zur Unterwerfung schwacher Völker verstärkt, ist ein neuer Faktor der Verschärfung der nationalen Unterdrückung.

Soweit eine Beseitigung der nationalen Unterdrückung in der kapitalistischen Gesellschaft erreichbar ist, ist sie nur möglich bei einer konsequent-demokratischen republikanischen Staatsordnung und -verwaltung, die die vollständige Gleichberechtigung aller Nationen und Sprachen sichert.

Allen Nationen, die zu Russland gehören, muss das Recht auf freie Lostrennung und Bildung eines selbständigen Staates zuerkannt werden. Die Leugnung dieses Rechts und die Unterlassung von Maßnahmen, die seine praktische Durchführbarkeit verbürgen, ist gleichbedeutend mit der Unterstützung der Eroberungs- und Annexionspolitik. Nur durch die Anerkennung des Rechtes der Volker auf Lostrennung sichert das Proletariat die vollständige Solidarität der Arbeiter der verschiedenen Nationen und fördert es die tatsächliche demokratische Annäherung der Völker.

Der gegenwärtig zwischen Finnland und der russischen Provisorischen Regierung entstandene Konflikt zeigt besonders anschaulich, dass die Verneinung des Rechtes auf freie Lostrennung geradewegs zur Fortsetzung der Politik des Zarismus führt.

Die Frage des Rechtes der Völker auf freie Lostrennung darf nicht verwechselt werden mit der Frage der Zweckmäßigkeit der Lostrennung dieses oder jenes Volkes in diesem oder jenem Augenblick. Diese letzte Frage muss die Partei des Proletariats in jedem einzelnen Fall vollkommen selbständig lösen, vom Standpunkt der Interessen der ganzen sozialen Entwicklung und des proletarischen Klassenkampfes für den Sozialismus.

Die Partei fordert eine weitgehende Gebietsautonomie, die Abschaffung der Beaufsichtigung von oben, die Abschaffung der obligatorischen Staatssprache und die Festlegung der Grenzen der sich selbstverwaltenden und autonomen Gebiete auf Grund der von der Ortsbevölkerung selber festzustellenden Wirtschafts- und Lebensverhältnisse, der nationalen Zusammensetzung der Bevölkerung usw.

Die Partei des Proletariats lehnt die sogenannte „kulturell-nationale Autonomie"', bei der das Schulwesen usw. der Kompetenz des Staates entzogen und in die Hände einer Art nationaler Parlamente gelegt wird, entschieden ab. Die Arbeiter, die an ein und demselben Ort wohnen und sogar in denselben Betrieben arbeiten, werden durch die kulturell-nationale Autonomie nach ihrer Zugehörigkeit zu dieser oder jener „nationalen Kultur" künstlich voneinander getrennt, d. h. die Verbindung der Arbeiter mit der bürgerlichen Kultur der einzelnen Nationen wird gestärkt, während die Aufgabe der Sozialdemokratie darin besteht, die internationale Kultur des Weltproletariats zu stärken.

Die Partei fordert die Aufnahme eines Grundgesetzes in die Verfassung, das alle wie immer gearteten Privilegien eines einzelnen Volkes oder Verletzungen der Rechte der nationalen Minderheiten für ungültig erklärt.

Die Interessen der Arbeiterklasse erfordern den Zusammenschluss der Arbeiter aller Nationalitäten Russlands in einheitlichen proletarischen Organisationen, politischen, gewerkschaftlichen, genossenschaftlichen, kulturellen usw. Nur ein solcher Zusammenschluss der Arbeiter verschiedener Nationalitäten in einheitlichen Organisationen wird dem Proletariat die Möglichkeit geben, den siegreichen Kampf gegen das internationale Kapital und gegen den bürgerlichen Nationalismus zu führen.

7

Über die Vereinigung der Internationalisten gegen den kleinbürgerlichen Oboronzenblock

In Anbetracht dessen:

1. dass die Parteien der Sozialrevolutionäre, der menschewistischen Sozialdemokraten usw. in den meisten Fällen zum Standpunkt des „revolutionären Oboronzentums", d. h. der Unterstützung des imperialistischen Krieges, übergegangen sind (Zustimmung zur Anleihe und Unterstützung der Provisorischen Regierung, die die Interessen des Kapitals vertritt);

2. dass diese Parteien durch ihre ganze Politik die Interessen und den Standpunkt des Kleinbürgertums vertreten und das Proletariat durch den bürgerlichen Einfluss korrumpieren, indem sie ihm suggerieren, man könne durch Vereinbarungen, durch „Kontrolle", durch den Eintritt in die Regierung usw. die imperialistische Politik der Regierung ändern und sie vom Weg der konterrevolutionären Anschläge auf die Freiheit abbringen;

3. dass diese Politik das blind vertrauensselige Verhalten der Massen gegenüber den Kapitalisten nährt und stärkt, obwohl ein solches Verhalten das Haupthindernis zur weiteren Entfaltung der Revolution ist und die Möglichkeit ihrer Niederwerfung durch die Kräfte der feudalen und bürgerlichen Konterrevolution schafft –

beschließt die Konferenz:

1. anzuerkennen, dass eine Vereinigung mit Parteien und Gruppen, die diese Politik verfolgen, absolut unmöglich ist;

2. anzuerkennen, dass die Annäherung und Vereinigung mit den Gruppen und Richtungen, die in der Tat auf dem Boden des Internationalismus stehen, auf der Grundlage des Bruches mit der Politik des kleinbürgerlichen Verrats am Sozialismus notwendig ist.

8

Die Lage in der Internationale und die Aufgaben der SDAPR

Unter den Verhältnissen der friedlichen Epoche, die nach 1871 begann, der Vollendung der bürgerlich-nationalen Revolutionen in den meisten Ländern Westeuropas, der Entwicklung der Kolonialpolitik usw., bildete sich seit Ende des XIX. Jahrhunderts in den meisten Parteien der II. Internationale (1889 bis 1914) eine opportunistische Richtung heraus.

Die soziale Grundlage des Opportunismus bilden: 1. die Arbeiteraristokratie, eine mehr oder weniger dünne Schicht von Arbeitern, die bestochen werden von ihrer Bourgeoisie, die für diese Bestechung ein paar Brocken von ihren Profiten „opfert"; 2. die kleinbürgerlichen Mitläufer der Sozialdemokratie, die sich zur Sozialdemokratie hingezogen fühlen nicht wegen ihres sozialistischen Programms, sondern nur wegen ihrer demokratischen Forderungen.

Noch vor Beginn des jetzigen Krieges erlangte der Opportunismus in den meisten europäischen Arbeiterparteien die Oberhand. Seit Beginn des imperialistischen Krieges im Jahre 1914 wurde der Opportunismus zum Sozialchauvinismus, zum „Oboronzentum". Die „Oboronzy" proklamierten die „Vaterlandsverteidigung" im imperialistischen Raubkrieg und verrieten die Sache der Arbeiterklasse. Der Opportunismus ist der II. Internationale zum Verhängnis geworden.

Während des Krieges haben sich in der gesamten internationalen Arbeiterbewegung drei Hauptrichtungen herausgebildet:

1. Die „Oboronzy" aller Länder haben mit dem Sozialismus gebrochen, sind zu einem Werkzeug ihrer imperialistischen Regierungen geworden, indem sie den kapitalistischen Regierungen helfen, den Krieg in die Länge zu ziehen, wodurch sie tatsächlich zu Klassengegnern des Proletariats geworden sind.

2. Das „Zentrum" – seine Hauptführer sind in Deutschland Kautsky, Haase, in Frankreich Longuet, Pressemane, in Russland Axelrod u. a., in der Schweiz Robert Grimm, in Italien Turati u. a. – hat den revolutionären Sozialismus durch den Pazifismus ersetzt. Das „Zentrum" fordert die Arbeiter nicht auf, die kapitalistischen Regierungen zu stürzen, es versucht, die jetzigen imperialistischen Regierungen zu überreden, einen demokratischen Frieden zu schließen. Das „Zentrum", das zwischen Internationalismus und Oboronzentum hin und her schwankt und nicht für den revolutionären Kampf der Arbeiter gegen ihre Regierungen während des Krieges eintritt, verteidigt die Einheit mit den „Oboronzy" im internationalen Maßstabe, ohne selbst aus der in Deutschland bereits erfolgten Spaltung der sozialdemokratischen Partei die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

3. Die revolutionären Internationalisten, die in allen Ländern, trotz Kriegszustand und Gewaltregime, den Kampf gegen den Krieg aufgenommen haben. Das sind in Deutschland die Gruppen Karl Liebknechts und der „Arbeiterpolitik"; in England Maclean, Tom Mann, der linke Flügel der Britischen Sozialistischen Partei und der Unabhängigen Arbeiterpartei; in Frankreich Loriot (Sekretär des Komitees zur Wiederherstellung der internationalen Verbindungen) und seine Genossen; in Italien der linke Flügel der sozialistischen Partei; in Österreich die Genossen, die sich um den Wiener Klub „Karl Marx" gruppieren; in Amerika die Sozialistische Arbeiterpartei und die Gruppe, die die Zeitschrift „The Internationalist" herausgibt; in Schweden die Partei, die mit den „Oboronzy" gebrochen hat und von den Genossen Höglund u. a geführt wird; in Holland die Partei der Tribunisten (Pannekoek, Roland-Holst, Gorter u.a.); in der Schweiz die Genossen, die sich um die Zeitschrift „Jugendinternationale" gruppieren. Die Richtung, die in diesem Augenblick von den genannten Gruppen vertreten wird, hat auch während des Krieges einen Kampf gegen die Kapitalisten ihrer Länder geführt, hat mit ihren Oboronzy" gebrochen und ist in den Kampf gegen das „Zentrum" getreten. Das ist die einzige Richtung, die dem Sozialismus treu geblieben ist. Ihr allein gehört die sozialistische Zukunft.

In Zimmerwald und Kienthal gehörte die Mehrheit dem „Zentrum". Das nahm dem Zimmerwalder Block von Anfang an seine Kraft. Der Zimmerwalder Block als Ganzes hat den Vorschlag seines linken Teils, die Arbeiter aller Länder zum unmittelbaren revolutionären Kampf gegen ihre Regierungen aufzurufen, abgelehnt. Der Zimmerwalder Block hat es abgelehnt, die Notwendigkeit der direkten Abspaltung von den sozialchauvinistischen Mehrheiten der alten offiziellen Parteien anzuerkennen, und dadurch die Zimmerwalder Bewegung entkräftet. Die Kienthaler Konferenz hat den bürgerlichen und den sozialistischen Pazifismus in Worten verurteilt. Aber in Wirklichkeit setzt die Mehrheit der Parteien und Gruppen, die zum Zimmerwalder Block gehören, die Politik des Sozialpazifismus fort. Die schwankende Taktik der Zimmerwalder Mehrheit hat dazu geführt, dass in manchen Ländern Zimmerwald bereits zu einem Hemmschuh für die revolutionäre Bewegung geworden ist.

Es ist die Aufgabe unserer Partei, die in einem Lande wirkt, in dem die Revolution früher als in anderen Ländern begonnen hat, die Initiative zu ergreifen zur Gründung der III. Internationale, die mit den „Oboronzen" endgültig bricht und auch gegen die Zwitterpolitik des „Zentrums" einen entschiedenen Kampf führt.

Die Konferenz spricht sich gegen die sogenannte „Wiederherstellung der Internationale" auf dem Wege einer gegenseitigen Amnestie der Führer der „Oboronzen"parteien aus und warnt vor der Veranstaltung internationaler Kongresse, an denen Sozialchauvinisten teilnehmen.

Unsere Partei bleibt im Zimmerwalder Block, indem sie sich zur Aufgabe stellt, dort die Taktik der Zimmerwalder Linken zu vertreten, und das ZK wird beauftragt, sofort Schritte zur Gründung der III. Internationale zu unternehmen.

Die neue sozialistische Internationale kann nur von den Arbeitermassen selber, durch ihren revolutionären Kampf in den eigenen Ländern geschaffen werden.

Die Konferenz erhebt auf das entschiedenste Einspruch gegen die Versuche der Berner Internationalen Sozialistischen Kommission, mit den Organisatoren der Stockholmer Konferenz, den Sozialpatrioten Troelstra, Branting u. a., zu denen das sozialistische Proletariat kein politisches Vertrauen haben kann, zu einer Verständigung zu gelangen.

Die Konferenz beschließt, an der Internationalen Konferenz der Zimmerwalder, die auf den 18. Mai festgesetzt ist, teilzunehmen, und beauftragt das Zentralkomitee, die Vertretung auf dieser Konferenz zu organisieren.

9

Über die gegenwärtige Lage

Der Weltkrieg, der aus dem Kampf der Welttrusts und des Bankkapitals um die Herrschaft über den Weltmarkt entstanden ist, hat bereits zur massenhaften Zerstörung von materiellen Werten geführt, zur Erschöpfung der Produktivkräfte, zu einer solchen Ausdehnung der Kriegsindustrie, dass selbst die Erzeugung des unbedingt notwendigen Mindestmaßes von Gebrauchsgegenständen und Produktionsmitteln sich als unmöglich erweist.

So hat dieser Krieg die Menschheit in eine ausweglose Lage geführt und sie an den Rand des Abgrundes gebracht.

Die objektiven Voraussetzungen der sozialistischen Revolution, die zweifellos in den entwickeltsten, fortgeschrittensten Ländern schon vor dem Kriege vorhanden waren, sind noch reifer geworden und entwickeln sich infolge des Krieges mit rasender Schnelligkeit. Die Verdrängung und der Untergang der Klein- und Mittelbetriebe wird noch mehr beschleunigt. Die Konzentration und Internationalisierung des Kapitals wächst ins Riesenhafte. Der monopolistische Kapitalismus verwandelt sich in staatsmonopolistischen Kapitalismus; in einer Reihe von Ländern wird unter dem Drucke der Verhältnisse die öffentliche Regelung der Produktion und der Verteilung eingeführt, einige von ihnen gehen zur allgemeinen Arbeitspflicht über.

Bei Aufrechterhaltung des Privateigentums an den Produktionsmitteln haben alle diese Schritte zur größeren Monopolisierung und größeren Verstaatlichung der Produktion unvermeidlich zur Folge eine stärkere Ausbeutung der werktätigen Massen, eine Verstärkung des Druckes, eine Erschwerung des Widerstandes gegen die Ausbeuter, eine Verstärkung der Reaktion und des militärischen Despotismus, und führen gleichzeitig unvermeidlich zu einer ungeheuren Steigerung der Profite der Großkapitalisten auf Kosten aller übrigen Schichten der Bevölkerung, zur Knechtung der werktätigen Massen auf viele Jahrzehnte durch die an die Kapitalisten in Form von Milliardenzinsen für die Anleihen zu zahlenden Tribute. Dieselben Bedingungen aber bilden bei Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, bei vollständigem Übergang der Staatsgewalt in die Hände des Proletariats eine Gewähr für den Erfolg einer Umgestaltung der Gesellschaft, die die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufheben und den Wohlstand aller sichern wird.

Andererseits rechtfertigt der Verlauf der Ereignisse offenkundig die Prophezeiung der Sozialisten der ganzen Welt, die im Baseler Manifest 1912 einstimmig die Unvermeidlichkeit der proletarischen Revolution gerade im Zusammenhang mit dem damals herannahenden und jetzt tobenden imperialistischen Krieg verkündet haben.

Die russische Revolution ist nur die erste Etappe der ersten der proletarischen Revolutionen, die der Krieg unvermeidlich erzeugt.

In allen Ländern wächst die Empörung breiter Volksmassen gegen die Kapitalistenklasse und die Erkenntnis des Proletariats, dass nur der Übergang der Staatsgewalt in seine Hände und die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln die Menschheit vor dem Untergang retten wird.

In allen Ländern, insbesondere in den weiter fortgeschrittenen, in England und Deutschland, sind Hunderte von Sozialisten, die nicht auf die Seite „ihrer" nationalen Bourgeoisie übergegangen sind, von den Kapitalistenregierungen in die Gefängnisse geworfen worden; durch diese Verfolgungen haben sie anschaulich gezeigt, wie sehr sie die in den Tiefen der Volksmassen heranreifende proletarische Revolution fürchten. Dass in Deutschland die Revolution heranreift, ist ersichtlich aus den Massenstreiks, die sich in den letzten Wochen besonders verstärkt haben, sowie aus der zunehmenden Verbrüderung der deutschen mit den russischen Soldaten an der Front.

Das brüderliche Vertrauen und das brüderliche Bündnis zwischen den Arbeitern der verschiedenen Länder – die heute um der Interessen der Kapitalisten willen sich gegenseitig ausrotten – wird auf diese Weise allmählich wieder hergestellt, das aber schafft seinerseits die Voraussetzungen für einheitliche revolutionäre Aktionen der Arbeiter verschiedener Länder. Nur solche Aktionen allein sind imstande, eine möglichst planmäßige Entwicklung und einen möglichst sicheren Erfolg der sozialistischen Weltrevolution zu sichern.

Das Proletariat Russlands, das in einem der rückständigsten Länder Europas, inmitten einer riesigen kleinbäuerlichen Bevölkerung wirkt, kann sich nicht die sofortige Verwirklichung der sozialistischen Umgestaltung zum Ziele setzen.

Doch wäre es der größte Fehler und in der Praxis sogar der völlige Übergang auf die Seite der Bourgeoisie, wollte man daraus folgern die Notwendigkeit der Unterstützung der Bourgeoisie durch die Arbeiterklasse oder die Notwendigkeit, ihre Tätigkeit zu beschränken auf den Rahmen des für das Kleinbürgertum Annehmbaren, oder den Verzicht auf die führende Rolle des Proletariats bei der Aufklärung des Volkes über die Unaufschiebbarkeit einer Reihe von praktisch herangereiften Schritten zum Sozialismus.

Ein solcher Schritt ist erstens die Nationalisierung des Bodens. Diese Maßnahme, die unmittelbar den Rahmen der bürgerlichen Ordnung nicht überschreitet, wäre gleichzeitig ein starker Schlag gegen das Privateigentum an den Produktionsmitteln und würde insofern den Einfluss des sozialistischen Proletariats auf die Halbproletarier im Dorf stärken.

Eine solche Maßnahme ist ferner die Errichtung einer staatlichen Kontrolle über alle Banken und ihre Vereinigung zu einer einheitlichen Zentralbank, sowie über die Versicherungsinstitute und die größten kapitalistischen Syndikate (z.B. das Syndikat der Zuckerfabrikanten, das Kohlensyndikat, das metallurgische Syndikat usw.) bei allmählichem Übergang zu einer gerechteren, progressiven Besteuerung der Einkommen und des Vermögens. Solche Maßnahmen sind ökonomisch vollkommen herangereift, technisch sofort absolut durchführbar, können politisch die Unterstützung der erdrückenden Mehrheit der Bauern finden, für die diese Umgestaltungen in jeder Hinsicht von Vorteil sind.

Die Räte der Arbeiter-, Soldaten-, Bauern- usw. Deputierten, die heute Russland mit einem immer dichteren Netz bedecken, könnten neben den erwähnten Maßnahmen zur Durchführung der allgemeinen Arbeitspflicht übergehen, denn der Charakter dieser Institutionen sichert einerseits den Übergang zu allen diesen neuen Umgestaltungen nur in dem Maße, wie der übergroßen Mehrheit des Volkes ihre praktische Notwendigkeit vollständig klar geworden ist, andererseits sichert der Charakter dieser Institutionen nicht eine polizeilich-bürokratische Durchführung der Reformen, sondern die freiwillige Teilnahme der organisierten und bewaffneten Massen des Proletariats und der Bauernschaft an der Regelung ihrer eigenen Wirtschaft.

Alle erwähnten und ähnliche Maßnahmen können und müssen diskutiert und vorbereitet werden, nicht nur, um im Reichsmaßstabe durchgeführt zu werden, nachdem die gesamte Macht auf die Proletarier und Halbproletarier übergegangen ist, sondern sie müssen von den örtlichen revolutionären Organen der Volksmacht verwirklicht werden, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet.

Bei der Verwirklichung der genannten Maßnahmen ist die größte Umsicht und Vorsicht notwendig, die Gewinnung einer festen Mehrheit der Bevölkerung und deren bewusste Überzeugung, dass diese oder jene Maßnahme praktisch reif ist, aber gerade nach dieser Richtung müssen die Aufmerksamkeit und die Anstrengungen der klassenbewussten Vorhut der Arbeitermassen gerichtet sein, die verpflichtet sind, den Bauernmassen zu helfen, einen Ausweg aus der entstandenen Zerrüttung zu finden.

10

Über die Räte Der Arbeiter- und Soldatendeputierten

Nach Besprechung der Berichte und Mitteilungen der Genossen, die in den Räten der Arbeiter- und Soldatendeputierten der verschiedenen Gegenden Russlands arbeiten, stellt die Konferenz fest:

In einer ganzen Reihe von Provinzorten marschiert die Revolution vorwärts auf dem Wege der eigenmächtigen Organisierung des Proletariats und der Bauernschaft in Räten, der eigenmächtigen Beseitigung der alten Behörden, der Schaffung einer proletarischen und bäuerlichen Miliz, des Übergangs aller Ländereien in die Hände der Bauernschaft, der Einführung einer Arbeiterkontrolle über die Fabriken, der Einführung des achtstündigen Arbeitstages, der Erhöhung der Arbeitslöhne, der Sicherung der Produktion in unverringertem Umfange, der Herstellung einer Aufsicht der Arbeiter über die Lebensmittelverteilung usw.

Dieses in die Breite und in die Tiefe gehende Anwachsen der Revolution in der Provinz bedeutet einerseits eine Steigerung der Bewegung in der Richtung zum Übergang der gesamten Staatsgewalt auf die Räte und zur Kontrolle der Produktion durch die Arbeiter und Bauern selber, und anderseits dient es als Bürgschaft für die Kräftesammlung im allrussischen Maßstabe für die zweite Etappe der Revolution, die die ganze Staatsgewalt in die Hände der Räte oder anderer Organe, die den Willen der Volksmehrheit unmittelbar zum Ausdruck bringen (Organe der örtlichen Selbstverwaltung, Konstituante usw.) legen muss.

In den Hauptstädten und in manchen Großstädten stößt die Aufgabe des Überganges der Staatsgewalt in die Hände der Räte auf besonders große Schwierigkeiten und erfordert eine besonders lange Vorbereitung der proletarischen Kräfte. Hier sind die stärksten Kräfte der Bourgeoisie konzentriert. Hier zeigt sich die Politik des Paktierens mit der Bourgeoisie schärfer, eine Politik, die nicht selten die revolutionäre Initiative der Massen hemmt und ihre Selbständigkeit schwächt, was in Anbetracht der führenden Bedeutung dieser Räte für die Provinz besonders gefährlich ist.

Die Aufgabe der proletarischen Partei ist es daher, einerseits die erwähnte Entwicklung der Revolution in der Provinz mit allen Kräften zu unterstützen, anderseits innerhalb der Räte einen systematischen Kampf (durch Propaganda und Neuwahlen) für den Triumph der proletarischen Linie zu führen; alle Anstrengungen und alle Aufmerksamkeit sind auf die Arbeiter- und Soldatenmasse zu richten, auf die Trennung der proletarischen Linie von der kleinbürgerlichen, der internationalistischen von der des Oboronzentums, der revolutionären Linie von der opportunistischen, auf die Organisation und die Bewaffnung der Arbeiter, auf die Vorbereitung ihrer Kräfte für die folgende Etappe der Revolution.

Die Konferenz erklärt noch einmal, dass es notwendig ist, eine umfassende Arbeit innerhalb der Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten zu entfalten, ihre Zahl zu erhöhen, ihre Kraft zu stärken, die proletarischen internationalistischen Gruppen unserer Partei innerhalb der Räte fest zusammenzufassen.

Soldatskaja Prawda" Nr. 13 vom 16. (3.) Mai 1917

11

Über die Revision des Parteiprogramms

Die Konferenz erkennt die Notwendigkeit der Revision des Parteiprogramms in folgender Richtung an:

1. Charakterisierung des Imperialismus und der Epoche der imperialistischen Kriege im Zusammenhang mit der herannahenden sozialistischen Revolution: Kampf gegen die Entstellung des Marxismus durch die sogenannten „Oboronzy", die die Marxsche Losung „Die Arbeiter haben kein Vaterland" vergessen haben;

2. Korrektur der Thesen und Abschnitte über den Staat im Geiste der Forderung nicht einer bürgerlich-parlamentarischen Republik, sondern einer demokratischen proletarisch-bäuerlichen Republik (d. h. eines Staatstypus ohne Polizei, ohne stehendes Heer, ohne privilegiertes Beamtentum);

3. Entfernung oder Verbesserung der veralteten Teile des politischen Programms;

4. Umarbeitung einer Reihe von Punkten des politischen Minimalprogramms im Sinne einer genaueren Herausarbeitung konsequenterer demokratischer Forderungen;

5. Völlige Umarbeitung des an sehr vielen Stellen veralteten wirtschaftlichen Teils des Minimalprogramms und der Punkte, die das Volksbildungswesen betreffen;

6. Umarbeitung des Agrarprogramms entsprechend der angenommenen Resolution zur Agrarfrage;

7. Einfügung der Forderung der Nationalisierung einer Reihe hierfür reifer Syndikate usw.;

8. Ergänzung durch eine Charakteristik der Hauptströmungen des modernen Sozialismus.

Die Konferenz beauftragt das ZK, auf dieser Grundlage den Entwurf eines Parteiprogramms binnen zwei Monaten auszuarbeiten und diesen Entwurf dem Parteitag zur Bestätigung zu unterbreiten. Die Konferenz fordert alle Organisationen und alle Parteimitglieder auf, die Programmentwürfe zu diskutieren, sie zu verbessern und Gegenentwürfe auszuarbeiten.

12

Resolutionsentwurf zur nationalen Frage, Vorgeschlagen von G. Pjatakow im Namen der Kommission für die nationale Frage

Die Politik der nationalen Unterdrückung, ein Erbstück des Absolutismus und der Monarchie, wird von den Grundbesitzern, den Kapitalisten und dem Kleinbürgertum unterstützt, um ihre Klassenprivilegien zu schützen und die Arbeiter der verschiedenen Völker zu entzweien. Der moderne Imperialismus, der das Bestreben zur Unterwerfung schwacher Völker verstärkt, ist ein neuer Faktor der Verschärfung der nationalen Unterdrückung.

Soweit eine Beseitigung der nationalen Unterdrückung in der kapitalistischen Gesellschaft erreichbar ist, ist sie nur möglich bei einer konsequent-demokratischen republikanischen Staatsordnung und -verwaltung, die die vollständige Gleichberechtigung aller Nationen und Sprachen sichert.

Die SDAPR fordert eben darum eine solche Staatsordnung. Gleichzeitig erstrebt sie eine weitgehende Gebietsautonomie, die Abschaffung der Beaufsichtigung von oben, die Abschaffung der obligatorischen Staatssprache und die Festlegung der Grenzen der sich selbstverwaltenden und autonomen Gebiete auf Grund der von der Ortsbevölkerung selber festzustellenden Wirtschafts- und Lebensverhältnisse, der nationalen Zusammensetzung der Bevölkerung usw. Sie fordert die Aufnahme eines Grundgesetzes in die Verfassung, das alle wie immer gearteten Privilegien eines einzelnen Volkes oder Verletzungen der Rechte der nationalen Minderheiten für ungültig erklärt.

Die Partei warnt jedoch vor der Auffassung, dass die nationale Frage durch die Verwirklichung dieser Maßnahmen gelöst werden könne. Die einzig wirkliche Methode ihrer Lösung ist die Methode der sozialistischen Revolution unter der Losung „Fort mit den Grenzen", denn nur auf diesem Wege kann der Imperialismus, dieser neue Faktor der Verschärfung der nationalen Unterdrückung, vernichtet werden.

Die Partei warnt auch vor den antiproletarischen Methoden der „Lösung" der nationalen Frage.

Sie lehnt die sogenannte kulturell-nationale Autonomie, bei der das Schulwesen usw. der Kompetenz des Staates entzogen und in die Hände einer Art nationaler Parlamente gelegt wird, ab. Die Arbeiter, die an ein und demselben Ort wohnen oder sogar in denselben Betrieben arbeiten, werden durch diesen Plan nach ihrer Zugehörigkeit zu dieser oder jener nationalen Kultur künstlich voneinander getrennt, d. h. die Verbindung der Arbeiter mit der bürgerlichen Kultur der einzelnen Nationen wird gestärkt, während die Aufgabe der Sozialdemokratie darin besteht, die internationale Kultur des Weltproletariats zu stärken.

Die Partei lehnt ferner grundsätzlich die Zersplitterung großer Staatengebilde in kleine Nationalstaaten ab. Indem die Partei einen aktiven revolutionären Kampf gegen jede nationale Unterdrückung und gegen die gewaltsame Festhaltung dieser oder jener Völker durch die Bourgeoisie im Rahmen eines bestimmten Staates führt, treibt sie gleichzeitig eine energische Propaganda im Proletariat und in den ihm nahestehenden Bevölkerungsschichten der unterdrückten Nationen für die Auffassung, dass die Bildung von Nationalstaaten in der imperialistischen Epoche, d. h. der Epoche des Vorabends der sozialistischen Revolution, eine schädliche und reaktionäre Utopie ist. Andererseits kann die internationale Partei des Proletariats, falls sie im europäischen Maßstab die Mehrheit auf ihrer Seite hat, nicht auf den Willen der Mehrheit einer Nation Rücksicht nehmen, wenn dieser Wille zum Willen der proletarischen Minderheit derselben im Widerspruch steht.

Von diesen Erwägungen ausgehend, ist die Konferenz der SDAPR der Meinung:

1. da das „Selbstbestimmungsrecht der Völker" eine bloße Redensart, ohne bestimmten Inhalt ist;

2. da diese Redensart viel weitgehender ausgelegt wird, als es ihre Anhänger in den Reihen der revolutionären Sozialdemokratie tun, insbesondere:

a) in Gebieten, die von sogenannten unterdrückten Nationen bewohnt sind;

b) während der imperialistischen Kriege;

3. da die Aufgabe der Sozialdemokratie in der nationalen Frage die Bestimmung der Prinzipien ist, auf Grund deren sie es für notwendig erachtet, die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Nationen festzulegen und nicht die Verkündung abstrakter Rechte, –

so empfiehlt die Konferenz, da sie sich nicht für berechtigt hält, das Parteiprogramm zu ändern, und der Meinung ist, dass diese Frage nicht genügend geklärt ist, den örtlichen Organisationen, sich zum nächsten Parteitag vorzubereiten, auf dem die Frage der Änderung des Programms gestellt werden wird. Die Konferenz ist ihrerseits der Ansicht, dass Paragraph 9 unseres Programms beseitigt und, unter Aufrechterhaltung des Paragraph 8, ersetzt werden müsste durch den konkreten Hinweis darauf, welche Existenzformen der Nationen überhaupt und der jetzt zum russischen Staat gehörenden insbesondere die SDAPR tatsächlich anstreben wird.

Was den Aufbau der proletarischen Organisationen anbetrifft, so erfordern die Interessen der Arbeiterklasse den Zusammenschluss der Arbeiter aller Nationalitäten Russlands in einheitlichen proletarischen Organisationen, politischen, gewerkschaftlichen, genossenschaftlichen und kulturellen; nur ein solcher Zusammenschluss der Arbeiter verschiedener Nationalitäten in einheitlichen Organisationen wird dem Proletariat die Möglichkeit geben, den siegreichen Kampf gegen das internationale Kapital und gegen den bürgerlichen Nationalismus zu führen.

* D. h. das bei der Aufhebung der Leibeigenschaft in Russland 1861 den Bauern zugeteilte Land.

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