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Wladimir I. Lenin 19171014 An die Arbeiter, Bauern und Soldaten

Wladimir I. Lenin: An die Arbeiter, Bauern und Soldaten

[Geschrieben am 14.-15. (1.-2.) Oktober Zum ersten Mal veröffentlicht 1924 „Prawda", Nr. 93. Nach Sämtliche Werke, Band 21, Wien-Berlin 1931, S. 363-365]

Genossen! Die Partei der „Sozialrevolutionäre", der auch Kerenski angehört, ruft euch in ihrer Zeitung „Djelo Naroda" (vom 30. September) auf, euch zu „gedulden".

Ihr müsst euch gedulden", schreibt sie und rät, die Macht in den Händen der Kerenski-Regierung zu belassen, rät davon ab, die Macht den Arbeiter- und Soldatendeputiertenräten zu übergeben. Möge sich Kerenski auf die Grundbesitzer, Kapitalisten und Kulaken stützen, mögen sich die Räte, die die Revolution gemacht und die Kornilow-Generale besiegt haben, „gedulden", – sagt man uns, möge man sich „gedulden" bis zur baldigen Einberufung der Konstituierenden Versammlung.

Genossen! Schaut um euch, was im Dorfe, was in der Armee vor sich geht, und ihr werdet sehen, dass die Bauern und die Soldaten nicht weiter dulden können. Über ganz Russland ergießt sich ein breiter Strom von Aufständen der Bauern, denen man betrügerischerweise den Boden noch immer vorenthält. Die Bauern können nicht warten. Kerenski sendet Truppen, um die Bauern niederzuschlagen und die Grundbesitzer zu schützen. Kerenski hat sich wieder heimlich mit den Kornilow-Generalen und Offizieren verständigt, die für die Großgrundbesitzer sind.

Weder die Arbeiter der Städte noch die Soldaten an der Front können diese militärische Niederschlagung des gerechten Kampfes der Bauern um den Boden dulden.

Wie die Lage in der Armee an der Front ist, zeigt die von dem parteilosen Offizier Dubassow vor der ganzen Öffentlichkeit Russlands gemachte Erklärung: „Die Soldaten werden nicht weiter kämpfen." Die Soldaten sind erschöpft, die Soldaten laufen barfuß, die Soldaten hungern, die Soldaten wollen nicht für die Interessen der Kapitalisten kämpfen, sie wollen es nicht „dulden", dass man ihnen nur mit schönen Worten über den Frieden aufwartet und in Wirklichkeit das Angebot eines Friedens an alle kriegführenden Völker, eines gerechten Friedens ohne Annexionen, monatelang hinausschiebt (wie dies Kerenski tut).

Genossen! Wisset, dass Kerenski wieder mit Kornilow-Generalen und Offizieren verhandelt, damit Truppen gegen die Arbeiter und Soldatendeputiertenräte geführt werden und die Macht nicht an die Räte übergehe. „Kerenski wird sich auf keinen Fall den Räten unterwerfen" – das gibt „Djelo Naroda" offen zu. Geht also alle in die Kasernen, zu den Kosakenformationen, geht zu den Werktätigen und setzt dem Volke die Wahrheit auseinander.

Wenn die Räte die Macht haben, so wird spätestens am 25. Oktober (wenn am 20. Oktober der Rätekongress stattfindet) allen kriegführenden Völkern ein gerechter Friede angeboten werden. Wir werden in Russland eine Arbeiter- und Bauernregierung haben, diese wird sofort, ohne einen Tag zu verlieren, allen kriegführenden Völkern einen gerechten Frieden anbieten. Dann wird das Volk erfahren, wer den ungerechten Krieg will. Dann wird das Volk in der Konstituierenden Versammlung entscheiden.

Wenn die Räte die Macht haben, werden die Ländereien der Großgrundbesitzer sofort zum Besitz und Eigentum des ganzen Volkes erklärt.

Das ist es eben, wogegen Kerenski und seine Regierung kämpfen, die sich auf die Kulaken, Kapitalisten, Großgrundbesitzer stützt.

Diesen zuliebe, ihren Interessen zuliebe, fordert man euch auf, euch noch weiter zu „gedulden"! Seid ihr gewillt, zu „dulden", dass Kerenski mit Waffengewalt die Bauern niederschlägt, die sich erhoben haben, um den Grund und Boden zu erkämpfen?

Seid ihr gewillt, zu „dulden", dass der Krieg weitergeht, dass das Friedensangebot hinausgeschoben, dass die Zerreißung der Geheimverträge des ehemaligen Zaren mit den russischen und den englisch-französischen Kapitalisten verschleppt wird?

Genossen! vergesst nicht, dass Kerenski das Volk schon einmal betrogen hat, als er versprach, die Konstituierende Versammlung einzuberufen. Am 8. Juli versprach er feierlich, sie zum 17. September einzuberufen, aber er hat das Volk betrogen. Genossen! Wer der Kerenski-Regierung Glauben schenkt, ist ein Verräter an seinen Brüdern, – an den Bauern und Soldaten!

Nein, das Volk will keinen Tag mehr den Aufschub dulden! Man darf keinen einzigen Tag mehr dulden, dass die Bauern durch Waffengewalt niedergehalten werden, dass Tausende und Abertausende im Krieg umkommen, wenn man sofort einen gerechten Frieden anbieten kann und soll.

Nieder mit der Regierung Kerenskis, der sich mit den Kornilow-Generalen, den Großgrundbesitzern verbündet, um die Bauern niederzuschlagen, um auf die Bauern zu schießen, um den Krieg zu verlängern!

Alle Macht den Räten der Arbeiter- und Soldatendeputierten!

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