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Wladimir I. Lenin 19170911 Bauern und Arbeiter

Wladimir I. Lenin: Bauern und Arbeiter

[„Rabotschij", Nr. 6, 11. September (29. August) 1917. Gezeichnet: N. Lenin. Nach Sämtliche Werke, Band 21, Wien-Berlin 1931, S. 134-144]

Nr. 88 der „Iswestija" des Allrussischen Bauerndeputiertenrats1 vom 19. August veröffentlicht einen äußerst interessanten Artikel, der jedem Parteipropagandisten und Agitator, der mit der Bauernschaft zu tun hat, jedem klassenbewussten Arbeiter, der in die Dörfer kommt oder mit dem platten Lande Fühlung hat, als ein grundlegendes Dokument dienen muss.

Es ist dies die „Musterinstruktion", zusammengestellt auf Grund der 242 Instruktionen, die auf dem 1. Allrussischen Bauerndeputiertenkongress im Jahre 1917 in Petrograd von den Deputierten aus der Provinz mitgebracht wurden.

Es wäre sehr erwünscht, wenn der Bauerndeputiertenrat möglichst ausführliche Angaben über alle diese Instruktionen publizierte (falls keine Möglichkeit besteht, sie ganz abzudrucken, was freilich noch besser wäre). Besonders notwendig wäre zum Beispiel eine vollständige Liste der Gouvernements, der Kreise und Amtsbezirke, mit einem Hinweis auf die Anzahl der Instruktionen aus jedem Ort und auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung oder Überreichung, mit einer Analyse wenigstens der Hauptforderungen, damit man sehen kann, ob sich nach Bezirken Unterschiede in diesen oder jenen Punkten feststellen lassen. Z. B. Gebiete mit Einzelhöfen und mit Gemeindebesitz, großrussische und nicht-großrussische, zentrale und Außenbezirke, Gegenden, die die Leibeigenschaft usw. nicht gekannt haben, – unterscheiden sie sich in ihrer Stellung zur Aufhebung des Privateigentums am gesamten Bauernland, zu den periodischen Umteilungen des Bodens, zur Nichtzulassung der Lohnarbeit, zur Beschlagnahme des lebendigen und toten Inventars der Grundbesitzer usw. usw.? Die wissenschaftliche Erforschung des ungemein wertvollen Materials dieser Bauerninstruktionen ist ohne solche ausführlichen Angaben nicht möglich. Und wir Marxisten müssen mit allen Kräften die wissenschaftliche Untersuchung der Tatsachen, die unserer Politik zu Grunde liegen, anstreben.

In Ermangelung eines besseren Materials bleibt diese Zusammenfassung der Bauerninstruktion (so wollen wir die „Musterinstruktion" nennen), solange nicht darin irgendwelche tatsächliche Unrichtigkeiten nachgewiesen werden, ein in seiner Art einziges Material, das – wir wiederholen es – unbedingt in den Händen eines jeden Mitgliedes unserer Partei sein muss

Der erste Teil der Zusammenfassung ist allgemein-politischen Grundsätzen, den Forderungen der politischen Demokratie gewidmet, der zweite Teil der Frage des Grund und Bodens. (Wir wollen hoffen, dass der Allrussische Bauerndeputiertenrat oder sonst jemand eine Zusammenfassung der Resolutionen und Instruktionen der Bauern zur Kriegsfrage ausarbeiten wird.) Den ersten Teil wollen wir jetzt nicht ausführlich behandeln, sondern nur zwei Punkte hervorheben. Im § 6 wird die Wählbarkeit aller beamteten Personen gefordert, im § 11 die Abschaffung des stehenden Heeres nach Beendigung des Krieges.2 Durch diese Punkte kommt das politische Programm der Bauern dem Programm der Partei der Bolschewik! näher als allen anderen. Gestützt auf diese Punkte, müssen wir in unserer ganzen Propaganda und Agitation aufzeigen und beweisen, dass die menschewistischen und sozial-revolutionären Führer nicht nur den Sozialismus, sondern auch die Demokratie verraten, denn sie sind z. B. in Kronstadt gegen den Willen der Bevölkerung, entgegen den Prinzipien der Demokratie, den Kapitalisten zuliebe für das Amt eines der Bestätigung durch die Regierung unterliegenden Kommissars eingetreten, d. h. für ein Amt, das kein reines Wahlamt ist. Die sozial-revolutionären und menschewistischen Führer bekämpfen in den Bezirksdumas von Petrograd und in anderen Organen der örtlichen Selbstverwaltung im Widerspruch zu den Prinzipien der Demokratie die bolschewistische Forderung, sofort mit der Einführung der Arbeitermiliz zu beginnen, um dann zur allgemeinen Volksmiliz überzugehen.

Die Bodenforderungen der Bauern bestehen nach der Zusammenfassung der Instruktionen vor allem in der entschädigungslosen Aufhebung des Privateigentums an Grund und Boden jeder Art, mit Einschluss der Bauernländereien; in der Übergabe der Bodenstücke mit Wirtschaften hochentwickelter Kultur an den Staat oder die Gemeinde; in der Enteignung des ganzen lebenden und toten Inventars der beschlagnahmten Ländereien (mit Ausnahme des Eigentums der landarmen Bauern) und dessen Übergabe an den Staat oder an die Gemeinden; in der Nichtzulassung der Lohnarbeit; in der ausgleichenden Verteilung des Grund und Bodens unter den Werktätigen mit periodischen Umteilungen usw. Als Übergangsmaßnahme bis zur Einberufung der Konstituante verlangen die Bauern den sofortigen Erlass von Gesetzen, die den Kauf und Verkauf von Land verbieten, die Aufhebung der Gesetze über den Austritt aus der Dorfgemeinde, über die Einzelhöfe usw., über den Schutz der Wälder, der Fischerei und anderer Gewerbe usw., Aufhebung der langfristigen und die Revision der kurzfristigen Pachtverträge usw.

Ein kurzes Nachdenken über diese Forderungen genügt, um einzusehen, dass sie unmöglich im Bündnis mit den Kapitalisten, ohne den völligen Bruch mit der Kapitalistenklasse, ohne einen rücksichtslosen und entschlossenen Kampf, ohne Niederwerfung der Kapitalistenherrschaft verwirklicht werden können.

Der Selbstbetrug der Sozialrevolutionäre, der Betrug, den sie an den Bauern begehen, besteht gerade darin, dass sie den Gedanken gelten lassen und verbreiten, als ob solche Umgestaltungen, als ob ähnliche Umgestaltungen möglich seien ohne den Sturz der Kapitalistenherrschaft, ohne den Übergang der gesamten Staatsgewalt an das Proletariat, ohne die Unterstützung der entschlossensten revolutionären Maßnahmen der proletarischen Staatsmacht gegen die Kapitalisten durch die ärmsten Bauern. Darin liegt gerade die Bedeutung des sich herausbildenden linken Flügels der „Sozialrevolutionäre", dass er von der wachsenden Erkenntnis dieses Betruges innerhalb dieser Partei selbst Zeugnis ablegt.

In der Tat! Die Konfiskation des gesamten privaten Grundbesitzes bedeutet die Konfiskation vieler Millionen Bankkapitals, denn diese Ländereien sind größtenteils bei den Banken verpfändet. Ist denn eine solche Maßnahme denkbar, ohne dass die revolutionäre Klasse durch revolutionäre Maßnahmen den Widerstand der Kapitalisten gebrochen hat? Dabei handelt es sich hier um das am stärksten zentralisierte Kapital, das Bankkapital, das durch Milliarden Fäden mit allen wichtigsten Knotenpunkten der kapitalistischen Wirtschaft eines Riesenlandes verbunden ist und das nur durch die ebenso stark zentralisierte Macht des Stadtproletariats bezwungen werden kann.

Weiter. Die Übergabe der Wirtschaften hochentwickelter Kultur an den Staat. Ist es nicht klar, dass der „Staat", der imstande ist, diese Wirtschaften zu übernehmen und sie tatsächlich im Interesse der Werktätigen und nicht der Beamten und derselben Kapitalisten zu führen, nur der proletarische, revolutionäre Staat sein kann?

Die Konfiskation der Gestüte usw. und des gesamten lebenden und toten Inventars, – das sind nicht nur immer wuchtigere Schläge gegen das Privateigentum an den Produktionsmitteln; das sind Schritte zur Verwirklichung des Sozialismus, denn der Übergang des Inventars in die „ausschließliche Nutzung durch den Staat oder die Gemeinde" bedeutet die Notwendigkeit einer sozialistischen Großlandwirtschaft oder wenigstens einer sozialistischen Kontrolle über die vereinigten Kleinwirtschaften, einer sozialistischen Regelung ihrer Wirtschaftsführung.

Und die „Nichtzulassung" der Lohnarbeit? Das ist eine leere Phrase, ein hilfloser, ahnungsloser, naiver Wunsch der verschüchterten Kleinwirte, die nicht begreifen, dass die gesamte kapitalistische Industrie stillstehen würde, wenn die Reservearmee der Lohnsklaven vom Dorfe nicht mehr vorhanden wäre, dass es unmöglich ist, die Lohnarbeit auf dem Lande „nicht zuzulassen", wenn man sie in der Stadt zulässt, und dass schließlich die „Nichtzulassung" der Lohnarbeit nichts anderes bedeutet als einen Schritt zum Sozialismus.

Damit sind wir bei der Kernfrage, der Frage des Verhältnisses der Arbeiter zu den Bauern, angelangt.

Seit über 20 Jahren gibt es in Russland eine sozialdemokratische Massenbewegung des Proletariats (wenn man von den großen Streiks im Jahr 1896 an rechnet). In dieser großen Spanne Zeit, über zwei große Revolutionen hinweg, zieht sich durch die ganze politische Geschichte Russlands wie ein roter Faden die Frage: ist es die Arbeiterklasse, die die Bauern vorwärts, zum Sozialismus führen wird, oder wird der liberale Bourgeois sie rückwärts zerren, zur Versöhnung mit den Kapitalisten?

Der opportunistische Flügel der Sozialdemokratie argumentiert immer nach folgender sehr weisen Formel: weil die Sozialrevolutionäre Kleinbürger sind, lehnen „wir" ihre kleinbürgerlich-utopischen Ansichten über den Sozialismus ab im Namen der bürgerlichen Negation des Sozialismus. Der Marxismus wird so glücklich ersetzt durch den Struvismus, und der Menschewismus sinkt zur Rolle eines Lakaien der Kadetten herab, der die Bauern mit der Herrschaft der Bourgeoisie „versöhnt". Zeretelli und Skobelew, damit beschäftigt, Schulter an Schulter mit Tschernow und Awksentjew im Namen der „revolutionären Demokratie" die reaktionär-gutsbesitzerlichen Erlasse der Kadetten zu unterschreiben – das ist der letzte und anschaulichste Ausdruck dieser Rolle.

Die revolutionäre Sozialdemokratie, die niemals auf die Kritik an den kleinbürgerlichen Illusionen der Sozialrevolutionäre verzichtet und sich mit dieser Partei niemals anders als gegen die Kadetten verbündet hat, kämpft die ganze Zeit, um die Bauern von dem Einfluss der Kadetten loszureißen; sie stellt den kleinbürgerlich utopistischen Ansichten über den Sozialismus nicht die liberale Verständigung mit dem Kapitalismus, sondern den revolutionär-proletarischen Weg zum Sozialismus entgegen.

Jetzt, wo der Krieg die Entwicklung ungeheuer beschleunigt, die Krise des Kapitalismus unglaublich verschärft und die Völker vor die unaufschiebbare Wahl gestellt hat: Untergang oder sofort entschiedene Schritte zum Sozialismus – jetzt offenbart sich die tiefe Kluft zwischen dem halbliberalen Menschewismus und dem revolutionär-proletarischen Bolschewismus mit besonderer Deutlichkeit praktisch als Frage der Aktion von Millionen Bauern.

Findet euch ab mit der Herrschaft des Kapitals, denn für den Sozialismus sind „wir" noch nicht reif – das sagen die Menschewiki den Bauern. Sie ersetzen die konkrete Frage, ob die Wunden, die der Krieg geschlagen, ohne entschiedene Schritte zum Sozialismus geheilt werden können, durch die abstrakten Probleme des „Sozialismus" überhaupt.

Findet euch ab mit dem Kapitalismus, denn die Sozialrevolutionäre sind kleinbürgerliche Utopisten –, das sagen die Menschewiki den Bauern und unterstützen mit den Sozialrevolutionären zusammen die Regierung der Kadetten …

Die Sozialrevolutionäre aber werfen sich in die Brust und versichern den Bauern, dass sie gegen jeden Frieden mit den Kapitalisten seien, dass sie die russische Revolution niemals als ine bürgerliche Revolution betrachtet hätten, – und darum schließen sie einen Block gerade mit den opportunistischen Sozialdemokraten und unterstützen gerade die bürgerliche Regierung Die Sozialrevolutionäre unterschreiben alle möglichen sogar die allerrevolutionärsten Programme der Bauern um sie nicht durchzuführen, um sie auf die lange Bank zu schieben, um die Bauern mit den hohlsten Versprechungen zu betrügen und sich m Wirklichkeit monatelang im Koalitionsministerium der Verständigung mit den Kadetten zu befleißigen. Dieser schreiende, faktische, unmittelbare, greifbare Verrat der Bauerninteressen durch die Sozialrevolutionäre verändert die Lage sehr erheblich. Dieser Veränderung müssen wir Rechnung tragen. Wir können nicht nur in alter Weise gegen die Sozialrevolutionäre agitieren, nur so, wie wir es in den Jahren 1902 bis 1903 und 1905 bis 1907 getan haben. Wir können uns nicht auf die theoretische Entlarvung der kleinbürgerlichen Illusionen der „Sozialisierung des Grund und Bodens", der „ausgleichenden Bodennutzung , der „Nichtzulassung der Lohnarbeit" beschränken Damals hatten wir den Vorabend der bürgerlichen Revolution oder eine nicht-vollendete bürgerliche Revolution, und die ganze Aufgabe bestand darin, diese Revolution vor allem zur Niederwertung der Monarchie weiter zu treiben.

Heute ist die Monarchie gestürzt. Die bürgerliche Revolution ist insofern vollendet, als Russland eine demokratische Republik geworden ist, mit einer Regierung aus Kadetten, Menschewiki und Sozialrevolutionären. Der Krieg hat uns in drei Jahren um dreißig Jahre vorwärts gebracht, hat in Europa die allgemeine Arbeitspflicht und die Zwangssyndizierung der Unternehmungen geschaffen, hat den vorgeschrittenen Ländern Hungersnot und unerhörte Verwüstung beschert und sie gezwungen, Schritte in der Richtung zum Sozialismus zu tun.

Nur das Proletariat und die Bauernschaft können die Monarchie stürzen – so lautete damals die Grundformel unserer Klassenpolitik. Und diese Formel war richtig. Der Februar und März 1917 haben es erneut bestätigt.

Nur das Proletariat, das die ärmste Bauernschaft (die Halbproletaner, wie unser Programm sagt) führt, kann den Krieg durch einen demokratischen Frieden beenden, seine Wunden heilen und die unbedingt notwendig gewordenen und unaufschiebbaren Schritte in der Richtung zum Sozialismus unternehmen – so lautet heute die Formel unserer Klassenpolitik.

Daraus folgt: der Schwerpunkt der Propaganda und Agitation gegen die Sozialrevolutionäre muss auf die Tatsache verlegt werden, dass sie die Bauern verraten haben. Sie repräsentieren nicht die Masse der armen Bauern, sondern die Minderheit der wohlhabenden Landwirte. Sie führen die Bauernschaft nicht zum Bündnis mit den Arbeitern, sondern zum Bündnis mit den Kapitalisten, d. h. zur Unterwerfung unter sie. Sie haben die Interessen der werktätigen, ausgebeuteten Massen um Ministersessel und um einen Block mit den Menschewiki und Kadetten verkauft.

Die durch den Krieg beschleunigte Geschichte hat einen solchen Schritt vorwärts getan, dass sich die alten Formeln mit neuem Inhalt füllten. „Die Nichtzulassung der Lohnarbeit", das bedeutete früher nur eine leere Phrase kleinbürgerlicher Intellektuellen. Das bedeutet heute im Leben etwas anderes: Millionen armer Bauern erklären in 242 Instruktionen, dass sie die Aufhebung der Lohnarbeit wollen, aber nicht wissen, wie das zu geschehen hat. Wir wissen, wie das zu geschehen hat. Wir wissen, dass man es nur im Bündnis mit den Arbeitern, unter ihrer Führung, gegen die Kapitalisten tun kann, nicht aber durch „Verständigung" mit den Kapitalisten.

In dieser Weise muss sich jetzt die Grundlinie unserer Propaganda und Agitation gegen die Sozialrevolutionäre, die Grundlinie unserer Reden an die Bauern ändern.

Die Partei der Sozialrevolutionäre hat euch verraten, Genossen Bauern. Sie hat die Hütten verraten und sich auf die Seite der Paläste geschlagen, wenn auch nicht der Zarenpaläste, so doch der Paläste, in denen die Kadetten – die grimmigsten Feinde der Revolution und besonders der Bauernrevolution – in derselben Regierung mit den Tschernow, den Pjeschechonow und den Awksentjew sitzen.

Nur das revolutionäre Proletariat, nur die das Proletariat vereinigende Avantgarde, die Partei der Bolschewiki, kann in Wirklichkeit das Programm der armen Bauern durchführen, das in den 242 Instruktionen niedergelegt ist. Denn das revolutionäre Proletariat schreitet tatsächlich zur Abschaffung der Lohnarbeit, und zwar auf dem einzig richtigen Weg, durch die Niederwerfung des Kapitals, und nicht durch das Verbot, einen Knecht zu dingen, nicht durch die „Nichtzulassung" der Lohnarbeit. Das revolutionäre Proletariat schreitet tatsächlich zur Beschlagnahme des Grund und Bodens, des Inventars, der technischen landwirtschaftlichen Betriebe, zu alledem, was die Bauern wollen und was die Sozialrevolutionäre ihnen nicht geben können.

In dieser Weise muss sich jetzt die Grundlinie der Sprache ändern, die der Arbeiter dem Bauern gegenüber führt. Wir Arbeiter können und werden euch das geben, was die armen Bauern wollen und suchen, wenn sie auch nicht immer wissen, wo und wie sie es suchen sollen. Wir Arbeiter verteidigen unsere eigenen Interessen und zugleich die Interessen der überwältigenden Mehrheit der Bauern gegen die Kapitalisten, die Sozialrevolutionäre aber verraten diese Interessen, indem sie sich mit den Kapitalisten verbünden.

Erinnern wir den Leser daran, was Engels kurz vor seinem Tode über die Bauernfrage gesagt hat. Engels betonte, dass die Sozialisten gar nicht daran denken, die kleinen Bauern zu enteignen, dass sie ihnen die Vorzüge der mit Maschinen betriebenen sozialistischen Landwirtschaft nur durch die Kraft des Beispiels zeigen werden.3

Der Krieg hat jetzt Russland praktisch vor eine ähnliche Frage gestellt. Inventar gibt es wenig. Man muss es beschlagnahmen; Wirtschaften mit hochentwickelter Kultur dürfen nicht „aufgeteilt" werden.

Die Bauern haben angefangen, das zu begreifen. Die Not hat sie dazu gezwungen. Der Krieg hat sie dazu gezwungen. Denn wo sollte man das Inventar hernehmen? Man muss sparsam damit umgehen. Und der Großbetrieb bedeutet Arbeitsersparnis an Inventar und an vielem andern.

Die Bauern wollen die Kleinwirtschaft behalten, sie ausgleichend normieren, periodisch wieder ausgleichen… Sei's drum. Deshalb wird kein vernünftiger Sozialist mit den Dorfarmen streiten. Wenn die Ländereien konfisziert sein werden, so heißt das, dass die Herrschaft der Banken gebrochen ist, wenn das Inventar konfisziert sein wird, so heißt das, dass die Herrschaft des Kapitals gebrochen ist; dann, bei der Herrschaft des Proletariats im Zentrum, wenn die politische Macht an das Proletariat übergegangen ist, wird alles andere sich von selbst finden, wird das Resultat der „Macht des Beispiels" sein, wird von der Praxis selbst diktiert sein.

Der Übergang der politischen Macht an das Proletariat, das ist der Kern der Sache. Dann wird alles Wesentliche, Grundlegende, Wichtigste im Programm der 242 Instruktionen durchführbar. Das Leben wird schon zeigen, mit welchen Änderungen es verwirklicht wird. Das ist unsere kleinste Sorge. Wir sind keine Doktrinäre. Unsere Lehre ist kein Dogma, sondern eine Anleitung zum Handeln.

Wir behaupten nicht, dass Marx oder die Marxisten den Weg zum Sozialismus in seiner ganzen konkreten Wirklichkeit kennen. Das ist Unsinn. Wir kennen die Richtung dieses Weges, wir wissen, welche Klassenkräfte diesen Weg führen, doch konkret, praktisch wird das nur die Erfahrung der Millionen zeigen, wenn sie an die Sache herangehen.

Vertraut euch den Arbeitern an, Genossen Bauern, zerreißt das Bündnis mit den Kapitalisten! Nur im engsten Bündnis mit den Arbeitern könnt ihr wirklich daran gehen, das Programm der 242 Instruktionen zu verwirklichen. Im Bündnis mit den Kapitalisten, unter der Führung der Sozialrevolutionäre, werdet ihr niemals auch nur einen entschiedenen, unwiderruflichen Schritt im Geiste dieses Programms erleben.

Wenn ihr aber im Bündnis mit den Stadtproletariern, im schonungslosen Kampf gegen das Kapital, beginnen werdet, das Programm der 242 Instruktionen zu verwirklichen, dann wird euch und uns die ganze Welt zu Hilfe kommen. Dann wird der Erfolg dieses Programms, nicht in seiner gegebenen Formulierung, sondern in seinem Wesen, gesichert sein. Dann wird das Ende der Kapitalherrschaft und der Lohnsklaverei kommen. Dann wird das Reich des Sozialismus, das Reich des Friedens, das Reich der Werktätigen anbrechen.

1 Die Iswestija" des Allrussischen Bauerndeputiertenrates waren dessen offizielles Organ, das in Petrograd vom 22. (9.) Mai 1917 an erschien. Die Zeitung befand sich in der Hand der rechten Sozialrevolutionäre und spiegelte ihre Politik der Koalition mit der Bourgeoisie und des Opportunismus in der Agrarfrage wider, eine Politik, die auf die Preisgabe des eigenen Programms hinauslief („Bis zur Entscheidung der Konstituierenden Versammlung nicht an den Boden rühren").

2 In der „Musterinstruktion, verfasst auf Grund der 242 Instruktionen, die die Delegierten zum 1. Allrussischen Kongress der Räte der Bauerndeputierten in Petrograd im Jahre 1917 aus der Provinz mitgebracht hatten", waren die §§ 6 und 11 der Bauernforderungen folgendermaßen formuliert:

§ 6 Wählbarkeit aller beamteten Personen in der russischen Republik; Recht, alle Beamten, einschließlich der Abgeordneten und Richter, im Falle von Vergehen gerichtlich zu belangen."

„…§11. Nach Beendigung des Krieges Auflösung des stehenden Heeres in der russischen Republik für immer, seine Ersetzung durch eine Volksmiliz."

3 In seinem Artikel „Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland", der zum ersten Mal im Jahre 1894 in der „Neuen Zeit", Nr. 10, abgedruckt worden ist sagt Friedrich Engels: „Erstens ist der Satz des französischen Programms unbedingt richtig: dass wir den unvermeidlichen Untergang des Kleinbauern voraussehen, aber keineswegs berufen sind, ihn durch Eingriffe unsererseits zu beschleunigen. Und zweitens ist es ebenso handgreiflich, dass, wenn wir im Besitz der Staatsmacht sind, wir nicht daran denken können, die Kleinbauern gewaltsam zu expropriieren (einerlei ob mit oder ohne Entschädigung) wie wir dies mit den Großgrundbesitzern zu tun genötigt sind. Unsere Aufgabe gegenüber dem Kleinbauer besteht zunächst darin, seinen Privatbetrieb und Privatbesitz in einen genossenschaftlichen überzuleiten, nicht mit Gewalt, sondern durch Beispiel und Darbietung von gesellschaftlicher Hilfe zu diesem Zweck."

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