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Wladimir I. Lenin 19171106 Brief an die ZK-Mitglieder

Wladimir I. Lenin: Brief an die ZK-Mitglieder

[Geschrieben am 6. November (24. Oktober) 1917. Zum ersten Mal veröffentlicht 1925 im Buche L. Trotzkis: ,,1917", Staatsverlag. Nach Sämtliche Werke, Band 21, Wien-Berlin 1931, S. 461 f.]

Genossen! Ich schreibe diese Zeilen am Abend des 24. Die Lage ist äußerst kritisch. Es ist sonnenklar, dass jetzt jede Verzögerung des Aufstandes den Tod bedeuten würde.

Mit der Aufbietung meiner ganzen Kraft bemühe ich mich, die Genossen zu überzeugen, dass jetzt alles an einem Faden hängt, dass auf der Tagesordnung Fragen stehen, die nicht durch Konferenzen, durch Kongresse (selbst nicht durch Rätekongresse) entschieden werden, sondern durch die Völker, durch die Masse, durch den Kampf der bewaffneten Massen.

Der bürgerliche Vorstoß der Kornilow-Leute, die Entfernung Werchowskis zeigt, dass man nicht warten darf. Man muss unter allen Umständen heute Abend, heute Nacht die Regierung verhaften, indem man die Junker entwaffnet (nachdem man sie besiegt hat, wenn sie Widerstand leisten) usw.

Man darf nicht warten!! Man kann alles verlieren!!

Der Preis der sofortigen Machtübernahme ist: Schutz des Volkes (nicht des Kongresses, sondern des Volkes, in erster Linie der Armee und der Bauern) vor der Kornilow-Regierung, die Werchowski verjagt und eine zweite Kornilow-Verschwörung eingefädelt hat.

Wer soll die Macht übernehmen?

Das ist jetzt nicht wichtig: mag sie das revolutionäre Kriegskomitee übernehmen „oder eine andere Körperschaft", die erklären wird, dass sie die Macht nur den wahren Vertretern der Interessen des Volkes übergeben wird, der Interessen der Armee (sofortiges Friedensangebot), der Interessen der Bauern (sofortige Besitznahme des Bodens, Abschaffung des Privateigentums), der Interessen der Hungernden.

Es ist notwendig, dass alle Bezirke, alle Regimenter, alle Kräfte sofort mobilisiert werden und unverzüglich Delegationen an das revolutionäre Kriegskomitee, an das ZK der Bolschewiki schicken mit der dringenden Forderung: Auf keinen Fall die Macht in den Händen der Kerenski und Co. bis zum 25. lassen; unter keinen Umständen; die Sache muss unbedingt heute Abend oder Nacht entschieden werden.

Die Geschichte wird eine Verzögerung den Revolutionären nicht verzeihen, die heute siegen können (und bestimmt siegen werden), während sie morgen Gefahr laufen, vieles zu verlieren, ja Gefahr laufen, alles zu verlieren.

Wenn wir heute die Macht ergreifen, so ergreifen wir sie nicht gegen die Räte, sondern für sie.

Die Machtergreifung ist Sache des Aufstandes; ihr politisches Ziel wird nach der Machtübernahme klar werden.

Es wäre Verderb oder Formalismus, auf die unsichere Abstimmung am 25. Oktober zu warten, das Volk hat das Recht und die Pflicht, solche Fragen nicht durch Abstimmungen, sondern durch die Gewalt zu lösen; das Volk hat das Recht und die Pflicht, in kritischen Augenblicken der Revolution selbst ihren Vertretern, sogar ihren besten Vertretern die Richtung zu zeigen, und nicht auf sie zu warten.

Das hat die Geschichte aller Revolutionen bewiesen, und ungeheuerlich wäre das Verbrechen der Revolutionäre, wenn sie den Augenblick verpassten, obwohl sie wissen, dass die Rettung der Revolution, das Friedensangebot, die Rettung Petrograds, die Rettung vor dem Hunger, die Übergabe des Bodens an die Bauern von ihnen abhängt.

Die Regierung schwankt. Man muss ihr den Rest geben, koste es was es wolle!

Eine Verzögerung der Aktion wäre der Tod.

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