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Wladimir I. Lenin 19171009 Die Aufgaben der Revolution

Wladimir I. Lenin: Die Aufgaben der Revolution

[„Rabotschij Putj", Nr. 20-21. 9.-10. Oktober (26.-27. September) 1917. Gezeichnet: N. K. Nach Sämtliche Werke, Band 21, Wien-Berlin 1931, S. 282-292]

Russland ist ein kleinbürgerliches Land. Die gewaltige Mehrheit der Bevölkerung gehört dieser Klasse an. Ihr Schwanken zwischen Bourgeoisie und Proletariat ist unvermeidlich. Nur wenn sie sich dem Proletariat anschließt, ist ein leichter, friedlicher, rascher, ruhiger Sieg der Revolution, des Friedens, der Freiheit, der Übergabe des Bodens an die Werktätigen gesichert.

Der Verlauf unserer Revolution zeigt uns dieses Schwanken in der Praxis. Machen wir uns darum keine Illusionen über die Parteien der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki, bleiben wir fest auf unserem proletarischen Klassenwege. Das Elend der ärmsten Bauern, die Schrecken des Krieges, die Schrecken des Hungers – all das zeigt den Massen immer anschaulicher die Richtigkeit des proletarischen Weges, die Notwendigkeit der Unterstützung der proletarischen Revolution.

Die „friedlichen" kleinbürgerlichen Hoffnungen auf eine „Koalition" mit der Bourgeoisie, auf das Paktieren mit ihr, auf die Möglichkeit, „ruhig" den „baldigen" Zusammentritt der Konstituierenden Versammlung abzuwarten usw., – all das zerschlägt der Verlauf der Revolution rücksichtslos, grausam, erbarmungslos. Die Kornilowiade war die letzte grausame Lehre, und zwar eine Lehre von großem Umfang, die Tausende und Abertausende kleinerer, im Betrug der Arbeiter und Bauern durch die Kapitalisten und Grundbesitzer, der Soldaten durch die Offiziere usw. bestehende Lehren ergänzt.

Die Unzufriedenheit, Empörung und Erbitterung in der Armee, in der Bauernschaft, unter den Arbeitern wächst an. Die alles versprechende und nichts erfüllende „Koalition" der Sozialrevolutionäre und Menschewiki mit der Bourgeoisie macht die Massen nervös, öffnet ihnen die Augen, stößt sie zum Aufstand.

Die Opposition der Linken in den Reihen der Sozialrevolutionäre (Spiridonowa u. a.) und der Menschewiki (Martow u. a.) wächst, sie hat bereits im „Rat" und auf dem „Kongress" dieser Parteien 40 Prozent erreicht. In den unteren Schichten aber, im Proletariat und in der Bauernschaft, besonders in der ärmsten, besteht die Mehrheit der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki aus „Linken".

Die Kornilowiade lehrt. Die Kornilowiade hat bereits vieles gelehrt.

Man kann nicht wissen, ob die Räte jetzt imstande sein werden, weiter zu gehen als die Führer der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki und so eine friedliche Entwicklung der Revolution zu sichern, oder ob sie wieder auf der Stelle treten und damit den proletarischen Aufstand unvermeidlich machen werden.

Das kann man nicht wissen.

Es ist unsere Sache, zu helfen, damit alles getan werde, um die „letzte" Chance auf eine friedliche Entwicklung der Revolution zu sichern, zu helfen durch die Darlegung unseres Programms, durch die Erläuterung seines allgemein-nationalen Charakters, seiner unbedingten Übereinstimmung mit den Interessen und Forderungen der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung.

Die hier folgenden Zeilen sind ein solcher Versuch, dieses Programm auseinanderzusetzen.

Gehen wir mit ihm mehr zu den „unteren" Schichten, zu den Massen, den Angestellten, den Arbeitern, den Bauern, nicht nur zu denen, die zu uns gehören, sondern besonders zu den Sozialrevolutionären, den parteilosen, den unaufgeklärten. Bemühen wir uns, sie zum selbständigen Denken, zum Fassen eigener Beschlüsse, zur Entsendung ihrer Delegationen zur Beratung, in die Räte, zur Regierung zu bringen – dann wird unsere Arbeit, wie der Ausgang der Beratung auch sein mag, nicht verloren sein. Dann wird sie sowohl der Beratung und den Wahlen zur Konstituierenden Versammlung als auch für jede politische Tätigkeit im allgemeinen nützlich sein.

Das Leben zeigt die Richtigkeit des bolschewistischen Programms und der bolschewistischen Taktik. Vom 20. April bis zur Kornilowiade ist „so wenig Zeit verstrichen und soviel geschehen."

Die Erfahrung der Massen, die Erfahrung der unterdrückten Klassen hat ihnen in dieser Zeit ungeheuer viel gegeben, während die Führer der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki sich von den Massen entfernt haben. Das wird am richtigsten gerade an Hand des konkreten Programms aufgezeigt werden können, soweit es gelingt, die Erörterung dieses Programms in die Massen zu tragen.

Das Verderbliche der Kompromisse mit den Kapitalisten

1. Lässt man die Vertreter der Bourgeoisie, wenn auch nur in geringer Zahl, in der Regierung sitzen, lässt man so eingefleischte Kornilowisten wie die Generale Alexejew, Klembowski, Bagration, Gagarin usw., oder solche, die ihre vollständige Ohnmacht der Bourgeoisie gegenüber und ihre Neigung zu bonapartistischen Handlungen, wie z. B. Kerenski, schon bewiesen haben, am Ruder, so heißt das einerseits dem Hunger und einer unvermeidlichen Wirtschaftskatastrophe, die von den Kapitalisten absichtlich beschleunigt und verschärft wird, und anderseits einer militärischen Katastrophe Tür und Tor öffnen, denn die Armee hasst das Hauptquartier und kann nicht mit Begeisterung am imperialistischen Kriege teilnehmen. Außerdem werden die kornilowistischen Generale und Offiziere, wenn sie an der Macht bleiben, zweifellos absichtlich den Deutschen die Front öffnen, wie sie es mit Galizien und Riga getan haben. Abwenden kann das nur die Bildung einer neuen Regierung auf neuen Grundlagen, die weiter unten dargelegt sind. Wollten die Sozialrevolutionäre und die Menschewiki nach all dem, was man seit dem 20. April erlebt hat, irgendwelche Kompromisse mit der Bourgeoisie fortsetzen, so wäre das nicht nur ein Fehler, sondern direkter Verrat am Volk und an der Revolution.

Die Macht den Räten

2. Die ganze Macht im Staate muss ausschließlich in die Hände der Vertreter der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputiertenräte übergehen, und zwar auf Grund eines bestimmten Programms und der vollen Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber den Räten. Es müssen sofort Neuwahlen zu den Räten stattfinden, damit der ganzen Erfahrung des Volkes in den letzten, besonders inhaltsreichen Wochen der Revolution Rechnung getragen werden kann und damit die schreienden Ungerechtigkeiten (falsches Verhältnis, Ungleichheit der Wahlen usw.), die an verschiedenen Orten nicht korrigiert worden sind, beseitigt werden können.

An den Orten, wo noch keine demokratisch gewählten Körperschaften vorhanden sind, und in der Armee muss die ganze Macht ausschließlich in die Hände der örtlichen Räte und der von diesen gewählten Kommissare oder anderer, jedoch nur gewählter Körperschaften übergehen.

Überall muss unbedingt und mit voller Unterstützung des Staates die Bewaffnung der Arbeiter und revolutionären Truppen, d. h. der Truppen, die durch die Tat gezeigt haben, dass sie die Kornilow-Leute zurückzuschlagen gewillt sind, durchgeführt werden.

Der Friede den Völkern

3. Die Räteregierung muss sofort alle kriegführenden Völker (d. h. gleichzeitig ihre Regierungen und die Arbeiter- und Bauernmassen) auffordern, sofort einen allgemeinen Frieden auf demokratischer Grundlage abzuschließen, außerdem sofort einen Waffenstillstand (wenn auch nur für drei Monate).

Die Hauptbedingung für einen demokratischen Frieden ist der Verzicht auf Annexionen (gewaltsame Aneignungen) – nicht in dem falschen Sinne, dass allen Mächten das Verlorene zurückerstattet wird, sondern in dem einzig richtigen Sinne, dass jedes Volk, ohne jede Ausnahme, sowohl in Europa wie in den Kolonien, die Freiheit und Möglichkeit erhält, selber zu entscheiden, ob es einen besonderen Staat bilden oder einem beliebigen andern Staat angehören will.

Indem aber die Räteregierung diese Friedensbedingungen anbietet, muss sie selber sofort daran gehen, sie zu erfüllen, d. h. die Geheimverträge, durch die wir auch heute noch gebunden sind, die der Zar abgeschlossen hat und die den russischen Kapitalisten die Plünderung der Türkei, Österreichs usw. versprechen, zu veröffentlichen und zu lösen. Ferner sind wir verpflichtet, sofort die Bedingungen der Ukrainer und der Finnländer zu erfüllen, ihnen wie allen fremden Stämmen in Russland die volle Freiheit zu sichern, die Freiheit der Loslösung mit inbegriffen, dasselbe Prinzip auf ganz Armenien anzuwenden, uns zu verpflichten, Armenien und die von uns besetzten türkischen Gebiete freizugeben usw.

Diese Friedensbedingungen werden von den Kapitalisten nicht wohlwollend aufgenommen werden, aber bei allen Völkern werden sie eine so ungeheure Sympathie finden und einen so gewaltigen, welthistorischen Ausbruch der Begeisterung und der allgemeinen Empörung über die Verlängerung des räuberischen Krieges hervorrufen, dass wir wahrscheinlich sofort einen Waffenstillstand und die Zustimmung zur Eröffnung von Friedensverhandlungen erzielen werden. Denn die Arbeiterrevolution gegen den Krieg entwickelt sich unaufhaltsam überall, und nicht Phrasen über den Frieden (mit denen alle imperialistischen Regierungen, darunter auch unsere Kerenski-Regierung die Arbeiter und Bauern seit langem betrügen), sondern nur der Bruch mit den Kapitalisten und das Friedensangebot sind imstande, diese Revolution vorwärtszutreiben.

Wenn sich verwirklichen sollte, was am wenigsten wahrscheinlich ist, d. h. wenn kein kriegführender Staat auch nur auf den Waffenstillstand eingeht, dann wird der Krieg auf unserer Seite tatsächlich ein aufgezwungener, tatsächlich ein gerechter Verteidigungskrieg sein. Schon allein der Umstand, dass das Proletariat und die ärmste Bauernschaft das erkannt haben werden, wird Russland auch in militärischer Hinsicht viel stärker machen, besonders nach dem Bruch mit den das Volk plündernden Kapitalisten, ganz abgesehen davon, dass dann der Krieg auf unserer Seite nicht nur in Worten, sondern in der Tat ein Krieg im Bündnis mit den unterdrückten Klassen aller Länder, ein Krieg im Bündnis mit den unterdrückten Völkern der ganzen Welt sein wird.

Insbesondere muss das Volk vor jener Behauptung der Kapitalisten gewarnt werden, der manchmal besonders eingeschüchterte Leute und Spießbürger zugänglich sind und die darin besteht, dass die englischen u. a. Kapitalisten der russischen Revolution einen schweren Schaden zufügen können, wenn unser jetziges, räuberisches Bündnis mit ihnen gebrochen wird. Diese Behauptung ist durch und durch verlogen, denn die „finanzielle Unterstützung der Verbündeten", an der sich die Bankiers bereichern, „unterstützt" die russischen Arbeiter und Bauern nur so, wie der Strick den Gehängten. In Russland ist genügend Getreide, Kohle, Naphtha, Eisen vorhanden, und es ist nur die Befreiung von den das Volk plündernden Gutsbesitzern und Kapitalisten notwendig, um diese Produkte richtig verteilen zu können. Was aber die Möglichkeit einer militärischen Bedrohung des russischen Volkes durch seine jetzigen Verbündeten anbelangt, so ist die Annahme, die Franzosen und die Italiener könnten ihre Truppen mit den deutschen vereinigen und sie gegen Russland, das einen gerechten Frieden vorgeschlagen hat, schicken, eine offenkundig sinnlose Annahme; England, Amerika und Japan aber könnten, selbst wenn sie Russland den Krieg erklärten (was für sie im höchsten Maße schwierig sein würde, sowohl weil ein solcher Krieg in den Massen sehr unpopulär wäre als auch weil die materiellen Interessen der Kapitalisten dieser Länder wegen der Aufteilung Asiens und insbesondere wegen der Plünderung Chinas auseinandergehen), Russland nicht den hundertsten Teil des Schadens zufügen, den der Krieg gegen Deutschland, Österreich und die Türkei dem Lande zufügt.

Den Boden den Werktätigen

4. Die Räteregierung muss sofort das Privateigentum am Großgrundbesitz ohne Ablösung für aufgehoben erklären und diesen Boden den Bauernkomitees zur Verwaltung übergeben, bis die Konstituierende Versammlung über die Frage entschieden hat. Auch das Inventar der Grundbesitzer muss diesen Bauernkomitees zur Verwaltung übergeben werden, und zwar unter der Bedingung, dass es unbedingt in erster Linie zur Nutzung den ärmsten Bauern kostenlos übergeben wird.

Diese Maßnahmen, die die gewaltige Mehrheit der Bauernschaft seit langem, sowohl in den Resolutionen ihrer Kongresse wie in Hunderten von Instruktionen aus der Provinz (wie unter andern aus der Zusammenfassung der 242 Instruktionen in den „Iswestija" des Rates der Bauerndeputierten hervorgeht) fordert, sind unbedingt und unaufschiebbar notwendig. Eine Verzögerung, unter der die Bauernschaft zur Zeit der „Koalitions"-Regierung so sehr gelitten hat, ist nicht mehr zulässig.

Jede Regierung, die zögern wollte, diese Maßnahme durchzuführen, muss als eine volksfeindliche Regierung anerkannt werden, die wert ist, durch den Aufstand der Arbeiter und Bauern gestürzt und zertreten zu werden. Und umgekehrt, nur eine Regierung, die diese Maßnahmen durchführt, wird eine Volksregierung sein.

Der Kampf gegen Hunger und Zerrüttung

5. Die Räteregierung muss sofort im allgemein-staatlichen Maßstab die Arbeiterkontrolle über die Produktion und Distribution einführen. Tut sie das nicht, so sind, wie die Erfahrung des 6. Mai bereits gezeigt hat, alle Versprechungen von Reformen und alle Versuche ihrer Durchführung machtlos, und das Land wird von Woche zu Woche immer mehr vom Hunger und von einer unerhörten Katastrophe bedroht.

Die sofortige Nationalisierung der Banken und des Versicherungswesens, ferner der wichtigsten Industriezweige (der Naphtha-, Steinkohlen-, Hütten-, Zucker- usw. Industrie) ist notwendig, daneben die unbedingte Aufhebung des Geschäftsgeheimnisses und die Einführung einer unerbittlichen Beaufsichtigung der verschwindenden Minderheit von Kapitalisten, die sich an den Lieferungen für den Staat bereichern, sich der Rechenschaftslegung und der gerechten Besteuerung ihrer Profite und Vermögen zu entziehen suchen, durch die Arbeiter und Bauern.

Diese Maßnahmen, die weder den mittleren Bauern noch den Kosaken oder den kleinen Handwerkern auch nur eine Kopeke von ihrem Eigentum fortnehmen, sind unbedingt gerecht im Interesse der gleichmäßigen Verteilung der Lasten des Krieges und unaufschiebbar im Interesse des Kampfes gegen den Hunger. Erst wenn man die kapitalistischen Marodeure gezähmt und der absichtlichen Stilllegung der Produktion ein Ende gesetzt hat, werden eine Erhöhung der Produktivität der Arbeit, die Einführung der allgemeinen Arbeitspflicht, der richtige Austausch von Getreide gegen Industrieprodukte, die Rückkehr vieler Milliarden von den Reichen versteckten Papiergeldes in die Staatskasse erreicht werden können.

Ohne diese Maßnahmen ist auch die Aufhebung des Privateigentums am Großgrundbesitz ohne Ablösung nicht möglich, denn der Großgrundbesitz ist zum größten Teil in den Banken verpfändet, und die Interessen der Grundbesitzer und der Kapitalisten sind untrennbar miteinander verflochten.

Die letzte Resolution der Wirtschaftsabteilung des Allrussischen ZEK der Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten („Rabotschaja Gazeta",Nr. 152) erkennt nicht nur das „Verderbliche" der Regierungsmaßnahmen (wie z. B. der Erhöhung der Getreidepreise zur Bereicherung der Grundbesitzer und der Kulaken), nicht nur „die Tatsache der völligen Untätigkeit der bei der Regierung gebildeten Zentralorgane zur Regelung des Wirtschaftslebens" an, sondern auch die „Verletzung der Gesetze" durch diese Regierung. Dieses Bekenntnis der regierenden Parteien der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki zeigt ein übriges Mal das Verbrecherische der Politik des Paktierens mit der Bourgeoisie.

Der Kampf gegen die Konterrevolution der Grundbesitzer und Kapitalisten

6. Der Kornilowsche und Kaledinsche Aufstand wurde unterstützt von der gesamten Klasse der Grundbesitzer und Kapitalisten, mit der Kadettenpartei („Volksfreiheit") an der Spitze. Das ist durch die in den „Iswestija" des ZEK veröffentlichten Tatsachen vollkommen erwiesen.

Doch ist weder zur vollständigen Unterdrückung dieser Konterrevolution noch zu ihrer Untersuchung auch nur das Geringste getan worden, und es kann auch nichts Ernstes dazu getan werden ohne den Übergang der Macht an die Räte. Keine Kommission, die nicht über die Staatsgewalt verfügt, ist imstande, eine vollständige Untersuchung durchzuführen, die Schuldigen zu verhaften usw. Nur die Räteregierung kann und muss das tun. Nur die Räteregierung, die die kornilowistischen Generale und die Häuptlinge der bürgerlichen Konterrevolution (Gutschkow, Miljukow, Rjabuschinski, Maklakow und Konsorten) verhaftet, die konterrevolutionären Vereinigungen (die Reichsduma, die Offiziersverbände usw.) auflöst, deren Mitglieder unter die Aufsicht der örtlichen Räte stellt, konterrevolutionäre Truppenteile auflöst, kann Russland vor der unvermeidlichen Wiederholung „Kornilowscher" Versuche schützen.

Nur die Räteregierung kann eine Kommission für die vollständige und öffentliche Untersuchung des Kornilow-Abenteuers ebenso wie aller übrigen wenn auch von der Bourgeoisie angeregten Angelegenheiten einsetzen, und die Partei der Bolschewiki würde ihrerseits die Arbeiter auffordern, nur einer solchen Kommission zu gehorchen und nur sie zu unterstützen.

Nur die Räteregierung könnte erfolgreich gegen eine so schreiende Ungerechtigkeit ankämpfen, wie z. B. die gewaltsame Aneignung der größten Druckereien und der Mehrheit der Zeitungen durch die Kapitalisten mit Hilfe der aus dem Volke ausgesogenen Millionen. Die bürgerlichen konterrevolutionären Zeitungen („Rjetsch", „Russkoje Slowo" usw.) müssen verboten, ihre Druckereien beschlagnahmt werden, Privatanzeigen in den Zeitungen müssen zum Staatsmonopol erklärt und in die Zeitung der Regierung überführt werden, die die Räte herausgeben und die den Bauern die Wahrheit sagt. Nur so kann und muss das machtvolle Werkzeug der ungestraften Lüge und Verleumdung, des Volksbetrugs, der Irreführung der Bauern, der Vorbereitung der Konterrevolution der Bourgeoisie aus der Hand geschlagen werden.

Die friedliche Entwicklung der Revolution

7. Der Demokratie Russlands, den Räten, den Parteien der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki ist jetzt die in der Geschichte der Revolutionen außerordentlich selten vorkommende Möglichkeit gegeben, die Einberufung der Konstituierenden Versammlung zur angesetzten Zeit ohne neue Verzögerung zu sichern, die Möglichkeit, das Land vor der Gefahr einer militärischen und wirtschaftlichen Katastrophe zu retten, die Möglichkeit, eine friedliche Entwicklung der Revolution zu gewährleisten.

Wenn die Räte jetzt die Staatsgewalt ganz und ausschließlich in ihre Hände nehmen, um das oben dargelegte Programm durchzuführen, so ist den Räten nicht nur die Unterstützung von neun Zehnteln der Bevölkerung Russlands, der Arbeiterklasse und der ungeheuren Mehrheit der Bauernschaft gesichert. Den Räten ist auch die gewaltigste revolutionäre Begeisterung der Armee und der Mehrheit des Volkes sicher, jene Begeisterung, ohne die der Sieg über den Hunger und über den Krieg unmöglich ist.

Von irgend einem Widerstand gegen die Räte könnte jetzt nicht im Geringsten die Rede sein, wenn die Räte nicht schwankten. Keine einzige Klasse wird es wagen, einen Aufstand gegen die Räte zu erheben, und die durch die Erfahrung der Kornilowiade belehrten Grundbesitzer und Kapitalisten werden angesichts einer ultimativen Forderung der Räte die Macht friedlich abtreten. Um den Widerstand der Kapitalisten gegen das Programm der Räte zu überwinden, wird es genügen, die Ausbeuter durch die Arbeiter und Bauern beaufsichtigen zu lassen und gegen die Ungehorsamen solche Maßnahmen, wie z. B. die Beschlagnahme des gesamten Vermögens, verbunden mit einer kurzen Haft, zu treffen.

Wenn die Räte die ganze Macht übernehmen, könnten sie noch jetzt – und wahrscheinlich ist das ihre letzte Chance – eine friedliche Entwicklung der Revolution, eine friedliche Wahl der Delegierten durch das Volk, einen friedlichen Kampf der Parteien innerhalb der Räte, das Erproben der Programme der verschiedenen Parteien in der Praxis, den friedlichen Übergang der Macht aus der Hand einer Partei in die einer andern sicherstellen.

Wird diese Möglichkeit verpasst, so weist der ganze Verlauf der Entwicklung der Revolution, von der Bewegung des 20. April bis zur Kornilowiade, auf die Unvermeidlichkeit des schärfsten Bürgerkrieges zwischen Bourgeoisie und Proletariat hin. Die nicht zu umgehende Katastrophe wird diesen Krieg näher bringen. Er wird, wie alle dem menschlichen Verstande zugänglichen Erwägungen zeigen, mit dem vollständigen Sieg der Arbeiterklasse enden, die von der ärmsten Bauernschaft unterstützt werden wird, um das dargelegte Programm durchzuführen, aber dieser Krieg kann sehr schwer und sehr blutig verlaufen, er kann Zehntausenden von Grundbesitzern, Kapitalisten und mit ihnen sympathisierenden Offizieren das Leben kosten. Das Proletariat wird vor keinen Opfern haltmachen, um die Revolution zu retten, außerhalb des dargelegten Programms aber kann die Revolution nicht gerettet werden. Das Proletariat würde aber die Räte mit allen Mitteln unterstützen, wenn diese ihre letzte Chance auf eine friedliche Entwicklung der Revolution verwirklichen wollten.

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