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Wladimir I. Lenin 19170504 Die Note der Provisorischen Regierung

Wladimir I. Lenin: Die Note der Provisorischen Regierung

[„Prawda" Nr. 37, 4. Mai (21. April) 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 273-275]

Die Karten sind aufgedeckt. Wir haben allen Grund, den Herren Gutschkow und Miljukow für ihre Note, die heute in allen Zeitungen veröffentlicht ist, zu danken.

Die Mehrheit des Exekutivkomitees des Arbeiter- und Soldatendeputiertenrates, die Narodniki, die Menschewiki, alle jene, die bis heute aufgefordert haben, der Provisorischen Regierung zu vertrauen, sind zur Genüge gestraft. Sie hofften, erwarteten und glaubten, die Provisorische Regierung werde unter dem Einfluss des wohltuenden „Kontaktes" mit Tschcheïdse, Skobelew und Steklow für immer auf Annexionen verzichten. Es kam ein wenig anders …

In der Note vom 18. April spricht die Provisorische Regierung

vom „allgemeinen Drängen des gesamten Volkes (!), den Weltkrieg bis zum entscheidenden Sieg weiterzuführen".

Selbstverständlich – fügt die Note hinzu – wird die Provisorische Regierung die Verpflichtungen genau einhalten, die den Verbündeten gegenüber übernommen worden sind."

Klipp und klar. Krieg bis zum entscheidenden Sieg. Das Bündnis mit den englischen und den französischen Bankiers ist heilig …

Wer hat dieses Bündnis mit „unseren" Verbündeten, d. h. mit den englisch-französischen Milliardären geschlossen? Natürlich der Zar, Rasputin, die zaristische Bande. Für Miljukow u. Co. jedoch ist dieser Vertrag ein Heiligtum.

Warum?

Manche antworten: weil Miljukow ein unaufrichtiger Mensch, weil er ein schlauer Fuchs sei usw.

Nicht darum handelt es sich. Es handelt sich darum, dass Gutschkow, Miljukow, Tereschtschenko, Konowalow Vertreter der Kapitalisten sind. Die Kapitalisten aber brauchen die Eroberung fremder Gebiete. Sie bekommen neue Märkte, neue Gebiete für die Kapitalausfuhr, neue Möglichkeiten, Zehntausenden ihrer Söhne einträgliche Stellen zu beschaffen usw. Es handelt sich darum, dass die Interessen der russischen Kapitalisten jetzt die gleichen sind, wie die der englischen und der französischen Kapitalisten. Darum und nur darum sind die Verträge des Zaren mit den englisch-französischen Kapitalisten dem Herzen der Provisorischen Regierung der russischen Kapitalisten so teuer.

Die neue Note der Provisorischen Regierung wird Öl ins Feuer gießen. Sie kann die Kriegsstimmung in Deutschland nur entfachen. Sie hilft dem Räuber Wilhelm ,„seine" Arbeiter und Soldaten weiter zu betrügen und sie in den Krieg „bis zu Ende" zu schleppen.

Die neue Note der Provisorischen Regierung hat die Frage: was weiter? scharf gestellt.

Vom ersten Augenblick unserer Revolution an begannen die englischen und die französischen Kapitalisten zu versichern, dass die russische Revolution nur und ausschließlich zu dem Zwecke gemacht worden sei, um den Krieg „bis zu Ende" fortzusetzen. Die Kapitalisten wollen die Türkei, Persien, China ausplündern. Wenn deswegen weitere zehn Millionen russischer Muschiks ins Gras beißen müssen - was tut's? Wenn nur ein „entscheidender Sieg" errungen wird … Und nun beschreitet die Provisorische Regierung mit aller Offenheit denselben Weg.

Führt Krieg, weil wir rauben wollen.

Lasst tagtäglich zu Zehntausenden euer Leben, weil „wir" uns noch nicht zu Ende gerauft, weil wir unseren Anteil an der Beute noch nicht erhalten haben! …

Kein klassenbewusster Arbeiter, kein aufgeklärter Soldat wird die Politik des Vertrauens" zur Provisorischen Regierung weiter unterstützen. Die Politik des Vertrauens hat Bankrott gemacht.

Unsere sozialdemokratische Stadtkonferenz hat in ihrer Resolution1 gesagt, dass jetzt jeder Tag die Richtigkeit unserer Stellung bestätigen werde. Aber einen so raschen Gang der Ereignisse haben selbst wir nicht erwartet.

Der jetzige Arbeiter- und Soldatendeputiertenrat ist vor die Wahl gestellt: entweder die Pille schlucken, die ihm Gutschkow und Miljukow dargereicht haben, das würde bedeuten, ein für allemal auf eine selbständige politische Rolle zu verzichten – dann wird Miljukow morgen „die Beine auf den Tisch" legen und die Bedeutung des Rates auf ein Nichts reduzieren, oder der Note Miljukows Trotz bieten, also mit der alten Politik des Vertrauens brechen und den Weg betreten, den die „Prawda" vorschlägt.

Man kann natürlich auch einen faulen Mittelweg finden. Aber auf wie lange?

Arbeiter, Soldaten! Erklärt jetzt laut: wir verlangen eine Regierung – die der Arbeiter- und Soldatendeputiertenräte. Die Provisorische Regierung, die Regierung einer Handvoll Kapitalisten, muss diesen Räten den Platz räumen.

1 Punkt 7 der Resolution der Petrograder Stadtkonferenz der Bolschewiki über die Stellung zur Provisorischen Regierung lautet … „dass jeder Schritt der Provisorischen Regierung sowohl in der Außen- wie in der Innenpolitik nicht nur den Proletariern und Halbproletariern in Stadt und Land, sondern auch breiten Schichten des Kleinbürgertums über den wahren Charakter dieser Regierung die Augen öffnen wird".

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