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Wladimir I. Lenin 19170425 Eine schamlose Lüge der Kapitalisten

Wladimir I. Lenin: Eine schamlose Lüge der Kapitalisten

[„Prawda" Nr. 30, 25. (12.) April 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 199-201]

Nicht genug damit, dass die Zeitungen der Kapitalisten lügen und eine Pogrom-Agitation gegen die „Prawda" entfalten, dass die „Rjetsch" in dieser Beziehung mit der gleichen „Russkaja Wolja" wetteifert, die sie selbst mit Verachtung behandelt.

Jetzt fangen auch die Minister der Kapitalistenregierung an, die Sprache der „Russkaja Wolja" zu sprechen. Die „Rjetsch" zitiert heute die Worte des Ministers Nekrassow, der in der Moskauer Versammlung der Kadettenpartei am 9. April erklärt hat:

Erschreckend ist die Gewaltpropaganda, die man jetzt auf dem Kamenoostrowski Prospekt zu hören bekommt."1

Die „Russkaja Wolja" nachahmend, lügt der Herr Minister gewissenlos, er betrügt das Volk, unterstützt die Pogromhetzer, hinter deren Rücken er sich versteckt, ohne es zu wagen, auch nur einen einzigen Namen, eine Zeitung, einen Redner oder eine Partei offen zu nennen.

Der Herr Minister zieht es vor, dunkle Anspielungen zu machen – vielleicht findet sich der eine oder andere, der sie nicht durchschaut.

Wer aber nicht gerade ein politischer Analphabet ist, der wird verstehen: der Herr Minister meint das Organ des Zentralkomitees der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, die „Prawda", und ihre Gesinnungsgenossen.

Sie lügen, Herr Minister und Mitglied der Partei der „Volksfreiheit"! Eine Gewaltpropaganda betreibt Herr Gutschkow mit seiner Androhung von Strafen für die Soldaten, die ihre Vorgesetzten absetzen. Eine Gewaltpropaganda betreibt die Ihnen befreundete „Russkaja Wolja", die Pogromzeitung der Pogrom-„Republikaner".

Die „Prawda" und ihre Gesinnungsgenossen betreiben nicht nur keine Gewaltpropaganda, im Gegenteil, sie sprechen es mit vollster Klarheit, Genauigkeit und Bestimmtheit aus, dass der ganze Schwerpunkt der Arbeit für uns gegenwärtig in der Aufklärung der proletarischen Massen über ihre proletarischen Aufgaben liegt, zum Unterschied von dem vom chauvinistischen Taumel ergriffenen Kleinbürgertum.

Solange ihr, ihr Herren Kapitalisten, ihr Gutschkow u. Co., euch nur auf die Androhung der Gewalt beschränkt, solange ihr zur Gewalt noch nicht gegriffen habt, solange es noch Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten gibt, solange ihr eure Drohungen gegen die Räte nicht wahr gemacht habt (solche Drohungen hat z. B. der Mitarbeiter des Herrn Miljukow, der Korrespondent der „Times", Herr Wilson, veröffentlicht), solange ein Gewaltregime eurerseits den Massen gegenüber noch nicht aufgerichtet ist, so lange werden wir Prawdisten erklären und wiederholen, dass für uns die Räte der Arbeiter- und Bauerndeputierten die einzig mögliche Regierungsform sind.

Kampf um Einfluss innerhalb der proletarischen Massen, Kampf um Einfluss innerhalb der Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten, Klarlegung der Fehler ihrer Taktik, Aufklärung über die ganze Verlogenheit des chauvinistischen Taumels (= „revolutionäre Vaterlandsverteidigung"), – das ist unsere Taktik, die Taktik aller Prawdisten, unserer ganzen Partei, jetzt und so lange, wie ihr, ihr Herren Kapitalisten, die ihr den Kommandobestand der Armee in Händen haltet, das Gewaltregime noch nicht begonnen habt.

Der Herr Minister Nekrassow weiß das sehr gut – sei es auch nur aus den Zitaten, die die „Rjetsch" selber zu bringen gezwungen war. Der Herr Minister ahmt die „Russkaja Wolja" nach, er will durch Lüge, Verleumdung, Verhetzung, Pogromandrohungen eine ruhige Darlegung der Wahrheit verhindern.

Das wird euch nicht gelingen, ihr Herren Nekrassow, das wird euch nicht gelingen!

Die Arbeiter und Soldaten wollen die Wahrheit wissen, sie wollen sich zurechtfinden in den Fragen des Krieges, des Friedens, der Staatsordnung. Und sie werden es lernen, sich darin zurechtzufinden!

1 Auf dem Kamennoostrowski Prospekt befand sich das Palais der Kschessinskaja, einer Tänzerin und früheren Geliebten des Zaren Nikolaus II., der ihr das Palais bauen ließ. Während der Februarrevolution wurde das Palais von einer Panzerwagenabteilung besetzt und dem Zentralkomitee sowie dem Petersburger Komitee der Bolschewiki zur Verfügung gestellt. Außer diesen hatten noch einige Gewerkschaftsvorstände in diesem Hause ihre Zelte aufgeschlagen. Der große Saal des Palastes diente als Lesesaal und Soldatenklub. Die Kschessinskaja versuchte mit Hilfe der Justiz der Provisorischen Regierung wiederholt die bolschewistischen Organisationen heraus zu setzen, jedoch ohne Erfolg.

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