Lenin‎ > ‎1917‎ > ‎

Wladimir I. Lenin 19170524 Es hat sich nichts geändert

Wladimir I. Lenin: Es hat sich nichts geändert

[„Prawda" Nr. 54, 24. (11.) Mai 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 481]

Jetzt, wo in die Regierung „sozialistische" Minister1 eingetreten sind, wird es ganz anders werden – so versicherten und versichern uns die Oboronzy. Es sind kaum einige Tage vergangen, und schon zeigt sich, wie falsch diese Versicherungen waren.

Es ist bekannt, welche Empörung bei den Arbeitern und Soldaten die Erklärung des früheren Ministers Miljukow hervorgerufen hat, dass er die vom Exzaren Nikolaus mit den englischen und französischen Kapitalisten geschlossenen Geheimverträge nicht veröffentlichen wolle und werde. Und nun? Was sagt jetzt der neue Außenminister, Herr Tereschtschenko, der Ministerkollege Skobelews und Zeretellis, über diese Frage?

Tereschtschenko gibt zu, dass „diese Frage (d. h. der Geheimverträge) die Leidenschaften aufwühlt". Doch was tut er, um diese Leidenschaften zu beruhigen? Er wiederholt ganz einfach das, was der eben gestürzte Miljukow gesagt hat:

Die sofortige Veröffentlichung der Verträge würde einem Bruch mit den Alliierten gleichkommen", erklärte Tereschtschenko in einer Unterredung mit Journalisten.

Die „sozialistischen" Minister aber schweigen und decken das System der Geheimdiplomatie.

Die Koalitionsregierung hat nichts geändert. Die Geheimverträge des Zaren bleiben für sie ein Heiligtum.

Und ihr, meine Herren, wollt, dass das die „Leidenschaften nicht aufwühlen" soll? Wofür haltet ihr denn die klassenbewussten Arbeiter und Soldaten? Oder haltet ihr sie wirklich für „meuternde Sklaven"?

1 Die zweite Provisorische Regierung (erste Koalitionsregierung) wurde am 18. (5.) Mai 1917 gebildet und war folgendermaßen zusammengesetzt: Ministerpräsident und Minister des Innern – Fürst G. E. Lwow, Kriegs- und Marineminister – A. F. Kerenski; Landwirtschaftsminister – V. M. Tschernow; Justizminister – N. P. Perewersew; Außenminister – M. I. Tereschtschenko; Finanzminister – A. I. Schingarjow; Verkehrsminister – N. W. Nekrassow; Handelsminister – A. I. Konowalow; Verpflegungsminister – A. W. Pjeschechonow; Volksbildungsminister – A. A. Manuilow; Arbeitsminister – M. I. Skobelew; Post- und Telegraphenminister – I. G. Zeretelli; Staatskontrolleur – I. W. Godnjew; Oberprokurator des heiligen Synods – W. N. Lwow. Die vom Petrograder Rat in die Regierung delegierten „sozialistischen Minister" waren: Zeretelli und Skobelew von den Menschewiki; Kerenski und Tschernow von den Sozialrevolutionären; Pjeschechonow und Perewersew von den Volkssozialisten. Um den Bedingungen des Amsterdamer Sozialistenkongresses (1904) über die Beteiligung an einer Koalition mit Bürgerlichen gerecht zu werden, wonach die Teilnahme von Sozialisten an bürgerlichen Regierungen in Ausnahmefällen, unter Kontrolle der Partei und auf Grund eines bestimmten Programms gestattet war, stellte das Exekutivkomitee des Petrograder Rates für die Beteiligung an der Regierung folgende vier Bedingungen auf: 1. aktive Arbeit zugunsten des Friedens auf der Grundlage des Manifestes des Petrograder Rates vom 27. (14.) März; 2. Regulierung der Industrie und Reform der Finanzen; 3. vorbereitende Maßnahmen zur Lösung der Agrar- und der Arbeiterfrage und 4. beschleunigte Einberufung der Konstituante. Keine einzige dieser Verpflichtungen wurde eingehalten. Die erste Koalitionsregierung endete mit dem Bankrott vom 15. (2.) Juli, als die Kadetten aus der Regierung ausschieden. Den Vorwand dazu bot ihnen das von Zeretelli und Tereschtschenko mit der Ukrainischen Rada geschlossene Abkommen. Die Arbeiter- und Soldatenmassen antworteten darauf mit den Demonstrationen vom 16.-18. (3.–5.) Juli und mit der Forderung der Übergabe der Macht an die Räte (Juli-Ereignisse).

Kommentare