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Wladimir I. Lenin 19170426 In den Fußstapfen der „Russkaja Wolja"

Wladimir I. Lenin: In den Fußstapfen der „Russkaja Wolja"

[„Prawda" Nr. 31, 26. (13.) April 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 205-207]

Die Methoden der „Russkaja Wolja", von der sich selbst die Kadetten mit Verachtung abwenden, finden immer mehr Nachahmer. Man sehe sich das „Jedinstwo" des Herrn Plechanow an1. Um die „Prawda" zu „entlarven", nimmt Herr Plechanow die erste These Lenins, zitiert die Worte, dass der Krieg von Seiten Russlands ein räuberischer, imperialistischer Krieg bleibt, und triumphierend stellt er die Frage:

Und wie verhält es sich mit Deutschland? Darüber sagt Lenin kein Wort."

Das, buchstäblich das steht da. Man liest und traut seinen Augen nicht. Ist Herr Plechanow wirklich schon ganz auf dem Niveau der „Nowoje Wremja" und „Russkaja Wolja" angelangt? Man möchte es nicht glauben, es ist aber Tatsache.

Die Schamlosigkeit des Herrn Plechanow übersteigt alle Grenzen. Er kennt die im Ausland erschienene Literatur der Bolschewiki ausgezeichnet. Er weiß sehr wohl, dass alle Bolschewiki ohne Ausnahme unzählige Male in Reden, Artikeln, Resolutionen erklärt haben: der Krieg ist auf Seiten Deutschlands ebenso räuberisch, imperialistisch wie auf Seiten aller anderen kriegführenden „Großmächte". Die Kapitalisten Deutschlands und ihr gekrönter Räuber, ihr Haupt Wilhelm, sind ebensolche imperialistische Räuber wie die Kapitalisten der übrigen Länder.

Wir wiederholen: wer kein Ignorant ist, wer auch nur etwas von den Bolschewiki weiß, muss diese unsere Meinung kennen. Und Herr Plechanow kennt sie sehr gut. Er weiß, dass Sinowjews und Lenins im Auslande erschienene Broschüre „Sozialismus und Krieg" in der Schweiz auch deutsch herausgegeben und heimlich nach Deutschland eingeführt wurde. Über Deutschland ist in dieser Broschüre mit aller Deutlichkeit gesagt, dass Deutschland einen räuberischen Krieg um die „Beraubung der konkurrierenden Länder" führt, dass Deutschland „ein junger und starker Räuber" ist, dass „die deutschen Imperialisten die Neutralität Belgiens in schamloser Weise verletzt haben, wie es die kriegführenden Staaten, die, wenn es notwendig war, alle Verträge und Verpflichtungen mit Füßen traten, immer und überall getan haben"; – dass „Kautsky gedankenlos die Grundidee des Sozialchauvinismus, die Anerkennung der Vaterlandsverteidigung in diesem Kriege, mit einem scheinbaren Zugeständnis an die Linken zu versöhnen sucht"; – dass „die opportunistischen Chauvinisten nirgends so tief gesunken sind und einen solchen Grad des Renegatentums erreicht haben, wie in Deutschland".

Herr Plechanow weiß das sehr gut und – sinkt zu den Methoden des „Nowoje Wremja" und der „Russkaja Wolja" herab, er ist bemüht, die Prawdisten als Deutschenfreunde hinzustellen.

Allem Marxismus zum Hohn verbeißt sich Herr Plechanow ferner in die Frage, wer wem den Krieg erklärt hat.

Herr Plechanow hat vergessen, dass die Marxisten in dem Kriege die Fortsetzung der Politik sehen, die von bestimmten Regierungen, als den Vertretern bestimmter Klassen, betrieben wurde.

Dass sowohl Nikolaus II. als auch Wilhelm II. die reaktionären und kapitalistischen Klassen ihrer Länder vertraten, dass beide in den letzten Jahrzehnten eine Politik der Beraubung fremder Länder betrieben, eine Politik der Beraubung Chinas, der Erdrosselung Persiens, der Zerstückelung und Aufteilung der Türkei, – das ist Tatsache. Hätte sich Herr Plechanow die Geschichte der Diplomatie und der Außenpolitik der letzten Jahrzehnte auch nur oberflächlich angesehen, so hätte er das bemerken müssen, so hätte er nicht gewagt, das zu leugnen.

Und gerade diese räuberische, imperialistische, mit dem Bankkapital beider Länder eng verknüpfte Politik ist es, die Nikolaus II. und Wilhelm II. mit diesem Kriege fortsetzten.

Wenn aber ein Krieg geführt wird zwischen zwei Gruppen von Räubern und Unterdrückern um die Teilung der Beute, darum, wer mehr Völker unterjochen, wer mehr rauben soll, so ist einem solchen Krieg die Frage, wer angefangen, wer den Krieg zuerst erklärt hat, weder ökonomisch noch politisch von Bedeutung.

Herr Plechanow ist – genau so wie die deutschen Plechanows, die Scheidemann u. Co. – auf das Niveau des vulgärsten, gewöhnlichsten bürgerlichen Chauvinisten herabgesunken, der nicht wissen will (oder nie gewusst hat), dass der Krieg die Fortsetzung der Politik ist, dass Krieg und Politik mit den Interessen bestimmter Klassen verknüpft sind, dass man untersuchen muss, welche Klassen den Krieg führen, aus welchem Grunde sie ihn führen.

Eine tolle, schamlose Lüge, eine Bemäntelung der räuberischen Politik Nikolaus II., der Politik, der die Lwow u. Co. treu geblieben sind (sie haben sogar die Verträge des Zaren bestätigt!), – das ist die ganze Weisheit des Herrn Plechanow.

Dieser Lüge werden weder die klassenbewussten Arbeiter folgen noch die klassenbewussten Soldaten.

1 Plechanows Artikel unter der Überschrift „Über Lenins Thesen und warum Fieberphantasien mitunter sehr interessant sind" wurde in den Nummern 9, 10 und 11 des „Jedinstwo" abgedruckt und war der Kritik der Thesen Lenins vom 17. (4.) April gewidmet. Nachdem Plechanow die erste These Lenins wiedergegeben hat, schreibt er: „Und wie verhält es sich mit Deutschland? Darüber sagt Lenin kein Wort. Es ergibt sich, Deutschland sei der Gefahr ausgesetzt worden, von Russland ausgeplündert zu werden, und das russische Proletariat brauche sich am gegenwärtigen Krieg nicht zu beteiligen."

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