Wladimir I. Lenin: Mit Heiligenbildern gegen Kanonen, mit Phrasen gegen das Kapital [„Prawda" Nr. 37, 4. Mai (21. April) 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 281 f.] Die Note der Provisorischen Regierung über den Krieg bis zum vollständigen Sieg hat sogar bei denjenigen Entrüstung hervorgerufen, die trügerische Hoffnungen hegten hinsichtlich der Möglichkeit eines Verzichtes der Kapitalistenregierung auf Annexionen. Die Zeitungen, die diese kleinbürgerliche Politik trügerischer Hoffnungen zum Ausdruck bringen, stottern heute entweder verlegen, wie die „Rabotschaja Gazeta", oder versuchen, die Empörung auf einzelne Personen abzulenken. „Nowaja Schisn"1 schreibt: „Für den Verteidiger der Interessen des internationalen Kapitals ist in den Reihen der Regierung des demokratischen Russlands kein Platz! Wir sind überzeugt, dass der Arbeiter- und Soldatendeputiertenrat nicht zögern wird, die energischsten Maßnahmen zur sofortigen Unschädlichmachung des Herrn Miljukow zu ergreifen." „Djelo Naroda" drückt dieselbe spießbürgerliche Weisheit folgendermaßen aus: Die Note Miljukows „will eine vom gesamten Kabinett beschlossene Kundgebung von größter internationaler Wichtigkeit zunichte machen." Mit Heiligenbildern gegen Kanonen. Mit Phrasen gegen das Kapital. Die „Kundgebung" der Regierung über den Verzicht auf Annexionen war eine wertlose diplomatische Floskel, die zwar unwissende Bauern irreführen konnte, aber die Führer der kleinbürgerlichen Parteien der Sozialdemokraten und der Sozialrevolutionäre, die Mitarbeiter der „Nowaja Schisn" und des „Djelo Naroda" nur dann „verwirren" konnte, wenn sie betrogen sein wollten2 … was sind das für hohle Phrasen, dass „für den Verteidiger der Interessen des internationalen Kapitals in den Reihen der Regierung des demokratischen Russlands kein Platz" sei! Dass gebildete Menschen sich nicht schämen, einen solchen Unsinn zu schreiben! Die ganze Provisorische Regierung ist eine Regierung der Kapitalistenklasse. Es handelt sich um die Klasse und nicht um Personen. Miljukow persönlich angreifen, seine Absetzung fordern, sei es direkt oder indirekt, ist eine leere Komödie, denn kein Personenwechsel ist imstande, etwas zu ändern, solange die Klassen, die an der Macht stehen, nicht gewechselt haben. Die „Demokratie" Russlands, Englands, Frankreichs usw. gegenüberstellen wollen der Verteidigung des Kapitals, heißt auf die Stufe der ökonomischen und politischen Kenntnisse eines Gapon herabsinken. Bei unwissenden Bauern ist es entschuldbar, wenn sie von dem Kapitalisten das „Versprechen" verlangen, nach „Gottes Gebot" und nicht als Kapitalist zu leben, „kein Verteidiger der Interessen des Kapitals" zu sein. Wenn die Führer des Petrograder Arbeiter- und Soldatendeputiertenrates und die Mitarbeiter der ,Nowaja Schisn" und des „Djelo Naroda" eine solche Politik treiben, so heißt das die schädlichsten, für die Freiheit, für die Revolution verhängnisvollsten trügerischen Hoffnungen des Volkes auf die Kapitalisten nähren. 1 „Nowaja Schisn" („Neues Leben") – Organ der sozialdemokratischen Internationalisten, herausgegeben von M. Gorki. Der Redaktion gehörten neben Gorki N. Suchanow, W. Strojew, In. Serebrow an. Als Mitarbeiter wurden angekündigt: B. Awilow, W. Basarow, A. Bogdanow, V. Brjussow, W. Kerschenzew, L. Krassin, N. Krestinski, A. Losowski, A. Lunatscharski, L. Martow, Ramsay Macdonald, W. Majakowski, M. Pawlowitsch, M. Pokrowski, Larissa Reißner, Romain Rolland, A. Swiderski, Philipp Snowden, J. Steklow, K. Timirjasew, A. N. Tolstoi, Uritzki, Schklowski u. a. Bis zum Oktober schwankte die „Nowaja Schisn" fortwährend zwischen dem Sozialpazifismus und der Revolution, bald trat sie gegen die Provisorische Regierung und die Kompromissler auf, bald gegen die Bolschewiki. Die Oktoberrevolution jagte dem Intellektuellenorgan, das keinen Einfluss in den Massen hatte, Schrecken ein und die „Nowaja Schisn"-Leute wandten sich scharf gegen die Sowjets. Die einen von ihnen rutschten zum offenen Menschewismus ab, andere zogen sich vom politischen Leben zurück. Die ehemaligen Bolschewiki und die sogenannten „Meschrayonzy" kamen zur Bolschewistischen Partei zurück. Eine kleine Gruppe der Anhänger der „Nowaja Schisn" schloss sich, nachdem die Hauptstadt nach Moskau verlegt wurde, der Moskauer Organisation der sozialdemokratischen Internationalisten an; diese Gruppe bestand bis zum Jahre 1919, wo sie sich mit der Kommunistischen Partei verschmolz. 2 Lücke im Text. Die Red. |