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Wladimir I. Lenin 19170531 Noch eine Abweichung vom Demokratismus

Wladimir I. Lenin: Noch eine Abweichung vom Demokratismus1

[„Prawda" Nr. 60, 31. (18.) Mai 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 512 f.]

Die Narodniki und Menschewiki, die die „Iswestija" redigieren, möchten für Sozialisten gehalten werden. Sie bringen es aber nicht einmal fertig, Demokraten zu sein. In der Nr. 68 vom 17. Mai mahnen sie zur „Vorsicht" gegenüber der „Losung der teilweisen Neuwahlen". „Die Delegierten sollen“ – belehren sie die Arbeiter – „für einen bestimmten Zeitraum gewählt werden, z. B. für zwei bis drei Monate, aber keinesfalls (!!) für eine Woche – von einer Versammlung bis zur nächsten."

Schickt es sich für ein offizielles Organ, sich über die Neuwahlen aufzuregen und zur „Vorsicht" zu mahnen? Wovor sich vorsehen? Sollen sich die Massen vorsehen, diesem Organ das Misstrauen auszusprechen?

Das ist die erste Frage.

Die zweite Frage: verlangt nicht der zielbewusste Demokratismus, dass die Frage der Vorsicht bei den Neuwahlen (wenn man sie schon überhaupt stellt) ausschließlich vom Parteistandpunkt aus gestellt wird? Wir, der Block der Narodniki und Menschewiki, halten unsere Linie (d. h. Blocks) aus dem und dem Grunde für richtig und die bolschewistische aus dem und dem Grunde für falsch. Warum berufen sich also die Redakteure, indem sie vom Demokratismus abweichen, nicht auf den Parteistandpunkt, sondern auf das sonderbare Argument, dass ein Irrtum bei den Wahlen nur „ausnahmsweise" vorkommen könne? Ist es ihnen wirklich unbekannt, dass die Arbeiter durchweg der Ansicht sind und sie aussprechen, dass der „Fehler" des Eintritts der Skobelew und Tschernow in das Ministerium der Kapitalisten, gar keine „Ausnahme" darstellt?

Die dritte Frage: müsste nicht ein Demokrat, wenn er die Frage der Neuwahlen anschneidet, den Grundsatz der Demokratie anerkennen und unterstreichen, nämlich das Recht der Bevölkerung, alle gewählten Vertreter und beamteten Personen jederzeit abzuberufen?

Vielleicht erinnern sich die Redakteure der „Iswestija", wenn sie auf die Meinung der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus, Marx und Engels, noch etwas geben, was diese wirklichen Sozialisten über dieses Recht geschrieben haben!

1 Dieser Aufsatz Lenins ist eine Antwort auf einen Artikel der „Iswestija" Nr. 68 vom 30. (17.) Mai 1917 unter der Überschrift „Die Neuwahlen zum Rat der Arbeiter- und Soldatendeputierten". Der menschewistische Autor, unzufrieden mit dem wachsenden Einfluss der Bolschewiki in den Betrieben und dem Erfolg der von diesen geführten Kampagne für die Neuwahlen zum Sowjet, schrieb: „In einigen Betrieben gehen die Wahlen ganz ohne Reden, ohne Resolutionen vor sich, die alten Delegierten werden abgesetzt und an ihre Stelle werden neue gewählt ... Um erfolgreich arbeiten zu können, müssen die Delegierten für einen bestimmten Zeitraum gewählt werden, z. B. für zwei bis drei Monate, aber keinesfalls für eine Woche — von einer Versammlung bis zur nächsten ... Die Wahlen zum Sowjet sind keine leere Spielerei, sondern eine ernsthafte verantwortliche Angelegenheit, die mit Ernst erledigt werden muss.."

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