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Wladimir I. Lenin 19170505 Wahnsinnige Kapitalisten oder schwachsinnige Sozialdemokraten?

Wladimir I. Lenin: Wahnsinnige Kapitalisten oder schwachsinnige Sozialdemokraten?

[„Prawda" Nr. 38, 5. Mai (22. April) 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 293 f.]

Die „Rabotschaja Gazeta" schreibt heute:

Wir haben uns entschieden gegen die Schürung des Bürgerkrieges durch die Anhänger Lenins gewendet. Jetzt sind es aber nicht mehr die Anhänger Lenins, die das Signal zum Bürgerkrieg geben, sondern es ist die Provisorische Regierung, die ein Dokument veröffentlicht, das ein Hohn ist auf die Bestrebungen der Demokratie. Es ist wahrlich ein wahnsinniger Schritt, und es sind sofortige entschlossene Maßnahmen des Arbeiter- und Soldatendeputiertenrates notwendig, um seine fürchterlichen Folgen abzuwenden."1

Was kann alberner und lächerlicher sein als dieses Märchen, wir hätten den Bürgerkrieg „geschürt", wo wir doch in genauester, formellster, unzweideutigster Weise erklärt haben, dass der Schwerpunkt der ganzen Arbeit in der geduldigen Klarlegung der proletarischen Linie besteht, im Gegensatz zum kleinbürgerlichen sozialpatriotischen Rausch der Vertrauensseligkeit gegenüber den Kapitalisten? Versteht die „Rabotschaja Gazeta" wirklich nicht, dass das Geschrei über Bürgerkrieg jetzt von den Kapitalisten angestimmt wird, die den Willen der Mehrheit des Volkes sabotieren wollen?

Steckt denn auch nur ein Quäntchen Marxismus darin, wenn man das Verhalten der Kapitalisten, die, eingepresst in den eisernen Schrauben des russischen und des englisch-französischen imperialistischen Kapitals, gar nicht anders handeln können, für „Wahnsinn" erklärt?

Herr Plechanow bringt im heutigen „Jedinstwo" die Politik des gesamten kleinbürgerlichen Oboronzenblocks deutlicher zum Ausdruck, indem er den Arbeiter- und Soldatendeputiertenrat „zur Verständigung" mit der Provisorischen Regierung auffordert. Eine drollige Aufforderung, die an Mostrich nach dem Abendessen erinnert.

Die Verständigung ist doch längst abgeschlossen! Sie besteht doch seit Beginn der Revolution! Die ganze Frage der gegenwärtigen, der heutigen Krise besteht ja eben darin, dass diese Verständigung sich als wertloser Papierfetzen oder als leere Versprechung erwiesen hat! Auf die „verdammten Fragen", die durch das Fiasko dieser Verständigung dem Volke direkt und unmittelbar gestellt sind, zu antworten mit Aufforderungen zur „Verständigung" überhaupt, ohne von ihren Bedingungen, ohne von realen Garantien zu sprechen, oder mit Seufzern und Verwünschungen: „O, ihr Wahnsinnigen!" – ist das nicht eine Tragikomödie kleinbürgerlicher Louis Blancs? (Louis Blanc war ein Führer der Arbeiter in Worten, ein Anhängsel der Bourgeoisie in Wirklichkeit.)

Sofortige entschlossene Maßnahmen sind notwendig", erklärt wichtigtuerisch die „Rabotschaja Gazeta". Welche „Maßnahmen", liebe Mitbürger? Das könnt ihr selber nicht sagen, das wisst ihr selber nicht, ihr deklamiert nur, denn ihr habt genau wie Louis Blanc in Wirklichkeit den Klassenkampf vergessen, ihr habt in Wirklichkeit den Klassenkampf ersetzt durch kleinbürgerliche Phraseologie und Deklamationen.

1 Im Leitartikel der „Rabotschaja Gazeta" Nr. 36 vom 21. April 1917 unter der Überschrift „Ein wahnsinniger Schritt", der der Aprilkrise gewidmet war, hieß es: „Die Demokratie Russlands betrachtete den Aufruf der Provisorischen Regierung an die Bürger vom 27. März nur als ersten Schritt, sie erwartete den zweiten Schritt – den Vorschlag an die alliierten Republiken (? Red.), die alten Verträge vom Standpunkt der neuen, am 27. März verkündeten Grundsätze einer Revision zu unterziehen. Jetzt erklärt der Außenminister, dass am 27. März gar keine neuen Grundsätze verkündet worden seien, dass sie (die Provisorische Regierung. Die Red.) durch die Erklärung vom 27. März nur ,ihre Stimme der Stimme ihrer Verbündeten zugesellt' habe … Alle Völker und vor allem die Demokratie Russlands sind an der Einstellung dieses Gemetzels interessiert, und unsere Demokratie wird dem neuen Schritt der Provisorischen Regierung entschiedenen Widerstand entgegensetzen. Wir haben uns entschieden gegen die Schürung des Bürgerkrieges durch die Anhänger Lenins gewendet Jetzt sind es aber nicht mehr die Anhänger Lenins, die das Signal zum Bürgerkrieg geben, sondern es ist die Provisorische Regierung, die ein Dokument veröffentlicht, das ein Hohn ist auf die Bestrebungen der Demokratie. Es ist wahrlich ein wahnsinniger Schritt, und es sind sofortige entschlossene Maßnahmen des Arbeiter- und Soldatendeputiertenrates notwendig, um seine fürchterlichen Folgen abzuwenden."

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