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Wladimir I. Lenin 19170712 Wie die Herren Kapitalisten ihre Gewinne verstecken. Zur Frage der Kontrolle

Wladimir I. Lenin: Wie die Herren Kapitalisten ihre Gewinne verstecken

Zur Frage der Kontrolle

[„Prawda" Nr. 94, 12. Juli (29. Juni) 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.2, Wien-Berlin 1928, S. 237-239]

Wie viel wird doch über die Kontrolle gesprochen! Und wie wenig Inhalt in all dem Vielen ist… Wie wird das Wesen der Sache mit allgemeinen Redensarten umgangen, mit wortreichen Redewendungen, mit großartigen „Projekten", die dazu verurteilt sind, ewig Projekte zu bleiben.

Das Wesen der Sache aber besteht darin, dass ohne Abschaffung des Geschäfts- und Bankgeheimnisses, ohne den sofortigen Erlass eines Gesetzes über Offenlegung der Handelsbücher für die Arbeiterverbände alles Reden über Kontrolle und alle Kontrollprojekte eben leeres Geschwätz sind.

Hier eine kleine, aber lehrreiche Illustration dazu. Ein Genosse, der Bankbeamter ist, teilt uns folgende Tatsachen mit, die zeigen, wie in den offiziellen Berichten die Gewinne verheimlicht werden.

Im „Wjestnik Finanssow", Nr. 18. vom 7. Mai 1917, ist der Bericht der Petrograder Diskonto- und Kreditbank veröffentlicht. In diesem Bericht ist ein Reingewinn der Bank in Höhe von 13 Millionen Rubel ausgewiesen (die genaue Zahl beträgt 12,96 Millionen; wir werden im Text die runden Zahlen, in Klammern die genauen angeben).

Sieht man sich jedoch den Bericht genauer an, so wird der Sachkundige sofort erkennen, dass das lange nicht der gesamte Gewinn ist, dass ein erheblicher Teil des Gewinns unter anderen Posten schlau versteckt worden ist, so dass keine „Steuer", keine „Zwangsanleihe" und überhaupt keine finanzielle Maßnahme diesen Gewinn je erfassen wird, wenn das Geschäfts- und Bankgeheimnis nicht völlig aufgehoben wird. In der Tat, auf dem Konto eines besonderen Reservekapitals ist eine Summe von 5,5 Millionen Rubel angeführt. Es ist nämlich Gang und Gäbe, den Gewinn auf die sogenannten Reserven oder das Reservekapital zu verbuchen, um ihn zu verbergen. Wenn ich, der Millionär, einen Gewinn von 17 Millionen erhalten und davon 5 Millionen „reserviert" (d. h. als Reserve beiseite gelegt) habe, so brauche ich nur diese 5 Millionen als „Reservekapital" einzutragen und alles ist in bester Ordnung! Alle Gesetze über „staatliche Kontrolle", „staatliche Besteuerung des Gewinns" usw. sind umgangen!!

Weiter. Auf dem Konto der eingegangenen Zinsen und Provisionen wird in demselben Bericht eine Summe von etwas weniger als 1 Million Rubel (825.000) angeführt. „Es fragt sich – schreibt uns der Bankbeamte –, aus welchen Summen überhaupt der Gewinn der Bank besteht, wenn die eingegangenen Zinsen nicht auf dem Gewinnkonto geführt werden??"

Dann. Auf dem Konto des Gewinnsaldos der vergangenen Jahre figuriert ein Betrag von 300.000 Rubel, der in der allgemeinen Gewinnsumme nicht enthalten ist!! Also zusammen mit der vorher genannten Summe ist wiederum ein reichliches Milliönchen Gewinn versteckt worden. Desgleichen ist ein Betrag von 224.000 Rubel „von den Aktionären nicht abgehobene Dividenden" in der allgemeinen Gewinnsumme ebenfalls nicht enthalten, obwohl jedermann weiß, dass die Dividenden aus dem Reingewinn gezahlt werden.

Ferner. In dem Bericht ist noch eine Summe von 3,8 Millionen Rubel – als „durchlaufende Posten" vorhanden. „Was das für durchlaufende Posten sind – schreibt uns der Genosse – dürfte wohl kaum jemand feststellen können, der an der Sache nicht unmittelbar beteiligt ist. Man kann nur eins sagen: unter der Bezeichnung ,durchlaufende Posten' kann man bei der Aufstellung der Bilanz einen Teil des Gewinns verbergen, um ihn dann ,an die richtige Stelle' zu übertragen."

Das Fazit: als Gewinn ausgewiesen ist ein Betrag von 13 Millionen Rubel, während er in Wirklichkeit wahrscheinlich 19 bis 24 Millionen Rubel beträgt, d. h. bis zu 80 Prozent des Grundkapitals, das sich auf 30 Millionen Rubel beläuft.

Ist es nicht klar, dass die Drohungen der Regierung gegen die Kapitalisten und die von der Regierung den Arbeitern gegebenen Versprechungen, die Regierungsprojekte und Gesetze über die Einziehung von 90 Prozent der Gewinne der Großkapitalisten hohle Redensarten, nichts weiter als hohle Redensarten sind, solange das Geschäfts- und Bankgeheimnis nicht aufgehoben ist?

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