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Wladimir I. Lenin 19170713 Wie kann man es machen?

Wladimir I. Lenin: Wie kann man es machen?

[„Prawda" Nr. 95, 13. Juli (30. Juni) 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.2, Wien-Berlin 1928, S. 246-248]

Die „Rabotschaja Gazeta" fühlt sich beunruhigt durch den politischen Sinn der Offensive. Einer ihrer Mitarbeiter wirft einem anderen sogar vor, dass seine Ausflüchte letzten Endes auf das Zugeständnis hinauslaufen, dass die russische revolutionäre Armee objektiv ihr Blut gegenwärtig nicht für einen Frieden ohne Annexionen, sondern für die annexionistischen Pläne der Ententebourgeoisie vergieße. („Rabotschaja Gazeta" Nr. 93, Seite 2, Feuilleton, Spalte l.)1

Dieser „objektive" Sinn der Offensive ist es eben, der die Arbeitermassen, die zum Teil noch den Menschewiki Gefolgschaft leisten, unweigerlich beunruhigen muss. Und das spiegelt sich auch in den Spalten der „Rabotschaja Gazeta". Da das Blatt es zum offenen Bruch mit den Arbeitern nicht kommen lassen will, so versucht es, die „Offensive" irgendwie mit dem revolutionären proletarischen Kampf für den Frieden zu verbinden. Das Pech der überschlauen Redaktion besteht nur darin, dass hier eine andere als negative Verbindung nicht festgestellt werden kann.

Es ist schwer, sich kläglichere, konfusere Leute vorzustellen, als diese ehrenwerte Redaktion, die vor den Geistern zurückschreckt, die sie selbst zusammen mit den Sozialrevolutionären gerufen hat.

Einerseits teilt die „Rabotschaja Gazeta" mit, dass gegenwärtig in Westeuropa die Bedeutung der russischen Offensive vollständig verkehrt verstanden wird. Die englischen und die französischen bürgerlichen Zeitungen sehen in ihr einen Verzicht auf die ,utopischen' Pläne des Rates. Unter der Flagge von Begrüßungen an Kerenski und die vorrückende revolutionäre Armee werden chauvinistische Resolutionen angenommen. Und unter dem Lärm der Kriegstrommeln aus Anlass der russischen Offensive werden die Verfolgungen gegen die Gesinnungsgenossen der russischen Demokratie, die dasselbe Friedensprogramm vertreten, verschärft."

Ein sehr wertvolles Geständnis! Zumal wenn es aus den Spalten einer ministeriellen Zeitung kommt, die noch gestern unsere Prophezeiung dieser unausbleiblichen Folgen der Offensive als bolschewistische Böswilligkeit bezeichnet hat. Es stellt sich heraus, dass es sich nicht um unsere „Böswilligkeit" handelt, sondern darum, dass die Politik, die sich die Führer des Rates zu eigen gemacht haben, ihre eigene Logik hat, und dass diese Logik außer- wie innerhalb Russlands zur Stärkung der antirevolutionären Kräfte führt.

Eben diese unangenehme Tatsache möchte die „Rabotschaja Gazeta" irgendwie vertuschen. Und die Mittel, die die Redaktion vorschlägt, sind sehr einfach: „Es ist dringend notwendig, dass das Zentral-Exekutivkomitee des Rätekongresses der Arbeiter- und Soldatendeputierten zusammen mit dem Rat der Bauerndeputierten mit einer eindeutigen und kategorischen Erklärung hervortreten, dass die Kriegsziele für die russische Demokratie die gleichen bleiben wie bisher" usw. usw. Man sieht, wie entschieden die Menschewiki den imperialistischen Krieg bekämpfen: sie sind bereit, noch eine dringende kategorische Erklärung abzugeben. Wie viele dieser „dringendsten", „kategorischsten", „leidenschaftlichsten" Erklärungen hat es schon gegeben! Und wie oft wird man noch diese selben kategorischen Erklärungen aufs dringlichste wiederholen müssen, um wenigstens durch Worte ein klein wenig die Taten jener Regierung zu mildern, die die ministerielle „Rabotschaja Gazeta" restlos unterstützt.

Nein, ihr Herren, durch die „kategorischsten" Worte, Deklarationen und Noten werdet ihr die Tatsachen nicht abschwächen, die ihr selbst mitteilt. Diesen Tatsachen können nur Taten gegenübergestellt werden, Taten, die in Wirklichkeit den Bruch mit der Politik der Fortsetzung des imperialistischen Krieges bedeuten würden. Die Regierung Lwow-Tereschtschenko-Schingarjow-Kerenski-Zeretelli kann das nicht tun. Durch ihre feige, erbärmliche Politik gegenüber Finnland und der Ukraine vermag sie nur zu bestätigen, dass sie völlig unfähig ist, die „kategorischsten" Erklärungen über den „Frieden ohne Annexionen" und über das „Recht" auf Selbstbestimmung zu verwirklichen. Unter diesen Umständen aber werden alle diese versprochenen Deklarationen zum Sinnbild für die Betäubung der Massen. Die Betäubung der Massen durch schwungvolle Deklarationen, anstatt des „proletarischen Kampfes für den Frieden" – das ist das Programm der „Rabotschaja Gazeta", das ist ihre wirkliche Antwort auf das Anwachsen der antirevolutionären Kräfte im Zusammenhang mit der Offensive.

1 Anlässlich der Offensive entspann sich in der „Rabotschaja Gazeta" eine Polemik zwischen den Menschewisten Potressow, Tscherewanin und Iwanowitsch. Letzterer machte in einem Artikel „Sollen wir den Frieden fürchten?" („Rabotschaja Gazeta", Nr. 93 vom 12. Juli [29. Juni] 1917) Tscherewanin den Vorwurf, dass sein Standpunkt über die Offensive und einen möglichen Sieg an der Front zur Anerkennung der Richtigkeit der bolschewistischen Behauptungen führe, dass die russische Armee objektiv für die imperialistischen Interessen der Alliierten kämpfe. Demgegenüber vertrat Iwanowitsch den Standpunkt: der Sieg der russischen Armee über Hindenburg sei gleichzeitig auch ein Sieg über den Ententeimperialismus.

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