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Wladimir I. Lenin 19170731 Zu den Losungen

Wladimir I. Lenin: Zu den Losungen

[Geschrieben Mitte [Ende] Juli 1917 Veröffentlicht als Broschüre 1917, herausgegeben vom Kronstädter Komitee der SDAPR. Nach Sämtliche Werke, Band 21, Wien-Berlin 1931, S. 36-44]

Es ist allzu oft vorgekommen, dass selbst fortgeschrittene Parteien, wenn die Geschichte eine jähe Wendung macht, mehr oder weniger längere Zeit sich mit der neuen Lage nicht vertraut machen können und Losungen wiederholen, die gestern richtig waren, heute aber jeden Sinn verloren haben, ebenso „plötzlich" den Sinn verloren haben, wie die jähe Wendung der Geschichte „plötzlich" eingetreten war.

Etwas Ähnliches kann sich, wie es scheint, auch mit der Losung des Überganges der gesamten Staatsmacht an die Räte wiederholen. Diese Losung war während der unwiederbringlich entschwundenen Periode unserer Revolution, sagen wir, vom 27. Februar bis zum 4. Juli, richtig. Diese Losung hat offensichtlich jetzt aufgehört, richtig zu sein. Ohne dies begriffen zu haben, kann man von den aktuellen Fragen der Gegenwart nichts begreifen. Jede einzelne Losung muss abgeleitet werden von der Gesamtheit der Besonderheiten einer bestimmten politischen Lage. Die politische Lage in Russland ist aber jetzt, nach dem 4. Juli grundverschieden von der Lage in der Zeit vom 27. Februar bis zum 4. Juli.

Damals, in diesen entschwundenen Perioden der Revolution, gab es im Staate die sogenannte „Doppelherrschaft", die materiell wie formell den unbestimmten Übergangszustand der Staatsmacht zum Ausdruck brachte. Vergessen wir nicht, dass die Frage der Macht die Grundfrage jeder Revolution ist.

Damals befand sich die Macht in einem schwankenden Zustand. In die Macht teilten sich, auf Grund eines freiwilligen Übereinkommens untereinander, die Provisorische Regierung und die Räte. Die Räte stellten die Delegationen der Masse der freien, d. h. keiner Gewalt von außen unterliegenden, und bewaffneten Arbeiter und Soldaten dar. Die Waffen in den Händen des Volkes, das Fehlen der Gewalt von außen über das Volk – das war das Wesen der Sache. Das war es, was der ganzen Revolution einen friedlichen Weg der Vorwärtsentwicklung eröffnete und sicherte. Die Losung: „Übergang der gesamten Macht an die Räte" war die Losung des nächsten Schrittes, des unmittelbar durchführbaren Schrittes auf diesem friedlichen Entwicklungsweg. Es war die Losung der friedlichen Entwicklung der Revolution, die vom 27. Februar bis zum 4. Juli möglich und natürlich am wünschenswertesten war, und die jetzt absolut unmöglich ist.

Allem Anschein nach sind nicht alle Anhänger der Losung: ,Übergang der gesamten Macht an die Räte" darüber im klaren, dass es die Losung einer friedlichen Vorwärtsentwicklung der Revolution war. Einer friedlichen nicht nur in dem Sinne, dass niemand, keine Klasse, keine ernstliche Kraft damals (vom 27. Februar bis zum 4. Juli) in der Lage gewesen wäre, sich dem Übergang der Macht an die Räte zu widersetzen und ihn zu verhindern. Das ist noch nicht alles. Die friedliche Entwicklung wäre damals sogar auch in der Beziehung möglich gewesen, dass sich der Kampf der Klassen und Parteien innerhalb der Räte, sofern die ganze Fülle der Staatsmacht auf diese übergegangen wäre, in der friedlichsten und schmerzlosesten Weise hätte vollziehen können.

Diese letzte Seite der Sache wird auch noch nicht genügend beachtet. Die Räte waren, ihrer Klassenzusammensetzung nach, die Organe der Bewegung der Arbeiter und Bauern, die fertige Form ihrer Diktatur. Hätten sie die Fülle der Macht, so wäre der Hauptmangel der kleinbürgerlichen Schichten, ihre Hauptsünde, ihre Vertrauensseligkeit gegenüber den Kapitalisten, in der Praxis überwunden, durch die Erfahrung ihrer eigenen Maßnahmen einer Kritik unterzogen worden. Die Ablösung der Klassen und Parteien, die an der Macht stehen, hätte sich innerhalb der Räte, auf dem Boden ihrer Alleinherrschaft und Machtvollkommenheit, friedlich vollziehen können; die Verbindung aller Räteparteien mit den Massen könnte fest und ungelockert bleiben. Man darf keinen Augenblick außer acht lassen, dass nur diese engste und ungehindert in die Breite und Tiefe wachsende Verbindung der Räteparteien mit den Massen dazu verhelfen könnte, die Illusionen des kleinbürgerlichen Paktierens mit der Bourgeoisie friedlich zu überwinden. Der Übergang der Macht an die Räte hätte an und für sich das Verhältnis der Klassen nicht geändert und es auch nicht ändern können; er hätte an dem kleinbürgerlichen Charakter der Bauernschaft nichts geändert. Aber er hätte einen bedeutenden Schritt getan zur Loslösung der Bauern von der Bourgeoisie, zu ihrer Annäherung an die Arbeiter und dann zu ihrem Zusammenschluss mit ihnen.

So könnte es sein, wenn die Macht rechtzeitig an die Räte übergegangen wäre. So wäre es für das Volk am leichtesten und vorteilhaftesten. Dieser Weg wäre der schmerzloseste, und darum musste man mit aller Energie für ihn kämpfen. Aber jetzt ist dieser Kampf, der Kampf für den rechtzeitigen Übergang der Macht an die Räte, zu Ende. Der friedliche Weg der Entwicklung ist unmöglich geworden. Der nicht friedliche, schmerzhafteste Weg hat begonnen.

Der Wendepunkt des 4. Juli besteht gerade darin, dass nach ihm die objektive Lage sich schroff geändert hat. Der schwankende Zustand der Macht hat aufgehört, die Macht ist an der entscheidenden Stelle in die Hände der Konterrevolution übergegangen. Die Entwicklung der Parteien auf dem Boden des Paktierens der kleinbürgerlichen Parteien der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki mit den konterrevolutionären Kadetten hat dazu geführt, dass diese beiden kleinbürgerlichen Parteien zu faktischen Beteiligten und Helfershelfern der konterrevolutionären Henker geworden sind. Die unbewusste Vertrauensseligkeit der Kleinbürger gegenüber den Kapitalisten hat die Kleinbürger durch den Entwicklungsgang des Kampfes der Parteien zur bewussten Unterstützung der Konterrevolutionäre geführt. Der Entwicklungskreis der Beziehungen der Parteien ist geschlossen. Am 27. Februar fanden sich alle Klassen gegen die Monarchie zusammen. Nach dem 4. Juli kettete die konterrevolutionäre Bourgeoisie, Arm in Arm mit den Monarchisten und den Schwarzhundertern, die kleinbürgerlichen Sozialrevolutionäre und Menschewiki an sich, indem sie sie zum Teil einschüchterte, und legte die faktische Staatsmacht in die Hände der Cavaignacs, in die Hände einer Militärbande, die die Unbotmäßigen an der Front erschießt und die Bolschewiki in Petrograd niederschlägt.

Die Losung des Überganges der Macht an die Räte würde sich jetzt wie eine Donquichotterie oder wie Hohn ausnehmen. Diese Losung hieße, objektiv, das Volk irreführen, ihm die Illusionen eingeben, als ob auch jetzt die Räte die Machtübernahme bloß zu wollen oder sie zu beschließen brauchten, um die Macht zu bekommen, als ob im Rat noch Parteien wären, die sich nicht durch Helfersdienste für die Henker besudelt hätten, als ob man das Geschehene ungeschehen machen könnte.

Es wäre der größte Irrtum, zu glauben, das revolutionäre Proletariat könnte, sozusagen um sich an den Sozialrevolutionären und Menschewiki für ihre Unterstützung der Niederschlagung der Bolschewiki, der Erschießungen an der Front und der Entwaffnung der Arbeiter zu „rächen", es „ablehnen", sie gegen die Konterrevolution zu unterstützen. Eine solche Fragestellung wäre erstens eine Übertragung spießbürgerlicher Moralbegriffe auf das Proletariat (denn wenn es der Sache nützt, wird das Proletariat stets nicht nur das schwankende Kleinbürgertum, sondern auch die Großbourgeoisie unterstützen); sie wäre zweitens – und das ist das Wichtigste – ein spießbürgerlicher Versuch, das politische Wesen der Sache durch „Moralisieren" zu ersetzen.

Dieses Wesen der Sache besteht darin, dass man jetzt die Macht schon nicht mehr auf friedlichem Wege ergreifen kann. Man kann sie bekommen, erst nachdem man die jetzigen wirklichen Besitzer der Macht, nämlich die Militärbande, die Cavaignacs, die sich auf die nach Petrograd gebrachten reaktionären Truppen, auf die Kadetten und Monarchisten stützen, in entschlossenem Kampfe besiegt hat.

Das Wesen der Sache besteht darin, dass diese neuen Besitzer der Staatsmacht nur von den revolutionären Volksmassen besiegt werden können, für deren Bewegung nicht nur Bedingung ist, dass sie der Leitung des Proletariats folgen, sondern auch, dass sie den Parteien der Sozialrevolutionäre und Menschewiki, die die Sache der Revolution verraten haben, den Rücken kehren.

Wer in die Politik spießbürgerliche Moral hinein trägt, der überlegt so: zugegeben, dass die Sozialrevolutionäre und Menschewiki einen „Fehler" begangen haben, indem sie die Cavaignacs, die das Proletariat und die revolutionären Regimenter entwaffnen, unterstützten; aber man muss ihnen die Möglichkeit geben, den Fehler zu „korrigieren", ihnen die Korrektur des Fehlers „nicht erschweren", das Schwanken des Kleinbürgertums nach der Seite der Arbeiter hin erleichtern. Eine derartige Überlegung wäre kindliche Naivität oder einfach eine Dummheit, wenn nicht gar ein neuer Betrug an den Arbeitern. Denn ein Schwanken der kleinbürgerlichen Massen nach der Seite der Arbeiter hin würde nur darin und gerade darin bestehen, dass diese Massen sich von den Sozialrevolutionären und Menschewiki abwenden. Die Korrektur des „Fehlers" durch die Parteien der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki könnte jetzt nur darin bestehen, dass diese Parteien Zeretelli und Tschernow, Dan und Rakitnikow für Helfershelfer der Henker erklären. Für eine solche „Korrektur" der Fehler sind wir durchaus und unbedingt…

Die Grundfrage der Revolution ist die Frage der Macht, sagten wir. Es muss hinzugefügt werden, gerade Revolutionen zeigen uns auf Schritt und Tritt eine Verdunkelung der Frage, wo die wirkliche Macht liegt, zeigen uns eine Diskrepanz zwischen der formalen und der realen Macht. Gerade darin besteht eine der wichtigsten Eigentümlichkeiten jeder revolutionären Periode. Im März und April 1917 wusste man nicht, befindet sich die reale Macht in den Händen der Regierung oder in den Händen der Räte.

Jetzt aber ist es besonders wichtig, dass die klassenbewussten Arbeiter die Grundfrage der Revolution nüchtern betrachten: in wessen Händen befindet sich im gegenwärtigen Augenblick die Staatsmacht? Man überlege, welches ihre materiellen Äußerungen sind, man nehme nicht Phrasen für Taten, und die Antwort wird nicht schwer fallen.

Der Staat, das sind vor allem Formationen bewaffneter Menschen mit sachlichen Anhängseln, wie z. B. Gefängnissen – schrieb Friedrich Engels.1 Jetzt sind es die Junker und reaktionären Kosaken, die man eigens nach Petrograd gebracht hat; es sind die, die Kamenew und andere hinter Schloss und Riegel halten, die die „Prawda" verboten haben; die die Arbeiter und einen bestimmten Teil der Soldaten entwaffnet haben; die einen bestimmten Teil der Soldaten erschießen, die einen ebenso bestimmten Teil der Truppen in der Armee erschießen. Eben diese Henker sind die reale Macht. Die Zeretelli und Tschernow sind Minister ohne Macht, Ministerpuppen, Führer von Parteien, die die Henker unterstützen. Das ist eine Tatsache. Und an dieser Tatsache wird nichts dadurch geändert, dass Zeretelli und Tschernow persönlich sicherlich die Henkersarbeit „nicht billigen", dass ihre Zeitungen sich schüchtern dagegen verwahren: eine solche Abart der politischen Staffage ändert nichts am Wesen der Sache.

Die Schließung des Organs von 150.000 Petrograder Wählern, die Ermordung des Arbeiters Woinow durch Junker (am 6. Juli), weil er den „Listok Prawdy" aus der Druckerei geholt hat –, ist das keine Henkersarbeit? Ist das nicht ein Werk der Cavaignacs? Weder die Regierung noch die Räte seien „schuld daran", wird man uns sagen.

Um so schlimmer für die Regierung und die Räte – werden wir antworten –, denn dann sind sie also Nullen, sind sie Drahtpuppen, die reale Macht liegt nicht bei ihnen.

Das Volk muss vor allem und in erster Linie die Wahrheit kennen, es muss wissen, in welchen Händen in Wirklichkeit die Staatsmacht liegt. Man muss dem Volke die ganze Wahrheit sagen: die Macht ist in den Händen einer Militärclique von Cavaignacs (Kerenskis, gewisser Generale, Offiziere usw.), die unterstützt wird von der Bourgeoisie als Klasse mit der Kadettenpartei an ihrer Spitze, samt allen Monarchisten, die durch die ganze Schwarzhunderterpresse, durch das „Nowoje Wremja", das „Schiwoje Slowo" usw. wirken.

Diese Macht muss man stürzen. Ohne das sind alle Redensarten vom Kampf gegen die Konterrevolution leere Phrasen, „Selbsttäuschung und Täuschung des Volkes".

Diese Macht wird jetzt auch von den Ministern Zeretelli und Tschernow sowie ihren Parteien unterstützt: man muss dem Volk ihre Henkerrolle aufzeigen, man muss aufzeigen, dass ein solches Ende dieser Parteien nach ihren „Fehlern" vom 21. April, 5. Mai, 9. Juni, 4. Juli, nach ihrer Billigung der Politik der Offensive, einer Politik, die zu neun Zehnteln den Sieg der Cavaignacs im Juli vorausbestimmt hatten, unvermeidlich war.

Die ganze Agitation im Volke muss man so umstellen, dass sie die konkrete Erfahrung gerade der jetzigen Revolution und insbesondere der Julitage berücksichtigt, d. h. dass sie den wirklichen Feind des Volkes, die Militärclique, die Kadetten und die Schwarzhunderter, klar aufzeigt, und dass sie eindeutig die kleinbürgerlichen Parteien, die Parteien der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki, entlarvt, die die Rolle von Helfershelfern der Henker gespielt haben und spielen.

Die ganze Agitation im Volke muss so umgestellt werden, dass die völlige Aussichtslosigkeit für die Bauern, Land zu bekommen, solange die Macht der Militärclique nicht gestürzt ist, solange die Parteien der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki nicht entlarvt und des Volksvertrauens beraubt sind, klar wird. Das wäre unter „normalen" Verhältnissen der kapitalistischen Entwicklung ein sehr langer und sehr schwieriger Prozess, aber der Krieg und die wirtschaftliche Zerrüttung werden die Sache ungeheuer beschleunigen. Das sind „Beschleuniger", die bewirken, dass ein Monat und sogar eine Woche einem Jahre gleichkommen kann.

Wahrscheinlich würde man gegen die obigen Ausführungen zwei Einwände geltend machen: erstens, dass es hieße, zersplitterten Aktionen Vorschub leisten, die gerade der Konterrevolution helfen würden – wollte man jetzt vom entscheidenden Kampf sprechen; zweitens, dass der Sturz der Konterrevolution den Übergang der Macht dennoch in die Hände der Räte bedeuten würde.

Als Erwiderung auf den ersten Einwand antworten wir: die Arbeiter Russlands sind bereits genügend klassenbewusst, um nicht auf eine Provokation in einem von vornherein für sie ungünstigen Augenblick hereinzufallen. Dass jetzt in Aktion zu treten und Widerstand zu leisten, Hilfe für die Konterrevolution bedeuten würde, ist unbestreitbar. Dass der entscheidende Kampf nur möglich ist bei einem neuen Aufschwung der Revolution in den breitesten Massen, ist ebenfalls unbestreitbar. Aber es genügt nicht, vom Aufschwung der Revolution, von deren Hochflut, von der Hilfe der westeuropäischen Arbeiter usw. schlechthin zu reden, es gilt eine bestimmte Folgerung aus unserer Vergangenheit zu ziehen, es gilt gerade unsere Erfahrungen zu berücksichtigen. Tut man das aber, so ergibt sich eben die Losung des entscheidenden Kampfes gegen die Konterrevolution, die die Macht an sich gerissen hat.

Der zweite Einwand läuft gleichfalls auf eine Ersetzung konkreter Wahrheiten durch viel zu allgemeine Betrachtungen hinaus. Nichts, keine Kraft außer dem revolutionären Proletariat ist imstande, den Sturz der bürgerlichen Konterrevolution herbeizuführen. Eben das revolutionäre Proletariat muss, nach der Erfahrung vom Juli 1917, die Staatsmacht selbständig in seine Hände nehmen – anders ist der Sieg der Revolution unmöglich. Die Macht in den Händen des Proletariats, seine Unterstützung durch die arme Bauernschaft oder die Halbproletarier – das ist der einzige Ausweg, und wir sagten bereits, welche Umstände diesen Ausweg außerordentlich beschleunigen können.

In dieser neuen Revolution können und müssen Räte entstehen, aber nicht die jetzigen Räte, nicht Organe des Paktierens mit der Bourgeoisie, sondern Organe des revolutionären Kampfes gegen sie. Dass wir auch dann für den Aufbau des ganzen Staates nach dem Typus der Räte sein werden, das stimmt. Es ist dies nicht eine Frage der Räte überhaupt, sondern eine Frage des Kampfes gegen die gegebene Konterrevolution und gegen den Verrat der gegebenen Räte.

Die Ersetzung des Konkreten durch Abstraktes ist eine der Hauptsünden, der gefährlichsten Sünden in der Revolution. Die gegebenen Räte sind gescheitert, haben vollkommenen Schiffbruch erlitten, weil in ihnen die Parteien der Sozialrevolutionäre und Menschewiki herrschten. Im gegebenen Augenblick gleichen diese Räte Hammeln, die, zur Schlachtbank geführt und unter das Beil gestellt, jämmerlich blöken. Jetzt sind die Räte kraft- und hilflos gegenüber der siegreichen und siegenden Konterrevolution. Die Losung der Übergabe der Macht an die Räte kann aufgefasst werden als „einfache" Aufforderung zur Machtübernahme durch die gegebenen Räte, aber dies sagen, dazu auffordern, hieße jetzt das Volk betrügen. Nichts ist gefährlicher als der Betrug.

Der Zyklus der Entwicklung des Kampfes der Klassen und Parteien in Russland vom 27. Februar bis zum 4. Juli ist zu Ende. Es beginnt ein neuer Zyklus, in den nicht die alten Klassen, nicht die alten Parteien, nicht die alten Räte eintreten, sondern die im Feuer des Kampfes, durch den Verlauf des Kampfes erneuerten, gestählten, geschulten, umgemodelten. Man soll nicht rückwärts schauen, sondern vorwärts. Man muss nicht mit den alten, sondern mit den neuen Klassen- und Parteikategorien der Nachjulizeit operieren. Man muss am Anfang des neuen Zyklus von der siegreichen bürgerlichen Konterrevolution ausgehen, die gesiegt hat, weil die Sozialrevolutionäre und Menschewiki mit ihr paktiert haben, und die besiegt werden kann nur durch das revolutionäre Proletariat. In diesem neuen Zyklus wird es natürlich noch mannigfache Etappen geben sowohl bis zum endgültigen Sieg der Konterrevolution wie bis zur endgültigen (kampflosen) Niederlage der Sozialrevolutionäre und Menschewiki und bis zum neuen Aufschwung der neuen Revolution. Aber darüber wird man erst später sprechen können, wenn diese Etappen im einzelnen festere Umrisse bekommen haben …

1 Lenin meint das Buch von Engels „Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats". Über den Staat und über „besondere Formationen bewaffneter Menschen" – siehe ausführlicher in „Staat und Revolution", Kapitel 1, §§ 1 und 2.

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