Lenin‎ > ‎1917‎ > ‎

Wladimir I. Lenin 19170500 Zum Entwurf der Umarbeitung des Programms

Wladimir I. Lenin: Zum Entwurf der Umarbeitung des Programms. Der alte und der neue Text des Programms

[Geschrieben im Mai 1917. Zum ersten Mal veröffentlicht im Juni 1917 in der Broschüre: „Materialien zur Revision des Parteiprogramms". Verlag „Priboj". Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 394-409]

Um dem Leser den Vergleich zwischen dem alten und dem neuen Text des Programms möglichst leicht und bequem zu machen, drucken wir beide Texte in folgender Weise:

Mit gewöhnlicher Schrift sind jene Teile des alten Programms gesetzt, die auch im neuen Text unverändert bleiben;

Kursiv sind jene Teile des Programms gesetzt, die im neuen Text ganz wegfallen.

Fett sind jene Teile des neuen Programms gesetzt, die im alten Programm überhaupt nicht enthalten waren.

Programms der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands

Die Entwicklung des Warenaustausches hat eine so innige Verbindung zwischen allen Völkern der zivilisierten Welt hergestellt, dass die große Befreiungsbewegung des Proletariats zu einer internationalen werden musste und es seit langem bereits ist.

Die russische Sozialdemokratie, die sich als Teil der Weltarmee des Proletariats betrachtet, erstrebt das gleiche Endziel, wie die Sozialdemokraten aller anderen Länder. Dieses Endziel Ist bestimmt durch den Charakter der modernen bürgerlichen Gesellschaft und den Gang ihrer Entwicklung. Die wichtigste Eigenart einer solchen Gesellschaft ist die Warenproduktion auf der Grundlage kapitalistischer Produktionsverhältnisse, bei denen der ausschlaggebende und bedeutendste Teil der Mittel der Produktion und Zirkulation der Waren einer zahlenmäßig kleinen Klasse gehört, während die gewaltige Mehrheit der Bevölkerung aus Proletariern und Halbproletariern besteht, die durch ihre wirtschaftliche Lage gezwungen sind, ständig oder periodisch ihre Arbeitskraft zu verkaufen, d. h. sich den Kapitalisten als Lohnarbeiter zu verdingen und durch ihre Arbeit das Einkommen der oberen Klassen der Gesellschaft zu schaffen.

Der Herrschaftsbereich der kapitalistischen Produktionsverhältnisse dehnt sich immer mehr und mehr aus in dem Maße, wie die ständige Vervollkommnung der Technik, indem sie die wirtschaftliche Bedeutung der Großbetriebe vergrößert, zur Verdrängung der selbständigen Kleinproduzenten führt, einen Teil derselben in Proletarier verwandelt, die Rolle der übrigen im sozialökonomischen Leben herabdrückt und sie mitunter in eine mehr oder weniger vollständige, mehr oder weniger offenkundige, mehr oder weniger drückende Abhängigkeit vom Kapital bringt.

Derselbe technische Fortschritt gibt außerdem den Unternehmern die Möglichkeit, in immer größerem Umfang Frauen- und Kinderarbeit im Produktionsprozess sowie in der Warenzirkulation zu verwenden. Und da er anderseits zu einer relativen Verminderung des Bedarfs der Unternehmer an lebendiger Arbeitskraft führt, so bleibt notwendigerweise die Nachfrage nach Arbeitskraft hinter ihrem Angebot zurück, wodurch die Abhängigkeit der Lohnarbeit vom Kapital vergrößert und der Grad ihrer Ausbeutung erhöht wird.

Eine solche Lage der Dinge innerhalb der bürgerlichen Länder und deren sich ständig verschärfender Wettbewerb auf dem Weltmarkte gestalten den Absatz der Waren, die in stets wachsenden Mengen erzeugt werden, immer schwieriger und schwieriger. Die Überproduktion, die sich in mehr oder weniger akuten industriellen Krisen äußert, auf die mehr oder weniger lange Perioden industrieller Stagnation folgen, ist die unausbleibliche Folge der Entwicklung der Produktivkräfte in der bürgerlichen Gesellschaft. Die Krisen und die Perioden industrieller Stagnation ruinieren ihrerseits die Kleinproduzenten noch mehr, vergrößern noch mehr die Abhängigkeit der Lohnarbeit vom Kapital, führen noch rascher zur relativen und mitunter auch zur absoluten Verschlechterung der Lage der Arbeiterklasse.

Somit bedingt die Vervollkommnung der Technik, die Erhöhung der Produktivkraft der Arbeit und Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums bedeutet, in der bürgerlichen Gesellschaft das Anwachsen der gesellschaftlichen Ungleichheit, die Vergrößerung des Abstandes zwischen Besitzenden und Besitzlosen und die Zunahme der Unsicherheit der Existenz, der Arbeitslosigkeit und Entbehrungen aller Art für immer breitere Schichten der werktätigen Massen.

Aber in dem Maße, wie alle diese der bürgerlichen Gesellschaft eigentümlichen Widersprüche wachsen und sich entwickeln, wächst auch die Unzufriedenheit der werktätigen und ausgebeuteten Masse mit der bestehenden Ordnung, wächst die Zahl und Geschlossenheit der Proletarier und verschärft sich ihr Kampf gegen ihre Ausbeuter. Gleichzeitig schafft die Vervollkommnung der Technik, indem sie die Produktions- und Zirkulationsmittel konzentriert, den Arbeitsprozess in den kapitalistischen Betrieben vergesellschaftet, immer rascher und rascher die materielle Möglichkeit der Ersetzung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse durch sozialistische, d. h. der sozialen Revolution, die das Endziel der gesamten Tätigkeit der internationalen Sozialdemokratie, als der bewussten Trägerin der Klassenbewegung, ist.

Die soziale Revolution des Proletariats, indem sie das Privateigentum an den Produktions- und Zirkulationsmitteln durch das gesellschaftliche Eigentum ersetzt und den gesellschaftlichen Produktionsprozess im Interesse des Wohlstandes und der allseitigen Entwicklung aller Mitglieder der Gesellschaft planmäßig organisiert, wird die Klassenteilung der Gesellschaft beseitigen und damit die gesamte unterdrückte Menschheit befreien, da sie jeder Art Ausbeutung des einen Teiles der Gesellschaft durch den anderen ein Ende machen wird.

Die unerlässliche Bedingung dieser sozialen Revolution ist die Diktatur des Proletariats, d. h. die Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat, die ihm erlaubt, jeden Widerstand der Ausbeuter zu unterdrücken. Die internationale Sozialdemokratie, die sich die Aufgabe stellt, das Proletariat fähig zu machen für die Erfüllung seiner großen historischen Mission, organisiert es zu einer selbständigen, allen bürgerlichen Parteien gegenüberstehenden politischen Partei, die alle Äußerungen seines Klassenkampfes leitet, die ihm den unversöhnlichen Gegensatz der Interessen der Ausbeuter und der Ausgebeuteten enthüllt und ihm die geschichtliche Bedeutung und die notwendigen Bedingungen der bevorstehenden sozialen Revolution klarmacht. Zugleich damit zeigt sie der gesamten übrigen werktätigen und ausgebeuteten Masse die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage in der kapitalistischen Gesellschaft und die Notwendigkeit der sozialen Revolution im Interesse ihrer eigenen Befreiung vom Joch des Kapitals. Die Partei der Arbeiterklasse, die Sozialdemokratie, ruft in ihre Reihen alle Schichten der werktätigen und ausgebeuteten Bevölkerung, soweit sie sich den Standpunkt des Proletariats zu eigen machen.

Der Weltkapitalismus hat jetzt, ungefähr seit Beginn des XX. Jahrhunderts, die Stufe des Imperialismus erreicht. Der Imperialismus oder die Epoche des Finanzkapitals ist die so hoch entwickelte kapitalistische Wirtschaft, wo die monopolistischen Kapitalistenverbände – Syndikate, Kartelle, Trusts – entscheidende Bedeutung erlangt haben, das ungeheuer konzentrierte Bankkapital sich mit dem Industriekapital verschmolzen, der Kapitalexport in fremde Länder sehr große Dimensionen angenommen hat, die ganze Welt territorial bereits unter die reichsten Länder verteilt ist und die ökonomische Aufteilung der Welt unter die internationalen Trusts begonnen hat.

Die imperialistischen Kriege, d. h. Kriege um die Weltherrschaft, um die Märkte für das Bankkapital, um die Erdrosselung der kleinen und schwachen Völkerschaften, sind bei einer solchen Lage der Dinge unvermeidlich. Und gerade ein solcher Krieg ist der erste große imperialistische Krieg von 1914-1917.

Die außerordentlich hohe Entwicklungsstufe des Weltkapitalismus überhaupt, die Ablösung der freien Konkurrenz durch den monopolistischen Kapitalismus, die Herausbildung eines Apparates für die gesellschaftliche Regelung des Produktionsprozesses und der Verteilung der Produkte durch die Banken sowie durch die Kapitalistenverbände, die mit dem Wachstum der kapitalistischen Monopole zusammenhängende Zunahme der Teuerung und das Erstarken des Druckes der Syndikate auf die Arbeiterklasse, die gigantische Erschwerung ihres wirtschaftlichen und politischen Kampfes, die Schrecken, das Elend, der Ruin, die Verwilderung, die der imperialistische Krieg erzeugt – alles das macht die jetzt erreichte Entwicklungsstufe des Kapitalismus zur Ära der proletarischen, sozialistischen Revolution. Diese Ära hat begonnen.

Nur die proletarische, sozialistische Revolution vermag die Menschheit aus der Sackgasse, die der Imperialismus und die imperialistischen Kriege geschaffen haben, herauszuführen. Welches auch die Schwierigkeiten der Revolution und ihre möglichen vorübergehenden Misserfolge, oder die Wellen der Konterrevolution, sein mögen, der endgültige Sieg des Proletariats ist unausbleiblich.

Auf der Tagesordnung der gegenwärtigen Epoche steht daher, kraft der objektiven Verhältnisse, die allseitige unmittelbare Vorbereitung des Proletariats auf die Eroberung der politischen Macht zur Verwirklichung der wirtschaftlichen und politischen Maßnahmen, die den Inhalt der sozialistischen Revolution bilden.

Die Erfüllung dieser Aufgabe, die das vollste Vertrauen, das engste brüderliche Bündnis und die unmittelbare Einheit der revolutionären Aktionen der Arbeiterklasse aller fortgeschrittenen Länder erfordert, ist nicht zu verwirklichen ohne den sofortigen grundsätzlichen Bruch mit jener bürgerlichen Entstellung des Sozialismus, die in den Oberschichten der übergroßen Mehrzahl der offiziellen sozialdemokratischen Parteien den Sieg davongetragen hat. Eine solche Entstellung ist einerseits die Richtung des Sozialchauvinismus, des Sozialismus in Worten, des Chauvinismus in der Praxis, die Bemäntelung der Verteidigung der räuberischen Interessen der „eigenen" nationalen Bourgeoisie durch die Losung der „Vaterlandsverteidigung", und anderseits die ebenso verbreitete und internationale Richtung des sogenannten „Zentrums", das für die Einheit mit den Sozialchauvinisten eintritt, für die Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung der bankrotten Zweiten Internationale – einer Richtung, die zwischen dem Sozialchauvinismus und dem revolutionär-internationalistischen Kampf des Proletariats für die Verwirklichung der sozialistischen Ordnung hin und her schwankt.

Auf dem Wege zu ihrem gemeinsamen Endziel, das bedingt ist durch die Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise in der ganzen zivilisierten Welt, sind die nächsten Aufgaben, die die Sozialdemokraten der verschiedenen Länder sich stellen, notwendigerweise nicht die gleichen, weil diese Produktionsweise nicht überall in gleichem Maße entwickelt ist, und zum andern, weil ihre Entwicklung sich in den verschiedenen Ländern in verschiedenen sozialen und politischen Verhältnissen vollzieht.

In Russland, wo der Kapitalismus bereits zur herrschenden Produktionsweise geworden ist, haben sich noch sehr zahlreiche Überreste unserer alten vorkapitalistischen Ordnung erhalten, die auf der Versklavung der werktätigen Massen durch die Grundbesitzer, den Staat oder das Staatsoberhaupt beruhte.

Diese Überreste, die den ökonomischen Fortschritt in höchstem Maße hemmen, lassen eine allseitige Entwicklung des proletarischen Klassenkampfes nicht zu, sie fördern die Aufrechterhaltung und die Stärkung der barbarischsten Formen der Ausbeutung der viele Millionen zählenden Bauernschaft durch den Staat und die besitzenden Klassen und halten das ganze Volk in Unwissenheit und Rechtlosigkeit.

Das schwerwiegendste von allen diesen Überbleibseln und die mächtigste Stütze dieser ganzen Barbarei ist der zarische Absolutismus. Seiner ganzen Natur nach steht er jeder gesellschaftlichen Bewegung feindlich gegenüber und kann nichts anderes sein als der schlimmste Feind aller freiheitlichen Bestrebungen des Proletariats.

Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands stellt sich daher als ihre nächste Aufgabe den Sturz des zarischen Absolutismus und seine Ersetzung durch die demokratische Republik, deren Verfassung zu gewährleisten hätte:

Im gegenwärtigen Moment, wo in Russland die Provisorische Regierung, die der Kapitalistenklasse angehört und das – notwendigerweise nicht dauernde – Vertrauen der breiten Massen der kleinbürgerlichen Bevölkerung genießt, sich verpflichtet hat, die Konstituierende Versammlung einzuberufen, erhebt sich vor der Partei des Proletariats die unmittelbare Aufgabe des Kampfes um eine Staatsordnung, die sowohl die wirtschaftliche Entwicklung und die Rechte des Volkes im Allgemeinen als auch die Möglichkeit eines denkbar schmerzlosen Überganges zum Sozialismus im Besonderen am besten sichert.

Die Partei des Proletariats kann sich nicht beschränken auf die bürgerlich-parlamentarische demokratische Republik, die überall in der Welt die monarchistischen Werkzeuge zur Unterdrückung der Massen aufrecht erhält und zu verewigen sucht, nämlich die Polizei, das stehende Heer, das privilegierte Beamtentum.

Die Partei kämpft für eine Republik, die demokratischer ist, für eine proletarisch-bäuerliche Republik, in der die Polizei und das stehende Heer vollkommen beseitigt sind und durch die allgemeine Bewaffnung des Volkes, die allgemeine Miliz, ersetzt werden; alle beamteten Personen werden nicht nur gewählt, sondern sind auch jederzeit auf Verlangen der Mehrheit ihrer Wähler absetzbar; die Besoldung aller beamteten Personen ohne Ausnahme wird in einer Höhe festgesetzt, die den Durchschnittslohn eines qualifizierten Arbeiters nicht übersteigt. Die parlamentarischen Vertretungskörperschaften werden nach und nach ersetzt durch Räte der Vertreter des Volkes (der verschiedenen Klassen und Berufe oder der verschiedenen Orte), die gesetzgebend und gesetzvollziehend zu gleicher Zeit sind.

Die Verfassung der demokratischen Republik Russlands muss sichern:

1. Die Alleinherrschaft des Volkes; die gesamte oberste Gewalt im Staate muss den Vertretern des Volkes gehören, die vom Volke gewählt und jederzeit absetzbar sind und eine Nationalversammlung, eine Kammer bilden.

1. Die Alleinherrschaft des Volkes, d. h. die Konzentrierung der gesamten obersten Staatsgewalt in den Händen einer gesetzgebenden Versammlung, die aus den Vertretern des Volkes zusammengesetzt ist und eine Kammer bildet.

2. Allgemeines, gleiches und direktes Wahlrecht bei den Wahlen sowohl zur gesetzgebenden Versammlung wie zu allen örtlichen Selbstverwaltungsorganen für alle Bürger und Bürgerinnen, die das zwanzigste Lebensjahr erreicht haben; geheime Abstimmung bei den Wahlen; Recht jedes Wählers, in alle Vertretungskörperschaften gewählt zu werden; Neuwahl der Parlamente alle zwei Jahre; Diäten für die Volksvertreter; proportionale Vertretung bei allen Wahlen; jederzeitige Absetzbarkeit aller Delegierten und Gewählten ohne Ausnahme auf Beschluss der Mehrheit ihrer Wähler.

3. Weitgehende örtliche Selbstverwaltung; provinziale Selbstverwaltung für jene Gebiete, die sich durch besondere Lebensverhältnisse und Zusammensetzung der Bevölkerung unterscheiden; Abschaffung aller von Staats wegen ernannten Lokal- und Provinzialbehörden.

4. Unantastbarkeit der Person und der Wohnung.

5. Uneingeschränkte Gewissensfreiheit, Freiheit des Wortes, der Presse, der Versammlungen, Streik- und Koalitionsfreiheit.

6. Freizügigkeit und Gewerbefreiheit.

7. Abschaffung der Stände und volle Gleichberechtigung aller Bürger, unabhängig von Geschlecht, Religion, Rasse und Nationalität.

8. Recht der Bevölkerung, ihre Bildung in der Muttersprache zu erhalten, das gesichert sein muss durch die Gründung der hierzu notwendigen Schulen auf Kosten des Staates und der Selbstverwaltungsorgane; Recht eines jeden Bürgers, in Versammlungen seine Muttersprache zu gebrauchen; Einführung der Muttersprache neben der Staatssprache in allen lokalen, öffentlichen und staatlichen Institutionen; Abschaffung der obligatorischen Staatssprache.

9. Selbstbestimmungsrecht für alle Nationen, die dem Staatsbereich angehören.

9. Recht der freien Lostrennung und Bildung eines eigenen Staates für alle Nationen, die dem Staatsbereich angehören. Die Republik des russischen Volkes soll die anderen Völker oder Völkerschaften nicht durch Gewalt an sich ziehen, sondern ausschließlich durch eine freiwillige Verständigung über die Schaffung eines gemeinsamen Staates. Die Einheit und das brüderliche Bündnis der Arbeiter aller Länder vertragen sich weder mit der direkten noch mit der indirekten Vergewaltigung anderer Völkerschaften.

10. Recht jeder Person, in der üblichen Weise jeden Beamten vor dem Geschworenengericht zu verklagen.

11. Wahl der Richter durch das Volk.

11. Wahl der Richter und der Amtspersonen sowohl im Zivildienst als auch im Heer durch das Volk; ihre jederzeitige Absetzbarkeit auf Beschluss der Mehrheit ihrer Wähler.

12. Ersetzung des stehenden Heeres durch die allgemeine Bewaffnung des Volkes.

12. Ersetzung der Polizei und des stehenden Heeres durch die allgemeine Volksbewaffnung; die Arbeiter und Angestellten müssen für die Zeit, die sie dem öffentlichen Dienst in der Volksmiliz widmen, von den Kapitalisten den üblichen Lohn erhalten.

13. Trennung der Kirche vom Staat und der Schule von der Kirche; völlige Weltlichkeit der Schule.

14. Unentgeltliche und obligatorische allgemeine und berufliche Ausbildung für alle Kinder beiderlei Geschlechts bis zum 16. Lebensjahr; Versorgung der armen Kinder mit Nahrung, Kleidung und Lehrmitteln auf Staatskosten.

14. Unentgeltliche und obligatorische allgemeine und polytechnische (die theoretisch und praktisch mit allen Hauptzweigen der Produktion vertraut macht) Bildung für alle Kinder beiderlei Geschlechts bis zum 16. Lebensjahr; enge Verbindung zwischen Unterricht und gesellschaftlich-produktiver Arbeit der Kinder.

15. Versorgung aller Schüler mit Nahrung, Kleidung und Lehrmitteln auf Staatskosten.

16. Übergabe des Volksbildungswesens in die Hände der demokratischen Organe der lokalen Selbstverwaltung; Beseitigung jeder Einmischung der Zentralgewalt in die Festsetzung der Schulprogramme und in die Auswahl des Lehrpersonals; Wahl der Lehrer unmittelbar durch die Bevölkerung selbst und Recht der Bevölkerung, unerwünschte Lehrer abzuberufen.

Als Grundbedingung für die Demokratisierung unserer Staatswirtschaft fordert die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands die Abschaffung aller indirekten Steuern und die Einführung einer progressiven Einkommens- und Erbschaftssteuer.

Die hohe Entwicklungsstufe des Kapitalismus, die im Bankwesen und in den vertrusteten Industriezweigen bereits erreicht ist, einerseits, und anderseits die durch den imperialistischen Krieg hervorgerufene Zerrüttung, die überall zu einer staatlichen und gesellschaftlichen Kontrolle der Produktion und der Verteilung der wichtigsten Produkte drängt, veranlassen die Partei, die Nationalisierung der Banken, der Syndikate (Trusts) usw. zu fordern.

Zum Schutze der Arbeiterklasse vor physischer und moralischer Entartung, sowie im Interesse der Entwicklung ihrer Fähigkeit zum Befreiungskampf fordert die Partei:

1. Beschränkung der Arbeitszeit auf acht Stunden täglich für alle Lohnarbeiter.

1. Beschränkung der Arbeitszeit für alle Lohnarbeiter auf acht Stunden täglich, einschließlich einer mindestens einstündigen Arbeitsunterbrechung für die Einnahme der Mahlzeiten bei durchgehender Arbeit. In gefährlichen und gesundheitsschädlichen Betrieben Verkürzung der Arbeitszeit auf 46 Stunden täglich.

2. Gesetzliche Festsetzung einer wöchentlichen, ununterbrochenen Ruhepause von mindestens 42 Stunden für die Lohnarbeiter beiderlei Geschlechts in allen Zweigen der Volkswirtschaft.

3. Völliges Verbot von Überstunden.

4. Verbot der Nachtarbeit (von 9 Uhr abends bis 6 Uhr morgens) in allen Zweigen der Volkswirtschaft, mit Ausnahme derjenigen, wo sie aus technischen Gründen unbedingt notwendig ist, bei Zustimmung der Arbeiterorganisationen.

4. Verbot der Nachtarbeit (von 8 Uhr abends bis 6 Uhr morgens) in allen Zweigen der Volkswirtschaft, mit Ausnahme derjenigen, wo sie aus technischen Gründen unbedingt notwendig ist, bei Zustimmung der Arbeiterorganisationen, unter der Bedingung jedoch, dass die Nachtarbeit der Arbeiter vier Stunden nicht übersteigt.

5. Verbot für die Unternehmer, die Arbeit von Kindern im schulpflichtigen Alter (bis zum 16. Lebensjahre) zu verwenden, und Beschränkung der Arbeitszeit der Jugendlichen (Kinder von 16-18 Jahren) auf sechs Stunden.

5. Verbot für die Unternehmer, die Arbeit von Kindern im schulpflichtigen Alter (bis zum 16. Lebensjahr) zu verwenden, Beschränkung der Arbeitszeit der Jugendlichen (16–20 Jahre) auf vier Stunden und Verbot der Nachtarbeit derselben, sowie ihrer Beschäftigung in gesundheitsschädlichen Betrieben und in Bergwerken.

6. Verbot der Frauenarbeit in allen Zweigen, wo sie für den weiblichen Organismus schädlich ist; Befreiung der Frau von der Arbeit für die Dauer von 4 Wochen vor und 6 Wochen nach der Niederkunft, unter Fortzahlung des bisherigen Lohnes für diese ganze Zeit.

6. Verbot der Frauenarbeit in allen Zweigen, wo sie für den weiblichen Organismus schädlich ist; Verbot der Nachtarbeit für Frauen; Befreiung der Frau von der Arbeit für die Dauer von 8 Wochen vor und 8 Wochen nach der Niederkunft unter Fortzahlung des vollen Lohnes für diese ganze Zeit, bei unentgeltlicher ärztlicher Hilfe und Versorgung mit Arzneien.

7. Errichtung von Krippen für Säuglinge und minderjährige Kinder in allen Werken. Fabriken und anderen Betrieben, in denen Frauen arbeiten; Befreiung der stillenden Mütter von der Arbeit mindestens alle drei Stunden für die Dauer von nicht weniger als einer halben Stunde.

7. Errichtung von Krippen für Säuglinge und minderjährige Kinder und von Räumen für stillende Mütter in allen Werken, Fabriken und anderen Betrieben, in denen Frauen arbeiten; Befreiung der stillenden Mütter von der Arbeit, mindestens alle drei Stunden für die Dauer von nicht weniger als einer halben Stunde; Gewährung von Beihilfen an die stillenden Mütter und Verkürzung ihres Arbeitstages auf 6 Stunden.

8. Staatliche Altersversicherung sowie Invaliditätsversicherung der Arbeiter für den Fall des vollständigen oder teilweisen Verlustes der Arbeitsfähigkeit auf Kosten eines Sonderfonds, der durch eine Sondersteuer auf die Kapitalisten zu bilden ist.

8. Vollständige Sozialversicherung der Arbeiter:

a) für alle Arten der Lohnarbeit;

b) für alle Arten des Verlustes der Arbeitsfähigkeit, und zwar: durch Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter, Berufskrankheiten, Mutterschaft, Witwenschaft und Verwaistheit, sowie der Arbeitslosigkeit usw.;

c) vollständige Selbstverwaltung der Versicherten in allen Versicherungsinstitutionen;

d) Bestreitung der Kosten der Versicherung durch die Kapitalisten;

e) unentgeltliche ärztliche Hilfe und Versorgung mit Arzneien unter Übertragung des Heilwesens an die sich selbst verwaltenden Krankenkassen, deren Leitung von den Arbeitern gewählt wird.

9. Verbot der Zahlung des Arbeitslohnes in Waren; wöchentliche Lohnzahlung in bar für ausnahmslos alle Lohnarbeiter, und Auszahlung des Lohnes während der Arbeitszeit.

10. Verbot von Lohnabzügen, aus welchem Anlass und für welchen Zweck es auch sei (Strafgelder, Abzüge für Ausschuss usw.).

11. Ernennung einer genügenden Anzahl von Fabrikinspektoren in allen Zweigen der Volkswirtschaft und Ausdehnung der Aufsicht der Fabrikinspektion auf alle Betriebe, die Lohnarbeiter beschäftigen, einschließlich der Staatsbetriebe (auch die Arbeit der Hausangestellten unterliegt dieser Aufsicht); Ernennung von weiblichen Inspektoren in solchen Zweigen, wo Frauenarbeit zur Anwendung kommt; Hinzuziehung gewählter und von Staats wegen bezahlter Arbeitervertreter zur Aufsicht über die Innehaltung der Fabrikgesetze, sowie über die Festsetzung der Lohnsätze, die Abnahme und Zurückweisung von Material und Arbeitsprodukten.

9. Errichtung einer von den Arbeiterorganisationen gewählten Arbeitsinspektion und ihre Ausdehnung auf alle Arten Betriebe, die Lohnarbeiter beschäftigen, einschließlich der Hausangestellten; Einführung weiblicher Inspektoren in solchen Zweigen, wo Frauenarbeit zur Anwendung kommt.

12. Kontrolle des sanitären Zustandes der von den Unternehmern den Arbeitern zugewiesenen Wohnräume sowie der Hausordnung in diesen Räumen und der Bedingungen ihrer Vermietung durch die Organe der lokalen Selbstverwaltung unter Hinzuziehung gewählter Arbeitervertreter, um die Lohnarbeiter vor der Einmischung der Unternehmer in ihr Privatleben und ihre staatsbürgerliche Betätigung zu schützen.

13. Errichtung einer richtig organisierten sanitären Kontrolle in allen Betrieben, die Lohnarbeiter beschäftigen, bei völliger Unabhängigkeit der gesamten ärztlich-sanitären Organisation von den Unternehmern; unentgeltliche ärztliche Hilfe für die Arbeiter auf Kosten der Unternehmer unter Fortzahlung des Lohnes während der Krankheit.

14. Festlegung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Unternehmer für Verletzung der Arbeiterschutzgesetze.

10. Schaffung einer sanitären Gesetzgebung zur Verbesserung der hygienischen Arbeitsbedingungen und zum Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeiter in allen Betrieben, die Lohnarbeiter beschäftigen, Übergabe des Sanitätswesens in die Hände einer von den Arbeiterorganisationen gewählten Sanitäts-Inspektion.

11. Schaffung einer Wohnungsgesetzgebung und Errichtung einer von den Arbeiterorganisationen gewählten Wohnungsinspektion zur Kontrolle des sanitären Zustandes der Wohnräume. Jedoch kann die Wohnungsfrage nur durch die Abschaffung des Privateigentums am Grund und Boden und durch den Bau billiger und hygienischer Wohnungen gelöst werden.

12. Errichtung von Gewerbegerichten in allen Zweigen der Volkswirtschaft.

15. Errichtung von Gewerbegerichten in allen Zweigen der Volkswirtschaft, paritätisch zusammengesetzt aus Vertretern der Arbeiter- und Unternehmerorganisationen.

16. Obligatorische Errichtung von Arbeitsnachweisen (Arbeitsbörsen) für ansässige und zugewanderte Arbeiter in allen Industriezweigen durch die Organe der lokalen Selbstverwaltung unter Beteiligung von Arbeiter- und Unternehmervertretern an ihrer Verwaltung.

13. Um die Arbeitsvermittlung an Arbeitslose in geeigneter Weise zu organisieren, werden Arbeitsbörsen errichtet. Die Arbeitsbörsen müssen proletarische Klassenorganisationen sein (keinesfalls paritätische), sie müssen in engster Verbindung mit den Gewerkschaften und anderen Arbeiterorganisationen stehen und aus Mitteln der öffentlichen Selbstverwaltungen unterhalten werden.

Um die Überreste der Leibeigenschaft zu beseitigen, die die Bauern unmittelbar schwer bedrücken, und im Interesse der freien Entwicklung des Klassenkampfes auf dem Lande fordert die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands:

1. Aufhebung aller ständischen Beschränkungen der Person und des Eigentums der Bauern.

2. Aufhebung aller Zahlungen und Dienstbarkeiten, die mit der ständischen Sonderstellung der Bauern zusammenhängen, und Annullierung der Schuldverpflichtungen, die den Charakter der Schuldknechtschaft tragen.

3. Beschlagnahme der Kirchen-, Kloster-, Apanagen- und Kronländereien und ihre Übergabe (ebenso die der Staatsländereien) an große lokale Organe der Selbstverwaltung, die städtische und ländliche Bezirke vereinigen, wobei die Ländereien, die für den Umsiedlungsfonds benötigt werden, sowie die Wälder und Gewässer von allgemein staatlicher Bedeutung in den Besitz des demokratischen Staates übergehen.

4. Beschlagnahme des privaten Grundbesitzes mit Ausnahme des kleinen Grundbesitzes und seine Übergabe in die Verfügung der auf demokratischer Grundlage gewählten großen Organe der lokalen Selbstverwaltung, wobei der Mindestumfang der der Beschlagnahme unterliegenden Grundstücke von den großen Organen der lokalen Selbstverwaltung bestimmt wird; indem die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands die revolutionären Aktionen der Bauernschaft, bis zur Beschlagnahme der gutsherrlichen Ländereien, unterstützt, wird sie allen Versuchen, den Gang der ökonomischen Entwicklung zu hemmen, immer entgegenwirken. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands, die danach strebt, bei einer siegreichen Entwicklung der Revolution die beschlagnahmten Ländereien in den Besitz der demokratischen Institutionen der lokalen Selbstverwaltung zu übergeben, wird, falls die Bedingungen hierfür ungünstig sind, für die Aufteilung jener gutsherrlichen Ländereien unter die Bauern eintreten, auf denen faktisch Kleinwirtschaft betrieben wird oder die notwendig sind, um den Besitz der Bauern abzurunden.

kämpft die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands mit allen Kräften

1. für die sofortige und vollständige Beschlagnahme aller gutsherrlichen (sowie der Apanagen-, Kirchen-, Kron- usw. usw.) Ländereien in Russland;

2. tritt sie ein für den sofortigen Übergang des gesamten Bodens in die Hände der Bauernschaft, die in Bauerndeputiertenräten oder in anderen, wirklich vollkommen demokratisch gewählten und von den Grundbesitzern und Beamten völlig unabhängigen lokalen Organen der Selbstverwaltung organisiert sind;

3. fordert sie die Nationalisierung des gesamten Bodens im Staate; die Nationalisierung, die den Übergang des Eigentumsrechtes auf den gesamten Boden an den Staat bedeutet, legt das Verfügungsrecht über den Grund und Boden in die Hände der lokalen demokratischen Körperschaften;

4. unterstützt sie die Initiative derjenigen Bauernkomitees, die in einer Reihe von Gegenden Russlands das gutsherrliche lebende und tote Inventar der in diesen Komitees organisierten Bauernschaft zur öffentlich geregelten Nutzung bei der Bearbeitung allen Bodens übergeben;

5. empfiehlt sie den Proletariern und Halb Proletariern des flachen Landes, sich dafür einzusetzen, dass aus jedem Herrengut eine genügend große Musterwirtschaft geschaffen werde, die für Rechnung der Allgemeinheit von den Landarbeiterdeputiertenräten unter der Leitung von Agronomen und mit Anwendung der besten technischen Mittel betrieben werden soll.

Die Partei macht es sich dabei in allen Fällen und bei jedem Stand der demokratischen Agrarreform zur Aufgabe, unentwegt die selbständige Klassenorganisation des Landproletariats anzustreben, ihm die unversöhnliche Gegensätzlichkeit seiner Interessen gegenüber denen der bäuerlichen Bourgeoisie klarzumachen, es davor zu warnen, sich von dem System der Kleinwirtschaft verlocken zu lassen, das bei Bestehen der Warenproduktion niemals imstande ist, das Elend der Massen zu beseitigen, und schließlich, auf die Notwendigkeit einer vollständigen sozialistischen Umwälzung hinzuweisen, als das einzige Mittel, alles Elend und alle Ausbeutung aus der Welt zu schaffen.

In dem Bestreben, ihre nächsten Ziele zu erreichen, unterstützt die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands jede oppositionelle und revolutionäre Bewegung, die gegen die in Russland bestehende gesellschaftliche und politische Ordnung gerichtet ist, wobei sie gleichzeitig alle Reformpläne, die mit irgendeiner Erweiterung oder Festigung der polizeilich-bürokratischen Bevormundung der werktätigen Klassen verknüpft sind, entschieden ablehnt.

Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands ist ihrerseits fest davon überzeugt, dass die vollständige, konsequente und dauerhafte Verwirklichung der erwähnten politischen und sozialen Reformen nur erreicht werden kann durch den Sturz der Selbstherrschaft und die Einberufung einer vom gesamten Volk frei gewählten konstituierenden Versammlung.

Kommentare