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Zentralkomitees der SDAPR 19171029 Protokoll der Sitzung

Protokoll der Sitzung des Zentralkomitees der SDAPR,

des Vollzugsausschusses des Petrograder Komitees, der Militärorganisation des Petrograder Rats, der Gewerkschaften, der Fabrikkomitees, der Eisenbahner, des Petrograder Kreiskomitees am 29. (16.) Oktober 1917

[Archiv des ZK. Nach Lenin, Sämtliche Werke, Band 21, Wien-Berlin 1931, S. 619-629]

Den Vorsitz führt Gen. Swerdlow.

Gen. Swerdlow schlägt folgende Tagesordnung vor:

1. Bericht von der vorhergehenden Sitzung des ZK.

2. Kurze Berichte der Vertreter.

3. Aktuelle Lage.

1. Bericht von der vorhergehenden Sitzung des ZK

Gen. L.1 verliest die vom ZK in der vorhergehenden Sitzung angenommene Resolution. Er teilt mit, dass die Resolution gegen zwei Stimmen angenommen worden ist. Wenn die Genossen, die nicht einverstanden, waren, sich auszusprechen wünschen, kann eine Diskussion stattfinden. Inzwischen begründet er die Resolution.

Hätten die Parteien der Menschewiki und Sozialrevolutionäre mit ihrer Politik des Paktierens gebrochen, so hätte man ihnen einen Kompromiss anbieten können; ein solches Angebot wurde auch gemacht, es war aber von vornherein klar, dass dieser Kompromiss von den erwähnten Parteien abgelehnt werden würde. Anderseits war es um diese Zeit schon klar geworden, dass die Massen mit uns gehen. Das war noch vor dem Kornilow-Abenteuer. Als Beweis führt L. die Statistik der Wahlen in Petrograd und Moskau an.

Das Kornilow-Abenteuer aber trieb die Massen noch entschiedener zu uns. Das Kräfteverhältnis auf der Demokratischen Beratung. Die Lage ist klar. Entweder Diktatur Kornilows oder Diktatur des Proletariats und der ärmsten Bauernschichten. Von der Stimmung der Massen kann man sich nicht leiten lassen, denn sie ist veränderlich und lässt sich nicht berechnen, wir müssen uns an eine objektive Analyse und Beurteilung der Revolution halten. Die Massen haben den Bolschewiki Vertrauen geschenkt und fordern von ihnen nicht Worte, sondern Taten, eine entschiedene Politik, im Kampf gegen den Krieg wie im Kampf gegen die Zerrüttung. Wenn man die politische Analyse der Revolution zur Grundlage nimmt, so wird es ganz klar, dass das jetzt sogar anarchische Aktionen bestätigen.

Weiter analysiert er die Lage in Europa und die Beweise dafür, dass dort die Revolution noch schwerer ist als bei uns; wenn es in einem Land wie Deutschland zu einem Aufstand in der Flotte kommen konnte, so beweist das, dass auch dort die Dinge schon sehr weit gediehen sind. Die internationale Lage liefert uns eine Anzahl objektiver Belege dafür, dass wir, wenn wir jetzt in Aktion treten, das ganze proletarische Europa für uns haben werden; er weist nach, dass die Bourgeoisie Petrograd ausliefern will. Nur wenn wir selbst Petrograd nehmen, können wir die Stadt retten. Der klare Schluss aus all dem ist, dass der bewaffnete Aufstand, von dem die Resolution des ZK spricht, auf der Tagesordnung steht.

Was die praktischen Schlussfolgerungen aus der Resolution betrifft, so ist es zweckmäßiger, diese erst zu ziehen, nachdem die Berichte der Vertreter der Zentren gehört worden sind.

Aus der politischen Analyse des Klassenkampfes in Russland und Europa folgt die Notwendigkeit der entschlossensten und aktivsten Politik, die nur der bewaffnete Aufstand sein kann.

2. Kurze Berichte der Vertreter

Gen. Swerdlow vom ZK berichtet im Namen des ZK-Sekretariats über die Lage in der Provinz.

Das Wachstum der Partei hat riesige Ausmaße angenommen; man kann behaupten, dass sie jetzt wenigstens 400.000 umfasst (führt Beweise an).

Ebenso ist unser Einfluss, insbesondere in den Räten, gewachsen (Belege), dasselbe in der Armee und Flotte. Weiter teilt er Tatsachen über die Mobilisierung der konterrevolutionären Kräfte mit (Donezgebiet, Minsk, Nordfront).

Gen. Bokij vom PK berichtet über die Stadtbezirke:

Wassilij-Insel – keine Kampfstimmung, Kampfvorbereitungen werden gemacht.

Wiborger Viertel dasselbe, man bereitet aber den Aufstand vor; ein Militärrat ist gebildet; im Fall einer Aktion würden die Massen sie unterstützen. Sind der Meinung, dass die Spitzen den Anfang machen müssen.

Erster Stadtbezirk. Stimmung schwer zu übersehen. Eine rote Garde ist vorhanden.

Zweiter Stadtbezirk. Stimmung besser.

Moskauer Bezirk. Stimmung gleichgültig, würden auf Aufforderung der Räte, aber nicht der Partei, in Aktion treten.

Narwaer Bezirk. Kein Drängen zur Aktion, aber keine Verminderung der Autorität der Partei. Im Putilow-Werk erstarken die Anarchisten.

Newa-Bezirk. Die Stimmung hat schroff zu unseren Gunsten umgeschlagen. Mit dem Rat werden alle mitgehen.

Ochta-Bezirk. Schlechte Lage.

Petrograder Bezirk. Stimmung abwartend.

Roschdestwenski-Bezirk. Ebenso, es ist zweifelhaft, ob sie mitmachen, erstarkender Einfluss der Anarchisten.

Porochow-Bezirk. Stimmung zu unseren Gunsten gebessert. Schlüsselburg. Stimmung für uns günstig.

Gen. Krylenko vom Militärbüro teilt mit, dass bei ihnen eine scharfe Meinungsverschiedenheit in der Einschätzung der Stimmung besteht.

Persönliche Beobachtungen ergeben, dass die Stimmung in den Regimentern restlos für uns ist, aber die Mitteilungen der in den Bezirken arbeitenden Genossen gehen auseinander: man sagt, dass zu einer Aktion nötig ist, dass sie etwas entschieden stark berührt, und zwar: der Abtransport von Truppen. Das Büro meint, dass die Stimmung im Sinken ist. Ein großer Teil des Büros meint, dass die Frage praktisch nicht zugespitzt werden soll, und die Minderheit glaubt, dass man die Initiative auf sich nehmen kann.

Gen. Stepanow von der Kreisorganisation. In Sestrorezk und Kolpino bewaffnen sich die Arbeiter, die Stimmung ist kämpferisch, man bereitet sich zur Aktion vor. In Kolpino zeigen sich anarchistische Stimmungen.

In Narwa ist die Lage infolge der Entlassungen schwierig. 3000 sind bereits entlassen.

Was die Garnisonen betrifft, so ist dort die Stimmung gedrückt, aber der bolschewistische Einfluss ist sehr stark (Maschinengewehrregiment Nr. 2.). In Neu-Peterhof ist die Arbeit im Regiment stark zurückgegangen, das Regiment ist desorganisiert. In Krasnodar Selo ist das Regiment 176 absolut bolschewistisch, das Regiment 172 beinahe, aber außerdem ist dort Kavallerie. In Luga: 30.000 Mann Garnison, die Mitglieder des Rates sind Vaterlandsverteidiger. Die Stimmung ist bolschewistisch, Neuwahlen stehen bevor.

In Gdow ist das Regiment bolschewistisch.

Gen. Bokij teilt zur Ergänzung mit, dass nach seinen Informationen die Dinge in Krasnodar Selo nicht so gut stehen.

In Kronstadt hat die Stimmung nachgelassen, und die dortige Garnison taugt vom Kampfstandpunkt aus gar nichts.

Gen. Wolodarski vom Petrograder Rat. Der allgemeine Eindruck ist, dass niemand auf die Straße drängt, aber dass auf Aufforderung des Rats alle kommen werden.

Gen. Rawitsch bestätigt das und fügt hinzu, dass einige darauf hingewiesen haben, dass dies auch auf Aufforderung der Partei der Fall sein werde.

Gen. Schmidt von den Gewerkschaften. Die Gesamtziffer der Organisierten übersteigt 500.000. Der Einfluss unserer Partei überwiegt, aber in den mehr handwerklichen Verbänden ist unser Einfluss schwach (besonders bei den Kontoristen und Druckern), aber auch dort, besonders in Anbetracht der Unzufriedenheit mit den Tarifsätzen, im Anwachsen begriffen. Die Stimmung ist so, dass ein aktives Auftreten nicht zu erwarten steht, insbesondere mit Rücksicht auf die Angst vor Entlassungen. Das ist ein bis zu einem gewissen Grade hemmendes Moment. In Anbetracht gewisser wirtschaftlicher Umstände ist für die allernächste Zukunft eine ungeheure Arbeitslosigkeit zu erwarten; im Zusammenhang damit ist auch die Stimmung eine abwartende. Alle geben zu, dass es außer dem Kampf um die Macht keinen Ausweg aus der Lage gibt, man fordert alle Macht für die Räte.

Gen. Schljapnikow teilt zur Ergänzung mit, dass im Metallarbeiterverband der Einfluss der Bolschewiki überwiegend, aber eine bolschewistische Aktion nicht populär sei; die diesbezüglichen Gerüchte haben sogar eine Panik hervorgerufen. Auch im übrigen Russland ist die Stimmung der Metallarbeiter vorwiegend bolschewistisch, es werden bolschewistische Resolutionen angenommen, aber es fehlt der Glaube an die Möglichkeit, die Produktion selbst zu organisieren. Der Verband steht vor einem Kampf um die Erhöhung der Arbeitslöhne. Im Zusammenhang mit diesem Kampf wird die Frage der Kontrolle gestellt werden.

Skrypnik von den Fabrikkomitees stellt fest, dass überall ein Drängen nach praktischen Ergebnissen zu beobachten ist; Resolutionen befriedigen nicht mehr. Es ist zu spüren, dass die Führer die Stimmung der Massen nicht vollkommen ausdrücken; die Führer sind konservativer; der Einfluss der Anarcho-Syndikalisten steigt, insbesondere im Narwaer und Moskauer Bezirk.

Gen. Swerdlow teilt zur Ergänzung mit, dass in Moskau im Zusammenhang mit der Resolution des ZK Schritte zur Klärung der Möglichkeit eines Aufstands unternommen worden sind.

Ein Genosse von den Eisenbahnern. Die Eisenbahner hungern, sind erbost, die Organisation ist schwach, besonders unter den Telegrafenangestellten.

Gen. Schmidt teilt zur Ergänzung mit, dass bei den Eisenbahnern im Zusammenhang mit dem Streik ein Umschwung eingetreten ist. Im Moskauer Knotenpunkt lässt sich eine besondere Unzufriedenheit mit dem Komitee beobachten. Überhaupt stehen die Knotenpunkte Moskau und Petrograd den Bolschewiki nahe.

Gen. Bokij. Über die Post- und Telegrafenbeamten. Eine besondere Organisation besteht nicht. An den Telegrafenapparaten sitzen meist Kadetten. Die Postboten teilen mit, dass sie im entscheidenden Augenblick das Postamt besetzen können.

Gen. Schmidt. Der Postbeamtenverband ist radikaler als der Eisenbahnerverband. Die unteren Beamten sind im Grunde Bolschewiki, aber nicht die höheren; solange sie den Verband in der Hand haben, wird man einen Kampf gegen sie führen müssen.

3. Aktuelle Lage

Gen. Miljutin ist der Ansicht, dass die Resolution auf Grund sämtlicher Berichte konkreter zu fassen ist. Er ist der Meinung, dass die Losung „Alle Macht den Räten" schon völlig reif ist, besonders in der Provinz, wo die Räte stellenweise die Macht faktisch in den Händen halten. Hier geht es nicht um Agitation, hier tun schon Taten und nicht Worte not. Die Frage wird nicht durch Stimmungen, nicht durch Bulletins, sondern durch organisierte Kräfte entschieden. Entweder machen wir den ersten Schritt, oder unsere Feinde machen ihn. In der Resolution ist die Möglichkeit nicht eines Aufstandes, der unsere Initiative voraussetzt, sondern eines Zusammenstoßes, der das Ergebnis objektiver Bedingungen ist. Er selbst ist der Meinung, dass wir nicht genügend vorbereitet sind, um den ersten Schlag zu führen.

Die Regierung in den nächsten Tagen stürzen und verhaften können wir nicht.

Eine andere Perspektive taucht auf: der bewaffnete Zusammenstoß; er führt aus, dass solche heranreifen, dass eine solche Möglichkeit näher rückt. Auch für diesen Zusammenstoß müssen wir gerüstet sein. Aber diese Perspektive unterscheidet sich vom Aufstand. Er hält es für erforderlich, dass die Resolution in diesem Sinne ergänzt werde.

Gen. Schotman sagt, dass bei der Stadtkonferenz, im PK und im Militärkomitee die Stimmung viel pessimistischer war. Er führt aus, dass wir jetzt nicht in Aktion treten können, uns aber dazu vorbereiten müssen.

Gen. L2 polemisiert gegen Miljutin und Schotman und weist nach, dass es nicht auf die bewaffneten Kräfte ankommt, dass es sich nicht um einen Kampf gegen die Truppen handelt, sondern um den Kampf eines Teils der Armee gegen einen andern Teil. Er sieht keinen Pessimismus in dem, was hier gesagt wurde. Er weist nach, dass die hinter der Bourgeoisie stehenden Kräfte gering sind. Die Tatsachen beweisen, dass wir dem Feind überlegen sind. Warum kann das ZK nicht anfangen? Das folgt aus den Angaben nicht. Um die Resolution des ZK abzulehnen, muss man beweisen, dass es keine Zerrüttung gibt, dass die internationale Lage nicht zu Komplikationen führt. Wenn die Gewerkschafter die ganze Macht fordern, wissen sie sehr gut, was sie wollen. Die objektiven Bedingungen zeigen, dass die Bauern einer Führung bedürfen, dem Proletariat werden sie Gefolgschaft leisten.

Man befürchtet, dass wir die Macht nicht halten werden, aber gerade jetzt haben wir besonders gute Aussichten, die Macht zu halten.

Er drückt den Wunsch aus, dass die Diskussion auf den Boden einer sachlichen Besprechung der Resolution geführt werden möge.

Gen. Krylenko erklärt, dass in einer Frage das ganze Büro übereinstimmte, und zwar darin, dass das Wasser genügend siedend ist; durch eine Resolution den vorliegenden Beschluss rückgängig zu machen, würde er für den größten Fehler halten. Unsere Aufgabe ist es, den Aufstand mit bewaffneter Kraft zu unterstützen, wenn er irgendwo ausbricht. Aber die hier gekennzeichnete Stimmung ist eine Folge unserer Fehler.

In der Frage, wer anfangen soll, und wie, stimmt er mit Wl. Iljitsch nicht überein. Er hält es für überflüssig, zu genau auf die technischen Einzelheiten des Aufstandes einzugehen, und hält es anderseits auch für unzweckmäßig, den Aufstand fest anzusetzen. Aber die Frage des Abtransports der Truppen ist gerade jenes Kampfmoment, das eine Schlacht auslösen wird. Auf der Tscheremissow-Konferenz wird man nachzuweisen suchen, dass der Abtransport der Truppen notwendig sei; darauf werden wir antworten, dass dies notwendig sein mag, aber doch nicht geschehen wird, weil kein Vertrauen zu den Generalen vorhanden ist; die Tatsache eines Angriffs auf uns ist schon gegeben, auf diese Weise kann man auch das ausnützen. Die Agitation darf nicht vermindert werden, und man braucht sich keine Sorgen darüber zu machen, wer anfangen soll, da der Anfang schon gemacht ist.

Gen. Rachia führt aus, dass sich die Massen bewusst zum Aufstand rüsten. Wäre das Petrograder Proletariat bewaffnet, so wäre es trotz allen Beschlüssen des ZK schon auf der Straße. Es gibt keinen Pessimismus. Man braucht nicht auf die Offensive der Konterrevolution zu warten, sie ist ja schon da. Die Massen warten auf das Losungswort und auf Waffen. Die Massen werden auf die Straße strömen, denn eine Hungersnot steht ihnen bevor. Wie es scheint, hat sich unsere Losung bereits etwas verspätet, denn der Zweifel ist aufgetaucht, ob wir tun werden, wozu wir aufrufen. Unsere Aufgabe ist nicht, den Beschluss rückgängig zu machen, sondern im Gegenteil zu verankern.

Gen. Grigorij.3 Die Resolution wird offenbar nicht als Befehl aufgefasst, sonst könnte man sich dazu nicht äußern.

Er bezweifelt, ob der Erfolg des Aufstands gesichert ist. Vor allem ist der Eisenbahn-, Post- und Telegrafenapparat nicht in unserer Hand. Der Einfluss der ZEK ist noch ziemlich stark.

Die Frage wird durch den ersten Tag in Petrograd entschieden, denn im entgegengesetzten Fall beginnt die Demoralisierung. Auf Verstärkungen aus Finnland und Kronstadt soll man nicht rechnen. In Petrograd aber sind wir nicht mehr so stark. Außerdem verfügen unsere Feinde über einen ungeheuren organisatorischen Stab.

Unser Alarm der letzten Zeit ist sogar vom Standpunkt der Resolution des ZK verfehlt. Denn wozu sollte man uns Zeit lassen, uns vorzubereiten? Die Stimmung in den Betrieben ist jetzt nicht so, wie im Juni. Es ist klar, dass die Stimmung jetzt anders ist als im Juni.

Man sagt, wir befänden uns in einer Lage, aus der es keinen Ausweg gibt. Ich glaube, dass eine solche Lage noch nicht da ist. Ich glaube, dass wir uns zur Konstituierenden Versammlung nicht richtig einstellen. Man kann sie freilich nicht als Allheilmittel betrachten, aber die Konstituierende Versammlung wird in einer höchst revolutionären Atmosphäre vor sich gehen. Während dieser Zeit werden wir erstarken. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, dass wir dort mit den linken Sozialrevolutionären zusammen in der Mehrheit sein werden. Es ist nicht möglich, dass die Bauern in der Landfrage schwanken. Ich war für den Auszug aus dem Vorparlament, glaube aber nicht, dass diese Masse sich niemals hinter uns stellen wird. Er spricht von den internationalen Beziehungen und führt aus, dass wir auch dem internationalen Proletariat die allergrößte Vorsicht schuldig sind: unser Einfluss wächst ständig. Eine Übergabe Petrograds noch vor der Konstituierenden Versammlung ist nicht zu erwarten. Wir haben nicht das Recht, zu riskieren, alles aufs Spiel zu setzen.

Ich schlage vor: findet am 20. der Kongress statt, so müssen wir ihm vorschlagen zusammenzubleiben, bis die Konstituierende Versammlung zusammentritt. Unsere Taktik muss auf Grund der völligen Passivität der Provisorischen Regierung eine defensiv-abwartende sein. Man kann sich nicht in einen Zustand völliger Isolierung bringen. Auch die Konstituierende Versammlung wird uns den Bürgerkrieg nicht ersparen, aber sie ist eine sehr ernst zu nehmende Etappe. Die Resolution des ZK muss revidiert werden, wenn das möglich ist. Wir müssen direkt sagen, dass wir in den nächsten fünf Tagen keinen Aufstand machen.

Gen. Kamenew. Seit Annahme der Resolution ist eine Woche vergangen, und darum beweist diese Resolution, wie ein Aufstand nicht gemacht werden kann: in dieser Woche ist nichts getan, sondern nur die Disposition verdorben worden, die vorhanden sein sollte. Die Ergebnisse einer Woche sprechen dafür, dass jetzt keine Anhaltspunkte für einen Aufstand da sind. Man kann nicht sagen, dass die Resolution nur den Gedanken geweckt hat, sie forderte den Übergang von Worten zur Tat. Das ist aber nicht vorhanden. Wir haben keinen Apparat für den Aufstand; unsere Feinde haben einen viel stärkeren Apparat, der in dieser Woche bestimmt noch gewachsen ist. Er führt aus, dass bei uns in dieser Woche nichts getan worden ist, weder in militärisch-technischer Hinsicht noch in der Richtung der Lebensmittelversorgung. Durch diese Resolution ist jedoch der Regierung die Möglichkeit gegeben worden, sich zu organisieren. Die ganze Masse, die jetzt nicht mit uns ist, steht auf ihrer Seite. Wir haben sie auf unsere Kosten gestärkt. Die Frage ist ernster als in den Julitagen. Sozial gesprochen, ist die Krise reif, aber es ist keineswegs bewiesen, dass wir vor dem 20. eine Schlacht liefern müssen. Die Frage ist nicht gestellt: jetzt oder nie, – ich habe einen stärkeren Glauben an die russische Revolution; wir stehen unmittelbar vor sozialen Schlachten, und wenn wir für die Konstituierende Versammlung rüsten, betreten wir darum noch nicht den Weg des Parlamentarismus. Wir sind nicht stark genug, um siegesgewiss zum Aufstand überzugehen, aber stark genug, um extreme Äußerungen der Reaktion nicht zuzulassen. Hier kämpfen zwei Taktiken: die Taktik der Verschwörung und die Taktik des Glaubens an die Triebkräfte der russischen Revolution.

Fenigstein ist der Ansicht, dass die Frage des bewaffneten Aufstandes nicht eine Frage von Wochen, sondern eine Frage von Tagen sei. Das ist die politische Position, – er ist damit einverstanden, nicht einverstanden ist er aber mit dem sofortigen Übergang zum Bajonett. Er führt weiter aus, dass der bewaffnete Aufstand von uns technisch nicht vorbereitet ist. Wir haben noch nicht einmal die Hauptstadt. Wir gehen halb bewusst einer Niederlage entgegen. Es gibt Augenblicke, wo man trotzdem marschieren muss. Aber wenn das nicht der Fall ist, muss man von der praktischen Seite herangehen.

Stalin. Der Tag des Aufstandes muss zweckmäßig sein. Nur so ist die Resolution aufzufassen.

Man kann sagen, dass ein Angriff abgewartet werden muss, aber man muss verstehen, was ein Angriff ist; die Erhöhung des Brotpreises, die Entsendung von Kosaken in das Dongebiet usw. – alles das ist bereits ein Angriff. Wie lange sollen wir denn warten, wenn kein militärischer Angriff unternommen wird? Was Kamenew und Sinowjew vorschlagen, führt objektiv zur Ermöglichung der Organisierung der Konterrevolution: wir würden endlos zurückweichen und die ganze Revolution verlieren. Warum sollen wir uns nicht die Möglichkeit vorbehalten, Tag und Bedingungen selbst zu wählen, um der Konterrevolution keine Möglichkeit zu bieten, sich zu organisieren? Zur Analyse der internationalen Beziehungen übergehend, führt er aus, dass man jetzt einen stärkeren Glauben haben sollte. Es gibt hier zwei Linien: die eine Linie hält Kurs auf den Sieg der Revolution und sieht nach Europa hinüber, die andere glaubt nicht an die Revolution und gedenkt nur eine Opposition zu sein. Der Petrograder Rat hat bereits den Weg des Aufstands betreten, als er es ablehnte, den Abtransport der Truppen zu sanktionieren. Die Flotte ist bereits im Aufstand, da sie gegen Kerenski vorging.

T.4 Legt die Resolution so aus, dass sie nicht bedeute, morgen muss die Aktion beginnen, sie verlege aber die Frage aus der Politik in die Strategie und rufe zu entschlossenem Handeln auf. Man braucht Verschwörungen nicht zu fürchten, man muss die Verschwörung immer im Auge behalten; man soll nicht auf den Weg des parlamentarischen Kampfes abschwenken, das wäre unrichtig. Auch bis zu einem Angriff warten soll man nicht, denn schon die Tatsache der Offensive bietet Aussichten auf einen Sieg.

Gen. Swerdlow charakterisiert die Resolution. Einerseits war sie ein Befehl, aber es ist richtig, dass die Frage aus dem politischen Gebiet ins technische Gebiet verlegt wurde. Er spricht von den konterrevolutionären Vorbereitungen. Er polemisiert gegen die Behauptung Kamenews, dass es die schwache Seite der Resolution sei, dass sie bisher noch nicht praktisch durchgeführt wurde. Daraus folgt, dass die Arbeit energischer in Angriff genommen werden muss. Man kann nicht sagen, dass die Mehrheit gegen uns sei, sie ist nur noch nicht für uns. In Petrograd liegt unsere Kraft; die Junker sind nicht gefährlich, besonders wenn wir als erste in Aktion treten. Er teilt nicht die pessimistische Beurteilung der Garnison, die hier zum Ausdruck gekommen ist. Das Kräfteverhältnis ist uns günstig. Die Resolution soll nicht aufgehoben, aber dahin abgeändert werden, dass die technische Vorbereitung energischer zu sein hat.

Gen. Skrypnik. Haben wir keine Kräfte, so werden wir später auch nicht mehr haben; wenn wir die Macht jetzt nicht behaupten können, können wir es später noch weniger. Man sagt, es ist vorteilhaft, in Verteidigung zu sein – vielleicht! Aber später werden wir auch für die Verteidigung keine Kraft haben.

Alle Argumente, die hier angeführt worden sind, sind nur ein Aufschieben. Eine Garantie für den Sieg gibt es nicht. Hier wird wiederholt, was die Menschewiki und Sozialrevolutionäre sagten, als man sie aufforderte, die Macht zu ergreifen. Jetzt, wo es gilt, zu handeln, sprechen wir viel zu viel. Die Massen stellen an uns Forderungen, und sind der Ansicht, dass wir ein Verbrechen begehen, wenn wir ihnen nichts geben; was not tut, ist die Vorbereitung des Aufstandes und ein Appell an die Massen.

Wolodarski. Ist die Resolution ein Befehl, so ist dieser schon jetzt nicht ausgeführt. Wird die Frage des Aufstands als Frage des morgigen Tages gestellt, so müssen wir geradeheraus sagen, dass wir dazu nichts haben. Ich habe bei den.....5 gesprochen, aber ich behaupte, dass die Massen unseren Appell mit Bedenken aufnahmen; in dieser Woche ist eine Änderung eingetreten.

Gäbe es im ZK keine Strömung, die den Klassenkampf auf den parlamentarischen Kampf reduzieren will, so wären wir jetzt zum Aufstand bereit, aber nicht im gegebenen Moment. Die positive Seite der Resolution ist, dass sie uns gezwungen hat, mit einer neuen Losung vor die Massen zu treten. Die Resolution ist aufzufassen als Kurs auf den Aufstand, wir dürfen unsere technische Vorbereitung nicht einstellen.

Konkreter Vorschlag: die technische Vorbereitung fortsetzen und diese Frage dem Kongress vorlegen, aber nicht annehmen, dass dieser Augenblick schon gekommen sei.

Dzierżyński meint, Wolodarski irre sich, wenn er glaubt, dass unsere Partei einen Fehler gemacht hat, als sie, wie er sich ausdrückt, eine parlamentarische Taktik anwandte. Ganz im Gegenteil, gerade die veränderte Situation hat zu einer Änderung auch unseres Beschlusses geführt. Vor zwei Monaten waren die vorhandenen Illusionen noch nicht überwunden, und es war darum nicht möglich, die Frage des Aufstandes zu stellen. Gerade die Forderung, zum Aufstand müsse alles technisch vorbereitet sein, ist Verschwörertum. Ist der Aufstand da, so werden auch die technischen Kräfte da sein. Dasselbe gilt für die Lebensmittel.

Gen. Rawitsch. Die Aufhebung der Resolution wäre eine Aufhebung aller unserer Losungen und unserer ganzen Politik. Die Massen haben sich die Ansicht, dass ein Aufstand unvermeidlich ist, bereits zu eigen gemacht. Sind die Massen zu revolutionär, dann fängt es von unten an, aber auch ein Aufruf von oben ist möglich, niemand bezweifelt, dass in diesem Falle die Massen uns unterstützen werden. Zurücktreten ist unmöglich.

Gen. Sokolnikow. Die Einwendungen Kamenews haben keine Überzeugungskraft. Er beschuldigt uns, wir hätten unsere Aktion an die große Glocke gehängt, d. h. er fordert gerade eine Verschwörung. Die größte Besonderheit und unsere Kraft liegt darin, dass wir die Aktion offen vorbereiten. Er erinnert an die Februarereignisse, als nichts vorbereitet war und die Revolution trotzdem siegte. Ein günstigeres Kräfteverhältnis kann nicht erwartet werden.

Man hat die Resolution ganz unzutreffend als Befehl zur Aktion ausgelegt. Erwiese es sich, dass die Ereignisse uns einen Aufschub gewähren, so werden wir von ihm natürlich Gebrauch machen. Es ist möglich, dass der Kongress früher stattfindet. Nimmt der Kongress alle Macht für die Räte an, dann muss die Frage gestellt werden, was zu tun sei, ob die Massen aufzurufen seien oder nicht.

Gen. Skalow führt aus, dass zum Übergang der Macht an die Räte ein entsprechendes Kräfteverhältnis erforderlich sei. Die Macht der Räte wird die Lebensmittelfrage lösen. Wir werden jetzt zu Vaterlandsverteidigern, nehmen wir die Macht nicht, so wird vielleicht die Flotte und auch die Armee ihre Stellungen verlassen. Er spricht von der Annullierung der Verträge usw. Er glaubt, dass vor dem Zusammentritt des Kongresses ein Aufstand nicht zu machen sei, aber auf dem Kongress muss die Macht genommen werden.

Miljutin. Die Resolution wurde anders geschrieben, als sie jetzt ausgelegt wird: man legt sie so aus, dass es sich um den Kurs auf den Aufstand handelt. Das war schon im September festgelegt. Alle sprechen nicht von der technischen, sondern von der politischen Fragestellung. Über den Kurs streitet niemand. Die Genossen, die vom Aufstand sprechen, stellen sich ihn nur primitiv vor. Man muss vor allem die Macht ergreifen und die alte Macht verdrängen, nach Schablonen zu handeln, ist absurd. Wir haben dadurch gewonnen, dass am 3.-5. Juli kein Aufstand war, und wenn jetzt keiner sein wird, gehen wir daran nicht zugrunde. Diese Resolution soll für den inneren Gebrauch sein.

Joffe führt aus, dass es unmöglich sei, die Resolution als Aktionsbefehl aufzufassen, sie ist ein Abrücken von der Taktik der Enthaltung von Aktionen und eine Anerkennung der Möglichkeit und Verpflichtung, bei der ersten passenden Gelegenheit den Aufstand zu machen. In diesem Sinne ist die Resolution zu begrüßen. Aber anderseits ist es nicht wahr, dass die Frage jetzt eine rein technische ist; auch jetzt muss der Moment des Aufstands vom politischen Standpunkt aus betrachtet werden. Der Sinn der Resolution ist die Notwendigkeit, die erste passende Gelegenheit zur Machtergreifung zu benützen, und darum ist sie zu begrüßen.

Schmidt. Jetzt wird die Frage klarer. Gegen die Vorbereitung der Revolution ist nichts einzuwenden.

Onkel"6. Es ist traurig, dass die Resolution bisher noch nicht verwirklicht wird. Ich bin überzeugt, dass die Resolution angenommen wird. Ich habe das Wort genommen, um die Einschätzung der Stimmung der Massen zu berichtigen. Der Maßstab der Stimmung ist die Bereitschaft, mit der die Massen zur Waffe greifen. Eigenartig ist bei uns auch die Strategie. Wenn man von den Junkern spricht, habe ich schon gesagt, dass man sie einfach streichen kann.

L7 Wenn alle Resolutionen so durchfielen, könnte man sich gar nichts Besseres wünschen. Jetzt sagt Sinowjew, die Losung „Die Macht den Räten" tauge nichts, und er will auf die Regierung einen Druck ausüben. Wenn man sagt: „Volks"-Aufstand, so kann man nicht von Verschwörung sprechen. Wenn der Aufstand politisch unvermeidlich ist, so muss der Aufstand als Kunst behandelt werden. Politisch ist er aber schon reif.

Gerade weil das Brot nur für einen Tag reicht, können wir die Konstituante nicht abwarten. Er schlägt vor, die Resolution zu bestätigen, sich entschieden an die Vorbereitung zu machen und die Bestimmung des Zeitpunktes dem ZK und dem Rat zu überlassen.

Sinowjew. Man hat diese Revolution mit der Februarrevolution verglichen. Einen solchen Vergleich kann man nicht ziehen, denn damals war nichts auf Seite des alten Regimes, jetzt aber ist es ein Krieg gegen die ganze bürgerliche Welt. Die Losung „Die Macht den Räten" ist von uns nicht abstrakt aufgestellt worden. Wird der Kongress auf die Konstituierende Versammlung einen Druck ausüben, so kann man das nicht mit der menschewistischen Politik vergleichen. Wird der Aufstand als Perspektive hingestellt, so kann man nichts einwenden, ist es aber ein Befehl für morgen oder übermorgen, so ist es ein Abenteuer. Solange unsere Genossen nicht versammelt sind und wir uns mit ihnen nicht beraten haben, dürfen wir den Aufstand nicht beginnen.

Stepanow. Die Resolution hat eine historische Bedeutung; ich betrachte sie als Barometer, der Sturm anzeigt. Weiter erwidert er Kamenew auf dessen Argumente hinsichtlich des Fehlens von Lebensmitteln.

Neben der Tscheremissowschen Konferenz kann auch die Herabsetzung der Soldatenrationen als Anlass zum Aufstand dienen.

Die objektive Situation wird mit jedem Augenblick reifer und diese Resolution hat eine große Rolle gespielt. Sie hat uns vieles klargemacht. Er fuhrt aus dass die Masse zwischen dem ZEK und dem Petrograder Rat gut zu unterscheiden wisse; er schlägt vor, diese Resolution als Barometer bestehen zu lassen.

Kamenew führt aus, dass die gegenwärtige Interpretation der Resolution ein Rückzug ist, denn früher wurde gesagt, dass die Aktion vor dem 20. beginnen sollte, und jetzt spricht man von einem Kurs auf die Revolution. Die Frage ist politisch gestellt. Und die Ansetzung des Aufstandes ist Abenteurertum Wir sind verpflichtet, den Massen zu erklären, dass wir in diesen drei Tagen nicht zur Aktion aufrufen, aber dabei der Ansicht sind, dass ein Aufstand unvermeidlich sei.

Er beantragt Abstimmung über die Resolution und Annahme einer Entschließung, wonach im Zentralorgan veröffentlicht werden soll, dass vor den Kongressen zu Aktionen nicht aufgerufen wird.

Skrypnik schlägt vor, sich an die Massen zu wenden und sie zur Vorbereitung des Aufstands aufzufordern.

Lenin erwidert Sinowjew, dass man diese Revolution nicht der Februarrevolution entgegenstellen kann. Er schlägt die Resolution vor

Sinowjew antwortet Lenin in Bezug auf die Februarrevolution In der Geschichte unserer Partei werden diese zwei Monate nicht die schlimmsten Seiten sein. Er schlägt eine eigene Resolution vor:

Ohne die aufklärenden und vorbereitenden Schritte aufzuschieben, wird beschlossen, dass solche Aktionen bis zur Beratung mit der bolschewistischen Fraktion des Rätekongresses unzulässig sind."

Es wird über die Resolution des Gen. Lenin abgestimmt. Die Resolution als Grundlage. Dafür 20, dagegen 2, Enthaltungen 3. Der Antrag des Genossen Miljutin, die Worte „bewaffneter Zusammenstoß" zu setzen, wird abgelehnt. Der Antrag des Gen. Skrypnik, die Worte „mit dem Ausdruck der Überzeugung usw." zu streichen, wird abgelehnt. Der Antrag des Gen. Fenigstein, das Wort „Offensive" durch das Wort „Aktion" zu ersetzen, wird abgelehnt.

Gen. Wolodarski stellt den Antrag, die Resolution des Gen. Sinowjew in Form einer Berichtigung zur angenommenen Resolution einzufügen. Wird abgelehnt.

Der Antrag des Gen. Fenigstein „die Zentrale in der Zusammensetzung des Exekutivkomitees und des Militärkomitees" wird zurückgezogen.

Die Resolution als Ganzes: dafür 19, dagegen 2; Stimmenenthaltungen 4.

Resolution des Gen. Sinowjew: dafür 6, dagegen 15; Stimmenenthaltung 3.

Das Zentralkomitee tagt allein und fasst folgenden Beschluss: Das ZK organisiert eine militärisch-revolutionäre Leitung in folgender Zusammensetzung:

Swerdlow, Stalin, Bubnow, Uritzki und Dzierżyński. Diese Leitung wird in den Bestand des revolutionären Räte-Komitees aufgenommen.

1 Lenin. Die Red.

2 Lenin. Die Red.

3 Sinowjew. Die Red.

4 Der Name ist im Protokoll weggelassen. Die Red.

5Lücke im Original. Die Red.

6 Lazis. Die Red.

7 Lenin. Die Red.

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