Lenin‎ > ‎1917‎ > ‎

ZK der SDAPR 19170504 Aufruf an die Soldaten der kriegführenden Länder!

ZK der SDAPR: Aufruf an die Soldaten der kriegführenden Länder!

[„Prawda" Nr. 37 vom 4. Mai (21. April) 1917. Nach Lenin, Sämtliche Werke, Band 20.2, Wien-Berlin 1928, S. 278-280]

Brüder! Soldaten!

Wir sind alle bis aufs Blut gequält durch den furchtbaren Krieg, der Millionen Menschenleben vernichtet, Millionen Menschen zu Krüppeln gemacht, unerhörtes Elend, Ruin und Hunger mit sich gebracht hat.

Und immer größer wird die Zahl der Menschen, die sich die Frage vorlegen: warum wurde dieser Krieg begonnen, worum wird er geführt?

Mit jedem Tage wird es uns, den Arbeitern und Bauern, die wir die größten Lasten des Krieges tragen, klarer, dass die Kapitalisten aller Länder den Krieg begonnen haben und weiterführen um kapitalistischer Interessen willen, um der Weltherrschaft willen, um der Märkte für die Fabrikbesitzer und Bankiers, um der Ausplünderung schwacher Völker willen. Kolonien werden aufgeteilt, Gebiete auf dem Balkan und in der Türkei werden geraubt – und dafür sollen die europäischen Länder ruiniert werden, dafür werden wir ins Verderben gejagt und müssen den Ruin, den Hunger und den Untergang unserer Familien mitansehen.

Die Kapitalistenklasse bereichert sich in allen Ländern an Kriegslieferungen, an Konzessionen in den annektierten Gebieten, an der Verteuerung aller Erzeugnisse; sie sackt riesenhafte, unerhörte, skandalös-hohe Profite ein. Die Kapitalistenklasse hat allen Völkern für viele Jahrzehnte einen Tribut auferlegt in Form hoher Zinsen für die Milliarden-Kriegsanleihen. Wir aber, die Arbeiter und Bauern, müssen umkommen, uns ruinieren lassen, hungern, das alles geduldig ertragend und unsere Unterdrücker, die Kapitalisten, dadurch stärkend, dass die Arbeiter der verschiedenen Länder sich gegenseitig ausrotten, mit Hass gegeneinander erfüllt werden.

Werden wir tatsächlich auch weiterhin unser Joch in Demut ertragen, den Krieg zwischen den Kapitalistenklassen dulden? Werden wir tatsächlich diesen Krieg noch weiter in die Länge ziehen, indem wir uns auf die Seite unserer nationalen Regierungen, unserer nationalen Bourgeoisie, unserer nationalen Kapitalisten stellen und dadurch die internationale Einheit der Arbeiter aller Länder, der ganzen Welt zerstören?

Nein, Brüder Soldaten, es ist Zeit, mit offenen Augen zu sehen, es ist Zeit, unser Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. In allen Ländern wächst, weitet sich und erstarkt die Empörung des Volkes gegen die Kapitalistenklasse, die das Volk in diesen Krieg hinein gezerrt hat. Nicht nur in Deutschland, auch in England, das vor dem Krieg als besonders freies Land galt, schmachten Hunderte und aber Hunderte von aufrichtigen Freunden und Vertretern der Arbeiterklasse in den Kerkern, weil sie ein ehrliches und wahres Wort gegen den Krieg und gegen die Kapitalisten gesprochen haben. Die Revolution in Russland ist nur der erste Schritt der ersten Revolution, ihr müssen und werden weitere folgen.

Die neue Regierung in Russland – die Nikolaus II., einen ebensolchen gekrönten Räuber wie Wilhelm II., gestürzt hat – ist eine Kapitalistenregierung. Sie führt einen ebenso räuberischen, imperialistischen Krieg, wie die Kapitalisten Deutschlands, Englands und anderer Länder. Sie hat die von Nikolaus II. mit den Kapitalisten Englands, Frankreichs usw. geschlossenen geheimen Raubverträge bestätigt, sie bringt diese Verträge nicht durch Veröffentlichung zur allgemeinen Kenntnis, genau so wie die deutsche Regierung ihre geheimen und ebenso räuberischen Verträge mit Österreich, Bulgarien und so weiter nicht veröffentlicht.

Die russische Provisorische Regierung hat am 20. April eine Note veröffentlicht, in der sie die alten, vom Zaren abgeschlossenen Raubverträge noch einmal bestätigt und sich bereit erklärt, den Krieg bis zum vollen Sieg weiterzuführen, wodurch sie die Empörung selbst jener Leute hervorruft, die ihr bisher Vertrauen geschenkt und sie unterstützt haben.

Aber die russische Revolution hat neben der Kapitalistenregierung noch eigenmächtige revolutionäre Organisationen geschaffen, die die ungeheure Mehrheit der Arbeiter und Bauern vertreten, nämlich die Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten in Petrograd und in den meisten Städten Russlands. In Russland verhält sich einstweilen noch die Mehrheit der Soldaten und ein Teil der Arbeiter – wie auch sehr viele Arbeiter und Soldaten in Deutschland – blind vertrauensselig zur Regierung der Kapitalisten, zu ihren hohlen und lügenhaften Reden über einen Frieden ohne Annexionen, über den Verteidigungskrieg und dergleichen mehr.

Aber die Arbeiter und armen Bauern sind, im Unterschiede zu den Kapitalisten, weder an Annexionen noch an der Sicherung der Kapitalistenprofite interessiert. Darum wird jeder Tag, jeder Schritt der Kapitalistenregierung, sowohl in Russland wie in Deutschland, den Betrug der Kapitalisten enthüllen, enthüllen, dass es, solange die Herrschaft der Kapitalisten fortdauert, einen wirklich demokratischen, nicht mit Gewalt aufgezwungenen Frieden, einen Frieden, der auf dem wirklichen Verzicht auf alle Annexionen, d. h. auf der Befreiung aller Kolonien ohne Ausnahme, aller unterdrückten, gewaltsam angegliederten oder nicht vollberechtigten Völker ohne Ausnahme beruht, nicht geben kann – bis dahin wird sich der Krieg aller Wahrscheinlichkeit nach immer mehr verschärfen und in die Länge ziehen.

Nur in dem Falle, wenn die Staatsgewalt in beiden heute feindlichen Staaten, zum Beispiel in Russland und in Deutschland, gänzlich und ausschließlich in die Hände der revolutionären Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten übergeht, die fähig sind, nicht mit Worten, sondern in der Tat das ganze Netz der Beziehungen und Interessen des Kapitals zu zerreißen – nur in diesem Falle werden die Arbeiter der beiden kriegführenden Länder von Vertrauen zueinander erfüllt werden und dem Krieg auf der Grundlage eines wirklich demokratischen, wirklich alle Völker und Völkerschaften der Welt befreienden Friedens rasch ein Ende machen können.

Brüder! Soldaten!

Tun wir alles, was in unseren Kräften steht, um das zu beschleunigen, um dieses Ziel zu erreichen. Fürchten wir keine Opfer – alle Opfer zum Wohle der proletarischen Revolution sind weniger schwer als die Opfer des Krieges. Jeder siegreiche Schritt der Revolution wird Hunderttausende und Millionen von Menschen vor Tod, Ruin und Hunger retten.

Friede den Hütten, Krieg den Palästen! Friede den Arbeitern aller Länder! Es lebe die brüderliche Einheit der revolutionären Arbeiter aller Länder! Es lebe der Sozialismus!

4. Mai (21. April) 1917

Zentralkomitee der SDAPR

Petersburger Komitee der SDAPR

Redaktion der „Prawda"

Kommentare