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Karl Liebknecht 19070325 Der unbequeme Antimilitarismus

Karl Liebknecht: Der unbequeme Antimilitarismus

Zuschrift an den „Vorwärts"

[Vorwärts Nr. 74 vom 28. März 1907. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 2, S. 11 f.]

Werte Genossen!

Ich werde auf eine Besprechung meiner Schrift „Militarismus und Antimilitarismus" aufmerksam gemacht, die ein österreichischer Genosse, namens Leuthner, in der Berliner „Neuen Gesellschaft" liefert. Da es sich, leicht erkennbar, um eine – ich will höflich sein – ganz gewöhnliche Medisance etwa im Stile Benno Jakobsons handelt, so hätte ich an sich keine Veranlassung, mich vor einer größeren Öffentlichkeit mit dem Scherzartikel unseres schwarz-gelben Freundes zu befassen; ich könnte mir die Zeit und Ihnen den gewiss viel kostbareren Raum sparen. Aber im Interesse der Sache, der meine kleine Arbeit gewidmet ist, fühle ich mich zu einigen Zeilen verpflichtet, um deren Aufnahme ich Sie bitte.

Dass mein „Antimilitarismus" gewissen Leuten unbequem ist, weiß ich nicht erst seit gestern, und dass diese gewissen Leute alles daransetzen würden, jede mögliche Frucht meiner Arbeit gewissermaßen im Mutterleibe zu töten, musste ich mir bei mäßigstem Scharfblick voraussagen, um so mehr, als sich hier und da ein sozusagen revisionistisches „Pfaffentum" (um ein beliebtes Schlagwort zurückzugeben) zu entwickeln scheint, das sich – ähnlich dem nicht seltenen „freidenkerischen" Pfaffentum – von aller erdenklichen Pfäfferei der sogenannten Orthodoxie nur durch größere Oberflächlichkeit und Langweiligkeit auszeichnet. So hat man sich denn einen österreichischen Genossen verschrieben, der nun gleich zwei (nicht, wie das tapfere Schneiderlein, sieben) auf einmal totzuschlagen sich eifrig bemüht: meine Wenigkeit und den verwünschten „orthodoxen Marxismus". Sein Plänlein geht dahin, meinen Antimilitarismus dem „Parteipfaffentum" als Mühlstein um den Hals zu hängen, um es nun endlich einmal recht gründlich zu ersäufen.

Nachdem die „Leipziger Volkszeitung" am vorigen Sonnabend in dankenswerter Weise mehreren besonders verwegenen Akrobatenstückchen der Leuthnerschen Interpretation ein Bein gestellt hat, verzichte ich darauf, Einzelheiten festzunageln, und bemerke nur: Fast jedes Wort Leuthners, das sich mit meinem Büchlein befasst, steht mit der Richtigkeit auf gespanntestem Fuße. Genosse Leuthner streicht zwar mir grenzenlosem Dummkopfe gegenüber wiederholt seine Schulbildung heraus – die er denn auch, zum Beispiel in seinen ethnographischen Kenntnissen, vortrefflich konserviert hat. Ich gebe mich aber der fröhlichen Zuversicht hin, dass man selbst in Ostpreußen nicht einmal einen Halbtagsschüler wird auftreiben können, der, wenn er meine Schrift liest, nicht erheitert den Kopf schütteln würde ob der grotesken Verzerrung, in der meine Ansichten von dem hyperrevisionistischen Hohlspiegel Leuthners widergespiegelt werden. Genosse Leuthner hat weder mich, noch auch gar den Marxismus totgeschlagen; er prügelt nur, ohne es freilich zu merken, auf seinem eigenen phantastischen Verhalten herum.

Mit Parteigruß

Ihr

Dr. K. Liebknecht


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