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Karl Liebknecht 19070811 Kein ängstliches Zurückweichen!

Karl Liebknecht: Kein ängstliches Zurückweichen!

Zeitungsbericht über eine Rede auf der Generalversammlung des Sozialdemokratischen Wahlvereins Potsdam – Spandau – Osthavelland in Hennigsdorf

[Leipziger Volkszeitung Nr. 189 vom 16. August 1907. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 2, S. 13 f.]

Über seinen Hochverratsprozess äußerte sich Genosse Liebknecht auf der Generalversammlung des Wahlvereins Potsdam-Osthavelland in seinem Referat über den Stuttgarter Kongress, den Parteitag in Essen und den in Preußen. Unter anderem führte er aus:

Hoffentlich werde das Experiment, das mit der Einberufung des internationalen Kongresses auf deutschem Boden gemacht ist, glücken; er vermute allerdings, manche Herrschaften in Deutschland werden Ohrensausen bekommen, wenn unsre ausländischen Parteifreunde sich in Stuttgart ebenso freimütig aussprechen, wie sie das in ihren Ländern und von den früheren Kongressen her gewohnt sind. Der Kongress werde die weitverbreitete Ansicht, als ob der internationale Sozialismus nur die deutsche Sozialdemokratie nebst einigen Anhängern im Auslande sei, gründlich widerlegen. Denn während die Tradition von der „sieggewohnten deutschen Sozialdemokratie" durch den allerdings nur äußerlichen Misserfolg bei der letzten Reichstagswahl erschüttert ist, haben unsre ausländischen Bruderparteien, namentlich in England, der Schweiz und Österreich, glänzende Fortschritte gemacht und werden dementsprechend auch ihren Einfluss auf dem internationalen Kongress geltend zu machen wissen. Das wird namentlich in der Frage des Antimilitarismus geschehen. Die deutsche Reichstagsfraktion hat in dieser Frage unter dem frischen Eindruck des Mandatsverlustes eine Haltung eingenommen, die einem ängstlichen Zurückweichen vor dem revolutionären Prinzip sehr ähnlich sah und auch ziemlich allgemein verurteilt worden ist. Unsre französischen und belgischen Genossen werden voraussichtlich darüber noch deutlicher sprechen.

Der Redner kam dann auch auf die gegen ihn schwebende Hochverratsanklage zu sprechen und prophezeite, dass der Prozess zu einem politischen Skandal ersten Ranges führen werde. Er (Redner) freue sich über die Anklage, sie erscheine ihm wie ein wahres Gottesgeschenk, weil uns mit ihr für den Kampf gegen die Reaktion in Preußen-Deutschland eine unschätzbare Waffe in die Hand geliefert worden sei. Nicht eine Einschüchterung, sondern eine Verschärfung der antimilitaristischen Propaganda werde die Folge sein. Auch vom Essener Parteitag dürfe wohl erwartet werden, dass er sich auf keine Abschwächung unsres grundsätzlich ablehnenden Standpunktes zum Militarismus einlassen werde.

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