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Karl Liebknecht 19100204 Gegen den unsozialen Geist im Gerichtskostenwesen

Karl Liebknecht: Gegen den unsozialen Geist im Gerichtskostenwesen

Rede zum Gesetzentwurf über die Abänderung des preußischen Gerichtskostengesetzes im preußischen Abgeordnetenhaus

[Nach Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 21. Legislaturperiode, III. Session 1910, l. Bd., Berlin 1910, Sp. 1225-1236 und nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 2, S. 466-483]

Meine Herren, wir begrüßen die Offenherzigkeit, mit der der Herr Justizminister dieses Gesetz als ein reines Finanzgesetz bezeichnet hat; es ist allerdings noch schlechter als ein reines Finanzgesetz, wie ich mir erlauben werde auszuführen.

(Lachen rechts.)

Auch die Motive sprechen deutlich aus, dass das Gesetz aus der Finanznot geboren worden ist. Ich muss es als ein Armutszeugnis betrachten, wenn der preußische Staat sich genötigt sieht, die Finanznot zu beseitigen durch eine Erschwerung der Rechtsverfolgung, durch eine Erhöhung der Gerichtskosten.

(Lachen rechts.)

Es ist sicherlich richtig, dass die Gerichtskosten in einem sehr hohen Maße doch Kosten sind, die im Interesse der Allgemeinheit aufgewendet werden. Wenn wir auch mit der heutigen Justiz ganz außerordentlich wenig zufrieden sind,

(Lachen rechts.)

können wir doch mit diesem Geständnis keineswegs zurückhalten. Insbesondere ist es geradezu eine Gefahr für die Allgemeinheit, wenn und soweit die Gerichtskosten prohibitiv wirken in Bezug auf die Rechtsverfolgung. Ich glaube, dass es möglich ist darzutun, dass schon unser heutiges Kostensystem an vielen Punkten diese prohibitive Wirkung ausübt, besonders gegenüber den wirtschaftlich Schwachen. Wenn die Justizkosten hoch sind, so ist doch die Höhe der Justizkosten und insbesondere der Zuschüsse, die dazu erfordert werden, ganz außerordentlich minimal im Vergleich zu anderen Kosten, die unserer Auffassung nach ohne Not vom Staate aufgewendet werden und deren Aufwendung unserer Überzeugung nach im Wesentlichen die Ursache für die Finanznot ist. Ich spreche insbesondere von den militärischen Kosten, die ja auch zweifellos auf die preußischen Finanzen in entscheidender Weise zurückwirken.

Von dem Herrn Vertreter des Finanzministeriums ist gesagt worden, dass der Grundsatz, der von dem Herrn Finanzminister bei seiner Etatsrede ausgedrückt worden ist, dass nicht nur eine möglichste Zurückhaltung in den Ausgaben notwendig sei, sondern vor allen Dingen auch eine pflegliche Behandlung der Einnahmen, hier auch Pate gestanden hat. Meine Herren, wir haben wohl die Beobachtung gemacht, dass seit jeher dieser Grundsatz, dass die Einnahmen pfleglich zu behandeln seien, in weit höherem Maße die Finanzgebarung des Staates beeinflusst hat als der andere Grundsatz, dass die Ausgaben möglichst einzuschränken sind, mindestens soweit es sich um Ausgaben handelt, die wir als kulturfeindlich zu betrachten haben. In Bezug auf die kulturfreundlichen und nützlichen und notwendigen Ausgaben besteht in Preußen allerdings eine ganz erstaunliche Zurückhaltung. Wenn die pflegliche Behandlung der Ausgaben ein Erfordernis ist, so möge die Königliche Staatsregierung auch bei gewissen Gerichtskosten zu sparen beginnen. Es ist nicht der geringste Zweifel – wir werden ja bei der Betrachtung des Justizetats auf diesen Punkt noch eingehen –, dass der Staat sich ganz überflüssigerweise dadurch finanziell außerordentlich belastet, dass er in allerhand Bagatellgeschichten und besonders in politischen Sachen Verfolgungen inszeniert, die ungeheure Kosten verursachen, ohne dass irgendein verständiger Grund dafür vorhanden ist.

Meine Herren, es ist in der Begründung der Vorlage darauf hingewiesen worden, dass die ungünstige Entwicklung der Staatsfinanzen ganz besonders seit dem Inkrafttreten der neuen Besoldungsordnung zutage getreten sei. Ich muss es als gerade nicht sehr nobel bezeichnen, dass man, nachdem nun den Beamten, besonders den unteren Beamten, der großen Masse der Beamten, gerade nur das zuteil geworden ist, worauf sie bereits seit längerer Zeit ein Recht haben, jede Gelegenheit benutzt, um diesen Beamten wieder unter die Nase zu reiben: Wir haben eigentlich viel zu viel für euch getan, ihr seid es, die uns in die Bredouille hineingebracht haben. Das ist durchaus ignobel. Wenn man bedenkt, in welch geringem Umfange doch den berechtigten Ansprüchen besonders der unteren Beamtenkategorien nachgegeben ist, so wird man in der Tat diesen Hinweis der Begründung auf das Alleräußerste bedauern müssen. Es kommt hinzu, dass diese Besoldungsordnung dem Staat ja doch wesentlich um deswillen aufgezwungen worden ist, weil durch andere Gesetze die Einnahmen anderer Schichten, besonders der privilegierten Schichten der Gesellschaft, die ja auch in diesem Hause sehr stark vertreten sind, verbessert worden sind. Infolge dieser verbesserten materiellen Lage der höheren Klassen ist eine Erschwerung der Lebenshaltung der unteren Klassen und damit auch der unteren Klassen der Beamten eingetreten. Wenn ihnen nun dafür eine Erhöhung der Gehälter zuteil geworden ist, dann ist es, wie ich nochmals betone, im höchsten Maße ignobel, wenn man ihnen in dieser Weise hier von neuem die Verbesserung der Gehälter unter die Nase reibt. Wir sehen aber hier bereits, wie dies Gerichtskostengesetz, auch soweit es ein reines Finanzgesetz ist, eine agrarische Wurzel hat. Man wird aber nicht nur eine agrarische Wurzel entdecken, sondern man wird bei genauerer Betrachtung auch sehen, dass es in sehr vielen anderen Beziehungen eine Begünstigung agrarischer Interessen zutage treten lässt und summa summarum einen im höchsten Maße unsozialen Geist atmet. Es reichen sich in diesem Gesetz wiederum, wie ja so häufig in preußischen Gesetzen, der Fiskalismus und der Agrarismus die Hand zu einem gemeinschaftlichen Bund. Ich bemerke, dass wir uns nicht wundern, dass dieser Erfolg eintritt, am wenigsten angesichts eines derartigen Finanzministeriums, wie wir es gegenwärtig in Preußen haben, das nach der rechten Seite dieses Hauses hin durchaus kein Rückgrat besitzt, sondern im Gegenteil ausschließlich bemüht ist, den Wünschen der rechten Seite des Hauses nachzukommen.

Meine Herren, unsere Partei fordert programmatisch, mit Rücksicht auf das Wesen der Justizkosten, wie ich es vorhin kurz charakterisiert habe, kostenlose Rechtsprechung. Nun gewiss, in Preußen sind wir noch nicht soweit, einen solchen Antrag mit Erfolg stellen zu können. Wir müssen sehen, was wir gegenwärtig proponieren können, in welcher Weise wir Sie selbst auf dem Boden der heutigen Gesellschaftsordnung zu einer sozialeren Gestaltung der Gesetze veranlassen können.

Unserer Ansicht nach ist zunächst die ganze Erhöhung der Gerichtskosten, wie sie in dem Gesetz vorgesehen ist, grundsätzlich zu verwerfen. Es wird in der Begründung auf Seite 15 hervorgehoben, dass die freiwillige Gerichtsbarkeit fast ausschließlich Akten der Rechtspflege diene, welche der Staat im Interesse von Privatpersonen vornimmt, außer bei Vormundschaftssachen. Das stimmt wohl nicht so ganz. Außer den Vormundschaftssachen gibt es noch andere ungemein wichtige Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die durchaus nicht im privaten Interesse vorgenommen werden, sondern ganz speziell im öffentlichen Interesse liegen. Ich denke dabei zum Beispiel an die Eintragungen ins Vereinsregister, soweit es sich um sozialpolitische oder politische Vereine handelt; ich denke des weiteren an den Austritt aus der Landeskirche, der leider in diesem Gesetz immer noch mit einer Gebühr belegt ist, während es doch ein nobile officium des Staates sein sollte, diesen Austritt kostenlos vor sich gehen zu lassen. Es ist bedauerlich, dass auch in Bezug auf das Vormundschaftswesen, von dem gerade die Begründung auf Seite 15 als von einer Ausnahme spricht, doch in mancher Beziehung neben einer Besserung noch eine Verschlechterung vorgenommen werden soll. Insbesondere ist die Vergünstigung einer Stundung und eventuell einer Niederschlagung der Gebühren jetzt beschränkt worden ausschließlich auf die unmittelbar zur vormundschaftsgerichtlichen Tätigkeit gehörigen Akte, während früher diese Stundung und eventuell Niederschlagung in weiterem Umfange stattfinden konnte, auch in Bezug auf gebührenpflichtige Akte, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vormundschaftsführung stehen.

Ich will diese Einzelheiten, die ich hier habe einschalten wollen, verlassen und mich wieder zu dem Allgemeineren wenden. In der Begründung heißt es weiter, eine angemessene Vergütung sei hier besonders um deswillen notwendig, sie sei ein Gebot der Gerechtigkeit, weil die Personen, die die Hilfe des Staates und der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Anspruch nähmen, ganz überwiegend den besitzenden Ständen angehörten. Das wird in der Begründung dadurch zu belegen versucht, dass die Niederschlagungen auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur 0,97 Prozent betragen, während auf dem Gebiet des Zivilprozesses, des Strafprozesses usw. der Prozentsatz höher ist. Meine Herren, ich bin der Überzeugung, dass diese Schlussfolgerung der Motive unbegründet, ein Trugschluss ist. Sollte nicht der geringe Umfang, in dem hier Gebühren ausgefallen sind, entscheidend zusammenhängen mit dem Vorschusswesen, das gegenwärtig bereits in der freiwilligen Gerichtsbarkeit einen ganz außerordentlichen, fast unerträglichen Umfang angenommen hat? Wenn Vorschüsse erhoben werden und von ihrer Zahlung die Tätigkeit der Gerichte abhängig gemacht wird, so ist ganz selbstverständlich, dass der Gebührenausfall stets ein sehr geringer sein wird. Bedauerlicherweise will ja der Entwurf auf diesem Gebiete noch weiter fortschreiten. Meine Herren, gerade durch diese Methode der vorschussweisen Erhebung der Gebühren errichtet man eine Barriere vor der Justiz, man gestaltet dadurch die Gebühren zu einem Prohibitivzoll, möchte ich sagen, für die Benutzung der Justiz. Ich bin der Überzeugung – und meine persönliche Erfahrung, ich habe ja gerade mit Angehörigen der unteren Stände in meiner Anwaltstätigkeit sehr viel zu tun, spricht dafür –, dass die ärmeren Klassen vielfach die Anrufung der Gerichte in der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterlassen mit Rücksicht auf die hohen Kosten und die Vorschussforderungen. Sie können also durchaus nicht sagen, dass dieses finanzielle Ergebnis, das in den Motiven zum Ausgangspunkt der eben erwähnten Darlegungen gemacht worden ist, zu einer solchen Schlussfolgerung Anlass gäbe, dass eine Erhöhung der Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – vielleicht sogar aus sozialen Gründen – am Platze sei, sondern im Gegenteil, mir scheint diese Ausführung der Motive vielmehr darauf hinzudeuten, dass es dringende Pflicht ist, die Gebühren in den unteren Klassen entweder gänzlich fallen zulassen oder jedenfalls wesentlich herabzusetzen und damit die Tore der Gerichte in der freiwilligen Gerichtsbarkeit weit zu öffnen für diejenigen, die mühselig und beladen sind und die am allerersten ein Bedürfnis danach haben, auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom Staate geschützt zu werden.

Nun haben soeben der Herr Justizminister wie der Herr Vertreter des Finanzministeriums als den wesentlichen Grundgedanken dieses Gesetzes eine Verminderung des Zuschusses, also einen finanzpolitischen Gesichtspunkt, bezeichnet. Mir scheint es danach nicht zu weit gegangen, wenn ich der Annahme Ausdruck gebe, dass die eben von mir erwähnte, etwas sozial schillernde Wendung in der Begründung doch nur den Zweck verfolgen soll, den durchaus unsozialen Charakter des Entwurfs vor der Öffentlichkeit zu kaschieren.

Meine Herren, wir haben in Einzelheiten Bedenken aller Art. Zunächst einmal halte ich die Erhöhung der Beschwerdekosten für etwas sehr Bedenkliches. Das bedeutet eine Erschwerung der Rechtsmittel gegenüber eventuell ungerechtfertigten, jedenfalls als unrichtig empfundenen Entscheidungen der Gerichte. Meiner Ansicht nach muss man die Rechtsmittel nach Möglichkeit erleichtern. Es ist eine Gefährdung des Vertrauens in die Justiz, das allerdings schon außerordentlich schwer gefährdet, wenn nicht bereits in weiten Kreisen gänzlich zerstört ist, wenn das Rechtsmittelwesen durch hohe Gebührensätze noch weiter eingeschränkt wird.

Wir sind der Überzeugung, dass sich auch sehr starke Bedenken geltend machen lassen gegenüber dem Pauschale für Schreibgebühren und für Auslagen. gewiss, es ist richtig, dieses Pauschale hat viele Befürworter in der Praxis gefunden, und ich bin der Überzeugung, dass die Anwaltschaft, vielleicht auch das Notariat vielfach dabei besser wegkommen. Aber, meine Herren, wenn ich auch selbst Anwalt bin, so darf ich hier die Interessen des Anwaltsstandes nicht vertreten, sondern ich bin verpflichtet, gemäß unseren programmatischen Grundsätzen gegen jede Verteuerung der Rechtspflege und auch gegen die Erhöhung der Einnahmen der Anwälte mit Nachdruck Protest einzulegen. Es wäre in der Tat, wie mir scheint, ein unerträgliches Ergebnis, wenn schlechthin jeder einzelne Rechtsuchende mit 10 bis 20 Prozent Erhöhung der Gebühr bestraft werden soll, auch in dem Augenblick, wo keine Auslage, nicht ein Pfennig Auslage entstanden ist. Zweifellos bereitet die Aufstellung der Auslagen hier und da Schwierigkeiten und ist lästige Arbeit, aber so lästig ist sie nicht, dass man um deswillen nun wieder das Publikum übermäßig zu belasten Veranlassung hätte und vor allen Dingen, dass man eine durchaus ungerechte und proportionale Verteilung der Auslagen der Kosten vornehmen dürfte. Denn darauf kommt es schließlich hinaus, wenn man jedem einzelnen das gleiche Maß von Auslagen aufbürdet. Das klügste wäre es meiner Ansicht nach, diese ganzen Bestimmungen, trotz des Versuches der Reichsgesetzgebung, auf diesem Wege vorzugehen, gänzlich fallen zulassen, zumal es in ziemlich hohem Maße von dem Willen der Parteien abhängt, in welchem Umfange sie Auslagen usw. entstehen lassen wollen. Es handelt sich in der Tat unserer Überzeugung nach sowohl bei dem Auslagenpauschale, wie bei dem Schreibgebührenpauschale zum Teil um eine verschleierte Gebühr. Ich verletze ja kein Geheimnis, wenn ich darauf hinweise, dass die Schreibgebühren auch gegenwärtig bereits in ziemlich hohem Maße die für die Schreibarbeit selbst entstehenden Kosten der Anwaltschaft übertreffen, dass man früher vielfach den Grundsatz vertrat, die Schreibgebühren müssten alle Auslagen des Anwalts decken. Ich kann hier mitten aus der Praxis berichten. Ich bin überzeugt, dass die Schreibgebühren nicht mehr in diesem Umfange wirken. Meiner Ansicht nach ist es aber überhaupt unberechtigt, Schreibgebühren in der Höhe zu erheben, dass sie nicht nur für Deckung der wirklichen Schreibkosten dienen, sondern zur Deckung der Gesamtauslagen der Anwälte und Notare.

Es ist nun in der Begründung zum Entwurf darauf hingewiesen, dass selbst trotz der Möglichkeit mechanischer Herstellung von Schreibwerk die Erhöhung der Gebühr auf 20 Pfennig am Platze sei. Gerade daraus ersieht man meiner Überzeugung nach auf das deutlichste, welche schiefe Bahn man hiermit betreten hat; denn niemand wird bestreiten wollen, dass es gegenwärtig bei Benutzung der Schreibmaschine, des Steindrucks usw., wie es bei der Justizverwaltung sehr oft der Fall ist, eventuell bei der Benutzung des Drucks, die Kosten außerordentlich vermindert worden sind. Es kann doch nicht die Rede davon sein, dass die Schreibunkosten gegenwärtig so hoch wären, dass es notwendig wäre, jede Seite mit 20 Pfennig zu vergüten.

Meine Herren, in Bezug auf das Vormundschaftswesen möchten wir den Wunsch aussprechen, dass der an und für sich sicherlich zu begrüßende Vorschlag des Entwurfs, nunmehr etwa bis zu einem Betrage von 1000 Mark zu gehen, noch weiter ausgedehnt wird, dass noch in höherem Umfange Gebührenfreiheit und ein Entgegenkommen der Staatsverwaltung eintreten möchten; denn der Fall der Vormundschaft ist vielleicht der Fall der größten Hilflosigkeit. Die Mündel haben schon genug darunter zu leiden, dass sie oft nicht die geringsten ihrer Angelegenheiten selbst besorgen können. Selbst bei kostenloser Vormundschaft verursacht ihnen ihre Lebensführung so viele Kosten, dass es nur eine Pflicht der Billigkeit ist, bei kleineren Vermögen die fiskalischen Interessen in größerem Umfange zurücktreten zu lassen und die humanen in den Vordergrund zu stellen und volle Gebührenfreiheit eintreten zu lassen. Also, das Entgegenkommen des Entwurfs, der eine gewisse Verbesserung bedeutet, genügt uns nicht. Wir hoffen, dass man in der Kommission weitergehen und eine weitere Grenze als nur 1000 Mark ziehen wird.

Wenn wirklich ein Finanzgesetz gemacht werden soll, so gibt es doch wirklich ein sehr einfaches Mittel, um die Einnahmen der Staatskasse zu vergrößern. Es ist das alte probate Mittel, das von unserer Partei seit jeher vorgeschlagen wird: entsprechend der Tragfähigkeit der Schultern die höheren Stufen kräftiger heranzuziehen und die unteren Stufen zu entlasten. Meine Herren, dass wir bei einem solchen Grundsatz, den wir überhaupt für jegliche Finanzgebarung des Staates aufstellen, auch jegliche Limitierung nach oben hin verwerfen müssen, ist ganz selbstverständlich. Einer der Herren Vorredner hat schon zutreffend darauf hingewiesen, wie unbegründet die Limitierung der Objekte nach oben bei der Generalvollmacht ist. Wenn man von 50.000 auf 60.000 Mark kommt, so will das nichts bedeuten. Die Bestellung von Generalbevollmächtigten kommt sicherlich überwiegend in den reicheren Klassen vor, wo es sich oft um Millionenobjekte handelt. Weshalb sollte man eine so außerordentliche Milde nach oben zeigen? Wir fordern also, dass diese Limitierung wegfällt; denn wir stellen die Auffassung in den Vordergrund, dass es nötig ist, die unteren Sätze in möglichst mäßigen Grenzen zu halten, wenn nicht aufzugeben und die höheren zu steigern.

Zu unserm Leidwesen sehen wir, dass der vorliegende Entwurf auch sonst in sehr wesentlichen Punkten genau das Entgegengesetzte getan hat. Es ist mir erfreulicherweise mancherlei kritische Arbeit von den Herren Vorrednern abgenommen worden, die auch diesen Gesichtspunkt in lebhaften Vorwürfen gegen den Entwurf der Staatsregierung zum Ausdruck gebracht haben.

Meine Herren, ist es nicht eigentlich eine ganz selbstverständliche Forderung, die wir aufzustellen haben, dass wenigstens eine annähernde Proportion zwischen dem Objekt und dem Kostensatz stattfinden muss? Ich will durchaus nicht verkennen, dass die Leistungen des Staates und der Justiz sich nicht im gleichen Verhältnis erhöhen wie das Objekt, dass man also eine absolute Proportion, wenn man sich auf den rein rechnerischen Standpunkt stellt, nicht wird fordern können. Aber wir meinen, dass, wie ich schon nachgewiesen habe, man ebenso wie die fiskalischen Gesichtspunkte auch die sozialen Gesichtspunkte bei der Bemessung der Gebühren in einem Gesetze in den Vordergrund stellen kann. Und, meine Herren, wir vermissen nicht nur jede wahre Proportion, wir vermissen auch jede annähernde Proportion; wir können sogar konstatieren, dass der Grundsatz des ganzen Gesetzentwurfs das Entgegengesetzte einer Proportion ist: Statt eines proportionalen Systems, statt eines progressiven Systems zeigt sich allenthalben ein regressives System. Ich möchte Sie auf Paragraph 47 hinweisen. In der Begründung zu Paragraph 47 wird folgendes bemerkt: Nach den Vorschlägen des Entwurfs würde die Gebühr bei einem Erlös von 50.000 Mark 170 Mark, bisher 290 Mark, bei 100.000 Mark 220 Mark, bisher 540 Mark, bei 1 Million 670 Mark, bisher 5040 Mark, bei 2 Millionen 1170 Mark, bisher 10040 Mark betragen. Ist es nicht geradezu unerhört, dass sich in einem Gesetz, das nach der Behauptung der Staatsregierung dem Zweck dienen soll, der Staatskasse höhere Kosten zuzuführen, eine Bestimmung findet, nach welcher bei Objekten von 2 Millionen Mark nicht weniger als nahezu 9000 Mark gegenüber früher geschenkt werden sollen? Wenn das nicht geradezu unerhört ist, wenn das nicht den Grundsätzen, von denen die Staatsregierung ausging, ins Gesicht schlägt, wenn das nicht aufs Deutlichste beweist, dass die Staatsregierung außerstande ist, auch nur den geringsten Grundsätzen der Gerechtigkeit zu folgen, so weiß ich nicht, wo man einen schlagenderen Beweis dafür beibringen könnte als gerade hier. In einem Moment, wo die Staatsregierung nicht aus noch ein weiß, wo sie nicht weiß, wo sie Geld herbekommen soll, schenkt sie den großen Vermögen solche Beträge. Das ist unglaublich.

(Zuruf.)

Ja, wenn solche Objekte nicht vorkommen, wozu soll dann die Bestimmung im Gesetz dienen? Ich kann wohl darauf hinweisen, dass sich die Begründung offenbar damit empfehlen will, selbstverständlich nicht der Sozialdemokratie und den ihr nahestehenden Kreisen, sondern den leider in diesem Hohen Hause herrschenden Parteien.

(Zuruf rechts.)

Ja leider, ganz gewiss!

Die Proportionalität fehlt gegenwärtig bereits fast allenthalben in Paragraph 57, in Paragraph 70 usw. Sie soll jetzt noch weiter gestört werden durch Paragraph 47, aber auch durch Paragraph 42, Absatz 1. Auch da hebt die Begründung der Königlichen Staatsregierung mit einer gewissen Selbstzufriedenheit hervor, dass zwar die Gebühren für die unteren Stufen verteuert würden, dass es aber bei den höheren Stufen – wenn ich nicht irre von 9000 Mark an, ich habe im Augenblick die Zahlen nicht genau im Kopf – dafür billiger wird als früher. Die Staatsregierung scheint wirklich von einer sonderbaren Auffassung ihrer sozialen Verpflichtungen ausgegangen zu sein.

Der Herr Vertreter des Finanzministeriums hat sich über die zehnprozentige Erhöhung dahin ausgelassen, dass sie ja für die kleineren Gebühren nicht so drückend sei, da träte sie ja eigentlich gar nicht in die Erscheinung. Das ist so die Auffassung der Herren, die sich absolut nicht in die Lage der ärmeren Bevölkerungsschichten hineinversetzen können. Für Sie, die ein Einkommen haben, das hinreicht, um ein angemessenes Leben zu führen, ist es eine Kleinigkeit, 10, 20 oder 30 Pfennig auszugeben, wir berechnen das eigentlich überhaupt nicht. Aber bedenken Sie nur einmal, dass, wenn es sich um geringe Objekte handelt, in allererster Linie ärmere Leute in Betracht kommen; bei denen spielt dann eine Ausgabe von 20 Pfennig immerhin eine erhebliche Rolle. In den ärmsten Kreisen bedeutet diese Ausgabe unter Umständen, dass man einen Tag wenigstens überhaupt nichts Ordentliches zu essen bekommt, die Lebenshaltung wesentlich herabdrücken muss. Es gibt solche Kreise, besonders in der gegenwärtigen Krise, worüber niemand im Zweifel sein sollte, der Anspruch darauf erhebt, die Zustände unseres Volkes zu kennen.

(Zuruf rechts.)

Die Kassenbeiträge? – Die dienen dem Kampfe gegen Sie, der notwendig ist, damit man überhaupt erst mal vorankommt.

(Heiterkeit rechts. – „Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Das sind die nützlichsten Kriegskosten, die es jemals gegeben hat, meine Herren.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Nun hat der Herr Vertreter des Finanzministeriums bei seiner Bemerkung über die Geringfügigkeit der Wirkungen für die kleinen Leute, man sähe diese Wirkungen kaum – man sieht sie nicht im Finanzministerium; diejenigen, die davon betroffen werden, sehen sie schon –, noch gänzlich übersehen, dass es sich ja gar nicht nur um die zehnprozentige Erhöhung handelt, sondern dass in dem Gesetzentwurf die Erhöhung der Mindestgebühr von 20 auf 50 Pfennig vorgeschlagen ist. Das bedeutet also gerade für die untersten Klassen eine Erhöhung nicht um 10 Prozent, sondern um 150 Prozent meine Herren.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Ist das ein Vorschlag, der von sozialem Geiste getragen ist? – Und wie wird das in den Motiven begründet? Hier wird darauf hingewiesen, dass man sonst ja keine rechte glatte Summe herauskriegen würde. Und deshalb springt man von 20 auf 50 Pfennig! Man hätte ja von 20 auf 30 Pfennig springen können, das wären immer noch 50 Prozent. Wir können nicht verkennen, dass diese Bestimmungen in der aller krassesten Form beweisen, wie wenig die Staatsregierung, wenn sie finanzpolitische Zwecke verfolgte, sich imstande gesehen hat, die allergeringsten Anforderungen der sozialpolitischen Gerechtigkeit zu erfüllen.

Ich will Ihnen an einem Beispiel zeigen, wie ungemein ungerecht unseres Erachtens die Gebührensätze wirken. Ich spreche von Paragraph 33 und will meine Vorwürfe nicht beschränken auf die Neuerung, sondern ich kann ruhig das gegenwärtig bestehende Gesetz, das hier einer dringenden Reform bedarf, zugrunde legen. Da ist zum Beispiel für ein Objekt von 21 Mark eine Gebühr von 70 Pfennig zu zahlen. Nehmen Sie ein Objekt von 210 Mark an, so müsste das nach derselben Proportion eine Gebühr von 7 Mark erfordern, zehnmal soviel, statt dessen wird nur eine Gebühr von 2,40 Mark erhoben. Hier beginnt bereits die Regression. Für ein Objekt von 2100 Mark müsste die Gebühr 70 Mark betragen, wenn man die erste Proportion annimmt, wenn man die zweite nimmt, 24 Mark, tatsächlich beträgt die Gebühr nur 7 Mark, also wieder eine Regression, und zwar auf weniger als ein Drittel des vorhergehenden Satzes. Wenn Sie ein Objekt von 21.000 Mark nehmen, so müsste an sich erhoben werden eine Gebühr von 700 Mark oder 240 Mark oder wenigstens von 70 Mark. Statt dessen wird eine Gebühr von 20 Mark erhoben, wiederum weniger als ein Drittel von der unmittelbar vorangehenden Progression. Bei 210.000 Mark geht es noch weiter. Je weiter man hinaufkommt, desto größer wird die Regression und damit die Ungerechtigkeit. Bei einem Objekt von 210 000 Mark wäre an und für sich 7000 Mark der Gebührensatz oder 2400 oder 700 Mark und nach der letzten Proportion wenigstens 200 Mark. Hier sinkt aber die Proportion regressiv auf nahezu ein Viertel herab. 51 Mark brauchen nur bezahlt zu werden. So geht es immer weiter hinauf. Ist das nicht eine gröbliche Ungerechtigkeit? Soll man sich angesichts dieser Gebührensätze wundern, wenn die Finanzverwaltung schlecht abschneidet? Da mag oben kräftig angepackt werden, dann wird man nach unten die Bahn freilassen können und doch ein günstiges finanzielles Ergebnis erzielen.

Ich will nun zu einigen speziell agrarischen Zügen des vorliegenden Entwurfs übergehen. Da ist zunächst die interessante Tatsache, die allerdings nicht nur den gegenwärtigen Entwurf trifft, dass nach Paragraph 96 des Gesetzes für die Beaufsichtigung von Fideikommissen nur drei Zehntel der Gebühr erhoben werden. Die Fideikommisse werden hier einfach den Stiftungen gleichgestellt. Das ist doch etwas, was im höchsten Maße der Verurteilung bedarf. Diese ermäßigte Gebühr für die Beaufsichtigung der Fideikommisse ist nichts weiter als eine von den vielen beliebten agrarischen Liebesgaben.

Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass die besonders im Grundbuchverkehr so häufig vorkommende Beglaubigungsgebühr, wie ich bereits vorhin bemerkte, bei den höheren Werten ermäßigt werden soll, während die geringeren Werte stärker belastet werden sollen. Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich auch hierin so eine kleine versteckte Liebesgabe der beliebten Art für die Herren Agrarier sehe.

Sehr interessant ist auch, dass nach dem Paragraphen 16 Absatz 2, den wir in gewissem Umfange billigen, Versteigerungen in das unbewegliche Vermögen wegen Kostenforderungen generell für unzulässig erklärt werden sollen. Diese Maßregel ist nach den Motiven aus dem Bestreben hervorgegangen, den Grundbesitz in der Familie zu erhalten. Diese Vorschrift findet durchaus unsere Sympathie, soweit sie den Zweck verfolgt, die armen Bauern, den kleinen Grundbesitz vor einem Vermögensverlust zu schützen. Aber es besteht gar keine Veranlassung, diese Vorschrift ohne jegliche Einschränkung zu treffen; es könnte eine Vermögensgrenze gezogen werden. Soll denn gegenüber einem großen Fideikommiss oder sonstigem Großgrundbesitz, für den es durchaus keine Gefährdung sein würde, wenn ein Teil davon etwa wegen einer Kostenschuld versteigert wird, jede Möglichkeit fehlen, eine Gerichtskostenschuld beizutreiben? Wir sind der Überzeugung, dass diese Bestimmung, wenn sie nicht zu einer höchst unsozialen werden und einen agrarischen Stempel tragen soll, dahin abgeändert werden muss, dass bei höherem unbeweglichen Vermögen eine Versteigerung auch wegen Gerichtskosten zulässig sein müsste.

(„Sehr richtig!" links.)

Recht interessant ist auch eine Bemerkung auf Seite 28 der Motive. Es wird dort mit besonderem Nachdruck die wesentliche Erhöhung der Gebühren für kleinere Grundstücke damit begründet, dass in gewissen Landesteilen wegen der Zersplitterung des Grundbesitzes die Grundstücksgeschäfte über geringe Werte sehr häufig vorkommen und die Gebühr dafür nicht mehr genüge. Die Einzelheiten habe ich ja vorhin bereits angeführt. Meine Herren, wir betrachten diese Auslassung der Begründung als einen sehr willkommenen Beitrag für die „Freundschaft" der Königlichen Staatsregierung gegenüber dem kleinen und mittleren Grundbesitz. Hier zeigt sich wieder, dass die Königliche Staatsregierung bereit ist, zwar die Interessen der großen Grundbesitzer nachdrücklichst wahrzunehmen, eventuell auch unter Ermäßigung der bisher bestehenden Gebührensätze, während sie gar kein Bedenken trägt, den mittleren und kleineren Grundbesitz schwerer zu belasten.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Eine Bestimmung des Entwurfs, die unserer Überzeugung nach auch sehr der Abänderung bedarf, befindet sich im Paragraphen 7, der eine gewisse Verbesserung des bisherigen Zustandes bringt. Es handelt sich um die Möglichkeit, gewisse Gebühren niederzuschlagen, und wir begrüßen diesen Versuch mit Freuden. Aber, meine Herren, mit der Ausführung des Grundgedankens können wir uns in keiner Weise einverstanden erklären. Es handelt sich darum, ob irgendwelche Gebühren oder Auslagen, die bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Verschulden des Staates oder seiner Beamten entstanden sind, einer Privatperson, einem Prozessbeteiligten überhaupt jemals sollen aufgebürdet werden dürfen. Meiner Überzeugung nach ist es etwas unfair, möchte ich geradezu sagen – dieser Vorwurf trifft natürlich keine einzelne Person –, wenn man überhaupt dem Recht suchenden Publikum ansinnt, dass es sich gar nicht irgendwelche Auslagen, irgendwelche Gebühren, die durch fehlerhafte Behandlung seitens der staatlichen Organe verursacht sind, auferlegen lässt, wo es doch an und für sich schon genug unter der fehlerhaften Behandlung leidet.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Ich bedaure, darauf hinweisen zu müssen, dass ja leider unsere Reichsgesetze ähnliche Grundsätze haben und sich in dieser Beziehung auch so wenig Noblesse dem Publikum gegenüber zu eigen gemacht haben. Wir finden, dass hier allenthalben der Fiskalismus sehr bedauerliche Blüten treibt. Wir sollten doch wahrhaft auch in dieser hohen Versammlung in der Lage sein, eine Mehrheit für den einfachen Grundsatz der einfachsten Gerechtigkeit zu finden, dass alle diejenigen Kosten, Auslagen, Gebühren usw., die durch fehlerhafte Behandlung der Sache entstehen, schlechterdings vom Staate zu tragen sind und nie und nimmer der Privatperson, der Partei auferlegt werden können. Es darf uns nicht genügen, wenn in dem Entwurf, wie auch vorher schon in geringerem Umfange in dem Gesetz, die Befugnis gegeben ist, solche Gebühren auf die Staatskasse zu übernehmen; es muss zu einer Pflicht gemacht werden – das fordern die Gerechtigkeit und der Anstand, möchte ich geradezu sagen.

Meine Herren, wir sind der Überzeugung, dass es noch auf einem anderen Gebiete einer bedeutsamen Reform gerade in der freiwilligen Gerichtsbarkeit bedarf. Ich spreche von dem Armenrecht. Wir haben ein wirklich geregeltes Armenrecht für das Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit leider noch nicht. Ich kann mir nicht denken, aus welchem Grunde man das Armenrecht auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht nach annähernd denselben und, wie ich anerkennen will, ziemlich humanen Grundsätzen regeln will, wie es auf dem Gebiete des Zivilprozesses und sogar des Strafprozesses in Bezug auf Privatklagen usw. gegenwärtig besteht. Mir scheint das auch eine Forderung der sozialen Gerechtigkeit zu sein. Vielfach ist ja im Publikum das gerichtliche Armenrecht nicht besonders beliebt, weil besonders in den großen Städten die Bevölkerung vielfach der irrigen Auffassung lebt, als ob ihnen mit der Gewährung dieses Armenrechtes auch die Brandmarkung der Entziehung der politischen Rechte zuteil werde. Das ist ja nun nach unserer Gesetzgebung im Reiche nicht der Fall, und es würde selbstverständlich conditio sine qua non für uns sein, irgendeiner Regelung dieser Angelegenheit zuzustimmen, dass auch die Landesgesetzgebung dieses Armenrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne der Reichsgesetze usw. behandelt.

Meine Herren, Sie sehen, dass in hohem Umfange die Möglichkeit besteht, an diesem Gesetze noch Verbesserungen anzubringen, und dass die Vorlage einer gründlichen Umgestaltung bedarf, wenn neben dem Gesichtspunkte – meinethalben –, dass von den tragfähigen Schultern mehr Geld eingezogen wird, damit dem armen Fiskus ein klein wenig auf die Beine geholfen wird, den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit mit der nötigen Rücksichtslosigkeit und Klarheit Folge gegeben werden soll.

Wir haben allerdings – das muss ich gestehen – recht wenig Aussicht auf Erfolg. Ich habe zu meinem Bedauern vorhin aus dem Munde des Herrn Vertreters des Herrn Finanzministers hören müssen, dass jetzt nun auch gar das Verwaltungsgerichtsverfahren verteuert werden soll. Ich bin fest überzeugt, dass der Herr Vorredner, der auf die niedrigen Gebühren im Verwaltungsgerichtsverfahren hingewiesen hat, keineswegs damit den Zweck verfolgt hat, die Staatsregierung sofort zu einem Einschreiten in dieser Richtung zu veranlassen; er hat wahrscheinlich nur darauf hinweisen wollen, dass man dem guten Beispiel in der Verwaltungsgerichtsbarkeit möglichst auch auf den anderen Gebieten der Gerichtsbarkeit Folge leisten möge. Aber in Finanzangelegenheiten kennt die Königliche Staatsregierung kein Erbarmen, und wenn man ihr einmal den kleinen Finger gibt, nimmt sie die ganze Hand, und wo etwas der Gebühr unterworfen werden kann, geschieht es; es dürfte schwer sein, irgend jemand ausfindig zu machen, der noch irgendeinen Akt finden könnte, der bisher keiner Gebühr unterworfen worden ist. Ich entsinne mich allerdings, dass in dem Gesetzentwurf eine Bestimmung enthalten ist, die auf eine ungemeine Weitherzigkeit in fiskalischer Beziehung deutet. Es ist nämlich für erforderlich gehalten worden, im Gesetz ausdrücklich zu sagen, dass für Anordnung einer Strafe keine besondere Gebühr bezahlt werden muss. Das ist die einzige Stelle, glaube ich, in dem ganzen Gesetzentwurf, wo einmal davon die Rede ist, dass keine Gebühr bezahlt zu werden braucht. Aber, meine Herren, dass die Verwaltungsgerichtskosten auch noch erhöht werden sollen, das möchte ich bereits im Voraus als einen höchst bedauerlichen Entschluss der Königlichen Staatsregierung bezeichnen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Summa summarum sehen wir in diesem Entwurf, wie er gegenwärtig gestaltet ist, so vielerlei Spuren von bösartigem Fiskalismus und von bösartigem Agrarismus und von unsozialem Geist überhaupt, dass sie uns allenthalben schrecken; es haben diesem Gesetz schlechte Grundsätze, schlechte politische Gesichtspunkte Pate gestanden. Meine Herren, sorgen Sie dafür, dass aus dem im Augenblick unannehmbaren Gesetz in der Kommission doch noch vielleicht ein wenigstens einigermaßen annehmbares Gesetz werden möge.

(„Bravo!" bei den Sozialdemokraten.)

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