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Karl Liebknecht 19150318 Brief an Albert Baumeister

Karl Liebknecht: Brief an Albert Baumeister

[Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Zentrales Parteiarchiv, NL-1/33. Nach Gesammelte Reden und Schriften, Band 8, S. 218 f.]

Berlin, 18. 3. 15

Werter Genosse Baumeister!

Was mich zu den Angriffen gegen die „IK"1 veranlasste, war die Tendenz, die die Sammlung und Aufmachung des Materials bestimmt. Ich würde jede internationale Korrespondenz von Herzen begrüßen, die das Gewicht legen würde auf alle Äußerungen und Tatsachen aus dem Ausland, die die internationale Interessengemeinschaft der Proletarier, die Erscheinungen des Klassenkampfs in den verschiedenen Ländern aufweisen und jede Friedensregung, jede Opposition gegen den Krieg. Die Anführung auch der entgegengesetzten Äußerungen u. Tatsachen ist natürlich nötig und unvermeidlich. Sie in den Vordergrund zu rücken, das Entgegengesetzte zurücktreten lassen heißt: den Chauvinismus fördern, die Internationale schädigen, ihre Zukunft aufs äußerste gefährden, den Krieg verlängern, das Proletariat Deutschlands verwirren, den Klassenkampf aufs Gefährlichste stören. Ich bitte mich nicht misszuverstehen: Ich zweifle nicht daran, dass das Proletariat alle diese Gefahren siegreich überwinden wird. Ich bin kein Pessimist, sondern ein Optimist, ein Optimist des Kampfes.

Einzelne Unvollständigkeiten zu rügen, darauf kommt es mir hiernach nicht an, wenigstens ist das vergleichsweise nebensächlich.

Eines aber möchte ich doch einzeln in aller Eile hervorheben: In einer Ihrer letzten No. bringen Sie eine Information über die Verhaftung der Genossin Luxemburg. Diese Information ist, wie Sie inzwischen wohl auch erkannt haben, unzutreffend. Am 13. Februar bereits war Anweisung auf Durchführung der Strafvollstreckung gegeben – u. zwar wegen verschiedener Versammlungen, speziell einer Versammlung vom 10. 2. (Charlottenburg). Erst am 17. 2. wurde die Passsache aktuell. Der Pass wurde von der Polizei – und dann die Genehmigung zur Reise ins Ausland am gleichen Tag beim Staatsanwalt in Frankfurt am Main [beantragt] – auf dessen Anweisung am 18. die Verhaftung erfolgte. Der „Fluchtverdacht" ist ein um so elenderer Vorwand, als Rosa zum Termin nach Frankfurt aus London gekommen war und im April 1914 mit der Strafe auf dem Buckel mit der Genehmigung des Staatsanwalts ins Ausland gereist war.

Ich bitte Sie sehr, dies in einer Ihrer nächsten No. richtigzustellen. Das Obige beruht auf dem Akteninhalt. Gern würde ich mich mit Ihnen ausführlicher auseinandersetzen. Natürlich liegt der diametrale Gegensatz unserer politischen u. taktischen Auffassung unserer Differenz über die „IK" zugrunde. Ich muss am Tag nach Reichstagsschluss2 bis Mittag 12 Uhr einrücken. So ist meine Zeit allzu knapp.

Mit Parteigruß

K. Liebknecht

1 „Internationale Korrespondenz" (IK) – ein von dem rechten Sozialdemokraten und Gewerkschaftsbeamten Albert Baumeister geleiteter und von der Generalkommission der Gewerkschaften finanzierter Pressedienst für Fragen der internationalen Politik und Arbeiterbewegung. Die IK unterstützte die Kriegspolitik in sozialchauvinistischem Sinne. Sie erschien in Berlin von 1914 bis 1917.

2 Das hieß am 21. März 1915; am 20, März wurde der Reichstag bis zum 18. Mai 1915 vertagt.

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