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Karl Liebknecht 19150218 Brief an Unbekannt

Karl Liebknecht: Brief an Unbekannt

[Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Zentrales Parteiarchiv, NL-1/35. Nach Gesammelte Reden und Schriften, Band 8, S. 195 f.

18. 2. 15

W. G.!

Besten Dank für Ihren freundlichen Brief – Sie verzeihen, wenn ich Ihnen nicht stets geantwortet habe; ich bin sehr stark in Anspruch genommen.

Wegen des 4. August: Ich habe – mit mehreren andren Genossen – vor dem 4. 8. alles Menschenmögliche getan, um die Fraktion zur Verweigerung der Kredite zu bewegen. Wir haben einen Minderheitsvorschlag der Fraktion unterbreitet usw. Gegen unseren schärfsten Widerspruch beschloss die Fraktion dennoch die Zustimmung zur Vorlage.

Meine Bemühungen, die Minderheit zu einer Kundgebung ihrer abweichenden Meinung im Plenum zu veranlassen, misslangen leider. Mich ganz allein von meinen engsten Freunden aus dem radikalen Lager zu trennen schien mir damals nicht angezeigt – niemand konnte ja diesen Verfall der Partei vorausahnen. Es ging am 3./4. 8. alles Hals über Kopf. Wir hatten nur Stunden, ja Minuten Zeit u. standen zu unserem Schrecken plötzlich vor einer völligen Zersprengung des radikalen Flügels. Haase, selbst von der Minderheit, ließ sich zur Verlesung der Mehrheitserklärung bestimmen! -

So fügte ich mich am 4. August mit Zähneknirschen der Mehrheit. Ich habe das selbst von Anfang an aufs Tiefste bedauert u. bin bereit, mir jeden Vorwurf deswegen gefallen zu lassen. Am 2. 12. ließ ich alle Rücksicht fallen, nachdem ich in wochenlangem Bemühen vergeblich ein öffentliches Auftreten der Minderheit u. die Genehmigung der Fraktion dazu angestrebt hatte.

Freundl. Gruß

Ihr K. Liebknecht

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