Glossen zur Fraktionsdisziplin

Glossen zur Fraktionsdisziplin

Die Ablehnung des Antrages Ledebour vom 2. Februar ergibt, dass es zwar den Fraktionsmitgliedern verboten sein soll, ihre abweichende Meinung öffentlich zu zeigen, dass es ihnen aber erlaubt ist, durch abweichende Handlungen einen Fraktionsbeschluss zu Fall zu bringen. Die Tendenz des 2. Absatzes des Vorstandsantrages, auf den Schein der Einmütigkeit entscheidendes Gewicht zu legen und der Öffentlichkeit Einhelligkeit der Fraktion vorzuspiegeln, auch wo sie nicht besteht, offenbart sich in diesem Recht auf heimliche Sünde am drastischsten.

Überaus erheiternd wirkt die Umkehrung der Rollen, die sich genau siebenmal 24 Stunden nach dem 2. Februar 1915 vollzog. Diesmal waren es die begeisterten Anhänger der Reichstagsfraktionsmehrheit („Hamburger Echo", Frankfurter „Volksstimme", Haenisch usw.), die allem „Parteiburgfrieden" zum Trotz wütend Sturm liefen gegen die – Mehrheit der preußischen Landtagsfraktion, weil sie sich erdreistet hatte, ein wenig Oppositions- und Friedenspolitik zu treiben. Diesmal war es die Mehrheit der preußischen Landtagsfraktion, die von jenen Auguren der Fraktionsdisziplin des Disziplinbruchs geziehen wurde; Disziplinbruch nicht wegen Verletzung von Parteitagsbeschlüssen oder Programmlehren, sondern wegen Unbotmäßigkeit gegen – die Mehrheit der Reichstagsfraktion. Jubelt, Genossen! „Habemus Papam!" Wir haben einen neuen Papst.

Auch in der Sitzung der preußischen Landtagsfraktion vom 23. Februar 1915 zeigten sich die Früchte des glorreichen Kesseltreibens gegen die Quertreiber. Hue (natürlich unter weidlicher Entrüstung über den Disziplinbruch Liebknechts), Haenisch und mit einer Variation auch Leinert drohten, öffentlich im Plenum gegen Ströbel zu polemisieren, wenn ihm die Fraktionsmehrheit gestatte, gewisse Ausführungen über den Frieden nicht nur – wie Hue und Haenisch verlangten – ausdrücklich im Namen eines Teiles der Fraktion, sondern im Namen der Fraktion zu machen. Diese Drohung verhinderte die Rede Ströbels.

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