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Karl Liebknecht 19161000 Brief an Sophie Liebknecht

Karl Liebknecht: Brief an Sophie Liebknecht

[IML, ZPA, NL 1/65, Bl. 86/87. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 9, S. 314-316]

Liebste!

1. Die Papiere (Jadw.) sollen gut aufbewahrt werden.

2. Sehr lieb wäre mir, wenn ich alle die einzelnen Aufzeichnungen über Fraktionssitzungen, Sitzungen des Zentralvorstands, der preußischen Landeskommission usw. haben könnte. Das Heraussuchen wird schwerfallen. Meist wird sich's um mehrere Zettel in einem größeren Bogen Papier handeln; zuweilen vielleicht nur um einen Zettel voll unleserlicher Notizen – mit kurzer Aufschrift („Frakt.Sitz. vom … " oder ähnlich). Vieles war noch – bei der Verhaftung – im Schreibtisch, im rechten Schränkchen. Es wäre gut, wenn ich die Sachen hier noch ausarbeiten könnte. Du müsstest sie dann mir beim Besuch übergeben, so dass sie vom Wächter in meiner Gegenwart durchgesehen werden. Also sieh, ob Du dazu kommst! Nur Du kannst es machen. Und höchste Vorsicht, dass nichts durcheinander kommt

3. Das Schlusswort1 schickte ich nur heraus, damit Ihr die endgültige Form habt. Doch wäre es gut, wenn im Bericht erwähnt würde, dass ich „den Wortlaut meiner Schlussausführungen wegen der Erfahrungen mit dem Urteilstatbestand nachträglich noch schriftlich zu den Akten gereicht habe" (notiere das bitte auf). Es kann auch das Begleitschreiben ans Gericht (mit dem ich das Schlusswort überreichte) abgedruckt werden u. zugefügt werden: „Diesem Schriftsatze sind die Schlussausführungen L.s – vgl. Seite – beigefügt." Was ihr wollt.

4. Wegen der Druckfehler kein Haarausraufen. Man ärgert sich unvermeidlich über so was; sorgt, dass es nicht wieder vorkommt u. korrigiert wird u. Schwamm drüber.

5. Eine „große Druckerei" braucht man doch nicht! Ich vertraue, dass Ihr das Nötige findet. Nach dem – im Übrigen widerwärtigen – Antrag der Arbeitsgem.sch. werden die Akten ja schon allernächstens in den Händen der Abg. sein; so dass alle Bedenken schon jetzt fallen.

6. Wer ist der „Irgendwer" mit dem Geld? Wenn er nicht suspekt (d. h. also ohne weiteres, wenn er für die Intern. Geld mit unsrem Wissen gegeben), so nur zugegriffen, u. nicht zu knapp. Aber klarstellen, dass nicht für mich persönlich!

7. Zuchthaus-Verkehr ist noch nicht fest regelbar; die Bedingungen noch unbekannt. Punktieren2; ev. Kassiber per Speisen oder Wäsche (einnähen, ganz dünnes Papier oder weißer Stoff). Falls wir uns nicht vorher verständigen, muss es per punktieren geschehen – Speisen wirst Du doch dann u. wann schicken können. Zitrone ist zweifelhaft – ich werde schwerlich Feder haben zum Schreiben! Nun, wir überlegen noch.

8. Keinesfalls zu Leuss. [?]. Überhaupt ganz vorsichtig im Verkehr mit allen nicht genau Bekannten sein. Ich ekle mich vor diesen Lumpen u. Lümpchen u. dem Sumpfgezücht. Nur wer zu handeln bereit ist verdient Vertrauen; alle andren stoß von Dir.

9. Anbei noch ein paar Kleinigkeiten für den Bericht3 – die Eingabe gegen die „Sympathieerklärung" in Maschinenabzug (in Handschrift hattest Du sie schon); die andre ist wichtig u. neu. Die Akten sind natürlich bei Bethmann – u. ich sitze hier umsonst in Haft! Toll. Morgen lass' ich mich vorführen, um auch noch so Krach zu schlagen.

Der Protest gegen die Sympathieerklärung war nötig; ich verfasste ihn allerdings, ehe ich von Kätes Protest hörte.4 Sag Käte, dass ich sehr froh über ihre scharfe Zurückweisung dieser niedrigen Demagogie bin. Sie hat überhaupt ihren Mann gestanden (mit einem Punkt ihrer Ausführungen bin ich nicht ganz einverstanden).

10. Noch – auf bes. Zettel! – einige kleine Korrekturen zum Bericht – hab noch einmal Geduld mit meiner ewigen Bastelei!!

11. Das neue Verfahren gegen mich – um was sich's handelt, weiß ich nicht – ist nur in einer Hinsicht von Wichtigkeit: Es kann Haussuchungen usw. die Tür öffnen. Also Vorsicht. Und, bei Vernehmungen, „aus Prinzip" jede Aussage, selbst über persönliche Verhältnisse, verweigern.

12. Weise auf das zu 11. auch die andren hin.

13. Rauchmaterialien waren so knapp. Selbst Pfeifentabak ist alle. Bring auch billige, leichte, große Zigarren u. Pfeifentabak.

14. Ich habe den gestrigen Tag in Arbeit verlebt – u. Du? Nun, ich werde bald hören.

Ich küsse Dich, Liebste, tausendmal u. umarme Dich

Dein K.

Viele Küsse den Kindern.

1 Die folgenden Hinweise betreffen „Das Zuchthausurteil gegen Karl Liebknecht", das um diese Zeit für die Veröffentlichung vorbereitet wurde. Das von Karl Liebknecht erwähnte Schlusswort ist in der Schrift nicht enthalten. Die Red,

2 Eine Methode Karl Liebknechts, geheime Nachrichten aus dem Zuchthaus zu schmuggeln. Sophie Liebknecht bemerkte dazu: „Mein Mann schickte entweder die ,Deutsche Tageszeitung' oder die Beilage zu dieser Zeitung an uns zurück und punktierte mit Bleistift auf einer verabredeten Seite nach einem bestimmten System (nach welchem, weiß ich nicht mehr). Besonders geschickt im Entziffern war Karls kleine Tochter Vera (damals 11 bis 12 Jahre alt), die sich immer nach Empfang der Zeitungen sofort auf ihren Platz begab und zu entziffern begann." (IML, ZPA, NL 1/65, Bl. 162/163.)

3 Gemeint ist das Manuskript der Broschüre „Das Zuchthausurteil gegen Karl Liebknecht". Die Red.

4 Auf der Reichskonferenz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vom 21. bis 23. September 1916 hatte Käte Duncker im Namen der Gruppe „Internationale" scharf gegen eine Entschließung protestiert, in der die Konferenz die Verurteilung Karl Liebknechts bedauerte, gleichzeitig aber seine Anschauungen und Handlungen entschieden verurteilte. Käte Duncker hatte sich dagegen verwahrt, dass Verräter an der Arbeiterklasse, die durch ihre Unterstützung der Kriegspolitik der Regierung mitschuldig an der Verurteilung Liebknechts waren, eine solche Entschließung einbrachten.

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