Haftbefehl 19160503

Kommandanturgericht Berlin

Berlin, den 3. Mai 1916

Haftbefehl

Der Armierungssoldat Karl Liebknecht ist in Untersuchungshaft zu nehmen, weil er dringend verdächtig ist, in Berlin am 1. Mai 1916 durch eine fortgesetzte Handlung öffentlich vor einer Menschenmenge und durch Verbreitung von Schriften zum Ungehorsam gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen aufgefordert, ferner seinen Ungehorsam gegen einen Befehl in Dienstsachen durch Nichtbefolgung betätigt und dadurch die Gefahr eines erheblichen Nachteils im Felde herbeigeführt und endlich einem Beamten, der zur Vollstreckung von Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbehörden berufen war, in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes durch Gewalt Widerstand geleistet zu haben (§§ 110, 113 RStGB, §§ 92, 93, 92 MStGB und Allerh. Verordnung vom 31. 7. 14), und weil die Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin die Verhaftung erfordert (§ 176, 3 MStGO).

Der Gerichtsherr

gez. v. Boehn

Kommandanturgericht Berlin

Berlin, den 3. Mai 1916

HaftbefehlA

Der Armierungssoldat Karl Liebknecht ist in Untersuchungshaft zu nehmen, weil er ferner dringend verdächtig ist, vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges einer feindlichen Macht Vorschub geleistet zu haben (§ 89 des RStGB)1, und weil ein Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildet (§ 176 Nr. I MStGO).

Der Gerichtsherr

gez. v. Boehn

A Der Polizeipräsident v. Jagow bemühte sich, aus den Handlungen Karl Liebknechts Landes- und Kriegsverrat zu konstruieren. Der zuständige Kriegsgerichtsrat Matschke sträubte sich nun am 2. Mai, den Haftbefehl wegen Landesverrats zu erlassen. Am Morgen des 3. Mai, als er Karl Liebknecht eben den Haftbefehl wegen Ungehorsams eröffnet, wird er abgerufen zur Kommandantur; dort wird ihm befohlen, Haftbefehl wegen Landesverrats zu erlassen. So entstand der zweite Haftbefehl. Am Tage danach wurde Matschke versetzt, und Dr. Coerrens trat an seine Stelle.

1 § 89 RStGB lautet: „Ein Deutscher, welcher vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges einer feindlichen Macht Vorschub leistet oder der Kriegsmacht des Deutschen Reiches oder der Bundesgenossen desselben Nachteil zufügt, wird wegen Landesverrats mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zehn Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Ämter sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden." – § 57 MStGB lautet: „Wer im Felde einen Landesverrat begeht, wird wegen Kriegsverrats mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft,"

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