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Karl Liebknecht 19160322 Gegen Geheimdiplomatie im Parlament

Karl Liebknecht: Gegen Geheimdiplomatie im Parlament

Rede zur Geschäftsordnung im Deutschen Reichstag

[Nach Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, II. Session, Bd. 307, Berlin 1916, S. 780 und nach Gesammelte Reden und Schriften, Band 8, S. 554 f.]

Meine Herren, ich halte es für meine Pflicht, diesem Beschlusse1, von dem der Herr Präsident soeben Mitteilung gemacht hat, nachdrücklich zu widersprechen.

(Lachen und Zurufe.)

Es handelt sich um eine Frage, die das öffentliche Interesse auf das Lebhafteste erregt. Hinter den Kulissen wird mit aller Macht gearbeitet. Wir werden vielleicht in einigen Tagen vor eine vollendete Tatsache gestellt werden: Tirpitz redivivus, der mit seiner Politik im Sterben liegende Tirpitz wird – in veränderter Gestalt – vor uns treten.

(Glocke des Präsidenten. Große Unruhe. – Rufe: „Ruhe! Ruhe!")

Das Volk hat ein Recht, dass über diese wichtige Frage sofort heute öffentlich verhandelt wird,

(Andauerndes Läuten der Glocke.)

dass nichts vertuscht, nichts versteckt wird.

(Glocke des Präsidenten. – Erneute Rufe: „Ruhe! Ruhe!")

Präsident: Von „Vertuschen und Verstecken" ist gar keine Rede. Ich muss Sie bitten, sich in parlamentarischen Formen zu bewegen!

Liebknecht: Im preußischen Abgeordnetenhaus ist nach derselben Methode verfahren worden.

(Rufe: „Das ist nicht zur Geschäftsordnung!" – Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter Dr. Liebknecht, das ist nicht zur Geschäftsordnung!

Liebknecht: Ich erhebe Widerspruch gegen diese volksschädliche Art Politik, die hier betrieben wird, gegen diese Fortsetzung der diplomatischen Geheimpolitik im Parlamente.

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Meine Herren, ich glaube, dass diese Erklärung auf den Fortgang unserer Verhandlungen keinen Einfluss ausüben kann.

Das Wort hat nunmehr der Herr Abgeordnete Keil.

1 Die U-Boot-Frage sollte „bis auf weiteres" aus der ersten Lesung des Reichshaushaltsetats herausgehalten werden.

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