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Karl Liebknecht 19181106 An den VI. Allrussischen Sowjetkongress

Karl Liebknecht: An den VI. Allrussischen Sowjetkongress

Grußschreiben

6. November 1918

[Шестой всероссийский чрезвычайный съезд советов рав., кр., каз. и красноарм. депут. Moskau 1919, S. 120/121. Nach Gesammelte Reden und Schriften, Band 9, S. 588-590. Rückübersetzung aus dem Russischen. Diese Grußbotschaft Karl Liebknechts – ihr folgten die Begrüßungsschreiben der Spartakusgruppe und Franz Mehrings – wurde am 6. November 1918 unmittelbar nach der Rede W. I. Lenins vor den Deputierten verlesen.]

Werte Genossen!

Ein Jahr ist vergangen, seit die Arbeiter, Bauern und Soldaten Russlands den russischen Imperialismus zu Boden warfen. Die Imperialisten des Vierbundes triumphierten. Die erbittertsten Feinde der Arbeiterklasse – die Hohenzollern, die Hindenburg, die deutschen Generäle, Junker, Kapitalisten und Reaktionäre – schrien begeistert: „Sieg!"

Wie ein Rudel Wölfe und Hyänen stürzten sie sich auf das waffenlose Russland, plünderten und schlugen es, rissen es in Stücke, tränkten es mit dem Blut von Zehntausenden seiner revolutionären Kämpfer. „Sieg! Triumph!" jauchzten die Würger. Aber die soziale Revolution, die sie als Instrument für ihre Zwecke auszunutzen gedachten, hat ihre Pläne zunichte gemacht. Selbst die Niederlage auf dem Schlachtfeld war eine Tat des revolutionären Geistes, und es wurde offenbar, dass der Militarismus nicht in der Lage ist, diesen Geist der Revolution zu unterdrücken, sondern nur, ihn zu verstärken, dass er nicht in der Lage ist, ihn zu vernichten, sondern nur, ihn zu verbreiten.

Wir stehen an einem Wendepunkt der Geschichte. Die Revolution ist für die Werktätigen und Unterdrückten aller Völker zum Appell und zum Kampfruf geworden. Die russische Sowjetrepublik wurde zum Banner der kämpfenden Internationale, sie rüttelt die Zurückgebliebenen auf, erfüllt die Schwankenden mit Mut und verzehnfacht die Kraft und Entschlossenheit aller. Verleumdung und Hass umgeben sie. Doch sie erhebt sich hoch über diesen ganzen schmutzigen Strom – ein großartiges Werk voll gigantischer Energie und edelsten Idealen. Eine neue, bessere Welt nimmt ihren Anfang.

Und dieses Werk wurde vom russischen Proletariat geschaffen, dem ausgebeutetsten Proletariat Europas, das sich noch vor wenigen Monaten unter der Faust der Zarenschergen befand und dessen beste Kämpfer noch vor kurzem in den Kasematten der Peter-Pauls-Festung, Schlüsselburgs oder im Schnee Sibiriens schmachteten.

Hört das, ihr Herrscher, und zittert! Mit Hilfe eines Walls aus Randstaaten, die sie nach eigenem Muster schufen, in denen der Bolschewismus mit Feuer und Eisen ausgebrannt wird, glaubten die Mittelmächte sich vor der lodernden Flamme retten zu können. Doch vergeblich! Diese Flamme übersprang alle Hindernisse – Bulgarien und Österreich-Ungarn stehen in Flammen, und in Deutschland züngeln die Flammen dieses heiligen Feuers an Hunderten Stellen zugleich empor. Die Revolution des deutschen Proletariats hat begonnen. Diese Revolution wird die russische Revolution vor allen Schlägen retten und die Grundfesten der imperialistischen Welt zum Einsturz bringen.

Das Russland der Arbeiter und Bauern, das heute seinen ersten Geburtstag begeht, und das revolutionäre Deutschland, das in diesen Wochen geboren wird, sind in ihrem Schicksal untrennbar miteinander verbunden.

Wir grüßen Sowjetrussland am Tag seines Triumphes und schwören, alle unsere Kräfte für die Lösung der historischen Aufgabe des deutschen Proletariats anzuspannen, für die Vernichtung des deutschen Klassenstaates, für die Schaffung der sozialistischen Republik Deutschland.

Mit Euch sind unsere Herzen. Eure Sache ist auch unsere Sache. Nieder mit allen Thronen und Kronen!

Nieder mit der Klassenherrschaft, nieder mit dem Weltimperialismus!

Es lebe die russische Revolution!

Es lebe das Sowjetrussland der Arbeiter und Bauern!

Es lebe die soziale Weltrevolution!

Es lebe die Diktatur des internationalen Proletariats!

Karl Liebknecht

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