Karl Liebknecht‎ > ‎1918‎ > ‎

Karl Liebknecht 19181110 „Feinde ringsum!"

Karl Liebknecht: „Feinde ringsum!"

Rede in der Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte im Zirkus Busch1

10. November 1918

[Nach dem Stenogramm Richard Bernsteins, Teilnehmer dieser Konferenz. IML, ZPA, St 20/1, Bl. 45/46. Nach Gesammelte Reden und Schriften, Band 9, S. 596 f.]

Ich muss Wasser in den Wein Eurer Begeisterung schütten. Die Gegenrevolution ist bereits auf dem Marsche, sie ist bereits in Aktion! (Rufe: Wo denn?) Sie ist bereits hier unter uns! Wer hat zu Ihnen gesprochen, waren das Freunde der Revolution?2 (Rufe: Nein! – Lebhafte Gegenrufe: Ja!) Lesen Sie, was nach dem Willen des Reichskanzlers Ebert (Ruf: Ohne den wären Sie noch gar nicht da!) der „Vorwärts" geschrieben hat. Das war eine Verleumdung der Revolution, die gestern geschlagen worden ist. Es drohen Gefahren für die Revolution von vielen Seiten. (Rufe: Von Ihnen!) Gefahren nicht nur aus den Kreisen, die bis dahin das Heft in der Hand gehabt haben, als Scharfmacher, Agrarier, Junker, Kapitalisten, Imperialisten, Monarchisten, Fürsten, Generäle, sondern auch von jenen, die heute mit der Revolution gehen und vorgestern noch Feinde der Revolution waren. (Stürmische Unterbrechungen: Einigkeit, Einigkeit! – Gegenrufe: Nein! – Rufe: Abtreten!) Seid vorsichtig in der Wahl der Männer, die Ihr in die Regierung setzt, in der Wahl Eurer Führer, die Ihr vertrauensvoll in die Soldatenräte setzt. Die Soldatenräte müssen die Träger der Rätegewalt in erster Linie sein. Die Rätegewalt kann nicht in nennenswertem Maße in die Hände von Offizieren gelegt werden. Der einfache Soldat in allererster Linie muss das Heft in der Hand behalten. (Lebhafte Rufe: Geschieht ja!) In der Provinz sind verschiedentlich höhere Offiziere als Vorsitzende der Soldatenräte gewählt worden. (Widerspruch.) Ich sage Euch: Feinde ringsum! (Rufe: Tatsachenverdreher!) In heimtückischer Weise wird die Soldatenorganisation von den Feinden der Revolution für ihre Zwecke ausgenutzt. (Andauernde Unruhe.) Ich weiß, wie unangenehm Ihnen diese Störung ist, aber wenn Sie mich erschießen – ich werde das aussprechen, was ich für notwendig halte. Der Triumph der Revolution wird nur möglich sein, wenn sie zur sozialen Revolution wird, nur dann wird sie die Kraft besitzen, die Sozialisierung der Wirtschaft, Glück und Frieden für alle Ewigkeit zu sichern. (Teilweiser Beifall, andauernde Unruhe. – Erneute Rufe: Einigkeit!)

1 Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte – Auf dieser Versammlung am 10. November 1918 im Zirkus Busch wurde der Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte gewählt. Die rechten Führer der SPD hatten die gewählten Soldatenvertreter vorher zusammengerufen und ihnen Instruktionen für ihr Verhalten, besonders für die Forderung einer paritätischen Zusammensetzung des Vollzugsrates aus SPD und USPD gegeben. Bei der Verlesung der Vorschlagsliste zur Wahl des Vollzugsrats, auf der nur Unabhängige und Angehörige der Spartakusgruppe standen, veranstalteten die von den Regierungssozialisten aufgehetzten Soldaten einen Tumult und forderten entsprechend den ihnen gegebenen Anweisungen eine paritätische Zusammensetzung. In den Vollzugsrat wurden dann, nachdem Karl Liebknecht für die Spartakusgruppe abgelehnt hatte, mit den Regierungssozialisten im Vollzugsrat zusammenzuarbeiten, 7 Vertreter der USPD, 7 Vertreter der SPD und 14 Vertreter der Soldaten gewählt. In den Rat der Volksbeauftragten wurden, wie vorher schon vereinbart, Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann und Otto Landsberg von der SPD und Hugo Haase, Wilhelm Dittmann und Emil Barth von der USPD gewählt.

2 Vor Karl Liebknecht hatten Friedrich Ebert und Hugo Haase gesprochen. Die Red.

Kommentare