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Karl Liebknecht 19180800 Mitteilungen, Briefe und Notizen aus dem Zuchthaus Luckau

Karl Liebknecht: Mitteilungen, Briefe und Notizen aus dem Zuchthaus Luckau

[IML, ZPA, NL 1/65, Bl. 159-161; IML, ZPA, NL 1/73; Karl Liebknecht: Politische Aufzeichnungen aus seinem Nachlass Geschrieben in den Jahren 1917-1918. Unter Mitarbeit von Sophie Liebknecht herausgegeben, mit einem Vorwort und mit Anmerkungen versehen von Franz Pfemfert, Berlin 1921, S. 127-129; 131 f.; Jugend-Internationale (Berlin), Nr. 5, Januar 1921, S. 100; IML, ZPA, NL 1/27, Bl. 115/116; IML, ZPA, NL 1/27, Bl. 314/315; IML, ZPA, NL 1/65, Bl. 166/167; IML, ZPA, NL 1/65, Bl. 178.; IML, ZPA, NL 1/65, Bl. 164/165; Die Republik (Berlin), Nr. 121, 19. Juni 1919; Die Kommunistische Internationale (Hamburg), Zweiter Jahrgang, 1921, Nr. 15, S. 21. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 9, S. 544-563]

An Sophie Liebknecht

(Auch für Fr.1 etc. – außer dem Eingeklammerten! <> Das blau Angestrichene – Fl[ug]bl[att] – mehrfach abschreiben – für Freunde etc. – u. verwahren! Also bitte für sie abschreiben ohne das <> schwarz Geklammerte!)

<Auch mit dem Anliegenden verfahren wie stets u. Avis davon. Ich brauche das Avis („Kgl. Strafanstalt" 2x unterstreichen) aus sehr praktischen Gründen.>

6. 7. 18

Da ich mehr als je über Euch im Dunkel bin, so kann ich weniger als je tun.

Wieder ist ein kritischer Moment, in dem energische Aktion stärkstens wirken muss; in dem alles nach Aktion schreit: vgl. unten. Wahlrecht, Nahrungsnot, Ernteaussichten usw., neuer Winterfeldzug, Kriegslage, Ostvorgänge, Österreich-Ungarns Beispiel!!, Reichstag – alles, alles. Ist's möglich, dass wieder nichts geschieht? Können so hündisch Hundeseelen sein! Ich kann nur warten u. fragen. Verflucht! Aber es muss gehandelt werden, es muss. Tun, was man kann.

Die Landtagsleute sind das Einzige, was zuweilen Erquickung dem Lechzenden träufelt; aber wann kommt der Schmaus – für Magen, Herz u. Nieren.

Das bleibt die eine, eine, eine, eine Frage. Alles, alles, alles, alles andre ist Dreck.

Auch Spart[akus], wenn etwas andres als energischste Vorbereitung darauf. Aber ich hoffe, dass er das ist u. bleibt u. weiter erscheint.

<Dass ich über einen „Jockiches", mir völlig unbekannter Name, informatorisch vom Unters. Richter gehört wurde, ihm informatorisch meine völlige Unbekanntschaft versicherte u. die formelle Aussage natürlich prinzipiell verweigerte, ist schon mitgeteilt. Ich warte, ob ihr mir dazu etwas zu sagen habt.>

<Mein neuliches Urteil – „Nicht Radikalismus …,2 sondern Opportunismus" – über Russland bat ich, nicht mitzuteilen, überhaupt niemandem. Die russischen Freunde sind in Teufels Küche, machen alle Anstrengungen. Da muss das Vergangene ruhen> Zu den russischen Freunden: Sie wissen am besten: Noch sind sie in hohem Grade Geduldete des deutschen Imperialismus; nicht viel mehr – wenigstens kriegspolitisch. Und, wenn's nach seinem Willen geht, sein Werkzeug, u. nicht die Spur mehr. Deutscher Sieg im Westen, u. sie sind zerquetscht. Je stärker „Deutschland" im Westen, nach Westen, um so schlechter geht's ihnen. Natürlich läuft auch dann die historische Dialektik weiter – u. natürlich antagonistisch. Aber darum handelt sich's nicht; das ist kein Leitstern für die Aktivität, sondern für die Kontemplation.

Die welthistorische Größe der von ihnen auf allen Gebieten begonnenen kulturellen Aufräumungs- und Neuschöpfungsarbeit erkennt u. bewundert niemand mehr als ich, wenn mir auch bisher nur ihre schattenhaften Umrisse gezeigt wurden. Mein Kopf u. Herz sind voll davon. Viel möcht' ich davon hören u. sagen. Aber eben dieses Werk kann neben einem siegreichen deutschen Imperialismus am wenigsten bestehen, obgleich Status quo natürlich ausgeschlossen. Die Gründe für diese Überzeugung hab' ich früher gegeben.

Wenn im neulichen Appell von „Zeit" die Rede ist, so liegt gerade in puncto Zeit der Hase im Pfeffer (ich meine nicht Hugo!). Zeit ist nötig, u. Zeit fehlt. Aber es gilt, alles, alles so schnell wie möglich u. mit aller Kraft [zu] tun – gegen den Hauptfeind (trotz Japan u. England usw.).

Den im Osten zu Raub- u. Mordbrennerei Gepressten muss doch beizukommen sein – Presse, Fl.bl. Tun wir nicht, was wir können, auf die Gefahr der Erfolglosigkeit, so ist's ewige Schmach. Auch im Übrigen bei Feldgrauen alles einsetzen. Da gibt's kein Ausweichen, keinen Pardon. Wie steht's mit Jugend? Bitte kein Achselzucken! Begreift die ungemeine Wichtigkeit – für heute u. Zukunft! Kein „Steckenpferd" oder so was. Ich kenne die Dinge genau, genauer als andre.

Otto3, der nicht zusammenklappen darf (auch unser Traum ist Waldeinsamkeit, aber zum Teufel! Traum!), wird hier helfen.

Ad vocem „Reichstag" (oben): Ich setze voraus, dass Fl.bl. darüber heraus ist.4 Pointiert auf Kühlmanns Geständnisse: kein militärischer Sieg möglich; 7-, ja 30jähriger Krieg usw. Überschrift u. Refrain: „Der Krieg kann noch 7, ja 30 Jahre dauern" – wenn das Volk nicht Schluss macht usw. …5 So hat man euch bisher betrogen u. betrügt euch weiter durch Vorgaukelung von Aussichten, ja „Gewissheiten", an die sie selbst nicht glauben. So betrügen sie euch hier; werden sie in andrem ehrlicher sein? Könnt ihr ihnen noch ein Wort glauben? Wer könnte solch ein Tor sein?

Der Krieg kann noch 7, ja 30 Jahre dauern." Ihr habt's gehört!

Jünglinge, Männer, wollt ihr noch länger den tödlichen Stahl bereiten, der euch selbst treffen wird?

Mädchen, sollen eure Brüder, soll die ganze Blüte der Männerjugend, sollen die, die ihr liebt, die ihr zu künftigen Gatten erhofft, allesamt elend dahin sinken?

Der Krieg kann noch 7, ja 30 Jahre dauern!"

Väter, wollt ihr weiter morden, auf dass eure Nachkommen gemordet werden?

Frauen! Welche von euch wird ihren Gatten wiedersehen? „Der Krieg kann noch 7, ja 30 Jahre dauern."

Mütter! Die Lieblinge, die noch an euren Brüsten hängen – schon sind sie dem Moloch verschrieben – zum Kainswerk, zum Schlachtvieh gut genug. Dazu habt ihr sie in Wehen geboren, dazu nährt ihr sie, dazu zieht ihr sie groß! Ein Fetzen zerfetzten Fleisches – das wird euch von ihnen bleiben!

Denn „der Krieg kann noch 7, ja 30 Jahre dauern"!

Und wofür! Wofür! Wofür! Krampft sich nicht euer Herz? Steigt euch nicht das Blut zu Kopfe? Ballt sich nicht eure Faust?

Wird eure geballte Faust nicht zuschlagen?

Endlich zuschlagen!

Wozu kämpft ihr noch – wozu leidet ihr noch? Wofür die Opfer, wofür die Leiden der Vergangenheit? Wozu neue Opfer, wozu neue Leiden – noch 7, ja 30 Jahre lang!? Wozu neue Taten? Neue Heldentaten? Soll der Krieg noch 7, ja 30 Jahre dauern? Macht ihr Schluss! Rechnet ab! Nur von euch selbst kann das Heil kommen, nicht von oben, nicht von Hindenburg oder Wilhelm dem Hohenzollern oder irgendeinem Prinzen. Nicht von „Siegen", sondern von Revolution! Nicht auf den Schlachtfeldern, sondern durch Revolution. Seid selbst eures Glückes Schmiede! Bleibt ihr still, geduldig, in Gehorsam u. Disziplin, in Hundedemut, jawohl, dann wird der Krieg noch 7, ja 30 Jahre dauern. Aber ihr, und nur ihr selbst könnt helfen, retten. Euch, eure Kinder, das Proletariat, den Rest von Europas Kultur, die Menschheit retten, retten durch die Revolution. Jagt eure Peiniger zum Teufel – die Fürsten, Generäle, Ausbeuter u. alles, was dazugehört. Wie unsäglich kleiner sind die Opfer, die euch die Abfertigung eurer inneren Feinde, eurer einzigen Feinde, eurer Unterdrücker u. Ausbeuter in Deutschland selbst kosten kann; wie unsäglich kleiner als die Opfer der grauenhaften Metzeleien an der Front, als die Opfer der grinsenden Not im Innern, die noch 7, ja 30 Jahre dauern sollen.

Arbeiter, streikt! Soldaten, schießt nicht mehr! Die französ., engl., ital., belg., amerik. Soldaten sind eure Brüder. Verbrüdert euch mit ihnen – reicht ihnen die Hände, verbindet euch mit ihnen – zum Kampf gegen Kriegshetzer u. Ausbeuter, zur Vernichtung des völkermordenden Imperialismus, zur Befreiung der Arbeiterklasse, zur Erlösung der blutenden Menschheit.

Die deutsche Revolution ist der Friede" usw. – bekanntes Motto variieren.

Dazu mit wenigen Sätzen Wahlrecht u. das sonstige (vgl. oben!).

Diese flüchtige Skizze natürlich, wie alles, nur Anregung, zu freiester Benutzung. (Auch diese Bemerkung für Fr.)

Das oder ähnlich muss als [?] Fl.bl. an Front u. in Kasernen – u. in Rüst.fabriken u. allgemein -.

Und besonderes Frauenflugbl. u. Jugendflugbl.! Für die noch nicht militärische Jugend. Jugendzeitschrift. – Wüsst' ich nur, wo, wie ich literarischer Stümper euch helfen kann – will gern einen Zentner für Papierkorb schmieren, wenn ein Gramm euch nützen kann.

Die schlechten Ernteaussichten sind ein wichtiger Faktor. Sollen ägyptische Plagen u. nicht die Revolution den Frieden bringen? Vielmehr beide gemeinsam? Gleichviel – unsre Aufgabe bleibt unverändert, wird nur noch dringlicher. Arbeiten nach Leibeskräften. Gruß u. Handschlag.

Eilt äußerst!

Werden die parlament. Fraktionen nicht endlich die stärkeren ihrer Künste zeigen? Stärkere als wirksame Reden u. Zwischenrufe einzelner. Parlamentarische „Massenaktionen", organisierte, vorbereitete oder, noch besser, im rechten Augenblick extemporierte. Unterstreichungen, Proteste unisono, wiederholt bis zum parlamentarischen Sturm, Gewitter, Erdbeben, Weltuntergang, wenn's sein könnte.

Die Hauptparolen so ins Land hinausrufen, in die Fabriken, an die Front. Der Zwischenruf „Räuber u. Mörder" über die Ost-Truppen z. B. hätte durch Kooperation u. Repetition gesteigert werden sollen. So bei Wahlrecht, Hungersnot – zur Aufpeitschung. Vor allem aber bei Parolen zur Aktion: „Arbeiter, streikt, streikt, streikt!" -„Soldaten, schießt nicht mehr, nicht mehr schießen, schießt nicht mehr! Macht Schluss!" oder ähnlich. Im rechten Moment. Der jetzt für alles da ist!

Erreicht solche Szene eine gewisse Höhe an Dauer, Intensität, Schlagkraft der Leistung u. an Schärfe des Konflikts, so kann sie auch der Zensur nicht völlig zum Opfer fallen.

Die Landtagsfraktion hat hier wertvolle Tradition; Adolph6 geborener Regisseur.

Auch das gehört ins Gebiet: Alles tun, was man kann. Noch jetzt, vor Vertagungen, in diesem psychologischen Moment. Für Reichstag (was lässt sich nicht mit über 20 Mann machen!!, u. Otto muss hier mit ran) müsst's sofort geschehen -

Bitte packt sie sofort. Auch die Fraktion muss jetzt doch für so etwas reif sein – trotz aller Geschäftsordnungs- u. andren „Fährnissen".

Sorgt für L. u. R.7! Mehr als für mich! Bitte dringend!

Wieder sind die Zeitungen ausgeblieben, so dass ich, vom 29. 6. (früh) an, nichts weiß!!

<Pronotitia8: Ich punkt.9 stets etwas u. wenn „nur" Küsse. Also bitte stets suchen. Es kann doch wichtig sein!>

Die Erfolge der deutschen Kriegsanleihe

Die große Bereitwilligkeit des deutschen Kapitals, sich den deutschen Kriegsanleihen zur Verfügung zu stellen, eine Bereitschaft, die oft in ein regelrechtes Aufdrängen ausartet, ist kein Zeichen gesunder Wirtschaftslage, sondern das Gegenteil: die Folge krankhafter „Inflation" (Aufblähung) des Geldmarktes. Die Ursache dieser Inflation ist einmal die Absperrung des deutschen Kapitals vom Ausland, die zu seiner Zusammenpressung in einen viel zu engen Bereich geführt hat; und ferner: das Darniederliegen der Wirtschaft in diesem engen Bereich, so dass auch der Kapitalbedarf für werbende inländische Anlagen zurückgegangen ist. Andere Ursachen kommen hinzu. Die Landwirtschaft ist z. B. so gut bei Gelde, dass sie in großem Maßstabe Hypotheken abstößt. Das so freigesetzte Geld sucht verzweifelt nach Anlage und vermehrt die Inflation und – die Kriegsanleihezeichnungen. Dieser krankhafte Andrang beschäftigungslosen Geldes ist einem Erstickungszustand, einem Zustand apoplektischer Kongestionen zu vergleichen. Die Kriegsanleihe ist das Asyl für obdachloses Kapital. Aus dem großen Zulauf zu diesem Asyl ist so wenig auf gute Wirtschaftslage zu schließen wie aus starkem Besuch des Asyls für obdachlose Menschen auf günstige Lage des Arbeitsmarktes.

Die deutschen Kriegsanleiheerfolge sind ein Index für die Größe desjenigen Teiles vom deutschen Nationalvermögen, der im Kriege verpulvert wurde.

Sie sind nicht die einzige Wirkung der Inflation: Ihre würdigen Geschwister sind rasende Spekulationswut, unsolide Gründerei und – als feinste Blüte – Kriegsgewinnlertum.

Fast alle größeren kapitalistischen Beteiligungen in dem engen Bereich, das dem deutschen Kapital blieb, sind zudem heute entweder staatlich monopolisiert oder kontrolliert und damit noch ganz speziellen Nötigungen zur Anleiheförderung unterworfen. In der Kriegsindustrie hat sich eine neue kapitalistische Zirkulation entwickelt: Dasselbe Geld, das als Preis für Kriegslieferung dem Privatkapital zufloss, fließt als Kriegsanleihe in die Reichskasse zurück, um dann wiederzukehren – vom Himmel kommt es, zum Himmel geht es, und wieder nieder zur Erde muss es, ewig wechselnd –, aber, ungleich dem Wasser, sich ständig und unanständig vermehrend -, ein profitliches perpetuum mobile.

Die deutsche Kriegsanleihefinanzierung ist in der Hauptsache ein im Kreise Herumtreiben des eingezwängten deutschen Kapitals, das sich beliebig wiederholen lässt, bis die ganze kriegswirtschaftliche Herrlichkeit mit ihrer Basis, dem staatlichen Kredit – zusammenkracht. Dass sie auch ein Mittel zur intensiven Förderung der Kapitalkonzentration ist, dass durch sie das Geld der kleinen Sparer rapid und systematisch in die kapitalistischen Großbetriebe geleitet und zu deren Vergrößerung genutzt wird, ist eine Tatsache, deren Bedeutung hier nicht näher gewürdigt werden kann.

Wir wiederholen: Die Erfolge der deutschen Kriegsanleihen sind Krankheitserscheinungen.

Wenn die Erfolge der Ententekriegsanleihen geringer sind, so zum guten Teil, weil dem Ententekapital die ganze Erde offensteht und auch im Inlande größere Bewegungsfreiheit gewährt ist. Diese geringeren Erfolge sind also die Wirkung günstigerer Wirtschaftslage.

Juli 1918.

Die Doppelwurzel des jetzigen Kriegs10

Der jetzige Krieg hat eine doppelte Wurzel:

1. eine wirtschaftliche – sofern er ein Unternehmen des kapitalistischen Konkurrenzkampfes um die Reichtümer der Erde ist, sei es durch die direkte Besetzung, sei es ihre indirekte Ausnutzung (in Kapitalanlage u. Weltmarkt);

2. eine politische u. soziale – sofern er ein Unternehmen des Klassenkampfs ist, zur Erhaltung u. Befestigung der Klassenherrschaft, der sozialen Ausbeutung u. politischen Unterdrückung; sofern er aus der Furcht vor dem Anwachsen des inneren Feindes, der revolutionären Macht des sozialistischen Proletariats [geboren] ist, kurz, sofern er bonapartistischen Ursprungs (Charakters) ist.

Der jetzige Krieg zugleich: ein Krieg gegen die Arbeiterklasse, zu ihrer Niederhaltung, Niederwerfung („zugleich", d. h. neben der Konkurrenz des internationalen Kapitalismus – ja sogar vor dieser), sofern die fieberhafte Gier nach profitabler Expansion ihren Höchstgrad der Fieberhaftigkeit dadurch erworben hat, dass das Kapital in seiner Existenz immer ernster vom Proletariat bedrängt wurde u. eine Steigerung der Kapitalmacht, die auch gewisse Konzessionen an die Arbeiterklasse erleichterte, als das einzige Mittel zu ihrer Erhaltung betrachtet wurde – ein verhängnisvoller Irrtum, da auf diesem Wege eine Machtsteigerung höchstens für einen Teil des Weltkapitals erreicht werden könnte (während der Kapitalismus internationaler Geltung bedarf), u. auch da nur vorübergehend.

Und diese Seite des Kriegs tritt von Tag zu Tag unverhüllter hervor!

Soweit er, der Krieg, wirtschaftlich imperialist. Charakters ist, bringt er schroffsten Widerspruch zwischen den Produktivkräften u. den kapitalistischen Produktionsverhältnissen zum Ausdruck – die bisher weitaus schwerste wirtschaftliche Krise der kapital. Ges.-Ordg. ist Krise in seiner Entwicklung, lawinenartig sich vergrößernde Krise in seiner Wirkung – schon dadurch kennzeichnet sich die heutige Zeit als die für die soziale Revol. geeignetste Periode.

Hinzu kommt noch sein bonapartistischer Charakter, der ihn als einen vorbeugenden Niederwerfungsversuch, eine präventive Gegenrevolution gegen die arbeitenden Massen – als die Eröffnung der gewaltsamen sozialen Revolution – in der verschleierten Form des Kriegs kennzeichnet u. das Proletariat zur revolutionären Erhebung mit Skorpionen auf züchtigt!

Aber all das spielt sich (vollzieht sich) hinter einem trügerischen Vorhang ab, einem Nebel verwirrender Lügen u. einem Dunst phantastisch-mythologischer Wahnvorstellungen. Diesen Vorhang zu zerreißen, den Dunst u. Nebel fortzublasen, damit die arbeitenden Massen das Wesen des Kriegs u. ihre eigne historische Aufgabe erkennen, das ist's, was uns zu beschleunigen obliegt. Erst dann werden die Massen reif u. gerüstet sein, ihr revolutionäres Werk zu tun.

Ist die Luft klar, so werden die Massen auch verstehen (wissen), dass auch, soweit es in diesem Kriege um Ausbeutung u. Unterdrückung ganzer Länder u. Völker geht, um die gegenseitige Ausbeutung u. Unterdrückung ganzer imperialistischer Komplexe, kein Heil ist außer dem internationalen Klassenkampf gegen den Krieg, als die soziale Weltrevolution des Proletariats, die allein die internationale imperialistische Konkurrenz aufzuheben u. damit die Wurzel aller Kriegsbestialitäten u. aller gesellschaftlichen Übel auszureißen [vermag].

Juli 1918.

Zwei kriegspolitische und strategische Hauptlehren des Weltkrieges

1. Eine der wichtigsten kriegspolitischen und strategischen Einsichten, die der Weltkrieg gebracht hat, ist: dass infolge des heutigen Standes der Produktionskräfte und der Verkehrstechnik die ganze Erde einen einzigen Kriegsschauplatz bildet, und zwar für Seekrieg wie Landkrieg.

Der Transport von Millionenheeren und ihrer laufenden Ausrüstung ist über jede Entfernung zur See wie zu Lande als möglich erwiesen – wenn nur die Transportwege beherrscht werden. Gallipoli ist missglückt, aber nicht weil der Transport der Truppenmassen, sondern weil der angesetzte Landkrieg misslang.11

So ist heute nicht nur wie bisher für den Seekrieg jedes Küstenland Nachbar und potentieller Verbündeter oder Feind, sondern für Land- und Seekrieg überhaupt jedes Küsten- oder Binnenvolk; und zwar nicht nur wirtschaftlich und politisch, sondern auch rein militärisch.

2. Die kriegswirtschaftliche und militärische Leistungsfähigkeit, Elastizität und Anpassungsfähigkeit der hochkapitalistischen Staaten ist weit größer als gemeint wurde. Trotz der weltwirtschaftlichen Verschlungenheit und trotz der technischen Kompliziertheit der kapitalistischen Wirtschaft und des militärischen Apparats: Der angehäufte gesellschaftliche Reichtum, die gesteigerte Produktivität und Technik und die erhöhte Allgemeinbildung ermöglichen es in erstaunlich kurzer Zeit, die Wirtschaft völlig umzuschalten und selbst aus dem Nichts einen hochwertigen wirtschaftlichen und militärischen Apparat zu schaffen, so dass auch aus diesem Grunde nunmehr jedes Volk, selbst ein bisher wirtschaftlich und militärisch bedeutungsloses, potentieller Bundesgenosse oder Feind ist.

Es handelt sich um die Emanzipation der menschlichen Wirksamkeit

1. vom Hindernis der räumlichen Gebundenheit, der Entfernungsgebundenheit ;

2. vom Hindernis der qualitativen Gebundenheit, der Richtungs- oder Formgebundenheit –; beides durch Reichtum, Produktionskraft, Technik und Menschenbildung.

Die Menschheit ist wirtschaftlich und militärisch, kriegspolitisch und strategisch zur Einheit geworden. Wenn auch erst zur Einheit der Selbstzerfleischung, zur sich selbst zerfleischenden Einheit des Gegensatzes. Schon bereitet sich die sozialistische Aufhebung dieses Gegensatzes vor. Die Einheit der Selbstzerfleischung wird zur Einheit der Harmonie und des Friedens.

Juli 1918.

Taktisches

Wir wollen nicht Vertreter des kontemplativen, sondern des tätigen Prinzips sein.

An Kräften, die Grenzen der praktischen Möglichkeiten zu erkennen, wird kein Mangel sein. Doch hapert's zumeist an Kräften, die die Entwicklung jeden Augenblick zur Realisierung der äußersten Möglichkeit zu treiben suchen, was sie nur können, indem sie Ziel und Richtung noch weit über diese äußerste Möglichkeit nehmen: Das Mögliche ist nur erreichbar durch Erstreben des Unmöglichen.

Die realisierte Möglichkeit ist die Diagonale von Unmöglichkeiten. Je höher das Ziel gesteckt wird, je energischere Kräfte für das Höchste wirken, für das unerreichbar Höchste, um so Höheres wird erreicht. Das objektiv Unmögliche wollen ist nicht Narrheit oder Fanatismus, Phantasterei oder Verblendung, sondern praktische Arbeit im eminenten Sinn.

Die Unmöglichkeit der Realisierung eines Zieles aufzeigen heißt mitnichten seine Unsinnigkeit beweisen, höchstens die Einsichtslosigkeit der Kritikaster in die gesellschaftlichen Bewegungsgesetze. So sind wir grundsätzlich Minderheit. Denn wenn immer wir Mehrheit und Geltung für unsere Ideen und Forderungen gewonnen haben, werden unsere Ideen und Forderungen schon höher gestiegen sein. Stets müssen sie nach dem Wesen unserer Funktion über das von der Mehrheit Anerkannte hinausgehen. In rastlosem Kampf für den Aufstieg der Menschheit.

Stets auf Erfolg vertrauen und stets auf Misserfolg gerüstet sein, das ist die Zauberformel, die den Sieg verbürgt.

Juli 1918.

Die Parlamentarisierung als „Demokratisierung" Deutschlands

Hertling als Kanzler, Payer als Vizekanzler wie wirkend?12 Reaktionierend! P.13 selbst geht nat. mit der Regier.kriegspolitik durch dick u. dünn – u. zieht die Fortsch. Volkspartei noch vollkommen ins Regier.-lager – die schwächlichen Ansätze von Kritik vollends ausrottend –, selbst in Ukraine-Frage. Vgl. Haas' u. Gotheins Ersatz durch Müller – Meier u. Fischbeck im Hauptausschuss; („D[eutsche] Tgsztg.", 13. 8. 18); anfängl. Zustimmung der ersteren zu Erzbergers14 „Richtlinien" (Antrag) u. dann Rücktritt – wegen Payers Bedenken etc. Genauso: Zentrum durch Hertling gekettet u. gebunden an Regierung!

August 1918.

Das also ist das Ergebnis von 5 Monaten deutscher Offensive15: die Wiedereroberung des Gebietes, das 1916 von der Entente zurückgewonnen war! (Von dem die Ent. 1916 die Deutschen vertrieben hatte!)

All die großen Erfolge der deutschen Offensive waren nicht imstande, den jetzigen schweren Rückschlag zu verhindern. -

Man hat euch gesagt: Der U-B[oot]-Krieg bringt das Ende – er hat's nicht gebracht, u. keine Aussicht besteht, dass er's bringt, u. wenn er's brächte, wär's ein Ende, das nur ein neuer Anfang wäre.

Man hat euch gesagt, die amerikanische Armee ist Bluff, Schwindel, Unmöglichkeit – u. die amerikan. Armee ist doch da!

Man hat euch versichert, die Fochsche Reserve existiert nicht mehr – u. jetzt fühlt ihr sie, die angeblich in den letzten Zügen lag – die Entente hat die Initiative an sich gerissen.

Man hat euch all die Behauptungen, die [sich] jetzt durch die Tatsachen als unwahr erwiesen, hundertfach mathematisch als zweifellos, unbedingt richtig, unwiderleglich berechnet – was könnt ihr noch glauben. Wer kann noch auf ein Kriegsende auf diesem Wege hoffen! Welcher Narr??

August 1918.

An Sophie Liebknecht16

12. 8. 18

Zu spät unterrichtet. So muss fast alles zurückbleiben. 1. Zu L.17 Man wird den schuftigen Versuch machen, ihn zum Ententeagenten zu stempeln. Niemand kann dem so entgegentreten wie ich. Ich will, dass mir Gelegenheit dazu geboten wird; ich will Zeuge sein, wenn dieser Punkt ernstlich in Frage kommt. Stellt das fest – schnell, denn Gefahr dürfte im Verzug sein. Unterrichtet mich, event. durch Br.18 Ich melde mich dann selbst oder werde benannt – wie's beliebt. Aber bitte den Ernst der Frage nicht verkennen. Auch sonst prüft genau, ob ich nicht nützen kann. Versteht wohl: In diesem Fall kann sogar ich Leumundszeuge sein, u. eventuell sogar der wirksamste!! Und es kann die Aussage über gewisse Dinge u. U. zweckmäßiger sein als absolute Aussageweigerung. Sagt all dies dem Anwalte (wer?).

2. Es munkelt von Erwachen an der Front. Die Sterne sind günstig – alles dran setzen! Draußen u. drin: drauf mit allen Kräften. Diese beste Stunde nicht verpassen. – Es gilt auch, die russ. Rev [zu] retten. Vor Tod oder – was viel schlimmer – vor Schmach. Sie ist in einer unmöglichen Situation – hilft ihr nicht die deutsche Revol.; so bleibt ihr nur die Alternative: revolutionärer Untergang oder schimpfliches Schein- u. Trugleben – auf eine vom borussischen Imperialismus, ihrem blutigsten Feind u. Verächter, gewährte Gnadenfrist. Kann es jemand geben, der an das zweite denkt? Er müsste bis ans Ende der Welt am Pranger stehen Ein Kain u. ein Judas würden ihn anspeien. Doch darüber noch an andrer Stätte, wenn's gelingt.19

Die Wahlrechtsfrage u. die ganze Krise ist bis zum „Herbst" „verschoben". Herbst ist dehnbar. September ist der letzte günstige Monat für uns. Anti-Winterfeldzug usw. Gelingt die Verschiebung auf den Oktober, so sinken unsre Aussichten.

Hindenburgsche „Entlastungsoffensiven" werden kommen usw. – Aber es darf überhaupt nicht verschoben werden. Nie war die Lage besser als jetzt – für alles! Die Wahlrechts- usw. -frage darf nicht zum Versäumnis dieser unübertrefflichen Gelegenheit führen. Ein Verbrechen u. – ein verhängnisvoller Fehler, sie ungenutzt zu lassen. Aktion, Aktion, Aktionen draußen u. drinnen – aufs Ganze gehen Sofort, sofort, sofort. Drauf!

3. Avis fehlt.

4. Die Freizügigkeitsbedrohung ausnutzen („D[eutsche] Tgsztg.", 8. 7. 18, 344 – 1. Beilage u. Hauptblatt).

5. Über die im Osten aufgehende Drachensaat hätt' ich gern was gegeben – zu spät.

6. Marx ist mir angekündigt – ich hoffe ihn zu kriegen. Der Begleitbrief hat ausgezeichnet gewirkt. Ich danke tausendmal, bin gerührt u. begierig bis in die Haarspitzen.

7. Ich bin einverstanden, dass das Rüst.manuskript20 ev. in der Schweiz weiter bearbeitet wird. Aber Manuskript u. Material usw. sollen nicht verlorengehen bei dem Versuch (es liegt bei Lang!).

Das im Mai Br. Gegebene, das ich später niemand mitzuteilen bat, hebe doch wie üblich auf (auf russ. Politik bezüglich!).

Die Korrekturen, die ich bisher auftrug, hast Du doch, hoffe ich, ausgeführt! Deine neuliche Bemerkung macht mich stutzig.

Den beiden B. u. F.21 kannst Du nach meiner Überzeugung voll trauen – aber doch keine Offenherzigkeiten.

Die Jungen betreffend:22

Unter keinen Umständen sollen Helmi oder Bobbi deutsche Soldaten werden. Alle Mittel sind dagegen anzuwenden. Sie mögen nach der Schweiz gehen, sobald die Besorgnis ernst wird.

Ich kann hier nichts Präzises vorschlagen oder anordnen: Ich gebe dem Imperialismus meine Kinder nicht. Freilich sollen sie nicht vor ihm fliehen, sondern ihn bekämpfen. Wie das praktisch, wenn die Zeit kommt (u. für Helmi ist sie nah!), zu ermöglichen, lässt sich heute nicht übersehen.

An Sophie Liebknecht23

Luckau, 12. 8. 18

Liebstes!

Nur zwei Sätze – ich bekam erst heut Abend Nachricht vom morgigen Besuch. -

Für Deine Briefe u. Jaschas24 Zeilen vielen Dank – wie gern hätt' ich Jascha ein Wort geschickt u. mitgegeben – für die andren: Wo mag er jetzt stecken – diese Reise ist ein großes Abenteuer. Hoffen wir das Beste. Würzburgs entsinne ich mich sehr gut – aber ich hab dort nicht studiert, sondern nur promoviert – aber auch getollt, grad genug. Und Tiepolos Gemälde sind mir sehr deutlich vor Augen …25 Wenn ich nicht irre, sah ich bei Locarno andre Sachen Tiepolos.

Hast Du Milton gelesen? Bitte tu's. Ich schwöre Dir, Milton hat Dich gekannt – seine Eva, das bist Du, aber bis aufs Kleinste.

Du wirst's nicht leugnen. Lies.

Es ist stockfinster – ich muss schließen – viele tausend Küsse – ich umarme Dich, Liebste,

Dein Karl

Heut früh vor 5 Wochen warst Du da.

Allen Freunden alle Grüße u. Wünsche. R., L.26 usw. besonders. Mathilde27 u. Familie, Sophie Cohn u. Evchen28 schrieben mir – sage ihnen meinen herzlichsten Dank.

Von Mehring kam der Marx an – noch hab' ich ihn nicht, hoffe aber u. bin hochgespannt u. beglückt im voraus. Ich danke mit Trommeln u. Pfeifen.

Zur Lage der russischen Revolution29

Deutschland ist Angel-, Schlüssel-, Hebelpunkt der Weltrevolution. Nur deutsche Revolution ist Weltrevolution. Noch aber ist das deutsche Proletariat das schwächste, aktionsunfähigste der Welt. Ein siegreicher deutscher Imperialismus würde der stärkste sein in der Nachfolge des Zarismus als Vormacht aller Reaktion. Der Weg über einen deutschen Sieg wäre der weiteste Umweg für die soziale Revolution.

Auch bei völliger Ausschaltung der militärischen Situation folgt, dass Hauptdruck gegen Deutschland zu richten, jede Begünstigung Deutschlands schwerster Fehler. Ich spreche nicht vom Vergangenen; ich splitterrichtere nicht für die Gegenwart.

Brest-Litowsk", d. h. die absolute Friedenspolitik, die dahin und zum späteren führte, wurde durch die Gesamtlage zu einem aussichtslosen Forcierungsversuch und einem Frontangriff gegen die West-Entente, zu einer rettenden Tat für den deutschen Imperialismus, zu einer revolutionären Geste für das Proletariat – ganz gegen den Willen der russischen Freunde. Wir fühlen die Tragik ihrer Lage so tief, dass wir es mit Worten nicht ausdrücken können; und wir wissen, dass das deutsche Proletariat die Hauptverantwortung trägt und dass es diese Last nur abschütteln kann, wenn es sich jetzt erhebt. Die deutsche Revolution – nicht die englische oder französische – ist die einzig mögliche Rettung für die russische Revolution, deren auswärtige Politik ihre kritische Seite ist, beim Versagen des deutschen Proletariats die Quadratur des Zirkels.

Aber „Brest-Litowsk" war so. Es darf nicht so bleiben! Einziger Ausweg: deutsche Revolution. Aber den revolutionierenden Wirkungen der russischen Vorgänge stehen entgegengesetzte gegenüber: Stärkung des deutschen Imperialismus, der gegenrevolutionären Kräfte und Instinktverwirrung beim deutschen Proletariat durch das zweideutige Verhältnis der Sowjetregierung zum deutschen Imperialismus, zweideutig ganz gegen ihren Willen! Zweideutig aber im Eindruck auf die Volksmassen. Und gerade auf das deutsche Proletariat, das Eindeutigkeiten braucht wie kein anderes. Und auch auf das Proletariat der Entente: Jenem wird nahegelegt, sich opportunistisch mit dem deutschen Imperialismus abzufinden, oder das Gesicht des Opportunismus verdächtigt die frische revolutionäre Draufgängerei, die in Deutschland so nötig ist. Diesem wird in der russischen die eigene und die internationale Revolution diskreditiert als Beistand für den deutschen Imperialismus.

Von Mirbach wird gesagt (Tschitscherin!): Er sei für die Sache des Friedens gestorben!!!30 Zu Eichhorns31 Tod wird kondoliert (das ist noch ganz was anderes, als eine Kondolation zu Plehwes Ende gewesen wäre!). Der deutschen Regierung wird gedankt für ihre Mitwirkung bei den russisch-finnischen Friedensverhandlungen!

Nur Äußerlichkeiten – aber verwirrende, peinliche. Nur Symptome – der unmöglichen Lage. Sie kann nur gerettet werden durch die deutsche Revolution, und sie kann sich nur halten durch Stärkung der Feinde der deutschen Revolution: Klemme! Bleibt die deutsche Revolution aus, so bleibt die Alternative: revolutionärer Untergang oder schimpfliches Schein- und Trugleben – auf eine vom borussischen Imperialismus, ihrem blutigsten Feind und Verächter, gewährte Gnadenfrist (befristeter Selbstmord). Hier hören „Äußerlichkeiten" und „Symptome" auf! Kann es jemand geben, der an das zweite denkt? Er müsste bis ans Ende der Welt am Pranger stehen. Ein Kain und ein Judas würden ihn anspeien.

Wir sind taktisch so wenig verknöchert wie einer. Aber hier ist eine klare Grenze.

Kein Missverständnis: Auch ein Pakt mit dem Ententeimperialismus ist unmöglich. Auch er muss niedergeworfen werden. Wenn aber die „Prawda" sagt: Krieg gegen Deutschland sei Krieg für Ententeeroberungen, Ententekapital, so ist Krieg gegen Entente dreimal Krieg für deutsche (österreichische, bulgarische, türkische) Eroberungen und deutsches Kapital.

Nur Krieg gegen beide ist möglich. Dazu fehlt die Kraft – Dilemma. Untergang in revolutionären Ehren – oder schimpfliche Gnadenfrist – oder – deutsche Revolution.

Alles, alles kommt auf das deutsche Proletariat an. Keine Anstrengung ist zu groß, ist groß genug. Mag das Blut unter den Nägeln heraus spritzen, mögen Opfer fallen – so schwer wie nie fielen. Es gilt unser Größtes und Heiligstes.

Lieber Schill denn Krähwinkel!

Andere mögen ihr „Nur nicht zu viel! Nur nicht zu früh!" plärren. Wir werden bei unserem „Nur nicht zu wenig! Nur nicht zu spät!" beharren.

Wohl mag es auch eine Gefahr des „Zuviel und Zufrüh!" geben; aber sie verschwindet – in Deutschland wenigstens – hinter der entgegengesetzten wie der Schatten eines Grashalms bei Sonnenfinsternis.

Und die Prediger der Vorsicht und des Zauderns füllen alle Gassen bei Nacht und bei Tage.

August 1918.

Unser Platz ist in Deutschland!

Ein über den imperialistischen Parteien schwebender Internationalismus mit Predigten an das Weltproletariat hat heute keine Realität. Der Internationalismus besteht heute nur in der Gestalt der Erhebung jedes einzelstaatlichen Proletariats gegen den eigenen Imperialismus. Ein Gran revolutionären Druckes von innen gilt mehr als ein Fuder revolutionärer Arbeit im Auslande.

August 1918.

1 Wahrscheinlich Franz Mehring. Die Red.

2 Punkte in der Quelle. Die Red.

3 Otto Rühle. Die Red.

4 Der folgende Flugblattentwurf ist bis „u. das sonstige (vgl. oben!)" von Karl Liebknecht blau angestrichen. Die Red.

5 Punkte in der Quelle. Die Red.

6 Adolph Hoffmann (1858-1930), Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, während des Krieges und danach in der USPD zeitweilig auf linker Position. Die Red.

7 Leo Jogiches und Rosa Luxemburg. Die Red.

8 Dieses Wort war nicht genau zu entziffern. Die Red.

9 „Punktieren“ war eine Methode Karl Liebknechts, geheime Nachrichten aus dem Zuchthaus zu schmuggeln. Sophie Liebknecht bemerkte dazu: „Mein Mann schickte entweder die ,Deutsche Tageszeitung' oder die Beilage zu dieser Zeitung an uns zurück und punktierte mit Bleistift auf einer verabredeten Seite nach einem bestimmten System (nach welchem, weiß ich nicht mehr). Besonders geschickt im Entziffern war Karls kleine Tochter Vera (damals 11 bis 12 Jahre alt), die sich immer nach Empfang der Zeitungen sofort auf ihren Platz begab und zu entziffern begann." (IML, ZPA, NL 1/65, Bl. 162/163.)

10 Als Variante für die Überschrift war noch vorgesehen: Wesen des jetzigen Kriegs. Die Red.

11 Im Verlauf des Jahres 1915 hatten England und Frankreich versucht, die Dardanellen zu bezwingen und Konstantinopel zu erobern, um diesen Verbindungsweg nach Russland zu öffnen und die Türkei auszuschalten. Trotz Einsatzes starker Land- und Seestreitkräfte und vorübergehender Landung auf der Halbinsel Gallipoli musste die Entente das Unternehmen ohne Erfolg abbrechen.

12 Friedrich von Payer (1847-1931), Mitglied der Fortschrittlichen Volkspartei, von November 1917 bis November 1918 Vizekanzler. Die Red.

Georg Graf von Hertling (1843-1919), führender Vertreter des konservativen Flügels des Zentrums, Reichskanzler vom 1. November 1917 bis 30. September 1918. Die Red.

13 In der Quelle steht an dieser Stelle „P. u. H.", die Satzfortsetzung bezieht sich aber nur auf Payer. Auf Hertling geht Liebknecht erst im letzten Satz ein. Die Red.

14 Matthias Erzberger (1875-1921), führendes Mitglied der Zentrumspartei, Staatssekretär in der Regierung Prinz Max von Baden, 1918 Vorsitzender der deutschen Waffenstillstandskommission. Die Red.

15 Gemeint sind die am 21. März 1918 von deutschen Truppen im Westen begonnenen Offensiven, die mit der völligen militärischen Niederlage des deutschen Imperialismus im September 1918 endeten. Die Red.

16 Diesen Brief – wahrscheinlich auch den folgenden – steckte Karl Liebknecht seiner Frau während eines Besuches zu. Die Red.

17 Leo Jogiches.

18 Otto Bracke, Verteidiger Karl Liebknechts. Die Red.

19 s. u. „Zur Lage der russischen Revolution“

20 Karl Liebknecht hatte unmittelbar vor Kriegsausbruch ein Manuskript fertiggestellt, das als Teil einer gemeinsamen Arbeit mit dem Franzosen Andre Morizet und dem Engländer Walton Newbold über das internationale Rüstungskapital gedacht war. Karl Liebknecht schrieb am 18. März 1918 an seine Frau, dass sie versuchen solle, entweder Ernst Meyer oder Julian Marchlewski-Karski – mit letzterem habe er schon öfter darüber gesprochen – zu bitten, das „Rüstungsmanuskript" in der vorliegenden Form mit „kurzer Ergänzung auf die neuere Zeit" herauszugeben. Über das Schicksal des „Rüstungsmanuskripts" ist bisher nichts bekannt geworden.

21 Wer damit gemeint ist, konnte nicht festgestellt werden. Die Red.

22 Dieses Dokument, offenbar als Ergänzung zu einem illegalen Brief geschrieben, konnte nicht genau eingeordnet werden. Die Red.

23 Diesen Brief steckte Karl Liebknecht wahrscheinlich seiner Frau während eines Besuches zu. Die Red.

24 Jascha Spielrein, Schwager Sophie Liebknechts. Die Red.

25 Punkte in der Quelle. Die Red.

26 Rosa Luxemburg und Leo Jogiches. Die Red.

27Mathilde Jacob (?). Die Red.

28 Evchen Cohn, Tochter des Sozialdemokraten Oskar Cohn. Die Red.

29 Dieser Artikel wurde unter dem Titel „Die Frage des Tages" in' der „Republik" veröffentlicht. Karl Liebknecht hatte den Artikel unter dem angeführten Titel geschrieben. Die Red.

30 Wilhelm Graf von Mirbach-Harff (1871-1918), seit April 1918 deutscher Gesandter in Moskau, wurde am 6. Juli 1918 von Sozialrevolutionären Terroristen ermordet. Die deutschen Imperialisten hatten diesen Vorfall zum Anlass für neue Forderungen an die Sowjetregierung genommen. Die Red.

31 General Hermann von Eichhorn (1848-1918), Oberbefehlshaber der deutschen Okkupationstruppen in der Ukraine; fiel am 30. Juli 1918 in Kiew einem Attentat zum Opfer. Die Red.

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