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Karl Liebknecht 19181000 Mitteilungen, Briefe und Notizen aus dem Zuchthaus Luckau

Karl Liebknecht: Mitteilungen, Briefe und Notizen aus dem Zuchthaus Luckau

[IML, ZPA, NL 1/65, 174/175; Die Kommunistische Internationale (Hamburg), Zweiter Jahrgang, 1921, Nr. 15, S. 21, 21; Die Aktion (Berlin), 10. Jg., Heft 15/16, 17. April 1920, Sp. 209-211; Karl Liebknecht: Politische Aufzeichnungen aus seinem Nachlass Geschrieben in den Jahren 1917-1918. Unter Mitarbeit von Sophie Liebknecht herausgegeben, mit einem Vorwort und mit Anmerkungen versehen von Franz Pfemfert, Berlin 1921, S. 142, 140-142, 138 f., 139 f.; Die Kommunistische Internationale (Hamburg), Zweiter Jahrgang, 1921, Nr. 15, S. 21 f.; Karl Liebknecht: Politische Aufzeichnungen aus seinem Nachlass Geschrieben in den Jahren 1917-1918. Unter Mitarbeit von Sophie Liebknecht herausgegeben, mit einem Vorwort und mit Anmerkungen versehen von Franz Pfemfert, Berlin 1921, S. 136-138; IML, ZPA, NL 1/73; IML, ZPA, NL 1/25, Bl. 60/61. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 9, S. 563-579]

An Sophie Liebknecht1

Luckau, 8. 9. 18

Mein Allerliebstes!

Jetzt hab ich Dich; in den Händen!2 Und lass Dich nicht wieder los. Als ob ich Dich nicht tausendmal ebenso gesehen und geküsst hätte! Brauchst Dich wirklich nicht zu entschuldigen, dass Du gerade in diesem Sommer, ein paar Wochen, so ausgesehen hättest. Nur das mit dem Haarwulst über der Stirn gefällt mir nicht. Ich will Deine Stirn frei haben, sie verdient's wirklich. Aber kurz u. bei alledem: Das war u. ist eine große, eine großmächtige Freude, die ich Dir nur mündlich danken kann …

Unterbrechung – Ankunft der Zeitungen – die aber noch nicht gelesen! – Bravo! Für Deine Promptheit.

Du tadelst: ich wiederholte oft dasselbe. Es ist nicht Greisenschwäche! Es ist Hämmern. Bis der Nagel fest sitzt. Axtschlagen – bis der Baum fällt. Pochen – bis Schlafende aufwachen. Peitschen – bis Träge u. Feige auf stehen u. handeln.

Und so – ja, es ist Streicheln, bis meine Liebste meine Bitte erfüllt: u. mir die Lexika schickt.

Larin3 musste nach Moskau – die Anfrage war doch keine persönliche von ihm, die Antwort musst Du der Botschaft geben4, der ich noch vieles sonst sagen möchte – u. leider nicht kann. Ich möchte helfen unter Opferung von tausend eignen Leben – mithelfen zu dem einzigen, was der russischen Revolution und der Welt helfen kann. Verdammte Ohnmacht. Ich stoße an die Wände.

Am Dienstag – 3. 9. – erhielt ich „Marx". Ich war mehrere Tage wie betrunken und tief aufgewühlt. Den 2. Teil, den ich noch nicht kannte5, las ich schon zweimal. Die Darstellung zeigt wiederum den Glanz der unübertroffenen Meisterschaft. Mein Urteil über den 1. kann ich nur auf ihn ausdehnen. Leider kann ich ja dies u. wie gewaltig meine Freude war u. ist Freund Mehring nicht direkt schreiben. Aber sag es ihm, und nochmals meinen herzlichsten Dank u. dass ich mich über manches, wo ich sachlich etwas abweiche, mit ihm – wie seit langem ersehnt – noch hoffe aussprechen zu können – in besserer Zeit! Und dass ich eine Rettung des alten Blanqui wünschte, der's nicht weniger verdient als Bakunin, wenn er auch persönlich nicht so mitgenommen u. verschandelt wurde wie dieser. Und grüße beide Mehrings bestens u. alle, die keine Schlafmützen sind. Und lass Dich von mir küssen u. umarmen …

Dein Karl

Das blau Eingeklammerte6 schreib ihm bitte wörtlich ab u. gib's ihm – ich kann ihm leider nicht direkt schreiben!! –, und zwar rasch!! Du weißt, er hat schon vor 1 Monat geschickt!! …

Der Bann gebrochen!

Kaum ist der eiserne Reif der deutschen Übermacht gelockert, kracht das Machtgebäude in allen Fugen – in Bulgarien, in der Türkei, in Österreich, in Polen, in Deutschland selbst.

Militärische Vergewaltigung ist kein Fundament, auf dem Dauerndes errichtet werden kann.

September 1918.

Der kleine und der große Kladderadatsch!

Jetzt, da die militaristische Herrschaft Deutschlands stürzt, jetzt wird der Krieg revolutionär im höchsten Sinne.

Doch noch stehen wir am Anfang. Die Hauptsache kommt. Die entscheidende Stunde schlägt – zur sozialen Revolution.

Der kleine Kladderadatsch ist da – jetzt folgt der große.

September 1918.

Deutsche Arbeiter! Deutsche Soldaten!7

Gegen ein revolutionäres Deutschland marschiert keine feindliche Armee. Die deutsche Revolution ist der Friede …8

Von Wilhelm dem Hohenzollern bis Scheidemann, dem Ministerfrack, reicht die Front eurer Feinde.

Es ist erreicht! Die Sehnsucht der Regierungssozialisten ist erfüllt; ihr Heißhunger nach den Fleischtöpfen des Ministerialismus ist gestillt. Es ist erreicht! Ein paar von ihnen sind ins Paradies der Wilhelmstraße aufgenommen, gnädig begrüßte, scharwenzelnde Konzessionsschulzes und Kompromissmüllers.9

Aufdringlich zeigt sich der Zweck der Übung: euch weiszumachen, das sei nun eure Regierung – eine neue Zeit sei für euch angebrochen, weil sie für Scheidemann angebrochen ist, ihr lebtet im Paradies, weil Scheidemann darin lebt.

Aber Scheidemann und die anderen sitzen nicht als eure Führer, sondern als eure Verführer in der Regierung! Sie sind Feigenblatt des Absolutismus, Blendwerk für euch, Schutzschild der herrschenden Klassen. Sie sitzen in der Regierung, um die wankende Klassenherrschaft zu stützen, um die kapitalistische Gewaltherrschaft euren Augen zu verbergen, um euren Zorn, um den Blitzstrahl des Volksgerichts abzulenken von euren Erzfeinden, eure Erzfeinde unter den Schutz der sozialdemokratischen Flagge zu stellen – vor euch! Um euch zu veranlassen, euch für eure Erzfeinde begeistert hinschlachten zu lassen, im Wahne, ihr kämpftet nun für euch selbst!

Dazu, zu dieser infamen Komödie des Volksbetrugs, dem schändlichsten Manöver, das noch gegen euch verübt wurde, dazu haben sich die Führer der Regierungssozialisten hergegeben! Werdet ihr euch nasführen lassen?

Bessert der Scheidemannsche Ministerfrack das Geringste am Kern und Wesen der heutigen Zustände? Er sichert, saniert sie nur, wenn's glückt.

Bisher opfertet ihr euch für Hohenzollern, Hindenburg, Krupp, Junker und Deutsche Bank! Für wen werdet ihr fortan euer Blut, euren Schweiß vergießen?

Für Scheidemann und Hindenburg; für Scheidemann und Krupp; für Scheidemann und Junkertum und Ausnahmegesetze und Polizeiwirtschaft und Preußen; für Scheidemann und Kapitalismus, Ausbeutung und Unterdrückung; für Scheidemann und Maschinengewehre gegen streikende und demonstrierende Arbeiter; für Scheidemann und Militarismus, Säbeldiktatur, Belagerungszustand; für Scheidemann und Klassenherrschaft; für Scheidemann und Imperialismus; für Scheidemann und Geldsack der Herren; für Scheidemann und blaue Bohnen und Hungerriemen dem Proletariat! Für Scheidemann und Verlängerung des Kriegs und Vorbereitung neuer Kriege!

Denn alles dies heißt heute Scheidemann – und Klassenjustiz, Kriegsgerichte, Schutzhaft, Zuchthaus für unsere Besten dazu. Werdet ihr euch nasführen lassen?

Die Scheidemann-Regierung, das ist eine gegenrevolutionäre Tat, ein gegen euch geführter tückischer Schlag – zur Verhinderung des Siegs, der euch jetzt winkt, den ihr jetzt in Händen haltet, wenn ihr nur zugreift; zur Verhinderung der Revolution. Werdet ihr euch nasführen lassen?

Durch falschen Schein des Augenblicks euch um die zukünftige Wirklichkeit zu prellen, das ist der Zweck der Scheidemann-Regierung.

Werdet ihr euch nasführen lassen?

Neuer Burgfrieden für die herrschenden Klassen, Wiederherstellung der inneren Front für die neue Auslieferung der Volksmassen an die Machthaber: das heißt die Scheidemann-Regierung.

Werdet ihr euch nasführen lassen?

Kann eure Antwort anders lauten als: Doppelt verschärfter Kampf! Nieder mit der pseudosozialistischen Regierung des Massenbetrugs! Nieder mit Scheidemann und den Hohenzollern, Hindenburg! Nieder mit Scheidemann und dem Imperialismus! Nieder mit Scheidemann und dem Krieg!

Werdet ihr euch nasführen lassen?

Die russischen Arbeiter jagten mit Fug den pseudosozialistischen Kerenski zum Teufel, obwohl er turmhoch das Scheidemann-Gelichter überragt. Nun wohl – folgt ihrem Beispiel – vollzieht euer Verdikt gegen diese ungetreuen Arbeiterführer von einst, die verräterische Söldlinge des Imperialismus geworden sind – vollzieht euer Verdikt – schonungslos – denn kein schnöderer Verrat kann sein, als zur Zeit der grausigsten Gut- und Blutaussaugung der Volksmassen mit den Todfeinden der Volksmassen zu paktieren, um ihnen die Volksmassen zu überantworten.

Ihr verkauft das Erstgeburtsrecht des Proletariats. Euer Ziel ist nicht ein neuer Burgfrieden für die Gewalthaber! Ist nicht eine pseudosozialistische Leibwache der herrschenden Klassen in der Regierung! Ist nicht Aufrechterhaltung der kapitalistischen Fron, der politischen Knechtung.

Euer Ziel ist die Republik und der Sozialismus – die sozialistische Volksrepublik!

Euer Ziel ist weder ein ganzer noch ein halber Reform-Humbug, weder eine Hertlingsche noch eine Scheidemannsche Klassenregierung.

Keinen Hertlingschen und keinen Scheidemannschen Imperialismus, keinen Hertlingschen und keinen Scheidemannschen Krieg und Hunger!

Euer Ziel ist: Schluss mit Kapitalismus und Hohenzollern, mit Polizeibüttelei und Junkertum, mit Militarismus und Belagerungszustand und Zuchthauskurs, mit Krieg und Hungersnot.

Nieder mit den Scheidemännern und allen Verrätern der Arbeiterklasse!

Es lebe die Revolution des deutschen Proletariats!

Die Stunde ist günstiger als je! Nutzt sie! Lasst sie euch nicht durch Trug und Schmeichelreden ablisten! Schmiedet das Eisen, solange es heiß ist! Der Augenblick zum Handeln ist da –; deutsches Proletariat, tue deine Pflicht.

September 1918.

Zum Regierungs-„Programm" der Regierungssozialisten

Steht in ihrem Programm für den Eintritt in die Regierung10 auch nur eine demokratische, auch nur eine proletarische, auch nur eine sozialistische, kurz, auch nur eine ernsthafte, eine grundsätzliche Forderung?

Freilich „Grundsätze"! Bah! Sie pfeifen darauf. Sie sind grundsätzlich grundsatzlos und rühmen sich dessen noch gar!

Wir aber, die wir ehrliche Demokraten sind und Sozialisten – wir rufen: Nieder mit diesen Verrätern der Arbeiterklasse!

September 1918.

Deutsche Arbeiter! Deutsche Soldaten!

Man gaukelt euch das „gleiche Wahlrecht" für Preußen vor – habt ihr dies, sagt man, so habt ihr das Höchste, was euer Herz begehren kann; so wird Preußen-Deutschland euer wahres Vaterland sein, für das ihr Gut und Blut freudig begeistert opfern müsst, und wenn der Krieg noch sieben oder gar dreißig Jahre dauert!

Gemach! In anderen Zeiten mochtet ihr Schweiß und Blut ums preußische Wahlrecht allein vergießen! Heute geht's um Größeres!

Was ist das gleiche Wahlrecht für Preußen?

Selbst wenn die Regierungsvorlage ohne jede Verschlechterung, Sicherung usw. Gesetz würde, wäre Preußen-Deutschland politisch noch nicht so weit, wie der zurückgebliebenste europäische Staat – außer Österreich-Ungarn und Rumänien – längst vor dem Kriege war! Noch nicht so weit im politischen Gesamtzustand. Noch nicht so weit in Bezug auf die Macht des Parlaments: Alle möglichen künftigen preußisch-deutschen Wahlrechte zu allen möglichen preußisch-deutschen Schwatzparlamenten werden ein Flederwisch sein im Vergleich mit dem Wahlrecht zu dem mächtigen, wirklich im Innern und Äußern regierenden englischen Unterhaus! Von dem das Sprichwort sagt, dass es alles könne, nur nicht aus einem Manne eine Frau machen – was gerade das Einzige ist, was der deutsche Reichstag kann: Männer in schwatzende Weiber verwandeln. Noch nicht so weit in der Exekutive, der Verwaltung usw., d. h. auf dem für die politischen Machtverhältnisse entscheidenden Gebiete der Staatsordnung! Ganz zu geschweigen von den grundlegenden sozialen Verhältnissen.

Soll sich das deutsche Proletariat heute mit solchen Zugeständnissen abspeisen lassen? Um des preußischen Wahlrechts willen kuschen – um am Schluss des Krieges noch nicht einmal so weit zu sein, wie das rückständigste der Ententevölker längst vor dem Kriege war? Das heißt in einem Zustande, der die Völker der Entente weder vor Unterdrückung und Ausbeutung noch vor dem Kriege bewahren konnte? Wäre Deutschland mit solchen Wahlrechten, wäre ein Deutschland mit Scheidemann und Legien im Ministerfrack ein Vaterland, für das sich dem deutschen Proletariat weiter Hekatomben von Kriegsopfern lohnen würden?

Soll es ruhig und befriedigt den herrschenden Klassen die Kastanien aus dem Kriegsfeuer holen – für solche Bettelpfennige, um mit siegreicher Beendigung des Krieges von der mit seiner Hilfe geretteten und gestärkten Kapital-, Polizei- und Militärgewalt auch darum betrogen und doppelt geknüttelt und gebüttelt und geschüttelt zu werden?

Soll es sich mit Reformen, die den Kapitalismus, die Klassenherrschaft lebensfähig erhalten, abspeisen lassen?

Einst, in anderen Zeitläuften, da mochte das deutsche Proletariat Schweiß und Blut hingeben um das preußische Wahlrecht. Nur stumpfer Philistergeist, nur lendenlahmer Philistermut kann sich heute daran entzünden!

Uns geht's um Größeres – heute, in einer Zeit, die neue Welten gebiert. Uns geht's um Größeres, in einer Zeit, da das Proletariat nach dem Höchsten greifen kann, wo das Ganze des Staates und der Gesellschaft in seine Hand gegeben ist, wenn es nur zugreift! Wo es nur eine Losung geben darf: Ein Ende dem Kapitalismus, ein Ende den Hohenzollern, ein Ende aller Klassenherrschaft! – „Krieg den Palästen – Friede den Hütten!!"

Von Wilhelm dem Hohenzollern bis Scheidemann, dem Ministerfrack, reicht die Front eurer Feinde!

September 1918.

Deutsche Soldaten!

Jawohl! Eure großen Feldherrn, eure Heerführer und Offiziere, die Hindenburg, Ludendorff und was ihnen folgt, und nicht zuletzt der deutsche Kronprinz, den man künstlich zu einem großen Kriegshelden aufplustern möchte, sie allesamt, die in guter Ruh weit vom Schusse sitzen, während ihr Tag und Nacht in Schmutz, Hunger, Kälte euer Leben in die Schanzen schlagt – jawohl, das sind die Immer-feste-druff-Männer! Das ist die Zabernmeute11 gegen das deutsche Volk, das sind die heimlichen, heimtückischen Verfertiger Bissingscher Korpsbefehle12 zur Niederkartätschung des deutschen Volkes!

Jawohl! Eure Heerführer und Offiziere, die Hindenburg und Ludendorff und wie sie heißen, das sind dieselben Männer, die vor dem Kriege Säbel und Flinten, Maschinengewehre gegen streikende und demonstrierende Arbeiter kommandierten und in Zukunft kommandieren werden, wenn ihr ihnen das Handwerk nicht legt! Dieselben, die auch heute jeden Augenblick bereit sind, sich in eurem Blute zu baden, wenn ihr euch für eure Freiheit, eure Erlösung aus kapitalistischer Fron kämpfend erhebt.

Jawohl! Eure Heerführer, das waren die Hauptmatadore der Kriegspartei, die seit Jahren zum Krieg drängten, das sind die berüchtigten Generale, die im Juli 1914 beschleunigte Eröffnung des Krieges forderten, die ein gerüttelt Maß von Schuld an seiner Entfesselung tragen.

Wollt ihr euch noch länger für diese schlagen, für diese hin opfern? Für diese, für die herrschenden Klassen, für eure Todfeinde? Und ihre Hehler und Schützer, die Regierungssozialisten und ihre Ministerfräcke ?

Wahrlich! Ganz andres ist's, was sie verdienen.

Rafft euch auf, macht kurzen Prozess mit ihnen allesamt. – Von Wilhelm dem Hohenzollern bis zu Scheidemann, dem Ministerfrack, reicht die Front eurer Feinde!

[Am Rand steht:]

Hindenburg hat Herbst 1914 gesagt: „Hoffentlich dauert der Krieg so lange, bis alles sich unserm Willen fügt." Er hat den Frieden seit Jahren verhindert! Nieder mit Hindenburg!

September 1918.

Deutsche Arbeiter! Deutsche Soldaten!

Habt ihr ganz vergessen, dass der Kronprinz, dieser Tennisspieler und Tänzer, den man künstlich zu einem großen Feldherrn aufblasen möchte, einer der Schuldigsten am Kriege ist, an dem unsäglichen Elend und Jammer? Dass er das Haupt der deutschen Kriegspartei seit Jahren war? Habt ihr sein Beifallklatschen zur Heydebrandschen Kriegshetzrede von 1911 vergessen? Vergessen, dass er der gehässigste Verächter der Volksmassen war und ist? Ein Reaktionär vom Scheitel bis zur Sohle und bis ins Mark hinein? Der Intimus des Junkers Oldenburg-Januschau, der einst den Reichstag mit einem Leutnant und 10 Mann auseinanderzujagen verhieß? Habt ihr vergessen, dass er es war, der 1913, kurz vor dem Kriege, an die militärischen Staatsstreichler von Zabern, die Volk und Gesetz übermütig zersäbelten, jenes infame „Immer feste druff" telegraphierte? „Immer feste druff" mit hauenden Säbeln und schießenden Flinten aufs deutsche Volk! Das war seine nur allzu erfolgreiche Parole – 1913! Und heute? Heute tut er, als sei er um euer Wohl tief besorgt, mimt Liebe zu euch, Dankbarkeit für euch – weil er euch als Schlachtvieh braucht, damit ihr euer Blut williger vergießt – für ihn – für die Hohenzollern, für seinen künftigen Thron und die deutschen Geldsäcke; für Geldsack und Thron, für die der Krieg begonnen wurde und geführt wird. Damit ihr euch willig abschlachten lasst, hungert, darbt, friert, indessen er in dulci jubilo und sicher hinter der Front lebt und sich von euch den Feldherrnruhm erkämpfen lässt, der ihm dann erleichtern soll, euch klein zu kriegen und zu ducken. Habt ihr all das vergessen?

Lasst ihr euch noch immer an der Nase herumführen?

Für Geldsack und Thron wurde der Krieg begonnen – und gegen euch! Um euren Aufstieg, um euer politisches und soziales Erwachen, eure Befreiung aus innerer Knechtung zu verhindern. Darum wird er noch heute geführt! – Trotz aller regierungssozialistischen Minister, die euch verblenden sollen!

Wollt ihr den erbitterten Erzfeinden des Volkes noch weiter gehorchen? Und den regierungssozialistischen Ministern, ihren Helfershelfern?

Euch noch weiter metzeln lassen um Throne für die Hohenzollern, Geldsäcke für die Kapitalisten, Ministersessel für verräterische Arbeiterführer und – blaue Bohnen, Peitsche und Hungerriemen für euch usw.?

Von Wilhelm dem Hohenzollern bis Scheidemann, dem Ministerfrack, reicht die Front eurer Feinde!

September 1918.

Deutsche Soldaten! Deutsche Arbeiter!

Immer aufdringlichere und gewissenlosere Manöver verüben die Gewalthaber, um euch fest in den Händen zu behalten.

Die Rede des Kaisers vor ein paar hundert kommandierten Kruppschen Arbeitern, die wie die Rekruten auf dem Kasernenhof ihr „Jawohl!" rufen mussten, wenn sie nicht aufs Pflaster fliegen wollten, was war diese Rede anders als eine unwürdige Posse?13 Wenn diesen Herren das Wasser an der Kehle sitzt, heißt ihr Kameraden!! Freunde!! Solang sie euch nötig haben: Liebe Kameraden!! Liebe Freunde!! Um euch zu kirren, dass ihr ihnen helft: Liebste Kameraden und Freunde! Habt ihr sie aus der Patsche gezogen, ihnen Thron, Herrlichkeit, Macht und neuen Raub gewährt und verschafft, so folgen Leierkasten und Fußtritte, dass euch Hören und Sehen vergeht. So war es in der Vergangenheit – so wird's in Zukunft sein, wenn ihr den heuchlerischen Schmeichelworten vertraut. Der Kaiser – das ist derselbe, der die klassenbewussten Arbeiter als Elende beschimpfte, der die streikenden Arbeiter mit Zuchthaus bedrohte, aber seine ganze Zärtlichkeit den Streikbrechern widmete, der dem frechen und unbotmäßigen Volke Kartätschen verhieß, die Alexanderkaserne mit Schießscharten gegen das Volk versah, der seine Soldaten gegen streikende und für politische Freiheit demonstrierende Arbeiter marschieren ließ; der Deutschland in einem halb absolutistischen Zustand erhielt, der die elsass-lothringische Verfassung in Scherben schlagen wollte; der Kaiser, das ist der deutsche Kriegsherr, der vor dem deutschen Volke und vor der ganzen Menschheit die Hauptverantwortung für den entsetzensvollen Krieg trägt! Der heute genauso ist und denkt wie vor dem Kriege, wie in dem Augenblick, da er das Unheil heraufbeschwor! Der euch künftig genauso schaben und schinden wird, wenn ihr ihn nicht unschädlich macht.

Und Hindenburgs Sedankundgebung! Seine Warnung vor „feindlicher" Agitation! Wer sieht nicht, dass sie nur ein plumper Trick ist? Jene Flugblätter sind nicht das Werk von „Feinden" aus anderen Ländern, die euch auf falsche Bahn führen und vernichten wollen, sondern das Werk von Freunden aus dem eigenen Lande, die euch auf die rechte Bahn weisen, auf die Bahn der Selbstbefreiung, der Selbsthilfe gegen die Hindenburg und Hohenzollern.

Und die Hatz über angebliche Grausamkeiten der „Feinde" gegen deutsche Gefangene nicht minder: Lüge, faustdicke Lüge! Lüge, um euch zu neuem Hasse und neuer Kriegslust aufzupeitschen, um das Fraternisieren mit dem Feinde zu verhindern, damit ihr lieber für eure Peiniger in Deutschland sterbt, als lebend in die Hände der Feinde zu fallen, die gar nicht eure Feinde sind.

Wahre dich, deutsches Volk und deutsche Heimat!" Jawohl – wahre dich vor den heuchlerischen Schmeichelworten, vor der verhetzenden Demagogie, vor den verwirrenden Lügen der Hohenzollern und Hindenburg und ihrer Helfershelfer – der Regierungssozialisten.

Von Wilhelm dem Hohenzollern bis Scheidemann, dem Ministerfrack, reicht die Front eurer Feinde!

September 1918.

Deutsche Soldaten! Deutsche Arbeiter!

Seht, welch schändliches Spiel die deutsche Regierung mit Finnland treibt!

Wisst ihr, was Finnland früher war? Ein Land mit dem freiesten demokratischen Wahlrecht – auch für die Frauen! Mit dem Achtstundentag – auch für die Landarbeiter! Mit einem Landtag, dessen Mitglieder fast zur Hälfte Sozialdemokraten waren! Und dieses Finnland – wie sieht es jetzt aus? Dieses Parlament – was ist aus ihm geworden? Die sozialistischen Abgeordneten verjagt, eingesperrt oder füsiliert! Der Rest – unter dem „Schutz" der deutschen Bajonette. Als aber auf deutschen Befehl Finnland zum Königreich gemacht werden sollte für irgendeinen stellungslosen deutschen Prinzen – da sagte selbst dieses traurige Rumpfparlament, das so wenig finnischer Landtag ist wie die konservative Reichstagsfraktion der deutsche Reichstag – da sagte selbst dieses traurige Rumpfparlament die Gefolgschaft auf. Trotz der schützenden deutschen Bajonette gelang es nicht, die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu gewinnen, so dass ein regelrechter Staatsstreich nötig war, um den begehrten Thron für den Schwager des deutschen Kaisers zu fabrizieren, unter schnöder Vergewaltigung des finnischen Volkes, dessen überwältigende Mehrheit sich unzweideutig und leidenschaftlich für die Republik erklärt hat. Machtvergrößerung und -bereicherung der Hohenzollern, denen die Welt, denen ihr den Krieg verdankt, die die Hauptschuldigen an dem endlosen Menschengemetzel sind, Machtvergrößerung und Bereicherung dieser Hohenzollern, das ist ja, wie ihr wisst, ein Hauptzweck dieses Krieges. Statt Sühne und Strafe, die das deutsche Volk, die ganze blutende Menschheit von ihnen heischen muss – Belohnung!

Und wie steht's sonst mit Finnland? In deutschen Klauen versklavt. Das freie Wahlrecht – aufgehoben! Der Achtstundentag, durch den, wie der Bericht sagt, die finnischen Arbeiter „verwöhnt" waren – aufgehoben! Und dafür sollt ihr weiter bluten und darben.

Nun wohl! Wer für die Fronknechtschaft der Volksmassen, für die Befestigung der bestehenden Throne und für die Versorgung machtlüsterner Fürsten mit neuen Thronen und Kronen, wer für die Unterdrückung und Ausbeutung fremder Völker wie des eigenen Volkes kämpfen will, der möge den Hindenburg und Hohenzollern weiter gehorsamen. Wer sich aber für Völkerfreiheit und Glück, für die Erlösung des Weltproletariats in die Schanzen schlagen will, der trete zu uns!

Verweigert man euch nicht immer noch sogar den Bettel der Arbeitskammern, den Bettel des preußischen Wahlrechts – obwohl es euch noch nicht einmal auf die Höhe der politisch zurückgebliebensten Völker Europas (außer Österreich-Ungarn) heben würde!

Wer helfen will, dass mit dem deutschen Volke noch ärger Schindluder gespielt und dass der Krieg ins Endlose verlängert wird, der trage seine Knochen weiter für die Hindenburg und Hohenzollern und ihre Helfershelfer, die Scheidemännischen Ministerfräcke, zu Markte. Wer aber ein freies Deutschland, wer die Befreiung der darbenden Massen in aller Welt erstrebt, wer den Frieden will, der erkläre diesen Feinden des Volkes den Krieg.

Von Wilhelm dem Hohenzollern bis Scheidemann, dem Ministerfrack, reicht die Front eurer Feinde!

September 1918.

Das russische Beispiel zündet14

Was hat die Entente polit., wirtsch. Bulgarien zu bieten? Und der Türkei? Gar viel! Territorial u. kapitalistisch.

15 Aber es heißt auf der Oberfläche haften, wenn man sich mit der Annahme begnügt, irgendwelche geheime Offerten der Entente – von denen doch die Massen nichts wissen können, in denen sich die Zersetzung, der Umschwung gerade am augenfälligsten zeigt – bildeten die wahren Ursachen des Umschwungs. Diese Ursachen sind wie der ganze Vorgang durchaus elementaren Charakters.

Revolution gegen Ferdinand etc., aber auch gegen den Mittelmächte-Imperialismus, gegen die Ägyptisierung – à la Ukraine. Nur durch die absolute militärische Übermacht (Prestige) Deutschlands bisher unterdrückt. Jetzt ist die eherne Kettung gelockert, u. sofort bricht's los, elementar – ein Zeichen, wie sehr das bisherige Bündnis nur aus einseitiger Vergewaltigung entstanden ist u. [darauf] beruht.

Es handelt sich also nicht um eine Veränderung des Verhältnisses in der Gegenwart, sondern um ein Symptom für den Charakter des Verhältnisses auch in der Vergangenheit, von Anfang an.

(Ganz ähnlich wie zw. Türkei u. Österr.!) …16 apportiert – jetzt, wo der Gewaltdruck erleichtert.

Chancen für antiimperialistischen Völkerbund auf dem Balkan, dem die Entente u. selbst Österreich im gegenwärtigen Moment die Wege ebnen mag, weil an dessen Forderung die Entente heute in gewissem Umfang interessiert scheint; für den längst erstrebten Balkanvölkerbund, der die Nationalitäten- u. anderen Balkanfragen allein lösen kann, die dem Imperialismus nur als Werkzeug /Mittel/ dienen, um seine Vergewaltigungszwecke bequemer zu erreichen.

So ist der jetzige Vorgang, wie wir hoffen, eine Revolution zur demokratischen Völkerverständigung, unter Abschüttelung der Dynastien. Eine Revolution, von der wir hoffen, dass sie nur die Einleitung zur sozialen Revolution in Bulgarien bilden wird u. damit eine weitere Etappe zur sozialen Weltrevolution, deren Schicksal in Deutschland entschieden wird.

Revol. – Bulgarien aus Hand – deutsche Gegenrevolution! Denn das bedeutet die eilige Hilfe. Gegenrevolution wie in der Ukraine. Gegenrevolution über Beteiligung am Krieg zu erzwingen – …17 Gegenrevolution, um den Verbindungsweg nach der Türkei zu erhalten für Deutschland. Die deutschen Kriegstruppen sind Okkupationstruppen u. revolutionär für den Zaren, den besten Zaren nach Nikolaus' Ende, für den deutsch. Orientimperialismus, für Berlin-Bagdad. Gegenrevolution – zur Eroberung Bulgariens.

Revol. Charakter der Vorgänge in Bulgarien u. konterrevolutionärer Charakter der deutschen „Hilfe", um Bulgarien zu zwingen, auch militärisch bei der Stange zu bleiben – für Ferdinand, für Fortsetzung des Kriegs, für die Wahrung der heiligsten Güter des deutschen Imperialismus.

In Bezug auf Krieg auch bedeutsam wegen Wirkung auf Türkei u. auch Österreich-U. u. Rumänien!

Welche Aussichten?

Wenn Blockparteien, jetzige Regierung u. Oberste Heeresleitung für Frieden u. Entente, so ist für Mittelmächte Bulgarien als Ganzes mindestens aus Krieg ausgeschaltet /neutralisiert/ – trotz aller möglichen militärischen Hilfe Deutschlands u. aller erdenklichen Zugeständnisse. Von Wiederherstellung der bulgar. Front gegen Entente also keine Rede.

Aber ist der Friedensschritt ev. nur eine Demonstration zur Erringung der Dobrudscha u. Adrianopels – als Pression auch gegen die Türkei wegen der Grenzdifferenzen, wegen des Bukarester Friedens? Selbst wenn das von einzelnen so gedacht wäre, die Aktion aufhalten ist unmöglich, sie ist längst unwiderruflich darüber hinaus, Armee zersetzt u. kampfunfähig; das Geschehene ist nicht mehr zu ändern, der Schaden nicht mehr einzurenken.

Es handelt sich um einen ganz elementaren Prozess (Vorgang). Einen ganz elementaren organischen, sozialen, politischen, wirtschaftlichen Prozess im bulgarischen Volkskörper, in dem die nationalistischen Fragen nur als Komplikationen wirken. Dieser Prozess wirkt auf die bulgarische Haltung, auf das Verhältnis des bulgarischen Volks zum Krieg – aber diese kriegspolitische Wirkung ist nur sekundär. Also durch militärische Mittel nicht zu heilen. Die Seifenblasen zerplatzt, die den Massen vorgegaukelt. Die nationalistische Hypnose gelöst, zerflogen, die die Massen bannte, die Massen sind kuriert, erwacht, sie wieder einzuschläfern, zu bannen, zu magnetisieren wird nicht gelingen.

Das Politische u. Soziale u. Wirtsch. von den Massen an den Anfang gestellt, an die prinzipale Stelle /vordersten, ersten Rang/, die ihm gebührt.

Der deutsche Imperialismus setzt sein Werk der Niedertrampelung revolutionärer Volkserhebungen fort. Soll er es ungehindert vollbringen? Auch dieser Revol. zu helfen liegt in den Händen des deutschen Prolet.! Und diese Hilfe heißt: deutsche Revolution!

Oktober 1918.

Das neue Deutschland

1. „Einschränkung" des Belagerungszustandsgesetzes: Künftig sollen auch Oberpräsidenten u. – sogar der Reichskanzler!! mit über die Maßnahmen reden dürfen! – Und diese große Reform – à merci des Kaisers, der sie einführt u. wieder aufheben kann.18

2. „Kriegserklärung nur mit Zustimmung des Reichstags – außer bei Angriff." – Der natürlich stets zu konstruieren.

Also auch diese Reform wertlose Druckerschwärze!!

Oktober 1918.

1 Brief ging durch die Zensur der Zuchthausverwaltung. Die Red.

2 Karl Liebknecht hatte ein Bild seiner Frau erhalten. Die Red.

3 J. Larin (M. A. Lurje) (1882-1932), Mitglied der Partei der Bolschewiki; nach der Oktoberrevolution in politischen und wirtschaftlichen Funktionen tätig. Die Red.

4 Aus verschiedenen Andeutungen in Briefen geht hervor, dass die sowjetische Botschaft den Plan hatte, mit der deutschen Regierung über einen Austausch Karl Liebknechts gegen Gefangene zu verhandeln. Die Red.

5 Franz Mehring hatte seinen Freunden bereits Teile der Marx-Biographie im Manuskript zum Lesen gegeben. Die Red.

6 Blau eingeklammert ist der auch für Franz Mehring bestimmte Abschnitt von „Am Dienstag" bis „grüße beide Mehrings bestens". Die Red.

7 An den Rand geschrieben: „Nur in eventum verfasst – für den Fall, dass es zum Koalitionsministerium kommt. Das ist auch in den anderen Entwürfen vorausgesetzt. Bei der Schnelligkeit der Entwicklung musste ich etwas Prophet spielen, um wenigstens eine Chance der Aktualität zu gewinnen!" Die Red.

8 Punkte in der Quelle. Die Red.

9 Karl Liebknechts Annahme bestätigte sich: Am 3. Oktober 1918 traten Philipp Scheidemann und Gustav Bauer als Staatssekretäre in das Kabinett des Prinzen Max von Baden ein. Die Red.

10 Am 23. September 1918 beschlossen die Reichstagsfraktion und der Parteiausschuss der SPD mit 55 gegen 10 und 25 gegen 11 Stimmen den Eintritt in die neu zu bildende Regierung unter Prinz Max von Baden und formulierten ihre Bedingungen. Damit gingen die rechten Sozialdemokraten von der Burgfriedenspolitik zur Koalitionspolitik mit der herrschenden Klasse über, um den Ausbruch der Revolution in Deutschland zu verhindern.

11 Im November 1913 war es in dem elsässischen Städtchen Zabern zu schweren Ausschreitungen des preußischen Militärs gegenüber den Einwohnern gekommen, die gegen die Beschimpfung der Elsässer durch einen Leutnant der Garnison protestiert hatten. Der Regimentskommandeur, Oberst von Reuter, maßte sich aus eigener Machtvollkommenheit die polizeiliche Exekutivgewalt an, ließ die Demonstrationen der Bevölkerung mit Waffengewalt auseinanderjagen und 27 Personen verhaften. Obwohl diese Vorgänge in ganz Deutschland und selbst bei Teilen des Bürgertums einen Entrüstungssturm gegen die Militärkamarilla auslösten und der Reichstag nach heftigen Debatten die Stellung der Regierung, die die Vorgänge zu bagatellisieren versuchte, mit 293 gegen 54 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen missbilligte, wurde Oberst von Reuter von einem Kriegsgericht in Straßburg von aller Schuld freigesprochen und im Januar 1914 vom deutschen Kaiser demonstrativ mit einem Orden dekoriert. Bereits während des Wütens der Soldateska in Zabern hatte der Kronprinz von Preußen an von Reuter telegraphiert: „Immer feste druff!" Der Berliner Polizeipräsident von Jagow hatte sich in einem Artikel in der „Kreuz-Zeitung" vom 22. Dezember 1913 ebenfalls vorbehaltlos auf die Seite des Militärs gestellt und gefordert, den Leutnant Forstner, einen der Hauptschuldigen an den Ausschreitungen in Zabern, straffrei ausgehen zu lassen.

12 Am 30. April 1907 erließ der kommandierende General des VII. Armeekorps in Münster, Freiherr von Bissing, einen Befehl mit detaillierten Anweisungen darüber, wie sich die Truppen bei Unruhen, im Falle des Belagerungszustandes, bei Straßenkämpfen usw. zu verhalten hätten. Dieses Dokument war ein typisches Beispiel für die Brutalität, mit der der bürgerlich-junkerliche Staat gegen die Arbeiterklasse vorzugehen gedachte.

13 Am 11. September 1918 hatte Wilhelm II. zu Arbeitern der Krupp-Werke in Essen gesprochen. Die Red.

14 Am 15. September 1918 durchbrachen die Truppen der Entente die bulgarischen Linien an der Salonikifront und drangen tief in die bulgarischen Stellungen ein. Am 25. September ersuchte Bulgarien, ohne seine Verbündeten Deutschland, Österreich-Ungarn und die Türkei verständigt zu haben, um Waffenstillstand. Im Lande brach ein Aufstand aus, der durch deutsche Truppen niedergeworfen wurde, jedoch war Zar Ferdinand gezwungen, am 3. Oktober 1918 zugunsten seines Sohnes Boris auf den Thron zu verzichten.

15 Punkte in der Quelle. Die Red.

16 Zwei Wörter nicht zu entziffern. Die Red.

17 Einige Wörter nicht zu entziffern. Die Red.

18 Gemeint ist der kaiserliche Erlass vom 30. September 1918, der angeblich eine parlamentarische Umgestaltung des Deutschen Reiches einleiten sollte. Die Red.

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