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Karl Liebknecht 19181202 Rüstung der Revolution

Karl Liebknecht: Rüstung der Revolution

Artikel

2. Dezember 1918

[Die Rote Fahne (Berlin), Nr. 17, 2. Dezember 1918. Nach Gesammelte Reden und Schriften, Band 9, S. 636-639]

Offiziere und Junker, Generäle und Admiräle als Soldatenräte, Prinzen als deren Schutzherren.

In Westfalen und anderwärts geheime Zusammenkünfte der Offiziers-Soldatenräte mit anderen Offizieren unter der Leitung der Generalkommandos.

Die „Soldatenräte" im Großen Hauptquartier und in Potsdam berufen auf eigene Faust Sonderkonferenzen der deutschen Soldatenräte.

Ein adliger Offizier bringt vor Berliner Gardedragonern ein dreifaches Kaiserhoch aus, in das die Soldaten einstimmen.

Über ganz Deutschland organisieren sich die Offiziere in einer „Interessenvertretung" .

Wohlbekannte Kreise gründen einen Bund aktiver Unteroffiziere, dem in Berlin schon 5000 Mitglieder angehören.

Hindenburg erlässt politische Kundgebungen wie in den besten Tagen der Wilhelminischen Zeit.

Generalleutnant von Winterfeldt marschiert mit zwei Divisionen auf Aachen und Köln, um die Revolution niederzuwerfen.

An der Spitze gewaltiger Heere unter der schwarz-weiß-roten Fahne, voll musterhafter Disziplin und künstlich aufgestachelten Hasses gegen den „Bolschewismus" ziehen Generäle, Mitschuldige am Krieg, Mitverschworene der Hohenzollern, vom Westen ins Innere Deutschlands. Sixt von Arnim veranlasst den Soldatenrat „seiner" Armee – 500.000 Mann! – zu dem Beschluss, den „Bolschewismus" mit allen Mitteln zu unterdrücken. General Eberhardt verfügt die Aufhebung der Arbeiter- und Soldatenräte in den Durchmarschgebieten der 1. Armee. Putsche zurück flutender Fronttruppen gegen Organe und Symbole der Revolution sind die Folge; sozialistische Flugblattverteiler werden niedergeschossen; Versuche zur Entwaffnung der revolutionären Freiwilligenregimenter werden unternommen, Feuergefechte mit der revolutionären Bevölkerung geliefert.

Statt die energischsten Maßregeln zur Unschädlichmachung und Bestrafung der verbrecherischen Frondeure sofort selbst durchzuführen, begnügt sich die Regierung, die Entlassung des Generals Eberhardt (von wem?) „zu fordern" und um die Verlegung des Großen Hauptquartiers von Kassel nach Berlin zu bitten.

Erste Antwort: Die Herren Eberhardt und Hindenburg zeigen die kalte Schulter und tun, was ihnen passt.

Zweite Antwort: Das Armee-Oberkommando in Riga betreibt in Übereinstimmung mit dem Reichskommissar für die baltischen Lande und dem Zentral-„Soldaten"-Rat der 8. Armee die Organisation einer Eisernen Division, die eine „Kampfarmee unter dem Kommando deutscher Offiziere" sein und dem Zwecke dienen soll, „das Herüberfluten der bolschewistischen Welle mit der Waffe in der Hand zu verhindern", das heißt, das revolutionäre deutsche Proletariat blutig niederzuwerfen.

Das ist das Ergebnis von drei Wochen deutscher Revolution. Immer höher wächst die Dreistigkeit der militärischen Gegenrevolution.

Ihre Hoffnung sind vor allem die geschlossenen Kader der heimkehrenden Fronttruppen.

Täuschen wir uns nicht, diese Truppen treten als ein neuer mächtiger Faktor in die Geschichte der deutschen Revolution ein. Ihre Schicksale und Stimmungen haben zwar die Revolution wesentlich vorbereitet; Teile von ihnen, die sich in den entscheidenden Tagen im Innern des Landes befanden, haben an der Bewegung tatkräftig mitgewirkt. Als Ganzes haben sie an der bisherigen Revolution nicht aktiv teilgenommen; als Ganzes sind sie durch die Revolution bisher nur mittelbar beeinflusst; als Ganzes standen sie in den letzten Wochen unter Einflüssen, die einen neuen Chauvinismus, dieses Lebenselixier des Militarismus, förderten: unter den Eindrücken der Waffenstillstandsbedingungen und ihrer Folgen.

Der Militarismus war im Feldheere bei Ausbruch der Revolution geschwächt, aber noch nicht völlig zerschlagen; er ist auch durch die Revolution nicht völlig vernichtet worden und seither, wie es scheint, wieder aufgelebt: Das ist's, worauf die Gegenrevolution rechnet.

Diese Gefährdung der Revolution hat die gegenwärtige Regierung geradezu planmäßig heraufbeschworen: indem sie die Kommandogewalt wiederherstellte und damit die Fronttruppen dem politischen Missbrauch und der Stimmungsbeeinflussung durch gegenrevolutionäre Elemente auslieferte, indem sie, statt eine systematische und energische revolutionäre Propaganda unter ihnen zu entfalten, ihnen nichts als Ordnung und Ruhe predigte und durch Duldung oder Unterstützung eines schamlosen Lügenfeldzuges Schrecken vor der Revolution einflößte. All dies unter dem Vorwand der Fürsorge für glatte Abwicklung des Rückmarsches und der Demobilisation – als wären die Schwierigkeiten der Demobilisation und des Rückmarsches nicht auch in freier demokratischer Selbstbestimmung der Soldatenmassen zu bewältigen ; als wäre die Aufrechterhaltung polizeilicher Ordnung wichtiger als die Aufrechterhaltung der revolutionären Macht! In Wirklichkeit, um die revolutionären Massenkräfte zu hemmen und zu hindern, statt sie voranzutreiben und zu entwickeln.

Die Bedrohung ist um so ernster, je mehr sich auch außerhalb des Militärs die reaktionären Kräfte neu konsolidieren und in Bürgerwehren und Weißen Garden bewaffnen; je mehr das revolutionäre Proletariat entwaffnet wird; je mehr in den Massen das Feuer der Begeisterung für die bisherige Revolution abzuflauen beginnt.

Da hilft keine Schutztruppe des Herrn Wels1, die nur eine Schutztruppe der kapitalistischen Ordnung sein wird.

Da kann nur helfen eine Politik, die die arbeitenden Massen für die Revolution gewinnt und zu grenzenloser Hingabe entflammt, da kann nur helfen der Ausbau, die Aufrechterhaltung und Sicherung der proletarischen Rätemacht, nur die Steigerung der bisherigen Revolution zur sozialen Revolution.

Die Massen des Proletariats müssen ohne Verzug gerüstet werden, damit die Revolution gerüstet sei – gegen alle Anschläge, für alle Aufgaben.

Sie müssen militärisch gerüstet sein. Folgende Maßregeln sind sofort geboten:

Beseitigung aller Offiziere und sonstigen Angehörigen der herrschenden Klassen aus den Soldatenräten und ihre Ersetzung durch erprobte revolutionäre proletarische Soldaten.

Sofortige Wiederaufhebung der Kommandogewalt, Durchführung einer demokratischen Heeresorganisation auch und vor allem unter den Fronttruppen, unter Ausmerzung aller gegenrevolutionären Offiziere.

Sofortige energische Propaganda unter den Soldatenmassen, besonders der Fronttruppen, für die soziale Revolution.

Sofortige Bewaffnung der revolutionären Arbeiter und proletarischen Soldaten, Schaffung einer Arbeitermiliz und, als ihren aktiven Teil, einer Roten Garde, Entwaffnung aller nicht proletarisch-revolutionären Elemente.

Verharrt die Regierung weiter in Pflichtvergessenheit, so werden die Massen selbst handeln müssen.

1 Otto Wels (1873–1939), Sozialdemokrat, vom 10. November bis 29. Dezember 1918 Stadtkommandant von Berlin; wandte sich gegen die Bewaffnung des Proletariats und gegen das Rätesystem und verteidigte die Aufstellung konterrevolutionärer Freiwilligenverbände. Die Red.

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