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Karl Liebknecht 19181215 Zum Reichsrätekongress

Karl Liebknecht: Zum Reichsrätekongress

I

Rede auf dem Begrüßungsabend für Delegierte zum 1. Reichsrätekongress1

(Nach einem Zeitungsbericht)

15. Dezember 1918

[Räte-Zeitung (Berlin), Nr. 2, 8. April 1919. Nach Gesammelte Reden und Schriften, Band 9, S. 644-646]

Karl Liebknecht verwahrte sich dagegen, dass die Spartakusgruppe nur die Zerstörung alles Bestehenden beabsichtige. „Es ist eine Frage vor allen Dingen", sagte er, „die über allen Fragen riesengroß stehen wird, die Frage: Sind Sie gewillt, die Revolution, die Anfang November in Deutschland begann, zur sozialistischen Revolution des deutschen Proletariats weiterzuentwickeln, oder sind Sie gewillt, sie zurückzudrängen, so dass alle Bemühungen vergeblich gewesen sind? Nur wenn Sie gewillt sind, diese große geschichtliche Aufgabe des Proletariats in dem Sinne zu führen, wie sie allein geführt werden kann, wenn Sie die Führung der Bewegung in die Hand nehmen, dann werden Sie der großen Aufgabe entsprechend sich zeigen, als das erste große revolutionäre Parlament des deutschen Volkes."

II

Vorschläge für Anträge an den 1. Reichsrätekongress

15. Dezember 19182

[Kulturwille. Monatsblätter für Kultur der Arbeiterschaft (Leipzig), Nr. 1, Januar 1929, S. 3/4.]

I

Wir beantragen vor Eintritt in die Tagesordnung: Der Rätekongress erklärt sich als oberste gesetzgebende u. ausübende Gewalt.

II

Wir beantragen, als ersten Punkt auf die Tagesordnung zu setzen: Die Gegenrevolution und die vom Rätekongress sofort zu ergreifenden Maßregeln zum Schutze der Revolution.

III

Zu Punkt II der Tagesordnung zu beantragen:

Deutschland eine einheitliche sozialistische Republik, in der alle Macht den A.- u. S.-Räten zusteht.

Der vom Rätekongress gewählte Vollzugsrat – beim Nichtzusammensein des Rätekongresses – das höchste Organ der Gesetzgebung und der Vollzugsgewalt, durch das auch die Volksbeauftragten u. alle zentralen Reichsbehörden zu ernennen u. abzusetzen sind.

IV

Wir beantragen, als besonderen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen:

Sofortiger Aufruf des Rätekong. an die Proletarier aller Länder zur Bildung von A.- u. S.-Räten zwecks Durchführung der gemeinsamen Aufgaben der sozialistischen Weltrevolution.

III

Rede während einer Massendemonstration vor dem preußischen Abgeordnetenhaus

16. Dezember 1918

[Die Rote Fahne (Berlin), Nr. 32, 17. Dezember 1918.]

Genossen, Kameraden, Freunde! Der Tag, an dem der erste Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte zusammentritt, ist von historischer Bedeutung. Die erste Aufgabe des Kongresses ist, die Revolution zu schützen, die Gegenrevolution niederzuwerfen: Entwaffnung aller Generale und Offiziere; Aufhebung der bisherigen Kommondogewalt; Gründung einer Roten Garde, um die soziale Revolution durchzuführen. Aushebung des Restes der Gegenrevolutionäre, und dazu gehört auch – ich sage das, auch wenn sich irregeführte und missleitete Proletarier darüber empören – die Regierung Ebert-Scheidemann. (Stürmische Rufe: Nieder mit den Scheidemännern!) Denn in der Regierung Ebert-Scheidemann laufen nach dokumentarischen Feststellungen die Fäden der Gegenrevolution zusammen. Ebert hat gestern noch Erweiterung seiner Machtbefugnisse verlangt. (Lebhafte Protestrufe gegen Ebert!) Vorläufig haben wir in Deutschland keine sozialistische, sondern eine kapitalistische Republik. Die sozialistische Republik muss erst durch das Proletariat herbeigeführt werden, durch den Kampf gegen die jetzige Regierung, die zur Trägerin des Kapitalismus geworden ist. Wir verlangen von dem Kongress, dass er die volle politische Macht zwecks Durchführung des Sozialismus in die Hand nimmt und die Macht nicht einer Nationalversammlung überträgt, die nicht ein Organ der Revolution sein würde. Wir fordern von dem Rätekongress, dass er die Hand nach unseren russischen Brüdern ausstreckt und die Delegierten der Russen herüber ruft. Wir wollen die Weltrevolution und die Vereinigung der Proletarier aller Länder unter Arbeiter- und Soldatenräten.

1 Der Kongress fand vom 16. bis 21. Dezember 1918 in Berlin statt. Die Red.

2An diesem Tage fand im Sekretariat des Spartakusbundes in Berlin, Friedrichstraße 217, eine Zusammenkunft von etwa 40 der USPD angehörenden Delegierten zum 1. Reichsrätekongress (16. bis 21. Dezember 1918 in Berlin) statt, in der erörtert wurde, welche Haltung eingenommen werden sollte und welche Anträge zu stellen seien. Den Vorsitz der Besprechung führte Karl Liebknecht, der auch die Anträge, deren Originale in der angegebenen Quelle im Faksimiledruck wiedergegeben wurden, im wesentlichen formulierte.

Die Anträge II, III und IV wurden auf dem Kongress nicht eingebracht. Den Wortlaut des Vorschlages I flocht Fritz Heckert in seine Rede auf dem Kongress ein, stellte jedoch keinen förmlichen Antrag, so dass er in den weiteren Verhandlungen nicht berücksichtigt wurde. Ein Antrag Braß', der Rätekongress solle beschließen, sofort alle Maßnahmen zur Entwaffnung der Konterrevolution zu ergreifen, wurde vom Kongress angenommen.

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