Rosa Luxemburg 19130621 Diskussionsrede zum Massenstreik in Wilmersdorf

Rosa Luxemburg: Diskussionsrede zum Massenstreik in einer Parteiversammlung in Wilmersdorf

Nach einem Zeitungsbericht

[Leipziger Volkszeitung, Nr. 141 vom 21. Juni 1913. Nach Gesammelte Schriften, Band 3, 1973, S. 240 f.]

Gestatten Sie mir, den Eindruck zu schildern, den ich heute als schlichte Frau aus dem Volke gewann. Ich habe herzliche Freude über die Zustimmung der Versammlung zu den stärksten Stellen des Referats, herzliche Freude aber auch über den Redner selbst empfunden. Durch ein freisinniges Blatt auf diese Versammlung aufmerksam gemacht, das wohl eine Sensation erwartete, erlebte ich in der Tat eine Sensation. Frank lehrt uns heute, dass die Massen das Wunderwerk der politischen Befreiung vollbringen können, das im Parlament nicht zu erreichen ist. Wer den Massenstreik will, bekundet, dass er jede Hoffnung auf die Unterstützung durch die liberalen Parteien als auf Sand gebaut erkennt. Aber ich frage: Ist es möglich und wahr, dass man in Baden auf einen Großblock hinarbeitet, in Preußen aber den Massenstreik propagiert? Ich frage nicht aus kleinlicher Ranküne (Heiterkeit.), aber mir beweist die Rede Franks, dass auch die badischen Parteiführer durch die Verschärfung der politischen Gegensätze zu dem Bekenntnis getrieben werden, dass die Massen des Volkes handeln müssen. Ich hätte den Badener Parteigenossen gewünscht, die heutige Rede Dr. Franks zu hören! Als ich in Mannheim vor einiger Zeit über den Generalstreik sprechen wollte, wurde es mir verboten. (Hört! Hört! — Dr. Frank widerspricht.) Ich darf sagen, dass ich mit zu den ersten Vertretern des Massenstreiks in Deutschland gehört habe, dass der Massenstreik nicht auf eine falsche Bahn gebracht werden darf. Er ist kein Wundermittel, das man jederzeit aus der Tasche ziehen kann, er hängt zusammen mit der gesamten Politik und ist von der allgemeinen Taktik der Partei nicht zu trennen. Er ist unvereinbar mit einem Zusammengehen mit bürgerlichen Parteien, aber ich habe nun wenigstens die Hoffnung, dass wir in Zukunft von Badener Seitensprüngen verschont bleiben werden. (Beifall und Heiterkeit.)

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