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Franz Mehring 18940404 Nicht die nächste Sorge

Franz Mehring: Nicht die nächste Sorge

4. April 1894

[Die Neue Zeit, 12. Jg. 1893/94, Zweiter Band, S. 33-37. Nach Gesammelte Schriften, Band 14, S. 67-73]

Kommende Dinge werfen ihre Schatten voraus, und die „kommenden Eventualitäten", von denen der Reichskanzler in seiner Danziger Rede gesprochen hat, können auf die Breite des Schattens stolz sein, den sie geworfen haben und noch werfen. Aller Wahrscheinlichkeit hat Graf Caprivi bei diesen Eventualitäten an die Gefahren des Panamerikanismus gedacht, denen gegenüber die europäischen Staaten zusammenhalten müssten, aber gleichviel ob er diese Möglichkeit gemeint hat oder nicht oder was sonst er immer gemeint haben mag – ist das ein Gegacker über die neue Heilige Allianz, die gegen die Sozialdemokratie geschlossen werden soll, über das notwendige Kartellbündnis aller staatserhaltenden Parteien, über eine verschönerte Auflage des Sozialistengesetzes und so weiter!

Unseres Erachtens hat der ganze Koller keine besondere Bedeutung. Entstanden ist er wohl nur aus dem Bedürfnis, das pythische Wort des Reichskanzlers zu deuten, aus dem Verlangen der großindustriellen Klasse, ihren Abscheu vor den Sozialdemokraten zu bekunden, nachdem sie eben durch die Unterstützung der sozialdemokratischen Stimmen den russischen Handelsvertrag ins trockene gebracht hat, nicht zuletzt auch aus der Notwendigkeit, in der politischen Stille der Ostertage die gähnenden Spalten der Zeitungen zu füllen. In dieser Beziehung hat ja die bürgerliche Presse ein äußerst bequemes Dasein. Wenn ihr der Krakeel um die Beute einmal ein paar Tage zum Verschnaufen lässt, dann braucht sie bloß den alten Karren voll fauler Redensarten über die Sozialdemokratie auszustülpen, um sich im Licht eines unvergleichlichen Patriotismus zu sonnen.

Doch um nicht ungerecht zu sein, so wollen wir nicht verkennen, dass auch dies müßige Spiel seine guten Seiten hat. Seine guten Seiten nämlich für die Sozialdemokratie. Es offenbart den Arbeitern zweierlei: einmal die unergründliche Bosheit und dann die unergründliche Ratlosigkeit ihrer Gegner. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat nicht um der Regierung und nicht um der Bourgeoisie willen für den russischen Handelsvertrag gestimmt, sondern allein weil es das Interesse der Arbeiterklasse ihr gebot. Sie hat keinen Dank von der Regierung und von der Bourgeoisie zu beanspruchen, und selbst wenn sie ihn beanspruchen könnte, würde sie ihn nicht beanspruchen. Aber wie oft haben früher die Gegner der Arbeiterklasse erklärt: Ja, wenn die Sozialdemokratie auf friedlichem und gesetzlichem Wege die Interessen der Arbeiter vertreten will, dann wird ihr niemand ein Haar krümmen, dann werden sich ihre parlamentarischen Vertreter, wie Gustav Freytag einmal sagte, „als ein berechtigter und erwünschter Faktor in dem großen Rate der Nation geltend machen". Nun fügt es sich ausnahmsweise einmal, dass die sozialdemokratische Fraktion die proletarischen Interessen vertreten kann, indem sie für die Vorlage einer konservativen Regierung stimmt, also auf dem – im Sinne ihrer Gegner – denkbar friedlichsten und gesetzlichsten Wege, und siehe da! die Antwort ist ein Geschrei der „gebildeten" Klassen nach neuen Ausnahmegesetzen, ist die unverschämte Erklärung eines offiziellen Regierungsorgans, der „Leipziger Zeitung", den klassenbewussten Arbeitern brauche nicht Treu und Glauben gehalten zu werden, sie seien vogelfrei, und für sie seien die verfassungsmäßig allen Staatsbürgern verbürgten Rechte als aufgehoben zu betrachten. Die Arbeiter können daraus ersehen, dass sie dieser Gesellschaft nicht einen Augenblick über den Weg trauen dürfen, dass sie verloren sind, wenn sie sich nicht selbst wappnen, um auf jeden Schelmen anderthalbe setzen zu können.

Aber unergründlich wie die Bosheit, ist auch die Ratlosigkeit der Arbeiterfeinde. Was soll denn das Drohen mit einem neuen Sozialistengesetze? Noch schmerzen ihnen die Backen zu sehr von den Streichen, mit denen sie die Arbeiterklasse wegen des alten Sozialistengesetzes abgestraft hat, als dass sie nicht anerkennen sollten, dass „dessen Zwangsbestimmungen schließlich nur geringen Wert besaßen". Nun also, was denn? Der „Grundgedanke" des Sozialistengesetzes soll in anderer „Form" wiedergeboren werden. Die bürgerlichen Parteien in Deutschland sollen sich zu einem antisozialistischen Kuddelmuddel zusammentun, und dann soll das Deutsche Reich „den Mittel- und Kernpunkt für die Sammlung der Staaten und Völker Europas zu gemeinsamer Bekämpfung der Sozialdemokratie" bilden. Der Plan selbst ist die unzweideutige Bankrotterklärung der bürgerlichen Gesellschaft, und deshalb ist wohl möglich, dass er sich einmal verwirklichen wird, nämlich am Vorabend des Tages, an dem diese Gesellschaft den entscheidenden Todesstoß empfängt. Aber so weit sind wir – leider – noch nicht, und was soll man von einem Handlungshause denken, das sich durch vorzeitige Anmeldung des Konkurses retten will? Dabei ergeben sich die deutschen Reichspatrioten noch einem sehr unzeitigen Ehrgeize, wenn sie sich selbst als Mittelpunkt der Konkursmasse betrachten. Sie sind ja viel zu kopflos, um auch nur an der Spitze der europäischen Reaktion marschieren zu können. Das ist Väterchens Vorrecht, und sie mögen sich nur in Acht nehmen, dass der sie nicht gehörig auf die Finger klopft, weil sie in seine historischen Gerechtsame eingreifen.

Es gibt in der Tat nichts Kopfloseres, als von der Erneuerung der Heiligen Allianz zu schwatzen in einem Augenblicke, wo die polnische Frage, das Bindemittel der alten Heiligen Allianz, sich in sehr entgegengesetztem Sinne zu entwickeln beginnt. Die bismärckischen Soldschreiber wussten recht gut, weshalb sie kürzlich den neuen Kurs wegen Polenfreundlichkeit bei Väterchen denunzierten. Es ist die wunde Stelle in Väterchens europäischer Politik, und der neue Kurs muss daran rühren, und keineswegs bloß aus Gegenliebe für die kleinen Gefälligkeiten der parlamentarisch-polnischen Seeulanen. Mitten zwischen den schwarzen Raben der bürgerlichen Presse, die in den politischen Osterferien der Sozialdemokratie den Untergang zukrächzten, erschien auch ein weißer Rabe: ein Aufsatz in dem Aprilhefte der „Preußischen Jahrbücher", der in sehr klarer und nüchterner Weise mit einer Fülle durchschlagender Argumente die Tatsache feststellt, dass die bismärckische Gewaltpolitik in den polnischen Landesteilen vollständig Bankerott gemacht habe, und zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die deutschen Interessen schleunigste Umkehr geböten. Verfasser des Aufsatzes ist Professor Delbrück, ein Politiker, der heute noch zu den Bismarck-Schwärmern gehört und früher auch die bismärckische Polenpolitik unterstützt hat, nunmehr aber, durch die niederschmetterndsten Tatsachen belehrt, sie rückhaltslos verwirft.

Aus dem sehr bemerkenswerten Artikel, der u. a. nachweist, wie der barbarisch-brutale Vernichtungskrieg Bismarcks gegen die polnische Sprache das Schulwesen in den polnischen Landesteilen vollständig zerrüttet hat, mag nur ein Item näher beleuchtet werden. Die Teilung Polens war ein Raub nicht nur im Staats-, sondern auch im privatrechtlichen Sinne. Nach der dritten Teilung des Landes im Jahre 1796 zog Friedrich Wilhelm II. die starosteilichen und geistlichen Güter ein, natürlich im Interesse der Kultur, der leibeigenen Bauern, der Germanisierung und so weiter. Wenn der preußische Adler seine Fänge ausreckt, triefen sie immer von erhabenen und sittlichen Redensarten. Aber wie so oft, raffte er die Beute auch diesmal für die Junker. Der Minister Hoym, der die polnischen Landesteile verwalten sollte, der General Bischoffwerder, der berüchtigte Günstling des Königs, ein gewisser Triebenfeld, der als Lakai im Dienste mehrerer polnischer Großen gestanden hatte, aber wegen wiederholter Diebereien verjagt worden war, endlich Ritz, der Kammerdiener des Königs und ehelicher Schanddeckel seiner Mätresse, der Mamsell Encke und späteren Gräfin Lichtenau, taten sich zu einem Konsortium zusammen, um durch die eingezogenen Güter Polen zu „germanisieren" oder, wie es in einer königlichen an Hoym gerichteten Kabinettsorder vom 18. September 1796 heißt, „Euer Augenmerk darauf zu richten, dass in den neuen Acquisitions und in Südpreußen auf gute deutsche Landwirte gehalten werde und dass erbliche und auf adelige Rechte konferierte Güter nicht wieder in die Hände der vormaligen Polen kommen". Dieser famose Germanisierungsgedanke, den vor acht Jahren „Alldeutschland" als einen funkelnagelneuen Genieblitz Bismarcks bewunderte, ist tatsächlich und urkundlich von dem Konsortium Hoym-Bischoffwerder-Triebenfeld-Ritz ihm vorgedacht worden.

Dies Konsortium arbeitete nun in folgender Weise. Es schätzte die eingezogenen polnischen Güter zu einem mehr oder minder geringen Bruchteile ihres Wertes ein und überließ sie entweder umsonst als so genannte Gratialgüter oder aber um den Betrag des fiktiven Preises an „gute deutsche Landwirte", die ihm, dem Konsortium, ansehnliche Trinkgelder zu zahlen bereit waren. Die Erwerber beeilten sich dann, die Güter weiterzuverkaufen, gleichviel an wen, Polen, Juden, Russen, Türken, vorausgesetzt, dass sie den wirklichen Kaufwert ganz oder annähernd erhielten. Um das famose Geschäft an einigen Beispielen klarzustellen, so ließ sich Bischoffwerder ein Gut schenken, das angeblich 18.000, tatsächlich 191.000 Taler wert war, und von ihm für 115.000 Taler verkauft wurde. Geheimrat v. Goldbeck erhielt für ein ihm geschenktes Gut, das angeblich 28.600 Taler wert war, sofort 80.000 Taler. Graf Lüttichau bekam Güter, die auf 84.000 Taler geschätzt waren; er verkaufte sie für 800.000 Taler. Dazu kaufte er für 26.000 Taler acht Domänen, von denen eine einzige bald darauf gerichtlich auf 90.000 Taler taxiert wurde. Generalmajor v. Rüchel, nicht zufrieden mit einem ihm geschenkten Gratialgute, „kaufte" noch eine Domäne für 30.000 Taler, die er sofort für 130.000 Taler weiterverkaufte. Auch Blücher erhielt Güter in beträchtlichem Umfange, die er für 140.000 Taler an einen Kaufmann in Elbing verschacherte. Übrigens aber ist anzuerkennen, dass sich das Konsortium Hoym und Genossen nicht bloß mit Junkern einließ, sondern auch die bürgerliche Kanaille bedachte, wenn sie tüchtige Trinkgelder zahlte: Advokaten, Gastwirte, Kaufleute, Gewürzkrämer. Ein untergeordnetes Werkzeug der Triebenfeld und Ritz, der Galanteriewarenhändler Tresckow, durfte für 86.000 Taler Güter „kaufen", die unter Brüdern 350.000 Taler wert waren, und für diese Tat patriotischer Aufopferung erhielt er noch obendrein den Adel.

Wie hoch in die Millionen sich diese kolossale Gaunerei belaufen hat, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Die ehrlicheren preußischen Geschichtsbücher, die davon überhaupt zu erzählen wissen, schwanken in ihren Angaben allzu sehr und sind nur einstimmig in der Angabe, dass dieser an der Staatskasse verübte Betrug einen kolossalen Umfang angenommen habe. Wozu wir uns noch die schüchterne und in diesen aufgeklärten Tagen gewiss sehr rückständige Bemerkung erlauben möchten, dass eigentlich doch wohl nicht der preußische Adler, sondern der polnische Adel und Klerus die Leidtragenden waren. Zu erwähnen ist aber, dass einzelne preußische Beamte sich dem Schwindel zu widersetzen wagten. Doch bekam es ihnen sehr übel. Der Kriegsrat von Coelln, der zu protestieren sich erlaubte, wurde sofort zum Steuerrat degradiert. Hartnäckiger noch war der Kriegsrat Zerboni. Da er sich gar nicht zur Ruhe geben wollte, wurde er in Glatz eingelocht, „weil seine Denkungsart und sein Benehmen solches nötig machen", und dann durch Kabinettsjustiz wegen seiner „auf Zerrüttung der Ordnung und Ruhe abzielenden unerlaubten und gefährlichen Verbindungen" in einen feuchten, stinkenden Kellerraum der Zitadelle Magdeburg geworfen, wo er härter als überführte Diebe und Mörder gehalten wurde.

Dieses war die erste „Germanisierung" der polnischen Landesteile. Die zweite erfolgte nach dem polnischen Aufstande von 1830. Ihr angeblicher Zweck war, durch Ankaufen, Zerschlagen und Verteilen der polnischen Rittergüter den polnischen Adel nach und nach völlig zu beseitigen. Ihr wirklicher Zweck aber bestand darin, die polnischen Güter, die infolge der wirtschaftlichen Erschütterungen des Aufstands zahlreich unter den Hammer kamen, zu einem Spottpreise in die Hände der preußischen Junker zu bringen, und Mittel zu diesem Zwecke war das Verbot, subhastierte Güter an Polen aufzulassen. Eine ähnliche Bewandtnis hatte es mit der dritten „Germanisierung" nach dem Polenaufstande von 1846. Damals bildete sich in Berlin eine ganze Aktiengesellschaft unter dem gnädigen Schutze hoch stehender Personen, um polnische Güter für preußische Junker aufzukaufen. Diese Junker sahen mit alterprobtem Instinkte voraus, dass der große Polenprozess eine Menge polnischer Gutsbesitzer ruinieren und ihre Güter für einen Pappenstiel auf den Markt werfen werde. Ein schönes Gut fast umsonst, polnische Bauern zu prügeln und obendrein noch ein glorreiches Verdienst um König und Vaterland – welch schöne Aussicht!

Die vierte „Germanisierung" kommt dann auf Bismarcks Rechnung. Ihre Gründe waren teils das „Wettkriechen" des Genialen vor Väterchen, teils die Notwendigkeit, seiner mehr und mehr bankrotten Politik in den Augen derer, die nicht alle werden, einen neuen „nationalen" Glanz zu geben. Mit welch fürchterlichen Tamtamschlägen das Spektakelstück im Jahre 1886 eingeleitet wurde, wird den Lesern noch erinnerlich sein. Bei dem Plane selbst plagiierte Bismarck einfach die früheren „Germanisierungen", ohne zu bedenken, dass zum Plagiieren unter Umständen auch etwas Verstand gehört. Er verlangte vom preußischen Landtag eine Anleihe von hundert Millionen Mark, um in den Provinzen Posen und Westpreußen die polnischen Güter aufzukaufen und sie in deutsche Bauerngüter zu zerschlagen. Natürlich wurde seine Forderung auch bewilligt, obgleich der alte, urkonservative Landrat v. Meyer-Arnswalde ihre völlige Sinnlosigkeit in drastischer Weise darlegte. Bei den früheren „Germanisierungen" spielte doch immer ein sei es noch so verwerfliches, so doch wirksames Moment mit, die polnischen Junker tatsächlich zu enteignen; 1796 wurden die Starosten einfach hinausgeworfen, 1830 durften sie keine subhastierten Güter kaufen, 1846 rechnete man auf die ruinierenden Wirkungen des großen Polenprozesses. Alles sehr unschöne Mittel, aber doch Mittel, die dem gewollten Zwecke mehr oder weniger entsprachen. Dagegen Bismarcks Mittel schlug seinem Zwecke einfach ins Gesicht. Es krümmte den gutsituierten Polenjunkern kein Haar und half den bankrotten Polenjunkern wieder in den Sattel. Denn die verkauften natürlich mit Wonne ihre Güter zu hohen Preisen an den Staat, um sich – mit dem baren Erlöse an irgendeiner anderen Stelle der Provinzen Posen und Westpreußen unter umso günstigeren Bedingungen niederzulassen. Diese Sachlage war so klar, dass die deutschen Junker alsbald einen großen Spektakel über ungerechte Zurücksetzung erhoben und auch „germanisiert" zu werden verlangten. Sie haben es denn auch glücklich durchgesetzt, dass jetzt schon ebenso viel deutsche wie preußische Junker jährlich ausgekauft werden, worüber Herr Delbrück sein professorales Haupt nicht genug schütteln kann. Während bei den früheren „Germanisierungen" die polnischen Junker wenigstens Haare lassen mussten – sei es in noch so ungerechter Weise –, ist die neueste „Germanisierung" einfach eine Subvention des polnischen Junkertums aus den Taschen der preußischen Steuerzahler, und beiläufig ist dies einer der Gründe, weshalb sich diese wackeren Schlachtschitzen zu Admiralskis und Seeulanen entwickelt haben.

Nun aber die andere Seite der Medaille! Man sagt vielleicht, dass auf den zerschlagenen Junkergütern wenigstens zahlreiche deutsche Bauern angesiedelt worden seien. Indessen auch damit hat es seine eigene Bewandtnis. Mit einem Kostenaufwande von 9 Millionen Mark sind 1387 deutsche Familien angesiedelt worden, von denen indessen schon 534 früher in den beiden Provinzen wohnten, so dass sie zur Verschiebung der Nationalitäten nichts beigetragen haben. Aus dem Westen und Süden sind nur 853 Familien zugezogen. Ganz abgesehen von der Winzigkeit dieser Zahlen, so machen es diese Ansiedler jetzt schon, wie es die Hoym und Lüttichau, die Blücher und Rüchel vor hundert Jahren gemacht haben: Sie versilbern das kaum erworbene Besitztum zu seinem Marktwerte und stecken den vom Staate für ihre zivilisatorische Germanisierungsarbeit geleisteten Zuschuss als baren und bis zu hundert Prozent ihres Anlagekapitals steigenden Privatprofit in die Tasche. Mit einem Worte: Dieser Hundertmillionenfonds ist gar nichts anderes als ein zweiter Welfenfonds, ein Subventionsfonds teils für deutsche und polnische Junker, teils für solche Personen, welche die Regierung zur Ansiedlung in Posen und Westpreußen zulassen will.

Doch dies ist, wie gesagt, nur ein einzelner Posten aus dem Bankbruche der bisherigen Polenpolitik. Der neue Kurs kann sich auf die Dauer nicht mehr der Prüfung entziehen, ob er die bismärckische Hinterlassenschaft in diesem Punkte revidieren will oder nicht, und er würde sich einer argen Täuschung hingeben, wenn er glauben sollte, dass mit den kleinen Gefälligkeiten, die er mit den Seeulanen der polnischen Reichstagsfraktion austauscht, das Nötige getan sei. Die gärende und mit vollstem Rechte tief erbitterte Stimmung in der Masse der dritthalb Millionen polnischer Staatsbürger lässt Delbrücks Meinung, dass Gefahr im Verzuge sei, ziemlich wahrscheinlich erscheinen. Und so will es uns fast scheinen, als ob eine heilige und heitere Allianz gegen die europäische Sozialdemokratie nicht zu den nächsten Sorgen des Grafen Caprivi oder gar Väterchens gehört.

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