Franz Mehring 19090000 „Kabale und Liebe"

Franz Mehring: „Kabale und Liebe"

1909

[Die Volksbühne. Eine Sammlung von Einführungen in Dramen und Opern, Nr. 1, Berlin 1909. Nach Gesammelte Schriften, Band 10, S. 249-255]

Auf kein anderes Drama Schillers trifft in gleichem Maße wie auf sein „bürgerliches Trauerspiel" sein eigener Satz zu von dem schwankenden Urteile der Geschichte, das der Parteien Gunst und Hass verwirre. Gleich bei seinem Erscheinen, im Jahre 1784, wurde das Drama von Philipp Moritz, dem damals angesehensten Kritiker Berlins, einem Freunde Goethes, als „fader Unsinn" heruntergerissen, mit seinen „elenden zusammengestoppelten Phrasen" und seiner „auswendig gelernten Büchersprache"; nur der Unwille darüber, dass ein Mensch das Publikum durch falschen Schein blende, könne die „ekelhafte Beschäftigung" mit dieser Dichtung rechtfertigen; sonst wasche der Kritiker seine Hände in diesem Schillerschen Schmutze und werde sich nie wieder damit befassen. Und noch viele Jahrzehnte später schrieb Vilmar in seiner weitverbreiteten Literaturgeschichte: „Das ganze Stück ist eine Karikatur, und zwar eine überaus widrige, die man nur mit dem äußersten moralischen Widerwillen und mit völligem ästhetischem Ekel betrachten kann."

Wenigstens sein historisches Recht wollte dann Zelter dem Drama lassen, als er am 6. Mai 1830 an Goethe schrieb: „Was dieses Stück vor fünfzig Jahren auf mich und sämtliche Sprudeljugend für elektrische Macht ausgeübt hat, magst Du Dir denken. Wer aus jener Zeit es nachsehen kann, wird es nicht so sehr herabsetzen, als es damals Moritz tat, der freilich recht hatte, doch nicht den Anzug der Revolution ahnte. Es gehört in jene Zeit und ist insofern ein geschichtliches Stück, voll Kraft und Geist, trotz der niederträchtigen Gesellschaft, die sich darin befehdet." Seitdem haben sich die Zeiten wieder gewandelt, und was Zelter nur noch entschuldigen mochte, ist zur Rechtfertigung des Dichters geworden, dessen menschliche Größe uns in keiner seiner Bühnenarbeiten so nahetritt wie in diesem bürgerlichen Trauerspiele.

Kabale und Liebe" ist das einzige von Schillers Dramen, das ihm aus seinem eigenen Leben, aus seinen Kämpfen und Leiden überwältigend erwachsen ist. Auch sein Karl und sein Franz Moor, auch sein Fiesco haben von seinem Blute getrunken, mehr sogar als der Major Ferdinand v. Walter, aber diese Gestalten hatten noch nicht die starken Wurzeln ihrer Kraft im heimischen Boden gefunden; sie tummelten sich noch nicht in den Klassenkämpfen ihrer Zeit. Es ist nicht so, wie der klassizierende Schiller später im Banne einer klügelnden Theorie gesagt hat, dass nämlich niemals veralte, was sich nie und nirgends begeben habe: gerade im Gegenteil werden die Schöpfungen der dramatischen Kunst um so länger leben, je tiefer sie den historischen Prozess ihrer Zeit erfasst haben. Was einmal in der Welt gelebt hat, das dauert auch am längsten auf den Brettern, die die Welt bedeuten, und wie viele Bannflüche weise oder unweise Kritiker gegen dies Drama Schillers geschleudert haben, so hat ihm doch Geschlecht auf Geschlecht einen Ehrenplatz im Spielplan des deutschen Theaters gesichert.

Damit ist freilich noch nichts gesagt über den dichterischen Wert des Werkes. Epoche gemacht hat es im eigentlichen Sinne des Wortes nicht mit seiner reichlichen literarischen Überlieferung; es enthält mannigfaltige, zum Teil wörtliche Anklänge an Lessings „Emilia" nicht nur, sondern auch an die bürgerlichen Schauspiele geringerer und heute vergessener Dichter, Klingers, Wagners, Gemmingens. Weder an sorgfältiger Motivierung noch an straffer Schürzung der Fäden, noch auch nur in der Gestaltung der Charaktere lässt es sich mit Lessings Meistertragödie vergleichen; der Sekretär Wurm reicht nicht entfernt an den Kammerherrn Marinelli heran, und neben der scharf umrissenen Gestalt der Gräfin Orsina zerfließt die Lady Milford fast in sentimentale Schatten. Aber einen Vorzug besitzt dies Drama Schillers vor all seinen Vorläufern und Nachläufern; es erstieg eine revolutionäre Höhe, die das bürgerliche Schauspiel vordem noch nie erreicht hatte und nachdem nie wieder erreichen sollte.

Der dreiundzwanzigjährige Dichter nahm darin seine Genugtuung an dem elenden Despoten, der ihm die blühende Jugend gestohlen hatte und nun noch sein Mannesalter verderben wollte. Der Herzog Karl Eugen von Württemberg, den eine so unwahrhaftige wie würdelose Geschichtsschreibung heute noch zum Wohltäter des Dichters machen will, hatte den Knaben zwangsweise in die Karlsschule geschickt, eine „Sklavenplantage", wo willenlose Werkzeuge der fürstlichen Launen gedrillt werden sollten. Acht Jahre hat der junge Schiller seinen Nacken in diesem Joche wund gescheuert, um dann nur in anderer Form gehudelt zu werden: als jämmerlich besoldeter Militärarzt einer Invalidentruppe. Und als nun der Genius seine Schwingen zu regen begann, da wurde der Argwohn des „alten Herodes" wach, wie Schiller den Menschenschinder nach dessen Tode treffend nannte, und dieser Argwohn erkannte scharf genug schon in den „Räubern" die Tatze des Löwen. Neue Schikanen begannen, ein vierzehntägiger Arrest und der Befehl, bei Strafe der Kassation keine Komödie zu schreiben. So floh Schiller aus seiner schwäbischen Heimat.

In diesen Tagen der Sorge und Not, als Militärsträfling und heimatloser Flüchtling, hat Schiller sein „bürgerliches Trauerspiel" geistig empfangen; während das hagere Gespenst des Hungers auf seiner Schwelle kauerte, sind ihm die Gestalten lebendig geworden, in denen sich ein ruchloses Sündenregiment verkörperte. Das Drama ist bis zum Rande gefüllt mit dem schwäbischen Leben der damaligen Zeit; dieser Präsident und dieser Sekretär, dieser Hofmarschall und diese Mätresse, Schiller hatte sie hundertfach gesehen in Ludwigsburg, wo er seine Kindheit verlebt hatte, zur Zeit, als der schwäbische Sultan hier seinen Hof hielt, um die Stuttgarter zu strafen, und dann in Stuttgart selbst.

Die „falschen Handschriften" des Sekretärs Wurm und die „große Mine", durch die der Präsident Walter seinen Vorgänger in die Luft bläst – Schiller hatte sie sozusagen selbst erlebt, als sein Pate, der General Rieger, durch den Grafen Montmartin gestürzt wurde, der dem Herzoge gefälschte Briefe Riegers mit hochverräterischem Inhalt in die Hand zu spielen wusste. Und Schillers Vater, ein württembergischer Offizier, war selbst dabei gewesen, als „lauter Freiwillige" an fremde Potentaten verhandelt wurden: „Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch' vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie teuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe? Aber unser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen." Bis in die Nacht seiner Flucht hinein hatte Schiller mit angesehen, wie „der Fürst die Quellen seines Landes in stolzen Bogen gen Himmel springen oder das Mark seiner Untertanen in einem Feuerwerk hin puffen" ließ, und auf und ab im schwäbischen Lande war landkundig die furchtbare Schilderung: „Die Wollust der Großen dieser Welt ist die nimmersatte Hyäne, die sich mit Heißhunger Opfer sucht. Fürchterlich hatte sie schon in diesem Lande gewütet – hatte Braut und Bräutigam getrennt – hatte selbst der Ehen göttliches Band zerrissen – hier das stille Glück einer Familie geschleift – dort ein junges, unerfahrenes Herz der verheerenden Pest aufgeschlossen, und sterbende Schülerinnen schäumten den Namen ihres Lehrers unter Flüchen und Zuckungen aus … Die traurige Periode hatte einer noch traurigeren Platz gemacht. Hof und Serail wimmelten jetzt von Italiens Auswurf. Flatterhafte Pariserinnen tändelten mit dem furchtbaren Szepter, und das Volk blutete unter ihren Launen." Schmerzhafter ist nie die Geißel auf den Rücken eines schuldigen Despoten und seiner Werkzeuge gefallen, schmerzhafter nie, aber auch nie gerechter. Schiller ist keiner jener modischen Naturalisten gewesen, die die Aufgabe der Kunst im sklavischen Abschreiben der Natur erblicken, aber ebenso wenig malte er mit den schreienden Farben der Tendenz; in dichterischer Wahrheit gab er die grauenvolle Wirklichkeit wieder, wie sie am württembergischen Hofe und an den deutschen Höfen überhaupt bestand.

Sowenig er die höfischen Spieler ins Schwarze malte, sowenig malte er die bürgerlichen Gegenspieler ins Weiße. Der Geiger und sein Weib haben gar keinen heldenhaften Zuschnitt, am wenigsten das Weib, das bei all seiner spießbürgerlichen Ehrbarkeit doch eine bedenkliche Neigung zum Kuppeln mit dem eigenen Fleisch und Blut verrät; nicht zum wenigsten die „Presenter" des adligen Liebhabers ihrer Tochter haben es ihr angetan. Ihre dumme Aufgeblasenheit gegenüber dem Sekretär stimmt ganz zu ihrer feigen Angst vor dem Präsidenten. Der Musikus Miller ist nun freilich in seiner Art ein Prachtkerl, eine der lebendigsten Gestalten, die Schiller je geschaffen hat, angeblich nach einem Stuttgarter Original, aber ebendeshalb ist er doch nur ein klassischer Typus jenes Kleinbürgertums, das dem deutschen Leben des achtzehnten Jahrhunderts sein kennzeichnendes, aber nicht erhebendes Gepräge gegeben hat. Er liebt seine Tochter abgöttisch und wagt auch, dem allmächtigen Präsidenten, der sie ihm eine Hure schilt, die Zähne zu zeigen, aber ihr vernichtetes Lebensglück vergisst er doch gar bald über einen Beutel voll Gold, den ihm der Liebhaber zuwirft. Die Szene nimmt sich fast burlesk aus mitten in den Schauern des Jüngsten Gerichts, die über den letzten Akt gehen.

Verbunden werden die beiden feindlichen Gruppen durch das Liebespaar, den Sohn des Präsidenten und die Tochter des Geigers. Und hier hat nicht der Hass, sondern die Liebe dem Dichter die Hand geführt. Hatte er in den engen Wänden der Arrestzelle und auf einer sorgengepeitschten Flucht das Drama zu gestalten begonnen, so vollendete er es in einem stillen Asyle, das ihm eine Freundin seiner Muse, eine Frau v. Wolzogen, auf ihrem kleinen Gute in der Nähe von Meiningen gewährte. Es konnte nicht fehlen, dass sich der junge Dichter erst in die immer noch liebreizende Mutter und dann in ihr noch viel reizenderes Töchterchen verliebte; zum ersten Male empfand Schiller die Wonnen der Liebe und die Qualen der Eifersucht, und zum ersten Male konnte er darangehen, eine weibliche Gestalt zu schaffen, nach den „Frauenzimmercharakteren" der „Räuber" und des „Fiesco", die er als sein eigener Kritiker preisgegeben hatte.

Auf den Namen der Heldin wollte er denn auch das Drama taufen, es sollte heißen „Luise Millerin", und seinen heutigen Titel hat es erst durch den Schauspieler Iffland erhalten, mit Genehmigung des Dichters, aber nicht zum Heile der Dichtung. Dieser Titel deutet auf ein Intrigenstück hin, was ja in gewissem Sinne auch zutrifft, aber nicht in entscheidendem Sinne; der Intrigant Wurm ist die am wenigsten gelungene Figur des Stückes, kein „satanisch feiner" Kopf, wie ihm der Präsident mit einem übertriebenen Komplimente sagt, sondern ein Schuft von plumper Bosheit, der schon in die Karikatur hinüberspielt, wie es denn Schiller mit der Intrige nie sehr genau zu nehmen pflegte. In Wirklichkeit gilt auch von „Kabale und Liebe", was Otto Ludwig, sonst kein großer Verehrer der Schillerschen Dichtung, von den „Räubern" gesagt hat: „Sie haben den Shakespeareschen Zuschnitt der Komposition und der Charaktere. Das ist eine wirkliche Leidenschafts- und Reue-, eine Gewissenstragödie, auch Charaktertragödie."

Der wahre Held des Stücks, der sich in Leidenschaft und Reue verzehrt, von seinem Gewissen in Not und Tod gejagt wird und an seinem Charakter untergeht, ist Luise, nicht Ferdinand. Wohl gerät auch der Liebende in einen Konflikt der Pflichten, aber dieser Konflikt ist für ihn nicht unlösbar.

Ferdinand scheut nicht vor dem robusten Mittel zurück, dem eigenen Vater mit der Enthüllung von dessen Schandtaten zu drohen, falls ihm die Geigerstochter verschimpfiert wird; schon dass Ferdinand um diese Schandtaten gewusst und doch als Erbe seines Vaters munter in den Tag hineingelebt hat, raubt ihm die tragische Würde. Anders Luise, für die es in dem Konflikt zwischen der Liebe zu Ferdinand und zu ihrem Vater keinen Ausweg gibt als den „dritten Ort", das Grab, die sich selbst die „Heldin" nennt, die „einem Vater den entflohenen Sohn wiederschenkt und einem Bündnis entsagt, das die Fugen der Bürgerwelt auseinandertreiben und die allgemeine ewige Ordnung zugrunde stürzen würde". Freilich ist diese Tragik wieder spezifisch deutsch; in anderer Weise findet sich derselbe schwäbische Zug an Lessings Emilia und Hebbels Klara, den Heldinnen der bürgerlichen Trauerspiele, die in der deutschen Literatur an literarischem Ruhm mit „Kabale und Liebe" wetteifern können. Das ist keine zufällige, sondern eine in den sozialen Lebensbedingungen des deutschen Bürgertums tief begründete Übereinstimmung einer Klasse, der das Leiden so gewohnt war wie das Handeln ungewohnt.

Hat Schillers Liebe für Lotte Wolzogen unstreitig dazu beigetragen, seinen Blick für die weibliche Seele zu schärfen, so hat der Dank, den er ihrer Mutter schuldete, ihm eine andere Figur des Dramas verschoben, die Lady Milford. An und für sich trägt sie nicht wenig zur dramatischen Spannung bei; ja, die kleine Szene mit dem Kammerdiener ergreift vielleicht am tiefsten von allen Szenen des Dramas, und am wenigsten möchten wir sie heute schelten, wo sich lakaienhafte Professoren genug finden, die den Soldatenhandel der deutschen Zwergdespoten, den infamsten Schandfleck deutschen Fürstentums, zu beschönigen wagen. Aber in dem ursprünglichen Entwurf Schillers gehörte die Lady ganz zum höfischen Gesindel, zum Präsidenten, zum Hofmarschall, zum Sekretär, und so war auch ihr Urbild, die Mätresse des Herzogs von Württemberg, eine Gräfin Hohenheim, eine ruchlose Dirne; sie trägt die Schuld daran, dass der unglückliche Dichter Schubart wegen irgendeines Witzwortes durch falsche Vorspiegelungen über die schwäbische Grenze gelockt und in zehnjähriger schwerer Kerkerhaft auf dem Hohenasperg misshandelt wurde.

Nun war Frau von Wolzogen mit der Hohenheim befreundet, und sie mochte auch die rachsüchtige Person fürchten, im Interesse ihrer Söhne, die auf württembergische Dienste angewiesen waren. So ist es wahrscheinlich unter ihrem Einfluss geschehen, dass Schiller von seinem ursprünglichen Entwurf abging, von dem uns noch ein verlorenes Blatt und gewisse Unstimmigkeiten des Dialogs unzweideutige Kunde geben, und sich bemühte, die Gestalt der Mätresse moralisch zu heben, was freilich nur um den Preis möglich war, sie ästhetisch herabzudrücken. Bei ihr wie beim Sekretär Wurm hat Schiller die richtige Mischung nicht getroffen, dort einen halb unmöglichen Bösewicht geschaffen, der sich in der letzten Szene vergebens zu einem überlegenen Dämon emporzurecken sucht, hier eine ganz ungewöhnliche Tugendboldin, die durch ihre breite und für den dramatischen Zusammenhang ganz überflüssige Szene in der zweiten Hälfte des vierten Aktes die schnell abrollende Handlung unnütz aufhält, dabei auch den geschlossenen Charakter der Heldin Luise ganz aus den Fugen treibt. Freilich mag gerade diese Szene einer breiten Schicht des biederen Publikums das Drama lieb und wert gemacht haben; dramatische Spannung ist unzweifelhaft auch in ihr, aber es ist keine künstlerische Spannung, eine Spannung im Ifflandschen, nicht im Schillerschen Sinne.

Doch in der Hauptsache strömt echtes Theaterblut durch das Drama, von der ersten Szene an, die mit kräftigem Stoße die dramatische Handlung auslöst und sie rasch steigert, bis zu der mächtigen Ensembleszene des zweiten Akts, die noch nie eine durchschlagende Wirkung verfehlt hat. Die Gewalt ist an der Macht der Liebe gescheitert, und nun setzt die Kabale ein, die desto sicherer ihr Ziel erreicht. Nur im vierten Akt, in der Szene zwischen der Lady und Luise, staut sich der rasche Fluss, um dann in den jähen Katarakten des fünften Aktes herabzustürzen; der letzte Ausblick auf die irdische Gerechtigkeit, eine alte Schwäche des bürgerlichen Schauspiels, ist immerhin diskret genug, um nicht allzu sehr zu stören.

Und so mag denn ein bürgerlicher Literarhistoriker, der dies Drama Schillers den überragenden Gipfel in dem weitverzweigten Gebirgsstock des bürgerlichen Schauspiels nennt, wohl das Richtige getroffen haben. Die anderen Gipfel, die mit ihm wetteifern können, Lessings „Emilia" und Hebbels „Maria Magdalena", sind vielleicht im einzelnen freier von Klüften und Rissen, aber sie sind niedriger: Das Trauerspiel Lessings spielt in einem unfindbaren Winkel Italiens und das Trauerspiel Hebbels in einem verlorenen Winkel des Kleinbürgertums, in den der moderne Proletarier nur noch wie in eine völlig erloschene Welt zu blicken vermag.

Schillers Drama aber ist ihm lebendig in der kühnen Sprache des Dichters, wie sie selten genug in der bürgerlichen Literatur ertönt ist und heute seltener ertönt denn je, in dem harten Stoße gegen den deutschen Despotismus, der mit dem äußeren Gewande noch nicht sein inneres Wesen geändert hat, in dem „edlen Freiheitsgefühle", womit der junge Schiller sein verheißendes Wort einlöste:


Berget immer die erhabne Schande

In des Majestätsrechts Nachtgewande,

Bübelt aus des Thrones Hinterhalt.

Aber zittert für des Liedes Sprache.

Kühnlich durch den Purpur bohrt den Pfeil der Rache

Fürstenherzen kalt.

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