„Die Räuber"

Die Räuber"

Der Hang zur Dichtkunst und namentlich zur tragischen Poesie, den Schillers Mitschüler an ihm beobachteten, hat sich klammernd emporgerankt an dem erstickenden Despotismus, der auf seiner Jugend lastete. Schiller selbst wünschte seinem ersten Schauspiele nur darum Unsterblichkeit, um das Beispiel einer Geburt zu verewigen, die der naturwidrige Beischlaf der Subordination und des Genius in die Welt gesetzt habe; er fügte hinzu, wenn ihn von allen unzähligen Klagschriften gegen die „Räuber" eine einzige treffe, so sei es die, dass er zwei Jahre vorher sich angemaßt habe, Menschen zu schildern, ehe ihm noch einer begegnet sei.

Damit ist schon gesagt, dass die „Räuber" unter dem Sternbilde literarischer Muster geboren worden sind. Doch macht Schiller selbst darüber auch noch die nähere Angabe: „Rousseau rühmte es an dem Plutarch, dass er erhabene Verbrecher zum Vorwurfe seiner Schilderung wählte … Räuber Moor ist nicht Dieb, aber Mörder, nicht Schurke, aber Ungeheuer. Wofern ich mich nicht irre, dankt dieser seltene Mensch seine Grundzüge dem Plutarch und Cervantes, die durch den eigenen Geist des Dichters nach Shakespearischer Manier in einem neuen, wahren und harmonischen Charakter unter sich amalgamiert sind." Cervantes kommt in diese Reihe durch den edlen Räuber Roque, den er im Don Quichotte schildert; tiefer war der Einfluss Shakespeares auf Schiller, sosehr dieser im Anfange durch die „Kälte und Unempfindlichkeit" des englischen Dichters abgestoßen wurde, am tiefsten der Einfluss Rousseaus, der die Aufmerksamkeit des jungen Poeten auf Plutarch lenkte. Alle diese Muster waren in der Karlsschule keine Kontrebande, auch Rousseau nicht, nach dessen pädagogischen Grundsätzen der Bruder und spätere Nachfolger des Herzogs seine Tochter erziehen ließ; an diesen Prinzen Ludwig Eugen von Württemberg richtete Rousseau das Schreiben, das mit den berühmten Worten begann: Wenn ich das Unglück hätte, als Prinz geboren zu sein …

Andere Sterne, die der Geburt der „Räuber" geleuchtet haben, konnten nur einen verstohlenen, aber um so lockenderen Schimmer in die alte Reiterkaserne hinter dem Stuttgarter Schlosse werfen, wo militärische Wachtposten die Karlsschüler vor jeder Berührung mit den freien Gedanken des neuen Jahrhunderts absperren sollten. Die siebziger Jahre, die Schiller hinter diesen Mauern schmachten musste, waren das Jahrzehnt von Lessings „Emilia Galotti" und „Nathan dem Weisen", von Goethes „Götz" und „Werther", von Bürgers „Leonore", waren das Jahrzehnt des deutschen Sturmes und Dranges.

Die europäische Kultur stand vor einer großen Wendung. Die feudale Welt, vom kapitalistischen Maulwurf seit Jahrhunderten untergraben, brach rettungslos zusammen; das bürgerliche Zeitalter dämmerte herauf. Es brauste und gärte in den Gemütern; der frische Hauch eines weltgeschichtlichen Morgengrauens weckte sie wie aus den dumpfen Banden des Schlafes; sie jauchzten der neuen Sonne entgegen, deren erste Strahlen den Horizont zu färben begannen. Aber umgekehrt wie in der Natur ging diese Sonne im Westen auf, und den Deutschen leuchtete sie erst von fern.

Ihre traurige Geschichte legte ihnen das Verhängnis auf, nur im Gedanken und im Liede den neuen Weltentag zu begrüßen, nur auf literarischem Gebiete ihre Revolution zu schlagen. Indem Goethe die Dichtungen schuf, die dem deutschen Sturme und Drange sein Gepräge gaben, wandte er sich verächtlich und verstimmt von den Schriften des französischen Materialismus ab, den kecken Sturmvögeln der großen Revolution.

Ein kräftiger Hauch dieser literarischen Bewegung drang auch durch die eisernen Tore der Karlsschule, namentlich als sie nach Stuttgart übergesiedelt war. In der einsamen Solitüde war Schiller noch der „Sklave" Klopstocks gewesen; in Stuttgart wurde Goethe sein „Gott". Trotz aller Wachsamkeit der Aufseher war die literarische Kontrebande der „Sklavenplantage" nicht fernzuhalten; je härter sich der Druck spannte, um so geschickter entwickelte sich der Schmuggel. In einem Kreise gleichgesinnter Genossen, deren literarischer Trieb dann freilich schnell verwelkt ist, verschlang Schiller die neue Literatur: nicht nur zu den Sternen ersten Ranges blickte er auf, sondern auch und fast mehr noch zu den Trabanten, die von diesen Sternen ihr Licht empfingen und heute ganz erloschen sind. Es war die natürliche Entwicklung des Jünglings, dessen ästhetischer Geschmack sich erst klären und reifen musste.

Er bewunderte Goethes „Werther", aber mit dessen tränenseligplattem Nachfahren „Siegwart" konnte er über den Lilien, die er sich in Scherben am vergitterten Fenster zog, stundenlang schwärmen. So berichtet seine spätere Schwägerin und erste Biographin, offenbar nach seiner eigenen Erzählung, und seine Jugenddramen zeigen, dass ihn tiefer als Goethes „Götz" die Dichtungen aus Goethes Freundeskreise beeinflusst haben, die Dramen von Klinger, Lenz und Heinrich Leopold Wagner. Noch nach Jahrzehnten hat Schiller die unauslöschlichen Jugendeindrücke bezeugt, die er von Klinger erhalten habe; Klinger habe zu denen gehört, die auf seinen Geist zuerst und mit Kraft eingewirkt hätten. Das gilt aber nicht nur von Klinger, den Goethe selbst stets als „festen, treuen, derben Kerl wie keinen" hochgehalten hat, sondern auch von dem genialeren Lenz, selbst von Wagner, den Goethe im Grunde nur als „guten Gesellen von keinen außerordentlichen Gaben" gelten lassen wollte. In ähnlicher Weise erkannte der junge Schiller zwar, dass Lessing unendlich besser beobachte als Leisewitz, aber „Julius von Tarent" rührte ihn mehr als „Emilia Galotti"; er scheint das eigentliche Lieblingsstück seiner Jugend gewesen zu sein. Auch Schubart stand ihm näher als Bürger, wobei freilich wohl die schwäbische Landsmannschaft mitwirkte. Als wandernder Rhapsode hatte Schubart die Gesänge Klopstocks in den schwäbischen Provinzen bekanntgemacht und sich dann zu Wieland gewandt, wie sich auch Schiller und seine Freunde zu der Ansicht bekehrten, Wieland habe für Menschen geschrieben, und so müsse man ihn lieben, während man für Klopstock erst zu schwärmen brauche, wenn man „überm Strome drüben" sei.

Von Schubart hat Schiller nun auch die Fabel seines Schauspiels entnommen: die Geschichte zweier feindlicher Brüder, ein Lieblingsthema der Zeit, das Klinger und Leisewitz ebenfalls als dramatischen Konflikt gewählt hatten. Einen Beitrag zur Geschichte des menschlichen Herzens wollte Schubart geben: in Karl und Wilhelm, den Söhnen eines Edelmanns, stellte er die genial überschäumende Kraft, die leichtherzig drauflos lebt, dem nüchternen Alltagsmenschen gegenüber, der fromme Strenge heuchelt, um desto ruchloser zu sündigen. Durch Lug und Trug sperrt Wilhelm dem reuigen Bruder das Herz des Vaters, so dass Karl ins Elend wandern muss. Doch in seiner Knechtsgestalt als Holzhacker im bäuerlichen Dienste rettet er den Vater, der im Walde von verlarvten Gestalten überfallen wird, von Banditen, die Wilhelm gedungen hat. Schubart lässt seine Geschichte versöhnlich ausklingen: Karl erhellt das Alter des Vaters als liebevoller Sohn, während Wilhelm seine Schande in einem verborgenen Winkel verbergen darf, als Haupt einer Sekte von Zeloten.

Bereits im Jahre 1777 war Schiller auf die Erzählung aufmerksam geworden und hatte sie zu dramatisieren begonnen, zur Zeit, wo er das letzte Hemde und den letzten Rock um einen dramatischen Stoff hingegeben hätte; Schubart selbst hatte sie einem Genie preisgegeben, eine Komödie oder einen Roman daraus zu machen. So wie wir die „Räuber" kennen, sind sie jedoch erst im Jahre 1780 entstanden, im letzten Jahre, das Schiller auf der Karlsschule zubrachte, nachdem die souveräne Laune des Herzogs ihm nochmals die Freiheit geraubt und den lange gehäuften Groll schwerer Jahre zur hellen Flamme geschürt hatte.

Mit echt dramatischem Griff führt der Dichter sogleich mitten in die Handlung; sobald sich der Vorhang hebt, sehen wir das tückische Spiel des jüngeren Bruders Franz, der dem Vater den reuigen Brief Karls unterschlägt und seinen Zorn gegen den abwesenden Sohn durch ein Machwerk von eigener Hand steigert. Seine Erfindungen sind plump und vermessen genug, seine Intrigen abenteuerlich, grob und romanhaft; der Vater, der an sie glaubt, erscheint nicht sowohl schwach und zärtlich als einfältig und kindisch. Alles das hat Schiller selbst in einer Kritik seines Schauspiels hervorgehoben und damit schon im Anfange seines dramatischen Schaffens bekundet, was Goethe später von ihm gesagt hat, dass er um eine ins einzelne gehende Motivierung unbekümmert gewesen sei. So auch steht das Motiv, wodurch Schiller den Zwist der Brüder über Schubarts Vorlage hinaus verschärfen will, die Liebe zu demselben Mädchen, auf schwachen Füßen. „Ich habe mehr als die Hälfte des Stücks gelesen", meinte der Kritiker Schiller, „und weiß nicht, was das Mädchen will, noch was der Dichter mit dem Mädchen gewollt hat, ahne auch nicht, was etwa mit ihm geschehen könnte." In der Tat dient Amalia nur dazu, die dramatische Handlung äußerlich vorwärtszubewegen; die einzige weibliche Gestalt des Dramas ist auch seine einzige Gestalt, die ganz misslungen ist; als der Dichter sie schuf, war er „unbekannt mit dem schönen Geschlecht", er sagt von der Karlsschule: „Die Tore dieses Instituts öffnen sich, wie man wissen wird, Frauenzimmern nur, ehe sie anfangen, interessant zu werden, und wenn sie aufgehört haben, es zu sein." So beruht die Tragödie Schillers, wie die Erzählung Schubarts, ganz auf den entgegengesetzten Charakteren der Brüder, aber der tiefe Griff, womit Schiller diese Charaktere umgestaltet hat, gibt seiner Dichtung die tragische und auch die revolutionäre Kraft.

Er selbst sagt, einen überlegenden Schurken wie Franz Moor auf die Bühne zu bringen heiße mehr gewagt, als das Ansehen Shakespeares, des größten Menschenkenners, der einen Jago und Richard erschaffen habe, irgend entschuldigen könne. Er stimmt den Kritikern zu, die sofort die Frage aufwarfen, wie ein Jüngling, der im Hause einer friedlichen, schuldlosen Familie aufgewachsen sei, eine so herzverderbliche Philosophie bekommen könne? „Mögen noch so viel Eiferer und ungedungene Prediger der Wahrheit von ihren Wolken herunterrufen: der Mensch neigt sich ursprünglich zum Verderblichen: ich glaub' es nicht." In der Tat lebt Franz Moor nur dadurch, dass der Dichter ihn mit seinem eigenen Odem beseelt hat. Die materialistischen Sophismen und Zynismen, womit Franz seine Gräueltaten vor seinem Gewissen zurechtlegt, sind ebenso wie die erschütternde Vision des Jüngsten Gerichts, die ihn zusammenwirft, von Schiller erlebt worden; an den Verbrechen seines Geschöpfes löste er die Zweifel, die seine reine Seele fort und fort beunruhigten. Ohne ein tiefes Interesse für die materialistische Weltanschauung konnten die Monologe des Franz nicht geschrieben werden, aber wie die erschütternde Vision des Bösewichts, so zeigt noch manche andere Szene, und im Grunde das ganze Drama, dass Schiller noch tief in biblischen Anschauungen und Vorstellungen lebte. Ja, sie triumphieren schließlich, mehr durch das Genie des Dichters als durch seinen Willen. Denn davon war er freilich weit entfernt, jene Karikatur eines „Freigeistes" wiederherzustellen, die Lessing schon dreißig Jahre früher verhöhnt hatte, und als sein eigener Kritiker sprach er offen aus, dass die Räsonnements, mit denen Franz Moor sein Lastersystem aufstutze, das Resultat eines aufgeklärten Denkens und liberalen Studiums seien, dass die Begriffe, die sie voraussetzten, ihn vielmehr hätten veredeln sollen.

Immer ist in Franz Moor nur der revolutionäre Zweifel des Dichters lebendig geworden, in Karl Moor aber flammt und leuchtet seine revolutionäre Begeisterung. Auch ihn sehen wir gleich in seiner ersten Szene, wie er leibt und lebt, in all seinem Ekel vor dem öden Elend einer verkommenen Welt und all seinem überschäumenden Freiheitspathos: „Da verrammeln sie sich die gesunde Natur mit abgeschmackten Konventionen, belecken den Schuhputzer, dass er sie vertrete bei Ihro Gnaden und hudeln den armen Schelm, den sie nicht fürchten … Nein, ich mag nicht daran denken. Ich soll meinen Leib pressen in eine Schnürbrust und meinen Willen schnüren in Gesetze. Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre. Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brütet Kolosse und Extremitäten aus." Allein Karl Moor wäre kein richtiger Vertreter der deutschen Geniezeit, wenn seinem ungestümen Tatendrange nicht die weiche Empfindsamkeit im Nacken säße. Kaum hat er ein Heer Kerls von seinem Schlage verlangt, um aus Deutschland eine Republik zu machen, gegen die Rom und Sparta Nonnenklöster sein sollen, als er den Gefährten, der diesen Gedanken aufgreift und ausspinnt, von sich weist: „Glück auf den Weg! Steig du auf Schandsäulen zum Gipfel des Ruhms. Im Schatten meiner väterlichen Haine, in den Armen meiner Amalia lockt mich ein edler Vergnügen." Erst als die Intrigen seines Bruders ihn glauben lassen, dass sein Vater ihn verstoße, schilt er sich einen Toren, der ins Käficht zurück wollte. „Mein Geist dürstet nach Taten, mein Atem nach Freiheit – Mörder, Räuber! – mit diesem Wort war das Gesetz unter meine Füße gerollt." Aber immer noch genügt ein schöner Sonnenuntergang, um aus dem „großen Räuber" einen „heulenden Abbadona" zu machen.

Dennoch war Karl Moor nicht nur ein echtes Kind der deutschen Geniezeit, sondern auch ihr größter Sohn. Nicht wie Goethes „Götz" in entschwundenen Jahrhunderten, nicht wie die Helden der Klinger und Leisewitz auf fremder Erde, mitten durch die deutsche Gegenwart ging er mit den Schritten eines Niebesiegten und strafte die feige Schurkerei der herrschenden Klassen. Wem standen nicht die Montmartin und die Wittleder vor Augen, als der Räuber Moor sich rühmte: „Diesen Rubin zog ich einem Minister vom Finger, den ich auf der Jagd zu den Füßen seines Fürsten niederwarf. Er hatte sich aus dem Pöbelstaub zu seinem ersten Günstling empor geschmeichelt, der Fall seines Nachbars war seiner Hoheit Schemel – Tränen der Waisen hoben ihn auf. Diesen Demant zog ich einem Finanzrat ab, der Ehrenstellen und Ämter an die Meistbietenden verkaufte und den trauernden Patrioten von seiner Türe stieß." Und als Karl Moor den furchtbaren Schwur tat an dem Hungerturm, dem das Skelett seines Vaters entstieg, da entstiegen mit gleich furchtbarer Anklage die Skelette der Moser und Schubart dem Hungerturm, in den sie der Herzog von Württemberg geworfen hatte. In Tirannos – gegen die Tyrannen – stand unter der Titelvignette des aufsteigenden Löwen, die später eine Ausgabe der „Räuber" schmückte, aber noch nie hatte der Löwe des Sturmes und Dranges seine Pranke so drohend gegen die deutschen Tyrannen erhoben.

Wie der Dichter dem Helden und seinem Gegenspieler aus eigenem mit vollen Händen spendete, so nahm er die Gestalten der Räuber aus der kleinen Welt, die er wirklich kannte. Was er an seinen Mitschülern beobachtete, übertrug er auf die Spiegelberg, Schweizer, Roller, Grimm, Kosinsky, von denen er bei aller Schärfe seiner Selbstkritik sagen durfte: „Jeder hat etwas Auszeichnendes, jeder das, was er haben muss, um auch noch neben dem Hauptmann zu interessieren, ohne ihm Abbruch zu tun." Unbillig hart aber urteilte er über die dramatische Handlung, indem er nach der ersten Aufführung schrieb: „Wenn ich Ihnen meine Meinung deutsch heraussagen soll – dieses Stück ist dem ohnerachtet kein Theaterstück. Nehme ich das Schießen, Sengen, Brennen, Stechen und dergleichen hinweg, so ist es für die Bühne ermüdend und schwer. Ich hätte den Verfasser dabei gewünscht; er würde viel ausgestrichen haben, oder er müsste sehr eigenliebig und zähe sein." Im Gegenteil haben sich die „Räuber" als ein unverwüstliches Theaterstück erwiesen, bis auf den heutigen Tag, so fremd uns die Stimmung geworden ist, aus der sie entstanden, so seltsam uns oft ihre Sprache tönt, deren gewaltige Hyperbeln doch noch immer von heißer Leidenschaft beben.

Gewiss ist das Schauspiel keine einheitliche Schöpfung; es ist in einzelnen Szenen entstanden, wie sie dem Dichter aufgingen, wie sie heimlich, hinter dem Rücken der Aufseher und Lehrer, in nächtlicher Weile aufs Papier geworfen wurden; es fehlt nicht an lahmen Auftritten, die nur ersonnen worden sind, um die Kette der Handlung herzustellen, und der Dichter sagt auch nicht ganz mit Unrecht, dass sein Werk in der Mitte erlahme. Nach den ersten Aufzügen, in denen die Handlung Schlag auf Schlag aufsteigt, bis zum Triumphe des Franz über den Scheintod des Vaters, bis zu dem Kampfe in den böhmischen Wäldern, wo der Dichter das Leben der Räuber in all seiner Gemeinheit und all seiner Grässlichkeit doch zu heldenhafter Größe zu erheben weiß, spannt die elegische Stimmung des dritten Aufzuges ab, und nur ein äußerlicher Notbehelf, die Episode Kosinskys, dessen traurige Geschichte den Räuber Moor an sein verlorenes Liebesglück erinnert, setzt einen neuen Hebel in die Handlung ein. Dann aber erhebt sie sich, mächtiger denn je, im vierten und fünften Aufzuge, in dem gewaltigen Auftritte Karl Moors am Hungerturm, in dem zermalmenden Gericht, das über Franz hereinbricht, Szenen, von denen mit gutem Fuge gesagt worden ist, dass sie in Schillers gesamtem Drama nichts an tragischer Kraft übertreffe.

Erst am Schlüsse des Schauspiels sinkt die Handlung wieder. Es ist Räuberromantik im schlechten Sinne des Wortes, wenn Karl Moor seine Geliebte tötet, um sich von der Treue loszukaufen, die er seiner Bande schuldet, und es ist Verbrechertragik in nicht höherem Sinn, wenn er sich selbst den Gerichten ausliefert, die ihn aufs Rad flechten werden. „O über mich Narren, der ich wähnte, die Gesetze durch Gesetzlosigkeit aufrechtzuerhalten. Ich nannte es Rache und Recht, aber – o eitle Kinderei – da steh' ich am Rande eines entsetzlichen Abgrundes und erfahre mit Zähneklappern und Heulen, dass zwei Menschen, wie ich, den ganzen Bau der sittlichen Welt zugrunde richten würden." Den Bau der sittlichen Welt, zu deren Pfeilern ein Herzog Karl Eugen mit seinen Montmartin und Wittleder gehörte!

Aber so verfehlt dieser tragische Schluss war, er war symbolisch für den deutschen Sturm und Drang.

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