Jena

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Die Berufung Schillers an die Universität Jena wurde, wie es scheint, zunächst von dem Geheimrat Voigt angeregt, um eine Lücke auszufüllen, die durch den Abgang eines Professors entstanden war. Goethe stimmte alsbald zu und begründete den Antrag in einem „gehorsamsten Promemoria" vom 9. Dezember 1788, trocken genug, unter Berufung auf die „Geschichte des Abfalls der Niederlande", die inzwischen erschienen war, dann auch darauf, dass Schiller „ganz und gar ohne Amt und Bestimmung" sei, und endlich darauf, dass die „Acquisition ohne Aufwand" zu machen sei, was bei den durchlauchtigsten Schutzherren der Universität Jena am sichersten durchschlug.

Schiller hatte sich bereit erklärt, ohne Gehalt zu lehren, doch packte ihn bald die Reue, und er fand, dass er übertölpelt worden sei. Auch hielt er sich wissenschaftlich nicht dem neuen Amte gewachsen, und Goethes Trost, dass er im Lehren lernen werde, beruhigte ihn nur halb. Eher richtete ihn die Versicherung Körners auf, dass Jena mehr an ihm gewönne als er an Jena; er brauche gar keine Quellenstudien zu machen, um Vorlesungen zu halten, und so getröstete sich Schiller, dass er in jeder Woche so viel zusammenlesen und zusammendenken könne, um es einige Stunden lang gefällig auszukramen.

Als dann aber diese würdigen Regierungen, die sich nicht scheuten, seine Arbeitskraft ohne Entgelt auszunutzen, nun noch über ihn herfielen, um ihm für den „Magisterquark", Expeditionsgebühren und dergleichen mehr die paar Taler abzunehmen, die er sich mühsam erarbeitet hatte, da wünschte er die Professur doch wieder zu allen Teufeln. Noch am 9. März 1789 schrieb er an Körner: „Dieser Mensch, dieser Goethe, ist mir einmal im Wege, und er erinnert mich so oft, dass das Schicksal mich hart behandelt hat. Wie leicht ward sein Genie von seinem Schicksal getragen, und wie muss ich bis auf diese Minute noch kämpfen! … Könntest Du mir innerhalb eines Jahres eine Frau von 12.000 Talern verschaffen, mit der ich leben, an die ich mich attachieren könnte, so wollte ich Dir in fünf Jahren eine Frideriziade, eine klassische Tragödie und, weil Du doch so darauf versessen bist, ein halb Dutzend schöner Oden liefern, und die Akademie in Jena möchte mich dann – –." Allein auch diese Missstimmung wurde schließlich überwunden, und am 26. Mai hielt Schiller seine Antrittsvorlesung in Jena unter gewaltigem Zulaufe der Studenten, die ihm dann, was noch bei keinem neuen Professor vorgekommen war, eine Nachtmusik und ein dreimaliges Vivat brachten.

Jedoch dieser erste Lichtpunkt seines akademischen Lebens blieb auch der letzte. Das „Professorieren" war so wenig seine Sache, wie es die Sache Lessings gewesen war. Brotneid und Zopftum der älteren Kollegen machten ihm das Leben sauer, und die Zahl seiner Hörer, deren erster stürmischer Andrang doch nur dem Dichter der „Räuber" gegolten hatte, schrumpfte in erschreckendem Maße zusammen. Die übermäßige Arbeit zerrüttete zudem die Gesundheit Schillers, die seit dem Fieberjahr in Mannheim nicht mehr auf festen Füßen stand, und von der ganzen Professur blieb ihm nur der Vorteil übrig, dass er eine gewisse bürgerliche und rechtliche Stellung erhielt, was dann allerdings auch wohl in letzter Instanz seinen Entschluss bestimmt hatte, nach Jena zu gehen, aus Rücksicht auf seine alten Eltern und auf die Freundinnen in Rudolstadt.

Denn die Freundschaft mit den Schwestern Lengefeld war fort und fort gewachsen. Sie stand längst unter dem Zeichen wärmerer Gefühle, aber es war immer noch nicht klar, ob sich das Herz Schillers der älteren oder der jüngeren Schwester zuneigte. Die ältere selbst brach endlich das Eis, und im August 1789 machte sie bei einem gemeinsamen Aufenthalt in dem damaligen Bade Lauchstädt das Geständnis an Schiller, dass ihre Schwester ihn liebe. Sicherlich war Lotte auch im Grunde seine Wahl, und er sprach ihr nun in guten, treuen Worten seine Liebe aus, aber in der Sache blieb es doch dabei, dass er beide in gleichem Maße und gleichem Tone anschwärmte. Ein wenig arg muss er es damit wohl getrieben haben, denn seine eigene Tochter hat später für gut gehalten, die Briefe zu vernichten, die er in seiner Bräutigamzeit an Karoline gerichtet hat. Gleichwohl ist diese Doppelbrautschaft nicht das dämonische Rätsel, als das sie oft angestaunt worden ist. Sie erklärt sich einfach genug aus der Schwäche des Liebesgefühls, das ihm den Frauen gegenüber eigen war, und was überhaupt darüber zu sagen ist, das hat Schiller selbst gesagt, als er der ängstlich gewordenen Braut auf eine schüchterne Andeutung hin schrieb: „Karoline ist mir näher im Alter und darum auch gleicher in der Form unserer Gefühle und Gedanken. Sie hat mehr Empfindungen in mir zur Sprache gebracht als Du, meine Lotte – aber ich wünschte nicht um alles, dass dieses anders wäre, dass Du anders wärst, als Du bist. Was Karoline vor Dir voraus hat, musst Du von mir empfangen; Deine Seele muss sich in meiner Seele entfalten, und mein Geschöpf musst Du sein, Deine Blüte muss in den Frühling meiner Liebe fallen." Karoline zog ihn geistig mehr an, aber zur Frau wollte er doch nur ein unbedeutendes Wesen haben, das sich willenlos in seine Empfindungen und Stimmungen schickte.

Seine Verlobung musste zunächst geheim bleiben, da seine Existenz noch immer zu unsicher schien, als dass er ans Heiraten denken konnte. Nochmals wurden viele Pläne mit den Schwestern geschmiedet, um von Jena loszukommen, wobei namentlich auch der Koadjutor Dalberg in Erfurt eine große Rolle spielte, der dann doch nur dasselbe „Pulverfeuer" zeigte wie sein jüngerer Bruder in Mannheim. Endlich schlug Frau v. Stein beim Herzoge von Weimar das grandiose Jahresgehalt von zweihundert Talern los, und so konnte die Ehe am 22. Februar 1790 in dem Dorfe Wenigen-Jena in aller Stille geschlossen werden. Voran ging ihr ein heftiger Bruch zwischen Schiller und Charlotte v. Kalb, die wenige Wochen, nachdem es zu spät war, sich bereit erklärt hatte, ihre Ehe zu lösen und ihn zu heiraten. Die enttäuschte Sibylle machte nun, wie die erste beste Kokette, der armen Lotte böse Eifersuchtsszenen am Weimarer Hofe, und erbittert, aber im Grunde doch zutreffend meinte Schiller: „Sie war nie wahr gegen mich als etwa in einer leidenschaftlichen Stunde, mit Klugheit und List wollte sie mich umstricken." Charlotte erbat sich ihre Briefe an ihn zurück, die sie vernichtete; erst allmählich fand sie sich wieder. Auf Schillers von ihr erbetenen Rat nahm sie später den Dichter Hölderlin zum Erzieher ihres Sohnes, und als sie nach dem großen Erfolge des „Wallenstein" den Dichter aufrichtig beglückwünschte, bezeugte er ihr versöhnt, wenn auch mehr versöhnlich als wahr, wie viel er dem schönen und reinen Verhältnis schulde, das einst zwischen ihnen bestanden hätte.

Aus besserem Grunde als Charlotte v. Kalb war auch der getreue Eckardt in Dresden unzufrieden mit Schillers Ehe, und es kam hierüber zu einer leichten Verstimmung zwischen den beiden Freunden. Gleich nach der Verlobung waren Schiller und Körner in Leipzig zusammengetroffen; dieser hatte seine Frau und seine Schwägerin mitgebracht, und auf einen Tag kamen dann auch die Schwestern Lengefeld zur Begrüßung von Lauchstädt herüber. Gesinnungstüchtig, wie immer, erklärt die bürgerliche Literarhistorie die Missstimmung Körners daraus, dass seine Minna und Dora vor der „feineren Kultur" von Schillers Karoline und Lotte befremdet gestanden hätten, allein wenn man sich einmal auf diesen Standpunkt stellen und ihm auch die relative Berechtigung zuerkennen will, die er für die damalige Zeit haben mochte, so hatten doch Körner und die Frauen seines Hauses so vielfältige Beziehungen zu dem sächsischen Adel, dass sie durch die Noblesse von Rudolstadt nicht wohl überrascht werden konnten. Vielmehr sah der Leipziger Patrizierssohn Körner mit Unbehagen, dass Schiller in so enge Verbindung mit dem thüringischen Hofadel trat, und da hatte seine fürsorgende Freundschaft auch einen ganz richtigen Instinkt. Schiller hat in seiner Ehe gefunden, was er in ihr suchte, die willenlose Abhängigkeit einer immer gefügigen Frau, aber gerade sein Verzicht auf das Salz einer wirklichen Lebensgemeinschaft, die geistige Ebenbürtigkeit der Frau, hat sich an ihm gerächt, wie jede Art der Unterdrückung sich am Unterdrücker zu rächen pflegt: die höfischen Gesinnungen seiner Frau und ihres adligen Anhangs färbten stärker auf ihn ab, als der Dichter der „Räuber" sich je hätte träumen lassen.

Ein Glück war es nun doch, dass er in der Universitätsstadt Jena lebte und nicht in der Hofstadt Weimar. Neben allerlei kuriosem Volk gab es unter den Professoren Saalathens eine nicht unbeträchtliche Anzahl wissenschaftlicher Größen, und unter dem Brotstudentenpöbel, dem Schillers Antrittsrede scharf ins Gewissen geredet hatte, eine Anzahl frischer Köpfe. So fehlte es nicht an anregendem Verkehr, worin sich Schiller um so freier bewegen konnte, als er auch in der Ehe seine Junggesellenwirtschaft fortführte, da Lotte, für die nichtigen Tändeleien des Hoflebens erzogen, keinen eigenen Haushalt zu führen vermochte. Billiger lebte Schiller deshalb nicht, und um allen Ansprüchen zu genügen, musste er seinen Arbeitstag auf vierzehn Stunden ausdehnen, während er doch nur leichte literarische Ware produzierte, wie die Rezension über Bürgers Gedichte und die „Geschichte des Dreißigjährigen Krieges", die flüchtigste seiner historischen Schriften. Göschen, der diese Geschichte in einem Damenkalender veröffentlichte, schrieb besorgt an Wieland: „Entweder führt der neue Stand Schillern zur Stetigkeit und Ordnung, oder die neuen Sorgen, die verdoppelten Bedürfnisse des Lebens drücken ihn zu Boden." Und es war noch kein Jahr von Schillers Ehe verflossen, als er zusammenbrach.

In einem Konzerte beim Koadjutor Dalberg in Erfurt, am 3. Januar 1791, überfiel ihn ein „heftiges Katarrhfieber", wie es die Ärzte nannten, trat jener Zustand dauernden Leidens ein, aus dem Schiller sich bis zum Ende seines Lebens nie mehr völlig befreien sollte. Er, der sich ehedem von der Körperwelt keine Stunde seines Lebens verderben lassen wollte, musste sich jetzt jede Stunde geistigen Schaffens von einem kranken Körper erkämpfen, und im Bewusstsein dieses Kampfes, den er so heroisch führte, wie nur je ein Sterblicher einen heroischen Kampf geführt hat, durfte er mit größerem Rechte als alle seine Nachbeter das stolze Wort sprechen: Es ist der Geist, der sich den Körper baut.

Dreimal im Laufe des Jahres 1791 rang er wochenlang zwischen Tod und Leben, und nur die sorgsamste Pflege, in der nun Frau Lotte den guten Grund ihrer Natur tapfer bewährte, konnte ihn retten. Aber das schwere Jahr hatte ihn 1400 Taler gekostet, und nochmals pochte die ökonomische Not ungestüm an seine Türe. Körners immer hilfreiche Hand wieder zu ergreifen, verbot ihm sein Stolz; Dalberg, der die herrlichsten Aussichten für die Zeit eröffnete, wo er Kurfürst von Mainz sein werde, verwies ihn für den Augenblick trocken an Karl August, und dieser gab zwar ein paar hundert Taler für eine Badereise nach Karlsbad, aber höher schwang sich die Opferfähigkeit des großartigen Mäzens nicht auf.

Da kam eine unerwartete Hilfe aus Kopenhagen. Der junge dänische Dichter Baggesen war in Jena mit Schiller bekannt geworden und übertrug seine Begeisterung für den Dichter auf den Erbprinzen von Augustenburg und den Minister Grafen Schimmelmann. Als sich die falsche Nachricht von Schillers Tode verbreitete, hatten sie ihm in Hellerbeck, am „donnerrollenden" Meere, eine tagelange Totenfeier gerüstet, und als nun die bessere Kunde kam, der Dichter lebe noch, aber er sei von schwerer Krankheit geschlagen, da entschlossen sich der Erbprinz und der Minister, ihm für drei Jahre ein Jahresgehalt von eintausend Talern auszuwerfen, unter keiner anderen Bedingung, als dass Schiller sich von seiner Krankheit gründlich erhole.

Mehr als die Spende selbst, die für so reiche Leute wenig bedeutete, ehrte die Spender die Art, wie sie gaben. Sie schrieben an Schiller: „Ihre durch allzu häufige Anstrengung und Arbeit geschwächte Gesundheit bedarf, so sagt man uns, für einige Zeit einer großen Ruhe, wenn sie wiederhergestellt und die Ihrem Leben drohende Gefahr abgewendet werden soll … Nehmen Sie unser Anerbieten an, edler Mann! Wir kennen keinen Stolz als nur den, Menschen zu sein, Bürger in der großen Republik, deren Grenzen mehr als das Leben einzelner Generationen, mehr als die Grenzen des Weltalls umfassen. Sie haben nur Menschen, Ihre Brüder vor sich, nicht eitle Große, die durch solchen Gebrauch ihrer Reichtümer nur einer etwas edlen Art von Stolz frönen." Die so gebotene Hand durfte Schiller wohl mit den Worten begreifen: „Erröten müsste ich, wenn ich bei einem solchen Anerbieten an etwas anderes denken könnte als an die schöne Humanität, aus der es entspringt, und an die moralische Absicht, zu der es dienen soll. Rein und edel, wie Sie geben, glaube ich empfangen zu können … Nicht an Sie, sondern an die Menschheit habe ich meine Schuld abzutragen. Diese ist der gemeinschaftliche Altar, wo Sie Ihr Geschenk und ich meinen Dank niederlege."

Minder zurückhaltend, aber um so ergreifender schrieb Schiller gleichzeitig an Baggesen: „Von der Wiege meines Geistes an bis jetzt, da ich dieses schreibe, habe ich mit dem Schicksal gekämpft, und seitdem ich die Freiheit des Geistes zu schätzen weiß, war ich dazu verurteilt, sie zu entbehren. Ein rascher Schritt vor zehn Jahren schnitt mir auf immer die Mittel ab, durch etwas anderes als schriftstellerische Wirksamkeit zu existieren. Ich hatte mir diesen Beruf gegeben, ehe ich seine Forderungen geprüft, seine Schwierigkeiten übersehen hatte. Die Notwendigkeit, ihn zu treiben, überfiel mich, ehe ich ihm durch Kenntnisse und Reife des Geistes gewachsen war. Dass ich dieses fühlte, dass ich meinem Ideale von schriftstellerischen Pflichten nicht diejenigen engen Grenzen setzte, in welche ich selbst eingeschlossen war, erkenne ich für eine Gunst des Himmels, der mir dadurch die Möglichkeit des höheren Fortschritts offen hielt, aber in meinen Umständen vermehrte sie nur mein Unglück. Unreif und tief unter dem Ideale, das in mir lebendig war, sah ich jetzt alles, was ich zur Welt brachte; bei aller geahndeten möglichen Vollkommenheit musste ich mit der unzeitigen Frucht vor die Augen des Publikums eilen, der Lehre selbst so bedürftig, mich wider meinen Willen zum Lehrer der Menschheit aufwerfen Was hätte ich nicht um zwei oder drei stille Jahre gegeben, die ich frei von schriftstellerischer Arbeit bloß allein dem Studieren, bloß der Ausbildung meiner Begriffe hätte widmen können! Zugleich die strengen Forderungen der Kunst zu befriedigen und seinem schriftstellerischen Fleiß auch nur die notwendige Unterstützung zu verschaffen, ist in unserer deutschen literarischen Welt, wie ich endlich weiß, unvereinbar. Zehn Jahre habe ich mich angestrengt, beides zu vereinigen, aber es nur einigermaßen möglich zu machen kostete mir meine Gesundheit." Noch an demselben Tage, wo Schiller diese Zeilen schrieb, erbat er sich von seinem Leipziger Verleger ein Exemplar von Kants „Kritik der reinen Vernunft", und sein Entschluss war gefasst, die Kantische Philosophie zu studieren, auch wenn es ihn die drei Jahre der freien Muße kosten sollte, die ihm seine dänischen Bewunderer gesichert hatten.

Wenige Monate darauf kam ihm eine andere Kunde aus der Fremde: im August 1792 war er vom Pariser Konvent zum Ehrenbürger der französischen Republik ernannt worden, zugleich mit Washington, Kosciuszko, Klopstock, Pestalozzi und anderen. Das Diplom, ungenau adressiert an den Sieur Gille, publiciste allemand, kam ihm erst einige Jahre später in die Hände, als Danton und Claviere, die es unterzeichnet hatten, sowie Roland, von dem das Begleitschreiben herrührte, längst im Totenreiche weilten. Aber durch die Zeitungen wurde die Sache schon im Herbste 1792 bekannt, und sie erregte an dem Weimarer Höfchen staatsmännisches Bedenken; es versteht sich, dass Karl August, der wettinisches, welfisches und hohenzollernsches Blut in den Adern hatte, mit der grotesken Gravität solcher Zwergdespötlein „streng monarchisch" und „streng konservativ" war. Frau v. Stein schrieb mit offiziöser Verwunderung an Lotte Schiller, was ihr Mann denn zum Lobe der Französischen Revolution geschrieben habe; „man" erwarte, dass er die Auszeichnung ablehnen werde. „Für jetzt", fügte die ehemalige Geliebte Goethes hinzu, „mag wohl das französische Bürgerrecht das Banditenrecht sein. Wollte Gott, die Franzosen hätten es nur bei ridicules bewenden lassen und nicht bei Szenen, wovor die Menschheit schaudert." Über solchen Unsinn lachte Schiller noch, und so auch sah er es kaltblütig mit an, als sich im Oktober 1792 Mainz an den französischen General Custine ergeben musste, obgleich dadurch auch für ihn die Aussichten verschwanden, die ihm Dalberg erweckt hatte.

Gelassen meinte er: „Die Mainzer Aspekten werden sehr zweifelhaft für mich, aber in Gottes Namen. Wenn die Franzosen mich um meine Hoffnungen betrügen, so kann es mir einfallen, mir bei den Franzosen selbst bessere zu beschaffen." Aber das war in der Tat nur ein flüchtiger Einfall, und schon im Oktober rechnete sich Schiller in einem Briefe an Körner zu den „Revolutionsfeinden". Im Dezember wollte er dann eine Schrift für den gefangenen Ludwig XVI. verfassen; obgleich er den „Moniteur" regelmäßig las, war ihm das Wesen der französischen Klassenkämpfe doch so fremd, dass er sich einbildete, eine solche Schrift dürfte „wahrscheinlich auf diese richtungslosen Köpfe einigen Eindruck machen". Aber wohl wurde ihm darüber nicht, und als Ludwig Capets schuldiges Haupt unter dem Schermesser der Guillotine gefallen war, schrieb Schiller am 8. Februar 1793 an Körner: „Ich kann seit vierzehn Tagen keine französische Zeitung lesen, so sehr ekeln diese elenden Schindersknechte mich an." Der kühnste Vertreter des deutschen Sturmes und Dranges verhüllte entsetzt sein Haupt, als ihm die bürgerliche Revolution leibhaftig entgegentrat.

Am Tage darauf fragte er beim Erbprinzen von Augustenburg an, ob er diesem seine Philosophie des Schönen, bevor er sie dem Publikum übergebe, in einer Reihe von Briefen zuerst vorlegen dürfe. Es waren „Die Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen", die philosophische Hauptschrift Schillers.

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