Franz Mehring 19120920 Bücherschau (Franz Held, Ausgewählte Werke)

Franz Mehring: Bücherschau

Franz Held, Ausgewählte Werke

20. September 1912

[Die Neue Zeit, 30. Jg. 1911/12, Zweiter Band, S. 999. Nach Gesammelte Schriften, Band 11, S. 379 f.]

Franz Held, Ausgewählte Werke. Mit einem Vorwort und einer literarischen Charakteristik herausgegeben von Ernst Kreowski. Berlin 1912, Eberhard Frowein Verlag. 331 Seiten.

Eines der stärksten und zugleich eines der unglücklichsten Phänomene unter den „Jüngstdeutschen" nennt Kreowski den Dichter, dem er mit kundiger Freundeshand in diesen „Ausgewählten Werken" ein würdiges Denkmal gesetzt hat.

Franz Herzfeld – dies der Familienname des Dichters – war 1862 in Düsseldorf geboren. Gestorben ist er im Jahre 1908, nachdem sein geistiger Tod schon fast ein Jahrzehnt früher eingetreten war. Ihm sind nur wenige Jahre rüstigen Schaffens beschieden gewesen, aber in ihnen hat er reichlich und selbst allzu reichlich mit seinem Pfunde gewuchert: man kann seinem Andenken keinen besseren Dienst leisten als durch eine Auslese des Besten von dem, was er geschaffen hat.

Die dichterische Phantasie Helds war so mächtig wie zügellos. Darin erinnert er an Grabbe und selbst an den jungen Freiligrath: nur dass dieser zu rechter Zeit seine Freude am Grässlichen und Grotesken zu bändigen wusste, was Held leider nie gekonnt hat. Keines seiner Gedichte, das nicht durch irgendeine Schönheit erfreute, aber auch kaum eines, das nicht durch irgendeine Hässlichkeit abstieße, sei es in der Form oder im Inhalt. Held war darin ganz unbelehrbar; mochte man ihm Selbstkritik empfehlen, soviel man wollte, er blieb derselbe, auch wenn er wusste, dass ihm nicht aus spießbürgerlicher Bänglichkeit, sondern aus aufrichtiger Freundschaft so geraten wurde.

Allein diese Hartnäckigkeit war doch nur die Schattenseite seiner größten Tugend, der rücksichtslosen Ehrlichkeit, womit er seinen dichterischen Beruf auffasste. Er machte den tausend Versuchungen, mit denen heute der Weg des Poeten umlagert ist, der ein Liebling des bürgerlichen Publikums werden will, niemals die geringsten Zugeständnisse. Wäre ihm auch ein längeres Leben beschieden gewesen, so wäre er immer ein Mann geblieben, während so viele der „Jüngstdeutschen", die von der Reklame der kapitalistischen Presse gefeiert werden, zu kraft- und saftlosen Greisen geworden sind. Dieser kernhafte und tapfere Ton, der immer durch Heids Dichtungen klingt, bildet das heilsame Gegengewicht gegen Geschmacklosigkeiten des Inhalts, an denen es sowenig fehlt wie an Holprigkeiten.

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