Franz Mehring 19130725 Bücherschau (Erich Schlaikjer: Gegenwart und Zukunft der deutschen Schaubühne)

Franz Mehring: Bücherschau

Erich Schlaikjer: Gegenwart und Zukunft der deutschen Schaubühne

25. Juli 1913

[Die Neue Zeit, 31. Jg. 1912/13, Zweiter Band, S. 631. Nach Gesammelte Schriften, Band 11, S. 574]

Erich Schlaikjer, Gegenwart und Zukunft der deutschen Schaubühne. Stuttgart, Verlag für Volkskunst. Rich. Keutel. 82 Seiten.

Die kleine Schrift bespricht vornehmlich die Berliner Theaterzustände, aus genauer Kenntnis, mit einschneidender Kritik, in der frischen und munteren Weise, die man an dem Verfasser gewohnt ist. Was er über die „Sensation" im Theaterbetrieb, über die Gefahren der Bühnenausstattung, die Ausländerei der Presse sagt, alles das ist mit wohltuender Schärfe dargelegt.

Auch was Schlaikjer über das Problem der Bühnenausstattung grundsätzlich ausführt, ist sehr lesenswert und trifft unseres Erachtens den Nagel auf den Kopf. Er verwirft sie nicht schlechthin, aber zieht ihr die bestimmte Grenze, dass der Rahmen eben nur der Rahmen sein darf, der das Bild zwar einfasst, aber nicht mit ihm konkurriert. „Ein freistehender gemalter Baum ist auf der Bühne echt, weil er im Sinne eines Bildes echt ist; er wirkt künstlerisch, weil er innerhalb der Kunst bleibt. Ein natürlicher Baum ist auf der Bühne ein Unsinn, weil es in einem Bilde keine natürlichen Bäume gibt; er wirkt unkünstlerisch, weil er die Grenzen der Kunst verlässt." Unter diesem Gesichtspunkt schweift die vielgepriesene Regiekunst Reinhardts weit über das richtige Maß hinaus.

Eine neue Blüte des deutschen Theaters erhofft Schlaikjer von dem kulturellen Aufschwung, den die moderne Arbeiterbewegung der Nation gibt. Unter ihre ersten Anzeichen rechnet er die Gewerkschaftsbewegung der Schauspieler, die Schiller-Theater, die Freien Volksbühnen. Unverständlich bleibt nur, wie er auch das Königliche Schauspielhaus mit seinem „noblen Spielplan" in diesem Zusammenhang nennen kann, wenn es auch richtig sein mag, dass sich die Hoftheater von manchen Schäden des rein kapitalistischen Theaterbetriebs freihalten.

Kommentare