Franz Mehring 19130725 Der Fall Hauptmann

Franz Mehring: Der Fall Hauptmann

25. Juli 1913

[Die Neue Zeit, 31. Jg. 1912/13, Zweiter Band, S. 631/632. Nach Gesammelte Schriften, Band 11, S. 345 f.]

Der lärmende Spektakel über die vorzeitige Absetzung des Hauptmannschen Festspiels hat sich natürlich als ein Sturm im Glase Wasser erwiesen. Junker und Pfaffen sind daran gewöhnt, wie Felsen in den brandenden Wogen der sittlichen Entrüstung zu stehen, die die biedere Bourgeoisie entfesselt, und sie sagen höchstens mit Bismarck: Dor lach' ick öwer!

Hauptmann selbst hat sich bei diesem Anlass zwar als miserabler Poet, aber als guter Geschäftsmann erwiesen. Eben hatte er bei dem geschäftlichen Rummel zu seinem fünfzigsten Geburtstag sich zur reinen Kunst bekannt, die in höchsten Ätherhöhen über allem Gewimmel der irdischen Kämpfe stehen soll, als er in umsichtigster Weise, in der heldenhaften Gestalt eines zweiten Hutten, den Vorkampf gegen die Dunkelmänner übernahm, die seinem geliebten Hohenzollernstaat an den Kragen wollen.

Heiter-ernst" hat er einem Ausfrager des „Berliner Tageblatts" erklärt, es sei allerdings seine ausdrückliche Absicht gewesen, in seinem Festspiel der Allgemeinheit die Augen darüber zu öffnen, welche Gefahr die herrschende Partei der Konservativen durch ihre allzu enge Fusion mit der ultramontanen Macht über den preußischen Staat heraufbeschwöre. „Er sieht den Geist der Reformation, diesen Lebensnerv der Vormacht des protestantischen Deutschland, gegenüber den ultramontanen Machtgelüsten ins Hintertreffen gedrängt und möchte mithelfen an der Vereitelung geheimer Bestrebungen, die auf eine unterirdische römische Gegenreformation hinauslaufen. Er erblickt in diesen wohlmarkierten religiösen Eroberungen, die der römische Hierarchismus in den Reihen der evangelischen Orthodoxie und bis hinauf in die höchsten Stellen erreicht hat, eine gefährliche Zersetzung der Fundamente des preußischen Staatsorganismus, der seinem eigentlichen Wesen nach auf den Fortschritt eingestellt ist, und erinnert mit Recht in diesem Zusammenhang an die Liga der protestantischen Fürsten Deutschlands, die der große Friedrich kurz vor seinem Tode gegen die Wühlereien jesuitischer Dunkelmänner ins Leben gerufen." In diesem fürchterlichen Galimathias geht es dann noch eine Strecke weiter, doch sollen die Leser damit verschont werden.

In seinem tragischen Schmerz über „den mörderischen Stich feiger, schleichender und scheinheiliger Denunzianten" übersieht Herr Hauptmann als Retter des Vaterlandes ganz und gar, dass er den „Denunzianten" keinen größeren Gefallen tun konnte, als zu gestehen, dass er ihnen auf Regimentsunkosten – er hat aus dem Breslauer Stadtsäckel 25.000 Mark Honorar für sein Festspiel erhalten – eins habe auswischen wollen. Wenn er statt der Schwarzen vielmehr die Roten, die dem preußischen Staate ja noch viel gefährlicher sind, aufs Korn genommen hätte, so hätten wir ihm auch auf die Finger geklopft, wenngleich nicht dadurch, dass wir seinen Schmarren der allgemeinen Heiterkeit entzogen hätten.

Hüten wir uns also vor dem Eindruck rasselnder Redensarten, die uns Herrn Hauptmann als den weihevollen Hohepriester der Kunst aufreden möchten, dessen Antastung auch uns auf die Schanzen rufen soll. Man kann glücklicherweise die Junker und Pfaffen noch bis aufs Messer bekämpfen, ohne irgendeinem bürgerlichen Humbug irgendein Zugeständnis zu machen.

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