Franz Mehring: Lose Blätter

Promethidenlos

24. Juli 1909

[Die Neue Zeit, 27. Jg. 1908/09, Zweiter Band, S. 639. Nach Gesammelte Schriften, Band 11, S. 559]

Herr Gerhart Hauptmann hat das „Promethidenlos", seine erste Dichtung, freiwillig einstampfen lassen, weil ihm der abgeschmackt-komische Bombast, worin sie abgefasst war, noch rechtzeitig zum Bewusstsein kam. Jetzt hat er aber die Briefe seiner Jugend wiedergefunden und an den scheidenden Reichskanzler Bülow folgendes Telegramm gerichtet: „Ich empfinde in diesem Augenblick sehr tief den allgemeinen Schmerz des deutschen Volkes über Ihr Scheiden aus dem höchsten Amte. Gestatten Sie mir, durchlauchtiger Fürst, mich in die Reihe derer zu stellen, die der bitteren Größe des Augenblicks sich voll bewusst werden." In der Tat ein bitteres Promethidenlos für beide: für den Dichter der „Weber", der glücklich so weit gelangt ist, solchen Ulk zu ersinnen, als auch für den Fürsten Bülow, der sich in der schmerzensreichen Abschiedsstunde noch von solchem Ulk anöden lassen muss.