Franz Mehring 18930300 Um die Aufführung der „Weber" in der Freien Volksbühne

Franz Mehring: Um die Aufführung der „Weber" in der Freien Volksbühne

März 1893

[Die Volksbühne, 1. Jg. 1892/93, Heft 5, S. 13/14. Nach Gesammelte Schriften, Band 11, S. 558]

Ja, wir haben uns um die „Weber" bemüht. Schon im vergangenen Herbst. Aber am 11. November v. J. bat uns Herr Gerhart Hauptmann, bis zu der von ihm ersehnten Normaldarstellung von einer Aufführung der „Weber" absehen zu wollen. Nachdem dies Schauspiel nun am 26. v. M. in vortrefflicher Darstellung und mit dem bedeutenden Erfolge, den die bedeutende Dichtung verdient, vom Verein Freie Bühne im Neuen Theater aufgeführt worden war, richtete Herr Hauptmann aus freien Stücken ein weiteres Schreiben an uns, worin er den Wunsch aussprach, dass die Freie Volksbühne bis zum Austrage des Prozesses, den er mit dem Polizeipräsidium wegen Freigabe der „Weber" für die öffentliche Darstellung führe, von einer etwa ihrerseits geplanten Aufführung absehen möge.1 So sind uns die Hände aufs Neue gebunden. Denn Sie werden darin dem gegenwärtigen Ausschusse beistimmen, dass er es sich von vornherein zur Anstandspflicht gemacht hat, Werke von lebenden Autoren nicht ohne deren Zustimmung, geschweige denn gegen ihren ausdrücklichen Willen aufzuführen. Ihr Urteil über die „Weber" unterschreiben wir vollständig. Ja, das Drama ist uns noch wertvoller geworden, seitdem wir bei dem genauen Studium seines historischen Gehalts gefunden haben, dass es seinem Plane und auch den Höhepunkten des gedanklichen Gehalts nach auf einem Aufsatze beruht, den Wilhelm Wolff – derselbe „kühne, treue, edle Vorkämpfer des Proletariats", dem Karl Marx den ersten Band des „Kapitals" widmet – in dem „Deutschen Bürgerbuch" von Püttmann für das Jahr 1845 veröffentlicht hat. […]

1 Der (undatierte) Brief Gerhart Hauptmanns an Franz Mehring hat folgenden
Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr,

ich habe erfahren, dass die ,Freie Volksbühne' mit der Absicht umgeht, die ,Weber' zur Darstellung zu bringen. Ich teile Ihnen deshalb hier ergebenst mit, dass ich mit dem Polizei-Präsidium prozessiere, um Freigabe der ,Weber' zu erreichen, weshalb es im Interesse der Sache mein Wunsch ist, dass die Volksbühne mit der Darstellung warte bis zur gefallenen Entscheidung. An Dr. Bruno Wille habe ich im gleichen Sinne geschrieben. Hochachtungsvoll und ergebenst Gerhart Hauptmann."

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