Franz Mehring 19130418 Bücherschau (Heine-Reliquien)

Franz Mehring: Bücherschau

Heine-Reliquien

18. April 1913

[Die Neue Zeit, 31. Jg. 1912/13, Zweiter Band, S. 229/230. Nach Gesammelte Schriften, Band 10, S. 486 f.]

Heine-Reliquien. Neue Aufsätze und Briefe Heinrich Heines. Herausgegeben von Maximilian Freiherr v. Heine-Geldern und Gustav Karpeles. Mit fünf Bildnissen und fünf Faksimiles. Berlin 1911, Verlag von Karl Curtius. 357 Seiten.

Der Titel der umfangreichen Veröffentlichung bezeichnet ganz richtig ihren Inhalt. Es sind Überbleibsel aus dem Nachlass Heines, von mancherlei Interesse für die Spezialforscher über ihn, aber für diejenigen, die den genialen Dichter lieben, ohne ihn als Heiligen zu verehren oder als Teufel zu verfluchen, nicht allzu lesenswert.

Ihr Hauptzweck ist die Ehrenrettung Gustav Heines. Über diesen Bruder hat sich der Dichter gelegentlich sehr verächtlich geäußert, und der Sohn des Bruders veröffentlicht nun eine Reihe von Briefen, die der Dichter an Gustav Heine gerichtet hat, um zu beweisen, dass dieser von seinem berühmten Bruder durchaus geschätzt worden sei. Ob dieser Beweis gelungen ist, kann hier dahingestellt bleiben. Was uns an diesen Briefen, die sämtlich aus der „Matratzengruft" Heines geschrieben sind, am meisten interessiert, ist ein Urteil Heines über Lassalle, das seht abweicht von dem berühmten Zeugnis, das der Dichter dem werdenden Denker und Kämpfer ausstellte.

Am 21. Januar 1851 schreibt Heine an seinen Bruder über Lassalle: „Keiner, könnte wie ich seine schändlichen Ränke gegen den Grafen Hatzfeldt enthüllen, und eben seine Anmutungen, mich in solche zu verflechten, bestimmten mich, tatsächlich mit ihm zu brechen, und so besteht zwischen uns nun das Verhältnis einer wechselseitigen Schonung. Dieser Mensch aber, in seiner raschen Entwicklung zum Schlechten, ist einer der furchtbarsten Bösewichte geworden, der alles fähig ist, Mord, Fälschung und Diebstahl, und eine an Irrsinn grenzende Willenszähigkeit besitzt. Mit diesem will ich nichts anfangen." Und so weiter.

Ursache dieses Wutausbruchs waren pekuniäre Verluste, die den Dichter bedrohten als Folge einer Kapitalanlage, zu der ihn Lassalles Schwager, ein gewisser Friedland, beschwatzt hatte. Lassalle, der diesen Schwager gründlich verachtete, viel gründlicher als leider Heine selbst, war daran ebenso unschuldig wie sein Vater, und er selbst hat als Grund seines Bruches mit Heine die Beziehungen angegeben, in die der Dichter durch seine französische Pension mit Guizot geraten war, der wieder mit der Mätresse des Grafen Hatzfeldt irgendwie zusammenhing.

Lassalles Andenken wird durch die Veröffentlichung in keiner Weise geschädigt, eher machen die Briefe Heines einen für diesen ungünstigen Eindruck. Doch muss man erwägen, dass sie in den entsetzlichen Qualen der Krankheit geschrieben sind und in Geldnöten, die allerdings der Schwager Lassalles veranlasst hatte.

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