Franz Mehring 19081016 Eine Geschichte der Kriegskunst

Franz Mehring: Eine Geschichte der Kriegskunst

16. Oktober 1908

[Die Neue Zeit Ergänzungsheft Nr. 4, 16. Oktober 1908. Nach Gesammelte Schriften, Band 8, S. 134-200]

Hans Delbrück, Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Erster Teil. Das Altertum. Berlin 1900. 533 Seiten. – Zweiter Teil. Die Germanen. Berlin 1902. 490 Seiten. – Dritter Teil. Das Mittelalter. Berlin 1907. 700 Seiten. Verlag von Georg Stilke.

In ihren Anfängen knüpft die sozialistische Weltanschauung an die bürgerliche Aufklärung an, aber nur, um deren Illusionen zu überwinden und sich auf eigene Füße zu stellen, um aus einer angeblichen Wissenschaft, die tatsächlich nur die Forderungen der bürgerlichen Klasse verkleidete, eine wirkliche Wissenschaft zu machen, die allen historischen Zusammenhängen auf den Grund dringen will und, da sie durch kein Herrschaftsinteresse irgendeiner Klasse mehr gebunden ist, auch auf den Grund dringen kann.

Allein es ist klar, dass sich dieser Emanzipationsprozess von der bürgerlichen Aufklärung erst allmählich vollziehen konnte und manche ihrer Nebelstreifen noch heute die klare Erkenntnis trüben, deren die Arbeiterklasse bedarf, um ihren Sieg zu sichern. Und von keinem Gebiete gilt dies vielleicht so sehr wie von dem Gebiete der Kriegswissenschaften. Wir spotten wohl der bürgerlichen Friedenspfeifenraucher und haben ihnen hundertmal nachgewiesen, dass sie Unmögliches wollen, aber etwas von der Stimmung, die einst Buckle, den großen Historiker des Manchestertums, die „unbedeutenden Geschichten von Schlachten und Belagerungen" über die Achsel ansehen ließ, ist uns doch hängengeblieben. Die vielversprechenden Anfänge, die Engels und Bürkli mit kriegswissenschaftlichen Arbeiten gemacht hatten, haben erst ganz neuerdings in dem trefflichen Werke des Genossen Hugo Schulz über „Blut und Eisen" eine Fortsetzung gefunden.

Das Proletariat hat die kapitalistische Produktionsweise bekämpft, sobald es ihre Geißelschläge zu spüren begann, aber die Kraft, sie zu überwinden, hat es erst aus der Einsicht geschöpft, dass diese Produktionsweise einen großen historischen Fortschritt kennzeichne. Den Krieg aber bekämpfen wir um der Gräuel willen, die er in erster Reihe über die Arbeiterklasse verhängt, ohne uns in gleichem Maße gegenwärtig zu halten, wie er trotz seiner Gräuel in der Geschichte der Klassengesellschaft ein Hebel des historischen Fortschritts gewesen ist bis in die neueste Zeit hinein. Ohne die Kriege des napoleonischen Zeitalters wäre Deutschland im Sumpfe des Feudalismus verkommen wie vor ihm Polen, und die Kanonen des Krieges von 1870 haben ihm die Tore des Weltmarktes gesprengt. Die Blindheit für diese historische Bedeutung der Kriege, immer unter der Voraussetzung der Klassenherrschaft, war ein Fehler Buckles und ist heute der Fehler der bürgerlichen Friedensschwärmer, denen gegenüber Molochs Anbeter denn auch sehr leichtes Spiel haben.

Auf der anderen Seite sind wir natürlich sehr weit entfernt, dadurch, dass wir die historische Bedeutung der Kriege erkennen, sie als einen Hebel des menschlichen Fortschritts anzuerkennen. Der Sozialismus steht auch hierin zum Militarismus genauso wie zu seinem Zwillingsbruder, dem Kapitalismus: Er dreht ihm nicht den Rücken, indem er einige ärgerliche und banale Redensarten murmelt, nach dem Vorbild der kapitalistischen Friedensfreude, sondern er studiert seine Stärken und Schwächen, um ihn desto sicherer zu überwinden.

Ein sehr wertvolles Hilfsmittel für diesen Zweck ist die „Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte", die Hans Delbrück, der bekannte Professor der Geschichte an der Berliner Universität, seit dem Jahre 1900 herauszugeben begonnen hat. Sie ist unseres Erachtens das bedeutendste Werk, das die Geschichtsschreibung des bürgerlichen Deutschlands in dem neuen Jahrhundert produziert hat, und wir glauben sie deshalb einer ausführlicheren Besprechung unterziehen zu sollen.


1. Die Methode 


2. Marathon und Thermopylae 


3. Der Peloponnesische Krieg


4. Hannibal und Cäsar 


5. Die Schlacht im Teutoburger Walde 


6. Das Mittelalter 


7. Die Schweizer