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Die Geschichte der bürgerlichen Parteien ist eine Geschichte der Umfalle, des beständigen Prinzipienverrats, des Hosianna von gestern und des Kreuzige von heute.

Nirgends aber tritt diese Flugsandpolitik so schroff in die Erscheinung wie auf dem Gebiet des Militarismus. Wer vor fünfzig oder auch nur vor zwanzig Jahren behauptet hätte, dass der bürgerliche Liberalismus selbst in seiner entschiedensten Richtung, soweit bei ihm überhaupt von Entschiedenheit gesprochen werden kann, ohne alles Mucken sich an den Wagen einer Wehrvorlage gespannt haben würde, wie sie eben im Reichstag angenommen worden ist, wäre einfach ausgelacht worden. Kein sozialdemokratisches Blatt hätte sich oder hat sich eine so verwegene Prophezeiung gestattet. Was man sich heute aber eigentlich nicht mehr gestatten sollte, ist die Behauptung, dass es mit dem Freisinn nicht soweit gekommen wäre, wenn die Waldeck oder auch nur die Eugen Richter noch lebten. Diese Politiker wären heute ebenso gut wie ihre Nachfahren in das Lager Molochs abgetrabt.

Denn das klägliche Ende der bürgerlichen Opposition in Sachen des Militarismus ist nicht von ungefähr. Diese Opposition war von jeher ein Widerspruch in sich. Die stehenden Heere, der miles perpetuus, bildeten das Machtmittel, womit sich die moderne Monarchie gegen die feudalen Stände des Mittelalters durchsetzte, und insoweit lagen sie auch im Interesse der Städte. Der bürgerliche Handel bedurfte des militärischen Schutzes. Aber die Voraussetzung der stehenden Heere waren stehende Steuern, und davon wollten die Städte sowenig wie möglich wissen. So erklärt sich die bürgerliche Opposition, die schon im siebzehnten Jahrhundert gegen die stehenden Heere ein- und sich bis ins zwanzigste Jahrhundert fortsetzte, ohne je auf einen grünen Zweig zu kommen. Im Grunde ist auch nichts begreiflicher, denn am letzten Ende lässt sich der biedere Bürgersmann lieber eine Verkümmerung des Profits gefallen, als dass er Gefahr liefe, überhaupt keinen Profit zu machen.

Selbst für ein so armes und zurückgebliebenes Land wie die Mark Brandenburg ergab sich nach dem Dreißigjährigen Kriege die Notwendigkeit stehender Heere. Im Jahre 1619 beanspruchte der Kurfürst Georg Wilhelm von den feudalen Ständen zwei Tonnen Goldes, um Truppen zu werben. Die Stände erklärten diese Summe für unerschwinglich, aber zehn Jahre später, im Jahre 1629, hatten allein die Kontributionen Wallensteins die Mark Brandenburg schon 200 Tonnen Goldes gekostet. Aus diesem Gesichtspunkt verteidigte der preußische König Friedrich das System der stehenden Heere. Wohl seien sie teuer, aber doch minder kostspielig als die alten Bauernaufgebote, denn sie kürzten die Kriege ab. Keine Macht könne mehr einen Dreißigjährigen Krieg ertragen; mit höchstens sieben oder acht Feldzügen seien die Mittel der Souveräne erschöpft, sie selber friedfertig und nachgiebig geworden. Das stimmte zwar nicht recht zu der Versicherung desselben Königs, dass der Siebenjährige Krieg die deutschen Lande nicht weniger verwüstet habe als der Dreißigjährige. Aber immerhin – abgekürzt war der Gräuel allerdings.

An ihr Ziel gelangte die bürgerliche Opposition gegen die stehenden Heere nirgends. Beseitigt wurde die neue Einrichtung einzig in England, und diese Ausnahme bestätigte nur die Regel. Hier hatte sich die zur parlamentarischen Herrschaft emporstrebende Aristokratie dreimal, unter Karl I., Oliver Cromwell und Jakob II., durch ein stehendes Heer bedroht gesehen; nach ihrem Siege belud sie es mit bleibendem Misstrauen. Es ist bekannt, dass die „Erklärung der Rechte"1 die Errichtung oder Beibehaltung eines stehenden Heeres in Friedenszeiten für ungesetzlich erklärte; das Gesetz, auf dem die Disziplinargewalt innerhalb des Heeres einzig und allein beruht, muss dem Parlament alljährlich von neuem vorgelegt werden. Mit der bürgerlichen Opposition gegen die stehenden Heere hat diese Ausnahme von der Regel aber schon deshalb nichts zu tun, weil sie durch eine aristokratische Opposition geschaffen wurde. Sie wurde nur möglich durch die insulare Lage Englands, das sich nicht durch militaristische, sondern durch marinistische Waffen den Weltmarkt erobern konnte und erobert hat.

Auf dem Kontinent setzte die bürgerliche Opposition gegen die stehenden Heere zuerst in Frankreich ein, dank den grauenvollen Verwüstungen und den tiefen Demütigungen, die Ludwigs XIV. Kampf um die Weltherrschaft über das Land gebracht hatte. In dem Maße, als unter seinem Nachfolger Ludwig XV. das Königtum tiefer in der Verachtung der Nation sank, entbrannte der Kampf gegen die stehenden Heere schärfer. Sosehr sich Montesquieu bemühte, in den überlieferten Einrichtungen Frankreichs den allgemeinen und ewigen Geist der Gesetze wiederzufinden, so eiferte er doch häufig gegen die Epidemie, die die Könige treibe, ihre Heere ins schrankenlose zu vermehren. Jeder Monarch unterhalte so viele Truppen, als ob seine Völker in Gefahr wären, ausgerottet zu werden, und diesen Zustand nenne man Frieden!

Ungleich heftiger ging Voltaire ins Zeug. Er nennt die Soldaten bald gedungene Mörder und Hefe der Nation, bald verhöhnt er sie als arme Teufel, die in grobes blaues Tuch, 110 Sous die Elle, gesteckt würden, ihre Hüte mit groben weißen Borten eingefasst erhielten und rechts- und links-um machten; an deren Spitze dann der moderne Eroberer, der sich von seinen Staatsperücken habe Ansprüche auf eine Provinz zurechtmachen lassen, dem Ruhme entgegen marschiere. Und seien nicht seit Sulla die stehenden, mit dem Gelde der Bürger bezahlten Heere noch mehr zur Unterwerfung der Bürger als zur Unterjochung der anderen Nationen verwandt worden? In ähnlichem Geiste und womöglich noch schärfer schalt die berühmte Enzyklopädie auf die stehenden Heere, die dann auch von den Physiokraten befehdet wurden; Turgot schlug vor, die stehenden Heere als den unproduktivsten aller Stände durch eine Miliz zu ersetzen.

Von anderer Seite her kämpfte Jean-Jacques Rousseau gegen die stehenden Heere. Er berief sich auf die Schweiz, die ohne solche Heere und ohne Festungen auskomme. Die regulären Truppen nannte er die Pest Europas, die nur für zwei Zwecke gut sei: entweder um die Nachbarn anzugreifen und zu erwürgen oder um die Bürger zu fesseln und zu unterjochen. Soldat und Bürger seien nun einmal überall einander feindlich gesinnt; dies Übel sei von den regulären Truppen untrennbar. Darum möge man an die Stelle der stehenden Heere eine echte Miliz setzen; so sei das militärische System der Römer gewesen, so sei noch heute das militärische System der Schweizer; so müsse das System jedes freien Staates sein. „Jeder Bürger soll Soldat sein aus Pflicht, keiner aber soll es sein aus Profession. Jeder Bürger soll Soldat sein, aber nur wenn er es sein muss."

Es sind nur wenige Stimmen, die wir hier aus dem Konzert der französischen Aufklärung gegen die stehenden Heere anführen konnten. Aber sie genügen, um zu zeigen, dass am Ende des achtzehnten Jahrhunderts in Frankreich schon alles gesagt worden ist, was die bürgerliche Opposition in Deutschland seitdem gegen die stehenden Heere vorgebracht hat. Haben aber die Montesquieu und Voltaire und Rousseau einfach in den Wind gesprochen, so ist es am Ende nicht sosehr zu verwundern, wenn unsere biederen Fortschrittler und Freisinnigen kein besseres Los gezogen haben.

Werfen wir jedoch noch einen Blick auf die deutschen Zeitgenossen der Montesquieu und Voltaire und Rousseau! Es lag in der Natur der Dinge, dass die bürgerliche Opposition gegen die stehenden Heere sich in Deutschland nicht ebenso früh und ebenso stark entfalten konnte wie in England und Frankreich. Ein Reichsheer gab es im Frieden überhaupt nicht, und in den Einzelstaaten bestand das Heer überwiegend in lächerlicher Form.* Die Heere des feudalen Europa hatten bereits die ersten Niederlagen im Kampfe gegen das revolutionäre Frankreich erlitten, als sich einige unserer großen Denker vernehmen ließen. Kant fand, dass die größten Übel, die gesittete Völker drücken, durch den Krieg herbeigeführt würden, und zwar nicht sosehr durch einen wirklichen Krieg als vielmehr durch die nie nachlassende, vielmehr unaufhörlich vermehrte Zurüstung zum künftigen Kriege. Er verlangte die Abschaffung der stehenden Heere aus zwei Gründen. Einmal weil sie andere Staaten unaufhörlich mit Krieg bedrohen und durch das ewige Wettrüsten den Frieden noch unerträglicher machen als selbst einen kurzen Krieg, und dann weil es dem Rechte des Menschen widerstrebe, in Sold genommen zu werden, um zu töten oder sich töten zu lassen; der Mensch solle nicht bloß Maschine oder Werkzeug in der Hand eines anderen sein.

Wie Montesquieu durch Voltaire, so wurde Kant durch Fichte in der Opposition gegen die stehenden Heere übertroffen. Fichte hatte aus der Geschichte gelernt, dass die Tendenz aller Monarchien nach innen uneingeschränkte Alleinherrschaft, nach außen Universalmonarchie sei. „Lasst uns diese Quelle verstopfen, so ist unser Übel aus dem Grunde gehoben. Wenn uns niemand mehr wird angreifen wollen, dann werden wir nicht mehr gerüstet zu sein brauchen; dann werden die schrecklichen Kriege und die noch schrecklichere stete Bereitschaft zum Kriege, die wir ertragen, um Kriege zu verhindern, nicht mehr nötig sein." Fichte spottet unermüdlich über das „erhabene, aber wenig Nachdenken kostende Amt, rechts oder links sich schwenken oder das Gewehr präsentieren zu lassen oder, wenn es je ernsthafter werden sollte, zu morden oder sich morden zu lassen". Er wirft den Königen vor, dass sie Millionen „in der fürchterlichen Fertigkeit zu würgen" unterrichten, um sie gegen alles zu gebrauchen, was ihren Willen nicht als sein Gesetz anerkennen will.

Als dritter ist dann Herder zu nennen, der die stehenden Heere „diesen entsetzlichen Druck der Menschheit" nennt. Mit ihnen blieben die Deutschen, was sie schon in den Tagen des Tacitus gewesen seien, „im Frieden zum Kriege gewaffnete Barbaren". Auch Wilhelm v. Humboldt stimmt in den gleichen Ton ein; er fragte, wie verderblich es sein müsse, wenn beträchtliche Teile der Nation im Frieden nur zum Behuf des Krieges in einem maschinenmäßigen Leben erhalten würden; der Staat, so meinte er, solle sich aller Einrichtungen enthalten, um die Nation zum Kriege zu bilden.

Bemerkenswert ist nun aber, dass, wie ehedem schon die französischen Denker, die gegen die Söldnerheere gekämpft hatten, so auch ihre deutschen Nachfolger ein Echo aus diesen Heeren selbst fanden. Und zwar in erster Reihe aus dem preußischen Heere, das im achtzehnten Jahrhundert als das Ideal eines stehenden Heeres galt. In seinem Ursprung und seinem Wesen unterschied es sich mannigfach von den stehenden Heeren seiner Zeit. Es war nicht von modernen Mächten aus der Taufe gehoben worden, sondern ein Werkzeug des feudalen Junkertums, das sich nach dem Dreißigjährigen Kriege, um nicht eine Beute der Polen und Schweden zu werden, zum miles perpetuus bequemen musste, aber sich nur in seiner Weise dazu bequemte. In dem Landtagsabschied von 1653 bewilligten die Stände dem Kurfürsten die Mittel für die Errichtung eines stehenden Heeres, wobei sie sich selbst vollkommene Steuerfreiheit, ausschließliche oder so gut wie ausschließliche Besetzung der Offiziersstellen und endlich unbeschränkte „Gutsherrlichkeit", das heißt schrankenloses Herrenrecht über die bäuerliche Klasse, sicherten. So gewannen sie die Möglichkeit, durch das Heer die Bevölkerung in einem Umfang auszupowern, wie es ihnen in den Tagen ihrer noch ungetrübten feudalen Herrlichkeit nicht entfernt möglich gewesen war.

Im einzelnen ihre Gaunereien aufzuzählen würde an dieser Stelle, wo es nur auf die Frage der Miliz und des stehenden Heeres ankommt, viel zu weit führen, zumal da es an anderen Orten schon genugsam geschehen ist. Wie aber kommt es, dass die Junker in diesem stehenden Heere, das nur durch den grausamsten Gebrauch des Stockes zusammengehalten werden konnte, das Ideal einer Miliz preisen durften, ohne ausgelacht zu werden, dass zum Beispiel der General Rüchel, der junkerlichste aller junkerlichen Generale, sagen konnte: „Die preußische Armee ist die weiseste und schönste Landmiliz." Die Erklärung ist sehr einfach. Die bäuerliche und bürgerliche Bevölkerung wurde bis aufs Blut ausgepresst, um die Mittel für den Unterhalt des stehenden Heeres zu schaffen; diese Mittel flossen in die Taschen der Offiziere, um Soldaten zu werben und zu besolden, aber sie flossen zur guten Hälfte nicht wieder heraus, sondern blieben hübsch drinnen, indem die Offiziere die Hörigen, über die sie als Junker freie Verfügung hatten, zu Soldaten pressten, was ihnen erstens das Werbegeld sparte und zweitens auch ermöglichte, die Soldzahlung auf ein Minimum zu beschränken. Denn diese Rekruten brauchten nur drei Monate unter der Fahne zu dienen und wurden dann zwanzig Jahre lang jedes Jahr nur einen Monat zur Übung eingezogen. Dabei fiel für die Junker noch der besondere Vorteil ab, dass ihnen das Scharwerk dieser Hörigen, auf deren Kosten sie die Staatskassen bemogelten, möglichst kurze Zeit entzogen wurde.

So sah die „halbe Miliz" aus, aus der auch noch nach der Versicherung neuerer Historiker das altpreußische Heer bestanden haben soll. Tatsächlich wurde an dem Charakter des stehenden Heeres nichts dadurch geändert, dass es etwa zur Hälfte aus Landeskindern bestand. Im Gegenteil! Diese Rekruten besaßen immer noch ein Maß moralischer Kraft, das durch grausame Misshandlungen um so rücksichtsloser ausgerottet werden musste. Es kam vor, dass die „Einländer" häufiger desertierten als selbst die „Ausländer", die Strolche und Verbrecher aus aller Herren Länder, die das Desertieren gewerbsmäßig betrieben, um immer neues Handgeld zu verdienen. Ebendeshalb galt das preußische Heer im achtzehnten Jahrhundert als das Ideal eines stehenden Heeres, weil in ihm das System, jede Spur von Selbstbewusstsein in dem Soldaten auszurotten, am raffiniertesten ausgebildet war, ein System, das durch alle Wechsel der Zeiten hindurch bis auf den heutigen Tag noch nicht erstorben ist. In seinem militärischen Testament verfügte der preußische König Friedrich: „Was den Soldaten betrifft, … so ist es nötig, dass er seine Offiziere mehr fürchtet als die Gefahren, welchen man ihn aussetzt; anders wird man es nie dahin bringen, ihn durch ein Ungewitter von 300 Kanonen, die ihn niederschmettern, zum Sturme zu führen. Der gute Wille wird in solchen Gefahren den gemeinen Mann niemals heranbringen; das kann nur die Furcht tun." Nach solchen Anschauungen war es ganz gleichgültig, ob das preußische Heer aus märkischen Bauernjungen oder aus heimatlosen Vagabunden oder aus kriegsgefangenen Franzosen bestand.

Nun aber rief gerade das Prinzip, jede moralische Kraft des Soldaten auszurotten, zwar nicht in der Masse der junkerlichen Offiziere, aber doch in einzelnen helleren Köpfen unter ihnen schwere Bedenken hervor. Der französische General Guibert hatte bereits im Jahre 1772 in einer Abhandlung über die Taktik geschrieben: „Die moderne Taktik hält nur solange Stich, als der Geist der europäischen Verfassungen der alte bleibt; sobald man eine Phalanx moralischer Kräfte zum Gegner bekommt, wird sie den Weg aller Erfindungen gehen." An ihn anknüpfend schrieb der ehedem preußische Offizier v. Berenhorst seine „Betrachtungen über die Kriegskunst, über ihre Fortschritte, ihre Widersprüche und ihre Zuverlässigkeit", eine Schrift, die von allem, was im achtzehnten Jahrhundert gegen die stehenden Heere geschrieben wurde, den tiefsten Eindruck auf die deutschen Zeitgenossen machte. Nicht zum wenigsten deshalb, weil sie sozusagen unmittelbar aus Molochs Hexenküche kam. Berenhorsts Vater war der Alte Dessauer, der erste Exerziermeister des preußischen Heeres, und er selbst hatte zum Stabe des Königs Friedrich gehört, als dessen Flügeladjutant den Siebenjährigen Krieg mitgemacht.

In den drei Bänden seines Werkes überschüttet Berenhorst mit immer neuem Spotte die „Wissenschaft des Erwürgens nach Regeln" und das Schlachtengewerbe, das die Menschheit entehre. Er spricht von den vierfüßigen Kriegern, den Pferden, die nicht so hurtig zu dressieren seien wie die zweifüßigen; denn die Pferde widerstrebten Schlägen und Stößen, während die Rekruten dadurch biegsam und gelehrig würden. Er spricht auch von den „zum Erschossenwerden Bestimmten", die man in Kleider und Stiefel stecke, mit Brot und Fleisch nähre und etwa noch mit ein paar Sous bei den Deutschen für Schnupf-, bei den Franzosen für Rauchtabak ablohne. Berenhorst meint, ein weiser Fürst brauche keine besoldeten Scharen, um seine heilsamen Absichten durchzusetzen; der bloße Gedanke, solche Scharen gegen Mitbürger, Väter, Brüder aufmarschieren und diese bei der ersten Widersetzlichkeit niederknallen zu lassen, müsse ihm grauenvoll sein; eine wenig zahlreiche Polizeimiliz reiche hin, wirkliche Bösewichte zu packen und zu bestrafen. Und so weiter.

Man sieht: An harten und schroffen Worten gegen die stehenden Heere ließ es Berenhorst ebenso wenig fehlen wie die bürgerliche Aufklärung. Aber in einem unterschied sich Berenhorst von ihr, genauso wie sich in Frankreich die militärischen Gegner der Söldnerheere, wie namentlich Servan, der spätere Kriegsminister der Republik, sich von den Voltaire und Rousseau unterschied. Sie wollen bei allem Abscheu vor den stehenden Heeren diese doch nicht völlig beseitigen: Ein Rest soll bleiben, eine „Rahmenarmee", wie Berenhorst sich ausdrückte, die im Augenblick des Krieges die zu den Waffen eilenden Massen in sich aufnehmen könne. „Mut, Waffen, feste Plätze, Lebensmittel, Geld und bloß die Rahmen der Regimenter: dann stampfe beim ersten Besorgnisfall der mit dem allgemeinen Vertrauen beehrte Regent, erwiderten Vertrauens voll, nur mit dem Fuße, und die jetzt notwendige Anschwellung des Heeres ergießt sich in tausend Quellen aus der Bevölkerung des Vaterlandes." So Berenhorst.

Eine ähnliche Begrenzung des Milizgedankens findet sich nun aber auch bei den Männern, denen es vergönnt war, modernere Formen des Kriegswesens zu schaffen, als sie in den Söldnerheeren des achtzehnten Jahrhunderts gegeben waren, bei Washington in Amerika, bei Carnot in Frankreich, bei Scharnhorst in Deutschland, und sie hatte ihre historischen Ursachen.

1 1688 stürzte die englische Bourgeoisie in der sogenannten glorreichen oder unblutigen Revolution ohne Beteiligung der Volksmassen den König Jakob II. Aus dem Hause Stuart, der eine Restaurationspolitik im Interesse der feudalen Reaktion durchführte. Der Staatsstreich brachte nach einem Ausdruck von Marx mit dem Oranier Wilhelm III. „die grundherrlichen und kapitalistischen Plusmacher zur Herrschaft" (Karl Marx: Das Kapital, Erster Band. In: Marx/Engels: Werke, Bd. 23, S. 751). 1689 musste Wilhelm III. die „Bill of Rights" (Gesetz der Rechte) unterschreiben; sie schränkte die königliche Macht stark ein und bestimmte u. a., dass das Parlament die Stärke der Armee und die Mittel für ihren Unterhalt jährlich festlegte.

*Wenn Goethe sich der Soldatenspielerei seines Herzogs widersetzte, so war er dabei weit entfernt von dem Gesichtspunkt der französischen Aufklärer. Was ihn mit Ekel erfüllte, zeigt folgendes Dokument, das er als weimarischer Kriegsminister eigenhändig abgefasst hat: „Wir haben referieren hören, was Ihr wegen der bei Gelegenheit der an den für den desertierten Husaren Thon angetretenen Husaren Bircke abzugebenden ledernen Hosen zwischen Euch und dem Rittmeister v. Lichtenberg entstandenen Differenz mittels Berichts vom 10. hujus, welchem die anschlüssig rückfolgenden Akten beigefügt gewesen, anhero gelangen lassen."

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