Franz Mehring 18990620 Der badisch-pfälzische Feldzug

Franz Mehring: Der badisch-pfälzische Feldzug

20. Juni 1899

[Der wahre Jacob, Nr. 337, 20. Juni 1899. Nach Gesammelte Schriften, Band 7, S. 137-144]

Die badisch-pfälzische Revolution, die in diesen Tagen vor fünfzig Jahren ihre letzten Kämpfe schlug, konnte über verhältnismäßig nicht geringe militärische Hilfsmittel gebieten, über viel mehr, als irgendeiner anderen Erhebung der deutschen Revolutionsjahre zur Verfügung gestanden hatten.

In der Pfalz waren etwa 3000 Mann bayrischer Truppen zum Aufstand übergegangen, in Baden aber, mit der einzigen Ausnahme eines Bataillons, das in Schleswig-Holstein stand, das ganze Heer, fast 20.000 Mann Linientruppen, denen durch die Flucht aller Offiziere freilich gegen 300 Führer verlorengegangen waren. Dazu standen 14.000 bis 15.000 Mann Bürgerwehren unter den Waffen, und ferner wurde in Baden wie in der Pfalz das erste Aufgebot der Volkswehr mobil gemacht, alle ledigen Männer von achtzehn bis dreißig Jahren, die man auf 8000 bis 10.000 Köpfe schätzen konnte. Dazu kam eine Anzahl von Freikorps, in der Pfalz ein rheinhessisches Korps unter den leider ganz unfähigen Führern Zitz und Bamberger, dann Willichs Freischar, die aus Arbeitern, Studenten, Turnern zusammengesetzt war und auch eine Kompanie rheinpreußischer Rebellen umfasste, in Baden die Flüchtlingslegion unter Böning, die Blusenbatterie unter Borckheim, die Heilbronner Schützen und namentlich die Hanauer Turner, eine sehr tapfere und tüchtige Truppe, die sich aus ihrer Heimat zu dem badischen Aufstande durchgeschlagen hatte.

Zu einer ausreichenden Organisation dieser Streitkräfte kam es aber nicht, obgleich reichlich ein Monat Zeit dafür gewesen wäre. In der Pfalz fehlte es an Geld, und die Bevölkerung nahm die Dinge etwas sehr auf die leichte Achsel. Engels schildert diese Zustände als Augenzeuge wie folgt: „Wer die Pfalz nur einmal gesehen hat, begreift, dass eine Bewegung in diesem weinreichen und weinseligen Lande einen höchst heitern Charakter annehmen musste. Man hatte sich endlich einmal die schwerfälligen, pedantischen altbayrischen Bierseelen vom Halse geschafft und an ihrer Stelle fidele pfälzische Schoppenstecher zu Beamten ernannt. Man war endlich jene tiefsinnig tuende bayrische Polizeischikane los, die … dem flotten Pfälzer schwerer auf dem Herzen lag als irgend etwas andres. Die Herstellung der Kneipfreiheit war der erste revolutionäre Akt des pfälzischen Volks: Die ganze Pfalz verwandelte sich in eine große Schenke, und die Massen geistigen Trankes, die ,im Namen des pfälzischen Volks' während dieser sechs Wochen verzehrt wurden, übersteigen alle Berechnung."1 Engels verkennt daneben nicht, dass die lachenden Regenten der revolutionären Pfalz sich besser benommen und verhältnismäßig mehr geleistet haben als der „gesinnungstüchtige" Brentano in Karlsruhe, der trotz allem Bitten der provisorischen Regierung in Kaiserslautern ihr das verweigerte, was er mit vollen Händen hätte gewähren können und was, nicht gewährt, auch den besten Willen lähmen musste, nämlich Geld und Waffen.

Die Aushebung der pfälzischen Volkswehr ging meist nur auf dem Papier vor sich; soweit sie aber gelang, wurden die ganz ungeübten Rekruten mit den alten Liniensoldaten zusammengeworfen, die zum Aufstande übergegangen waren. Das wäre in einem aktiven Feldzuge mit strenger Disziplin und fortwährender Waffenübung auch sehr ratsam gewesen, aber da die Waffen fehlten, wirkliche Bataillone nicht zusammenkamen und die Rekruten nicht einexerziert werden konnten, so hatten die Soldaten nichts zu tun, verbummelten alle Disziplin und kriegerische Haltung, liefen teilweise selbst auseinander. Nur Willichs Freikorps zeichnete sich aus, indem es die Festungen Germersheim und Landau, die in Feindeshand geblieben waren, unausgesetzt beunruhigte und ihnen die Zufuhren abschnitt, wenn auch der Mangel an Artillerie ihre Eroberung verhinderte. In der Stunde der Entscheidung hatte die Pfalz nur 5000 bis 6000 Mann aufzuweisen, die mit Gewehren aller Art bewaffnet waren, und daneben 1000 bis 1500 Sensenmänner: alles in allem weniger eine organisierte Kriegstruppe, als einen schlecht gerüsteten Haufen, der zudem in dem polnischen General Sznayde einen total unfähigen Führer besaß.

Über das badische Heer sagt Johann Philipp Becker, ein kundiger Urteiler, dass es „nicht nur äußerlich im Verfalle, sondern auch gänzlich demoralisiert" gewesen sei. Das war nach der Vorgeschichte dieses Heeres nicht anders zu erwarten, jedoch stellten sich seiner Reorganisation die größten Hindernisse entgegen, nicht allein durch die hinschleppende und verwirrende Politik Brentanos, sondern auch dadurch, dass in dem gelichteten Offizierkorps immer noch eine Anzahl unzuverlässiger Elemente zurückgeblieben und den Soldaten die Wahl der neu einzustellenden Offiziere bis zum Stabsoffizier aufwärts freigegeben worden war. Die Bürgerwehren waren zum Felddienst wenig tauglich und teilweise, besonders in den größeren Städten, direkt reaktionär gesinnt. Dagegen glückte es mit der Organisation der Volkswehr in Baden etwas besser als in der Pfalz, da die badischen Volkswehren in Johann Philipp Becker einen tüchtigen Führer erhielten; aus der Schule der schweizerischen Miliz hervorgegangen, wusste dieser wackere Kämpfer mit einem Material, das für Linienoffiziere schwer oder gar nicht zu handhaben war, wohl etwas anzufangen, nur hatte auch er unausgesetzt mit dem bösen Willen Brentanos zu kämpfen.

Am 25. Mai wurde der ehemalige Leutnant Sigel, der den Heckerputsch im Frühling 1848 mitgemacht hatte und dadurch populär geworden war, zum Oberbefehlshaber der badischen Streitkräfte ernannt. Sigel war ein entschlossener und tapferer, aber noch sehr junger Offizier, den die Eifersucht seiner älteren Untergebenen und auch wohl der Mangel an eigener Erfahrung mit einem empfindlichen Misserfolg beginnen ließen. Er machte am 30. Mai einen Vorstoß nach Hessen in der ganz richtigen Absicht, die Revolution wenn möglich noch über die badischen Grenzen hinauszutragen, wurde aber mit leichter Mühe zurückgeschlagen, unter großer Panik der eigenen Truppen. Darauf setzte ihn Brentano ab und gab den Oberbefehl an den ebenso reaktionären wie untüchtigen Hauptmann v. Beck. Allein damit hatte der Biedermann seine Karten doch etwas zu früh aufgedeckt, und da die ganze Lage inzwischen bedrohlich geworden war, so zwang ihn ein sehr hörbares Murren in Heer und Volk, den polnischen Feldherrn Mieroslawski zur Führung der badisch-pfälzischen Truppen herbeizurufen.

Mieroslawski traf am 10. Juni in Karlsruhe ein. Er hatte in Posen und Sizilien gekämpft, immer mit Unglück, aber auch immer mit militärischem Talent, und obgleich ihn seine Unkenntnis der deutschen Sprache wenig zum Leiter eines deutschen Revolutionsheeres befähigte, so wusste er doch schnell das Zutrauen der Soldaten zu gewinnen. Mit seinem Eintreffen nahm das badische Heer eine ungleich festere Haltung ein. Um die versäumten Gelegenheiten einzuholen, war es freilich zu spät, denn der Feind rückte heran. Mieroslawski musste mit dem schlagen, was er hatte; in seinem Bulletin vom 15. Juni gab er die Gesamtstärke der badischen Feldarmee auf 20.000 Mann an, wovon nur zwei Drittel zum Kampfe zu verwenden und höchstens die Hälfte eine geregelte Schlacht zu liefern imstande sei.

Während Brentano die badische Revolution lahmlegte, hatte der flüchtige Großherzog sich besser zu rüsten verstanden. Er wandte sich zunächst an den sogenannten Reichsverweser, was bei dessen Ohnmacht nicht sehr praktisch, aber insoweit ganz logisch war, als die badische Regierung ja die Reichsverfassung anerkannt hatte. Auch machte das Reichsministerium mobil, was ihm von Truppen zur Hand war, meist kleinstaatliche Kontingente, die unter dem Befehle des bisherigen Reichskriegsministers v. Peucker, eines preußischen Generals, ein Bundesarmeekorps von 20.000 bis 25.000 Mann bildeten, um gegen Baden vorzurücken. Aber da der Großherzog der zerschmetternden Kraft dieser Kriegsmacht nicht ohne Grund misstraute, so rief er auch die preußische Hilfe an und erhielt sie um einen dreifachen Preis: um den Verrat an der Reichsverfassung, die Anerkennung der preußischen Hegemonie und die Ernennung eines schroff reaktionären Ministeriums. Der Großherzog zahlte willig mit seiner Ehre und Würde, um nur ja sein Thrönchen wieder zu ergattern.

Nun wurden auch zwei preußische Armeekorps, jedes ebenfalls 20.000 bis 25.000 Mann stark, gegen den badisch-pfälzischen Aufstand mobil gemacht, von denen das Korps Hirschfeld auf dem linken und das Korps Gröben auf dem rechten Rheinufer vorrückte. In zweiter Reihe brachte Bayern ein Korps von 10.000 bis 15.000, Württemberg eins von 8000 und Österreich in Vorarlberg eins von 10.000 Mann auf, so dass ziemlich eine Übermacht von 100.000 scharf gedrillten und reichlich ausgerüsteten Truppen aufgeboten war, um die paar Zehntausende von mangelhaft bewaffneten und geübten, oft auch mangelhaft geführten Rebellen nicht sowohl zu besiegen, als zu erdrücken. Die drei zum unmittelbaren Angriffe bestimmten Korps Hirschfeld, Gröben und Peucker standen unter dem Oberbefehle des Prinzen von Preußen, der die lang ersehnte Gelegenheit, kriegerische Lorbeeren zu ernten, trotz seiner gewaltigen Überlegenheit schlecht auszubeuten verstand. Er führte den Krieg in ungemein bedächtiger und zaghafter Weise, was schließlich auch seinen guten Grund hatte. Denn den Landwehren war bei alledem nicht recht zu trauen, und seit dem 18. März lebte der preußische Thronfolger in der nicht ganz ungerechtfertigten Vermutung, dass mit der Revolution nicht zu spaßen sei.

Mieroslawski, der die Neckarlinie mit den Stützpunkten Mannheim und Heidelberg hielt, in der Front den Angriff Gröbens erwartete und auf dem rechten Flügel schon von Peucker bedroht wurde, hatte in richtiger Schätzung der pfälzischen Streitkräfte den Befehl erteilt, dass sie sich vor dem Einfalle Hirschfelds fechtend zurückziehen und den Rhein überschreiten sollten, um diesen zu decken. Als am 12. Juni fünf preußische Heersäulen in die Pfalz einbrachen, hatten sie in der Tat leichtes Spiel; Sznayde und die provisorische Regierung der Pfalz mit ihm flohen Hals über Kopf in großem Wirrwarr. Ein fechtender Rückzug wurde es nur an wenigen Stellen. So in Kirchheimbolanden, wo die rheinhessische Legion – ohne ihre hasenherzigen Führer, die sich von einem jungen heldenmütigen Mädchen, Mathilde Hitzfeld, der Tochter eines Arztes, an Todesverachtung beschämen ließen – dem Feinde einigen Abbruch tat; leider vergaß sie bei dem notwendigen Rückzug ein Detachement von etwa 30 Mann im Schlossgarten, das von den Preußen teils niedergemetzelt, teils gefangen wurde. Die Behauptung, dass auch diese Gefangenen nachträglich füsiliert worden seien, ist von preußischer Seite zwar bestritten, aber damit keineswegs widerlegt worden; in andern Fällen ist es unbestreitbar und unbestritten, dass die Streiter für Thron und Altar, wie in Dresden, so in Baden und in der Pfalz gefangene Aufständische kaltblütig ermordet haben. Das Willichsche Freikorps hatte ein Rückzugsgefecht bei Annweiler, und bei Ludwigshafen misslang den Preußen der Übergang über den Rhein, obgleich sie die verbarrikadierte Stadt nach mehrstündigem Kampf eroberten und die Bürgerwehr zu ihnen überlief. Ihr Versuch, Mannheim mit glühenden Kugeln zu bombardieren, wurde von Mannheim aus mit einem heftigen Granatenregen der badischen Artillerie erwidert, der die Ludwigshafener Lagerhäuser entzündete und die einquartierten Preußen im Schach hielt. Jedoch im großen und ganzen war die Pfalz schnell erobert; am 18. Juni wälzten sich die pfälzischen Streitkräfte über die Knielinger Brücke nach Baden, in einer Verfassung, die ihnen nicht gestattete, nunmehr den Preußen den Rheinübergang streitig zu machen; bereits am 20. Juni marschierte Hirschfelds Korps über die Brücke bei Germersheim, ohne nachdrücklichen Widerstand zu finden.

Inzwischen hatte Mieroslawski am 15. und 16. Juni den Bundestruppen Peuckers siegreiche Gefechte bei Käferthal, Hirschhorn und Ladenburg geliefert und damit für einige Tage Luft bekommen. Er wurde nun aber durch Hirschfeld nach dessen Rheinübergang im Rücken bedroht. Hirschfeld teilte sein Korps, indem er die Division Brun auf Bruchsal dirigierte, um dem badischen Heere den Rückzug auf Karlsruhe zu verlegen, während die Division Hannecken nach Mannheim in den Rücken Mieroslawskis marschierte. Um die pfälzischen Streitkräfte, die zwischen Bruchsal und Karlsruhe standen und durch badische Truppenteile ganz ansehnlich verstärkt worden waren, kümmerte Hirschfeld sich nicht, was ihm übel genug hätte bekommen können, wenn Sznayde einigermaßen auf dem Posten gewesen wäre. Dieser unverbesserliche Tölpel hätte die Division Brun nur in Bruchsal festhalten brauchen, um dem Aufstand einen großen Erfolg zu ermöglichen.

Denn Mieroslawski erkannte richtig die drohende Gefahr. Er sicherte notdürftig die Neckarlinie gegen Gröben und Peucker, raffte ein Korps von 10.000 bis 12.000 Mann seiner besten Kräfte zusammen und stürzte sich in kühnem Entschlusse auf die in seinem Rücken erscheinende Division Hannecken. Bei Waghäusel kam es zum Treffen, und in siegreichem Anlauf warfen die badischen Bataillone die preußischen Truppen, die unter Verlust mehrerer Geschütze sich auf Philippsburg zurückzogen. Da wurde der Erfolg der Rebellen durch die Division Brun vereitelt, die, durch das Geschützfeuer herbeigerufen, auf dem Schlachtfelde erschien, und nun erscholl unter den Dragonern des badischen Heeres der schmachvolle Ruf: Verrat! Ihren verräterischen Obersten Beckert voran, jagten sie von dannen, die eigenen Reihen in wildeste Verwirrung werfend. Mieroslawski konnte nur noch den Rückzug auf Heidelberg antreten, um durchs Gebirg auf einem enormen Umwege den in der Ebene nunmehr verlegten Weg nach Karlsruhe und Rastatt zu finden.

Auf diesem Wege deckte Johann Philipp Becker den Rückzug mit seinen ungeübten Volkswehren, ohne Geschütz und Reiterei. Am Abend des 22. Juni zog er von Heidelberg nach Neckargemünd, wo er ein paar Stunden rastete, kam den 23. nach Sinsheim, wo er angesichts des Feindes wieder einige Stunden ruhen ließ, und am 24. über Bretten nach Durlach. Er hatte in 48 Stunden einen Marsch von 80 Kilometern mitten durch den Feind gemacht. In Durlach übernahm er noch die Trümmer der Pfälzer Truppen, die inzwischen bei Ubstadt eine Schlappe erlitten, durch dies Gefecht zwar Mieroslawskis Rückzug erleichtert, aber, nun selbst in den Rückzug gerissen, den elenden Sznayde verjagt hatten. Becker erhielt den Befehl, Durlach so lange zu halten, bis Karlsruhe geräumt sei; er verschanzte sich, so gut es ging, hielt am Morgen des 25. Juni vier Stunden lang die Angriffe von zwei preußischen Divisionen und von Peuckers Reichstruppen aus und zog dann in bester Ordnung ab, nachdem er die Nachricht erhalten hatte, dass Karlsruhe geräumt und somit sein Auftrag erfüllt sei. Beckers Leistungen in diesen Tagen sind selbst vom preußischen Militärwochenblatt anerkannt worden, und sie bilden auch wohl die glänzendste Episode des ganzen Feldzugs.

Die Trümmer des badisch-pfälzischen Heeres, im ganzen etwa 13.000 Mann, sammelten sich bei Rastatt und versuchten, noch einen letzten Widerstand an der Murglinie zu leisten. Zwei Tage lang, am 29. und 30. Juni, wurde heftig gekämpft. Dann wusste der sechsmal so starke Feind sich nur dadurch den Sieg zu sichern, dass, während Gröben und Hirschfeld die Stellung an der Murg in der Front angriffen, Peucker sie durch neutrales württembergisches Gebiet umging und vom rechten Flügel her aufrollte. Damit war der Feldzug entschieden, und den Resten des aufständischen Heeres blieb nichts als der Übertritt in die Schweiz. Zuletzt ergab sich die Festung Rastatt am 23. Juli auf Gnade und Ungnade; jede Möglichkeit eines Entsatzes war längst verschwunden.

Der Gesamtverlust, den die drei Korps Hirschfeld, Gröben und Peucker an Toten, Verwundeten und Vermissten in dem Feldzuge erlitten haben, wurde von ihnen selbst, vermutlich viel zu niedrig, auf 1000 Köpfe angegeben. Die Verluste der aufständischen Truppen lassen sich nicht genau beziffern, doch werden sie noch höher gewesen sein, schon weil das Niederstoßen wehrloser Gefangener nicht zu den Gewohnheiten der zivilisierten Revolution, sondern nur der barbarischen Gegenrevolution gehörte. Und den Opfern des Kampfes selbst reiht sich die lange Reihe der Opfer an, die von den sieglosen Siegern kaltblütig hingeschlachtet wurden, sei es durch die Kugeln des Standrechts, sei es durch langjährige Zuchthausstrafen, sei es durch die pestilenzialischen Höhlen der Rastatter Kasematten. Die Ermordung Trützschlers in Mannheim steht ebenbürtig neben der Ermordung Robert Blums in Wien; mit ihm fielen noch 27 brave Männer unter den Bluturteilen der preußischen Kriegsgerichte. Sie alle starben wie Helden, und vor ihrem Märtyrertum verstummt die Kritik, die nicht verstummen darf, solange es die Untersuchung der Ursachen gilt, an denen frühere Revolutionen gescheitert sind.

Die Niederlage der kleinbürgerlichen Revolution in Baden und in der Pfalz war die Niederlage des deutschen Kleinbürgertums überhaupt. Seine höchste Kraftentfaltung in den Jahren der Revolution hatte sich dennoch als unzureichend erwiesen, um den Absolutismus und Feudalismus zu brechen oder um die verräterischen Vorspiegelungen der Bourgeoisie zu durchschauen oder um ein ehrliches und klares Verhältnis zur Arbeiterklasse zu gewinnen. Soweit es damals ein klassenbewusstes Proletariat in Deutschland gab, hat es ehrlich und tapfer in der Reichsverfassungskampagne mitgetan: in Dresden und am Rhein wie in Baden und in der Pfalz: Die Kommunisten stellten überall die tapfersten Soldaten. Aber das deutsche Kleinbürgertum scheute trotzdem vor dem einzigen Wege zurück, der diese Klasse historisch aufwärts führen konnte; es erfüllte sich nicht, was Engels bei einem Rückblick auf den badisch-pfälzischen Feldzug schrieb: „Das deutsche Volk wird die Füsilladen und die Kasematten von Rastatt nicht vergessen; es wird die großen Herren nicht vergessen, die diese Infamien befohlen haben, aber auch nicht die Verräter, die sie durch ihre Feigheit verschuldeten: die Brentanos von Karlsruhe und von Frankfurt."2 Das deutsche Kleinbürgertum, das die Masse des Volkes bildete, von dem Engels sprach, hat alles vergessen: die „Infamien der großen Herren", die ruchlos das edelste Blut in Strömen vergossen haben, und die „Verrätereien der Brentanos von Karlsruhe und Frankfurt", die alle ihnen vom Proletariat in den Schoß geworfenen Früchte der Revolution zu vergeuden verstanden. Der „Kartätschenprinz" wurde der zu den Sternen erhobene, erste Kaiser des neudeutschen Reichs, und die „Brentanos", die der Entwicklungsprozess des Kapitalismus immer neu gebar, blieben die „Edelsten und Besten", in deren Hände das „Volk" bei jeder neuen Wahl abdankte.

Das hat erst sein Ende gefunden oder findet doch mehr und mehr sein Ende, seitdem das deutsche Proletariat zur Erkenntnis seines historischen Berufs erwacht ist. Viele der Tapfersten, die in der Reichsverfassungskampagne mitgestritten haben, die Engels, Johann Philipp Becker, Liebknecht, Tölcke, Fritzsche, Würkert und wie [sie] sonst noch hießen, standen ein halbes Menschenalter später an der Wiege der deutschen Sozialdemokratie, und seitdem dies Riesenkindlein seine Glieder reckt und streckt, sind deutsche Revolutionen mit dem verworrenen Verlauf und dem tragischen Schluss unmöglich, wie deren eine die badisch-pfälzische Revolution von 1849 war.

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